Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.10.2011, Az. I B 68/11

1. Senat | REWIS RS 2011, 1998

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Gegenstand

Zuwendungen an Gesellschafter-Geschäftsführer


Leitsatz

1. NV: Werden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung rückerstattet, ist nicht klärungsbedürftig, ob für eine GmbH eine arbeitsrechtliche Verpflichtung bestand, ihrem Geschäftsführer die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung steuerneutral zu erstatten.

2. NV: Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht können nur schlüssig dargelegt werden, wenn auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG dargetan wird, warum eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes zu einer anderen Entscheidung geführt hätte.

3. NV: Eine vGA liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter eine Leistung erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt. Diese Indizwirkung zivilrechtlich unwirksamer Vereinbarungen wird verstärkt, wenn bei klarer Zivilrechtlage Formvorschriften nicht beachtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97, BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386).

Gründe

1

Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist --bei Zweifeln an deren Zulässigkeit-- als unbegründet zurückzuweisen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[[[X.].].]O--), noch dient sie der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [[[X.].].]O) oder der Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [[[X.].].]O); zudem liegt auch kein Verfahrensmangel vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [[[X.].].]O).

2

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch [[[X.].].] ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist (so z.B. Beschluss des [[[X.].].] --[[X.].]-- vom 4. März 2009 [[[X.].].]/08, [[[X.].].], 1140).

3

Wenn die Klägerin sinngemäß die Rechtsfrage formuliert, es sei zu klären, ob die Klägerin arbeitsrechtlich verpflichtet gewesen sei, ihrem Geschäftsführer die der Klägerin erstatteten Beiträge des Arbeitnehmers zur Arbeitslosenversicherung steuerneutral zu erstatten, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Denn das Finanzgericht ([[[X.].].]) ist offensichtlich von einem anderen Sachverhalt ausgegangen. Unter Hinweis auf einen Kontoauszug der Klägerin vom 3. Juni 1998 hat das [[[X.].].] festgestellt, dass es sich bei den rückerstatteten Beträgen ausschließlich um Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung handelt. Die Rechtsfrage ist damit im Hinblick auf einen Sachverhalt formuliert worden, der der Entscheidung des [[[X.].].] nicht zugrunde lag.

4

Gleiches gilt für den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts im Grundsätzlichen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [[[X.].].]O).

5

2. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [[[X.].].]O sind nur Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das [[[X.].].] bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (ständige Rechtsprechung; z.B. [[[X.].].] vom 17. Oktober 2006 [[[X.].].] (PKH), [[[X.].].], 94; vom 9. Januar 2006 [[X.].]I B 25/05, [[[X.].].], 1106; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76; [[[X.].].] in Tipke/[[[X.].].], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 [[[X.].].]O Rz 108, jeweils m.w.N.). Das [[[X.].].] hat im Streitfall nicht gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [[[X.].].]O verstoßen.

6

a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [[[X.].].]O hat das [[[X.].].] den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 [[[X.].].]O die erforderlichen Beweise zu erheben. Dabei hat es den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel, aufzuklären. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das [[[X.].].] grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will (vgl. auch Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 [[[X.].].]/04, [[[X.].].], 780).

7

Verstöße gegen Verfahrensrecht führen allerdings nicht zur Zulassung der Revision, wenn der Beschwerdeführer das [[[X.].].] verloren hat (vgl. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 [[[X.].].]O). Die Rüge, das [[[X.].].] habe die Sachaufklärungspflicht verletzt, gehört zu den verzichtbaren Verfahrensrügen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.[[[X.].].], § 115 Rz 101, m.w.N.). Das [[[X.].].] geht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem [[[X.].].] verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Daher erfordert die schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht die Darlegung, welche konkreten Ermittlungen sich dem [[[X.].].] hätten aufdrängen müssen und weshalb der Kläger, obwohl er in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertreten war, nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat (vgl. § 295 ZPO i.V.m. § 155 [[[X.].].]O; zu den Anforderungen einer solchen Rüge [[[X.].].] vom 9. Februar 2006 [[[X.].].], [[[X.].].], 1155; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.[[[X.].].], § 120 [[[X.].].]O Rz 70, m.w.N).

8

Derartige Darlegungen fehlen im Streitfall. Insbesondere wäre von der Klägerin darzulegen gewesen, warum im Zusammenhang mit der Auszahlung der Versicherungsleistung unmittelbar auf das Konto des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des [[[X.].].] --die Versicherungsleistung stand aufgrund des Versicherungsvertrages allein der Klägerin zu-- eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Den Ausführungen der Klägerin in der Beschwerdeschrift ist hierzu nichts zu entnehmen. Letztlich wendet sich die Klägerin gegen die tatrichterliche Würdigung des [[[X.].].] und damit gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Derartige Einwände können jedoch nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein.

9

Zudem ist dem Protokoll der mündlichen Verhandlung am 17. März 2011 nicht zu entnehmen, dass die fachkundig vertretene Klägerin entsprechende Beweisanträge gestellt hat. Gleiches gilt für den im Zusammenhang mit der erhöhten Mietzahlung für das Ladenlokal in [[X.].] geltend gemachten Verfahrensmangel.

b) Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Auszahlung der Versicherungsleistung eine fehlerhafte Beurteilung der Darlegungs- und Beweislast durch das [[[X.].].] rügt, kann ein Verfahrensmangel nicht begründet werden. Es handelt sich dabei allenfalls um einen materiell-rechtlichen Fehler, da die Regeln der Beweislast an die jeweils anzuwendenden Normen des sachlichen Rechts anknüpfen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.[[[X.].].], § 115 Rz 82, m.w.N.). Damit wird jedoch kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.

3. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [[[X.].].]O ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [[X.].] erfordert. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das [[[X.].].] bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als insbesondere der [[X.].] oder ein anderes [[[X.].].]. Das [[[X.].].] muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt ([[[X.].].] vom 8. Februar 2010 [[X.].]/09, nicht veröffentlicht; Gräber/Ruban, a.a.[[[X.].].], § 115 Rz 53, m.w.N.).

Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der erhöhten Mietzahlung für das Ladenlokal in [[X.].] eine Divergenz zu den Urteilen des [[X.].] vom 13. Juli 1999 [X.] ([[X.].]E 191, 250, [X.], 386) und vom 12. Mai 2009 I[[X.].] R 46/08 ([[X.].]E 225, 112, [X.], 24) erkennen will, ist dem nicht zu folgen. Das [[[X.].].] hat bei seiner Entscheidung keine von der Rechtsprechung des [[X.].] abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Ausgehend von den bindenden Sachverhaltsfeststellungen des [[[X.].].] (vgl. [[[X.].].] in Tipke/[[[X.].].], a.a.[[[X.].].], § 118 [[[X.].].]O Rz 54 ff., 64 ff.) ist das [[[X.].].] vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung des [[X.].] davon ausgegangen, dass bei der Zuwendung eines Vermögensvorteils durch eine Kapitalgesellschaft an einen beherrschenden Gesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des [X.] ([X.]) 1999 auch dann anzunehmen sein kann, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an diesen erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 8. September 2010 [X.], [[X.].]E 231, 75, m.w.N.). Diese Indizwirkung gegen einen vertraglichen Bindungswillen, die zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter für die Annahme einer vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1999 beizumessen sein kann (s. z.B. Senatsurteil vom 23. Oktober 1996 [X.], [[X.].]E 181, 328, [X.] 1999, 35; s. auch [[X.].]-Urteil in [[X.].]E 225, 112, [X.], 24 zur entsprechenden Rechtslage bei sog. Angehörigenverträgen, jeweils m.w.N.), wird nach der Rechtsprechung des [[X.].] verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden kann ([[X.].]-Urteil in [[X.].]E 191, 250, [X.], 386). Davon ist das [[[X.].].] ausgegangen. Es hat deshalb die Nichtbeachtung der Formvorschriften der Klägerin angelastet. Diese Würdigung des [[[X.].].] kann eine Divergenz nicht begründen.

Meta

I B 68/11

26.10.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 17. März 2011, Az: 13 K 2492/06, Urteil

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 1996, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 76 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.10.2011, Az. I B 68/11 (REWIS RS 2011, 1998)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1998

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