Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.10.2019, Az. VIII R 16/16

8. Senat | REWIS RS 2019, 2100

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Gegenstand

Zur Berücksichtigung von Verlusten aus sog. Vollrisikozertifikaten


Leitsatz

Nach dem 30.06.2009 realisierte Verluste aus der Veräußerung von sog. Vollrisikozertifikaten, die nach dem 14.03.2007 angeschafft wurden, unterfallen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 4, Abs. 6 EStG i.d.F. des Streitjahres .

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 13.05.2016 - 7 K 3799/14 E aufgehoben und der [X.] 2012 vom 25.11.2015 dahin geändert, dass die Einkommensteuer 2012 ohne Ansatz einer Entschädigungszahlung in Höhe von 8.552 € und unter Berücksichtigung eines Verlustes von 40.800 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2012 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr, in der sie u.a. einen Antrag auf Überprüfung des [X.] gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG n.[X.]) gestellt hatten, erklärte der Kläger neben Kapitalerträgen in Höhe von ... € auch einen Verlust in Höhe von 42.448 € aus der Veräußerung von Zertifikaten, deren Emittent die [X.] war. Die Zertifikate hatte der Kläger am [X.] bzw. am 02.01.2008 für insgesamt 51.000 € von der A-Bank erworben.

2

Gemäß dem vom [X.] ([X.]) in Bezug genommenen Anlageprospekt hing der Wert der Zertifikate von der Entwicklung des [X.] [X.] 50

3

Nach der Insolvenz des Emittenten übertrug der Kläger die Zertifikate auf der Grundlage eines mit der [X.] als Rechtsnachfolgerin der A-Bank vor dem [X.] ([X.]) geschlossenen Vergleiches vom 22.05.2012 Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages "in Höhe von [X.] abzüglich der Ausschüttungen auf die [...] Zertifikate in Höhe von 1.332,09 Euro und 315,14 Euro" (insgesamt 1.647,23 €) auf die [X.]. Damit sollten alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien im Zusammenhang mit der Zeichnung der Zertifikate sowie etwaige Schadenersatzansprüche aus der Geschäftsbeziehung erledigt sein.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte den erklärten Verlust aus der Veräußerung der Zertifikate bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr nicht. Die aufgrund des Vergleiches erfolgte Zahlung der [X.] unterwarf das [X.] jedoch der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 3 EStG n.[X.]

5

Die hiergegen gerichtete Klage war teilweise erfolgreich. Das [X.] sah die Zahlung der [X.] an den Kläger nicht als von § 20 Abs. 3 EStG n.[X.] erfasst an. Nach dem vor dem [X.] geschlossenen Vergleich sei die [X.] nicht zu einer Entschädigungszahlung, sondern zu einer Teilzahlung, Zug um Zug gegen Rückgabe der Zertifikate verpflichtet gewesen. Hierbei handele es sich um einen Veräußerungsvorgang. Gegen eine Entschädigung spreche auch der Umstand, dass die [X.] nicht zur Zahlung der ursprünglichen Anschaffungskosten verpflichtet gewesen sei, sondern --offensichtlich mit Blick auf den Zeitwert der Anteile wegen der prognostizierten [X.] nur 20 % der ursprünglichen Anschaffungskosten geschuldet habe. Das [X.] beurteilte den [X.] jedoch als nicht steuerbar. Die Zertifikate seien nicht als [X.] § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Fassung (EStG a.[X.]) anzusehen. Dabei ging das [X.] davon aus, dass dem Kläger weder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] noch die Rückzahlung des [X.] zugesagt oder gewährt wurde, da der Wert der Zertifikate von der Entwicklung des [X.] [X.] 50

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die die Verletzung materiellen Bundesrechts rügen. Das [X.] habe § 52a Abs. 10 Sätze 6 und 7 EStG n.[X.] i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.[X.] unzutreffend ausgelegt. Bei den streitigen Zertifikaten handele es sich um [X.] § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG a.[X.]

7

Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil des [X.] Münster aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung 2012 vom 25.11.2015 ohne Ansatz einer Entschädigung in Höhe von 8.552 € und unter Berücksichtigung eines verrechenbaren Verlustes in Höhe von 42.448 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen herabzusetzen.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die streitigen Zertifikate stellten keine [X.] § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.[X.] dar, denn sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch der Ertrag seien unsicher. Die steuerliche Beurteilung habe nach § 23 EStG a.[X.] zu erfolgen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage in Bezug auf einen Veräußerungsverlust des [X.] in Höhe von 40.800 € (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zwar zutreffend erkannt, dass es sich bei der aufgrund des Vergleiches geleisteten Zahlung der [X.] an den Kläger nicht um eine Entschädigung i.S. des § 20 Abs. 3 [X.] n.[X.], sondern um ein Entgelt für die Veräußerung der Zertifikate handelt. Es hat jedoch übersehen, dass der dem Kläger entstandene Verlust aus der Veräußerung der Zertifikate nach § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 17 [X.]) der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 4, Abs. 6 [X.] n.[X.] unterliegt. Die Sache ist spruchreif. Der streitige Verlust ist in Höhe von 40.800 € aufgrund des Antrags des [X.] im Rahmen der ([X.] nach § 32d Abs. 4 [X.] n.[X.] als verrechenbarer Verlust (§ 20 Abs. 6 [X.] n.[X.]) zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

1. Der Verlust, den der Kläger aus der Veräußerung der Zertifikate erzielt hat, ist gemäß § 52a Abs. 10 Satz 8 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 4, Abs. 6 [X.] n.[X.] steuerbar.

a) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] ist der Gewinn aus der Veräußerung einer unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] fallenden sonstigen Kapitalforderung steuerbar. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist gemäß § 20 Abs. 4 und Abs. 6 [X.] n.[X.] auch ein negativer Gewinn --ein Veräußerungsverlust-- erfasst (vgl. z.B. Senatsurteil vom 12.06.2018 - VIII R 32/16, [X.], 74, [X.], 221, m.w.N.).

aa) Zu den [X.] gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 [X.] n.[X.] gehören [X.] jeder Art, wenn die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 [X.] n.[X.]). Als Veräußerung gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 [X.] n.[X.] auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft.

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] erfasst auch Erträge aus reinen Spekulationsanlagen ([X.]), da sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Höhe der Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängen darf (BTDrucks 16/4841, S. 54; [X.] 220/07, S. 89; Senatsurteil vom 20.11.2018 - VIII R 37/15, [X.], 169, [X.], 507; Senatsbeschluss vom 28.05.2019 - [X.], [X.], 132, [X.], 610; [X.]/Levedag, [X.], 38. Aufl., § 20 Rz 116; [X.]/[X.] in Korn, § 20 [X.] Rz 283 f.; [X.], in: [X.][X.], [X.], § 20 Rz C/7 13; zweifelnd [X.] in [X.], [X.], 18. Aufl., § 20 Rz 112).

bb) Bei den Zertifikaten handelt es sich um [X.] und damit um [X.] i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] Denn bei ihnen war sowohl die Rückzahlung des [X.] als auch die Ertragserzielung unsicher.

Nach den vom [X.] festgestellten Anlagebestimmungen war sowohl das Entgelt als auch die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals allein von der Entwicklung des Basiswertes, dem [X.] EURO STOXX 50

b) Der streitige Verlust resultiert aus der Veräußerung der Zertifikate an die [X.] im Mai 2012.

aa) Eine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] ist die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten (vgl. z.B. Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 221, m.w.N.). Weitere Tatbestandsmerkmale als den entgeltlichen Rechtsträgerwechsel enthält das Gesetz nicht. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung ist daher insbesondere weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig (vgl. Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 221, m.w.N.). An einer Veräußerung fehlt es jedoch, wenn das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft rückabgewickelt wird (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 06.09.2016 - IX R 27/15, [X.], 176, [X.], 335, zu § 23 [X.]).

bb) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] die vor dem [X.] geschlossene Vereinbarung, nach der sich der Kläger verpflichtet hatte, die Zertifikate Zug um Zug gegen Zahlung eines erheblich unter den Anschaffungskosten liegenden Geldbetrages auf die [X.] zu übertragen, als Veräußerung angesehen hat. Die dahingehende Würdigung des [X.] ist möglich und für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend.

c) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] ist anwendbar, obwohl der Kläger die Zertifikate bereits im November 2007 bzw. Januar 2008 erworben hat. Dies folgt aus § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 17 [X.]).

aa) § 52a Abs. 10 [X.] n.[X.] enthält Regelungen zur erstmaligen Anwendbarkeit von § 20 Abs. 2 [X.] n.[X.]; § 52a Abs. 10 Sätze 6 bis 8 [X.] n.[X.] bestimmen, wann Gewinne (bzw. Verluste) aus der Veräußerung von sonstigen [X.] jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] erstmals § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] unterfallen. § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] regelt dies für [X.], die zwar nicht die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.[X.], wohl aber die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] erfüllen. Hierzu bestimmt § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.], dass bei [X.], die zwar nicht die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, aber die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.d.[X.] des Art. 1 des [X.] 2008 vom [X.] ([X.], 1912) erfüllen, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 vorbehaltlich der Regelung in § 52a Abs. 11 Sätze 4 und 6 auf alle nach dem 30.06.2009 zufließenden Kapitalerträge anzuwenden ist, es sei denn, die Kapitalforderung wurde vor dem 15.03.2007 angeschafft. Gemäß § 52a Abs. 11 Satz 4 [X.] n.[X.] ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der am 01.01.1999 geltenden Fassung letztmals auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Wirtschaftsgüter vor dem 01.01.2009 erworben wurden. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der am 01.01.1999 geltenden Fassung bestimmte als private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 [X.]) Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

bb) Die Voraussetzungen des § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] sind erfüllt. Die vom Kläger veräußerten Zertifikate sind keine [X.] i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.[X.]

(1) § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.[X.] erfasst [X.] nur, wenn entweder die [X.] zugesagt, aber die Zahlung eines Entgelts dem Grunde und der Höhe nach ungewiss ist (Alternative 1), oder die [X.] nicht zugesagt ist, aber dem Gläubiger für die Kapitalüberlassung ein Entgelt zugesagt oder gewährt wird, wobei die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen kann (Alternative 2; vgl. z.B. Senatsurteil vom 27.10.2015 - VIII R 70/13, [X.], 736). Die erforderliche "Gewährung" eines steuerpflichtigen (ungewissen) Entgelts setzt voraus, dass entweder trotz fehlender vertraglicher Vereinbarung die [X.] oder die Höhe eines ([X.] im Vorhinein aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung sicher ist (vgl. Senatsurteile vom 04.12.2007 - VIII R 53/05, [X.], 339, [X.], 563; in [X.], 736; vgl. auch [X.]/[X.], § 20 [X.] Rz 302). Daher sind u.a. [X.] ohne [X.]sgarantie, bei denen sowohl der Zinssatz als auch die Höhe der [X.] an einen Index gekoppelt sind, keine [X.] i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.[X.] (vgl. z.B. [X.], Betriebs-Berater 2005, 2678, 2680; vgl. auch [X.], [X.], 877, 878, 882; vgl. Korn/Strahl in Korn, § 52a [X.] Rz 4; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], Jahresband 2008 --[X.]--, § 20 [X.] [X.]. J 07-11; [X.], in [X.]/ [X.], [X.], [X.] 2018, § 52a Rz 24).

(2) Dementsprechend fallen die streitigen Zertifikate, bei denen wie dargelegt weder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] noch die Rückzahlung des investierten Kapitals zugesagt war, nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.[X.] Eine Qualifizierung der Zertifikate als sog. Finanzinnovation i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c [X.] a.[X.] scheidet mithin ebenfalls aus.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger sog. Ausschüttungen erhalten hat. Erträge aus einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.[X.] sind zwar auch anzunehmen, wenn ein Entgelt nicht zugesagt, aber tatsächlich gewährt worden ist (vgl. Senatsurteile in [X.], 339, [X.], 563; in [X.], 736). Erfasst sind insoweit jedoch nur Fälle, in denen ohne eine ausdrückliche Zusage die Leistung des Entgelts aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung von vornherein, d.h. im Zeitpunkt der Emission sicher ist (vgl. Senatsurteile in [X.]E 219, 339, [X.], 563; in [X.], 736, m.w.N.). Dies war jedoch bei den streitgegenständlichen Zertifikaten nicht der Fall. Aufgrund der Kopplung des Entgelts an den vereinbarten Index war im Zeitpunkt der Emission kein Entgelt sicher. Auf die tatsächlich gezahlten sog. Ausschüttungen hatte der Kläger nach den Bestimmungen des [X.] keinen Anspruch. Vorschusszahlungen oder Ausschüttungen während der Laufzeit der Zertifikate waren nicht vorgesehen. Vorgesehen waren --in Abhängigkeit von der Entwicklung des [X.] allein Rückzahlungen an den jeweiligen [X.] bzw. am abschließenden Bewertungstag, wobei auch ein Totalverlust möglich war.

(3) Der Kläger hat die Zertifikate am [X.] bzw. am [X.] angeschafft und am 22.05.2012 veräußert, so dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] erfüllt sind und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] Anwendung findet.

(4) Der in § 52a Abs. 10 Satz 8 i.V.m. § 52a Abs. 11 Satz 4 [X.] n.[X.] enthaltene Vorbehalt zur letztmaligen Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] a.[X.] schließt die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] im Streitfall nicht aus, denn die Veräußerung der Zertifikate erfolgte außerhalb der Jahresfrist in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] a.[X.]

Die in § 52a Abs. 10 Satz 8 i.V.m. § 52a Abs. 11 Satz 4 [X.] n.[X.] als Ausnahme von der Anwendung der Abgeltungsteuer in Bezug auf nach dem 30.06.2009 zufließende Gewinne bzw. Verluste aus der Veräußerung von [X.]n vorgesehene letztmalige Anwendung des § 23 [X.] a.[X.] betrifft die Einlösung bzw. Veräußerung von vor dem 01.01.2009 erworbenen Zertifikaten innerhalb der Jahresfrist des § 23 [X.] a.[X.] Nur diese fallen in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] a.[X.] Die Veräußerung oder Einlösung außerhalb der Jahresfrist unterliegt demgegenüber nach Maßgabe des § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 17 [X.]) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] n.[X.] (vgl. auch Schreiben des [X.] vom 18.01.2016 - IV C 1-S 2252/08/10004:017, Rz 320; vom 14.12.2007 - IV B 8-S 2000/07/0001 - Schreiben an die Verbände der Kreditwirtschaft). Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] Die Ausnahmeregelung wurde eingefügt, um die als missbräuchlich empfundenen Neuemissionen von "[X.]" nach Veröffentlichung des [X.] zum UntStRefG 2008 zu erfassen. Ohne die Ausnahmeregelung hätten die Erträge aus Zertifikaten bei einer Anschaffung vor dem 01.01.2009 und nach Ablauf der Behaltensfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] a.[X.] ad infinitum nach altem Recht steuerfrei vereinnahmt werden können (vgl. BTDrucks 16/5491, 21 f.; [X.]/[X.], § 20 [X.] [X.]. J 07-11). Der Gesetzgeber wollte mithin entsprechende Veräußerungsgeschäfte erfassen und der Abgeltungsteuer unterwerfen, die nicht bereits gemäß § 23 [X.] n.[X.] steuerpflichtig waren, weil sie außerhalb der Jahresfrist erfolgten.

(5) Die Anwendung des § 20 Abs. 2 [X.] n.[X.] ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] im Einzelfall dazu führen kann, dass [X.], die --wegen des Ablaufs der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] a.[X.]-- steuerentstrickt waren, infolge der Regelung des § 52a Abs. 10 Satz 8 [X.] n.[X.] erneut steuerverstrickt werden. Denn im Streitfall liegt keine unechte Rückwirkung nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.] (vgl. z.B. Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, [X.] 127, 1, [X.], 76, zur rückwirkenden Verlängerung der Veräußerungsfrist bei Spekulationsgeschäften) vor, da im Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate am [X.] bzw. am [X.] das UntStRefG 2008 --und damit auch die Regelungen der §§ 20 Abs. 2, 52a [X.] n.[X.]-- bereits in [X.] war, so dass die gesetzliche Grundlage für eine Verlustberücksichtigung feststand. Das UntStRefG 2008 wurde am 17.08.2007 verkündet und trat einen Tag nach der Verkündigung (d.h. am 18.08.2007) in [X.] (Art. 14 Abs. 1 UntStRefG 2008).

2. Das [X.]-Urteil, das von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist im Wesentlichen stattzugeben. Beim Kläger ist ein Veräußerungsverlust gemäß § 20 Abs. 2, Abs. 4, Abs. 6 [X.] n.[X.] in Höhe von 40.800 € zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

a) Nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze hat der Kläger einen Veräußerungsverlust gemäß § 20 Abs. 2, Abs. 4 [X.] n.[X.] erzielt.

aa) Gewinn i.S. des § 20 Abs. 4 [X.] n.[X.] ist der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten (§ 20 Abs. 4 Satz 1 [X.] n.[X.]). Erfasst ist auch ein negativer Gewinn --ein Veräußerungsverlust-- (vgl. z.B. Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 221, m.w.N.), und zwar selbst dann, wenn dieser von außerhalb des Kapitalmarktes liegenden Gründen (z.B. der Insolvenz des Emittenten eines Zertifikates) beeinflusst ist (vgl. auch Niedersächsisches [X.], Urteil vom 21.05.2014 - 2 K 309/13, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1584; [X.], Der Betrieb 2015, 1919, 1924; a.A. noch zu § 20 [X.] a.[X.]: Senatsurteile vom 07.12.2010 - VIII R 37/08, [X.]/NV 2011, 776, und vom 13.12.2006 - VIII R 62/04, [X.]E 216, 199, [X.] 2007, 568).

bb) Zu den Einnahmen aus der Veräußerung gehört jede Gegenleistung, die der Veräußerer in Geld oder Geldeswert für das Wirtschaftsgut erhält. Neben dem Verkaufserlös sind auch alle sonstigen geldwerten Güter i.S. des § 8 [X.] n.[X.] erfasst, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung für das veräußerte Wirtschaftsgut erhält. Bei einem Kaufvertrag zwischen fremden Dritten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Veräußerungspreis dem vereinbarten Kaufpreis entspricht. Anders kann dies jedoch sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gegenleistung nicht nur für die Übertragung des Erworbenen erbracht wird, sondern dass damit zugleich eine andere Leistung abgegolten oder ein Teil der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet werden soll. Maßgeblich ist, welcher Teil einer einheitlichen Geldleistung als Gegenleistung für die Hingabe des Wirtschaftsgutes oder für eine andere Verpflichtung erbracht worden ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Erwerber für die Übertragung des Wirtschaftsgutes unter fremden Dritten regelmäßig nicht bereit sein dürfte, mehr als dessen Verkehrswert zu zahlen (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 176, [X.], 335, zum Veräußerungspreis gemäß § 23 Abs. 3 [X.]). Einnahmen aus Kapitalvermögen liegen nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] n.[X.] erst vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben (vgl. z.B. Senatsurteil vom 16.09.2014 - VIII R 15/13, [X.]E 247, 220, [X.] 2015, 468, m.w.N.). Auch die Verrechnung wechselseitiger Ansprüche kann einen Zufluss gemäß § 11 [X.] n.[X.] bedeuten (vgl. [X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 198, 198, [X.] 2003, 126, m.w.N.).

cc) Von den Einnahmen aus der Veräußerung sind nach § 20 Abs. 4 Satz 1 [X.] n.[X.] die Anschaffungskosten abzuziehen. Anschaffungskosten sind in Übereinstimmung mit § 6 [X.] n.[X.], § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) alle Kosten, die getragen werden, um ein Wirtschaftsgut in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Mit dem Anschaffungsgeschäft im Zusammenhang stehende Ermäßigungen der Aufwendungen für die Anschaffung führen zu einer Minderung der Anschaffungskosten (vgl. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB; vgl. hierzu z.B. [X.]-Urteile vom 26.02.2002 - IX R 20/98, [X.]E 198, 425, [X.] 2002, 796; vom 16.03.2004 - IX R 46/03, [X.]E 206, 231, [X.] 2004, 1046, m.w.N.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger aus der Veräußerung der Zertifikate einen Verlust in Höhe von 40.800 € erzielt (Anschaffungskosten in Höhe von 51.000 € abzüglich Einnahmen aus der Veräußerung in Höhe von 10.200 €).

Der Kläger hat für die Anschaffung der Zertifikate einen Betrag von 51.000 € aufgewendet. Die --vor dem Streitjahr erfolgte-- Zahlung der sog. Ausschüttungen führt nicht zu einer Minderung der Anschaffungskosten, denn es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass hiermit eine Erstattung auf die Anschaffungskosten erfolgen sollte.

Als Entgelt für die Zertifikate hat der Kläger 10.200 € erhalten. Dass die [X.] die von ihr geschuldete Leistung nicht nur für die Übertragung der Zertifikate, sondern auch aus anderen Gründen erbracht hat, ist nicht ersichtlich, auch wenn die Vergleichsvereinbarung im Rahmen eines [X.] geschlossen wurde und sie eine Regelung zur Erledigung sämtlicher Ansprüche der Beteiligten enthält. Denn nach den Feststellungen des [X.] orientierte sich der von der [X.] für die Übertragung der Zertifikate zu zahlende Betrag von 10.200 € an der prognostizierten Insolvenzquote und damit an dem Betrag, den der Kläger im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten erwarten konnte. Dieses Entgelt ist dem Kläger im Streitjahr zugeflossen, obwohl die [X.] nach Maßgabe der Vergleichsvereinbarung tatsächlich lediglich einen Betrag von 8.552,77 € auszuzahlen hatte (10.200 € abzüglich der sog. Ausschüttungen in Höhe von 1.647,23 €). Da es keine Rechtsgrundlage für die Zahlung von Ausschüttungen bzw. Vorschüssen an den Kläger gab, stand der [X.] bezüglich der bereits geleisteten 1.647,23 € ein Rückforderungsanspruch gegen den Kläger zu. Dieser war nach dem Sinn und Zweck der Vergleichsvereinbarung mit dem Kaufpreisanspruch des [X.] in Höhe von 10.200 € zu verrechnen. Hierin liegt eine zum Zufluss führende Aufrechnung.

c) Der Verlust ist gemäß § 20 Abs. 6 [X.] n.[X.] verrechenbar. § 20 Abs. 6 Satz 6 [X.] n.[X.] steht einer Verlustverrechnung nicht entgegen. Diese Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S. des § 43a Abs. 3 Satz 4 [X.] n.[X.] vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzuges. Eine solche Gefahr ist im vorliegenden Fall --wie die Bescheinigung der [X.] vom 30.09.2013 bestätigt-- nicht gegeben. Es wäre reiner Formalismus, in diesem Fall für die Verlustverrechnung eine Bescheinigung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 6 [X.] n.[X.] zu verlangen (z.B. Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 221, m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 [X.]O, da die Kläger bei einer Kostenteilung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 [X.]O weniger als 5 % der Kosten zu tragen hätten (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 20.04.2005 - X R 53/04, [X.]E 210, 100, [X.] 2005, 698).

Meta

VIII R 16/16

29.10.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 13. Mai 2016, Az: 7 K 3799/14 E, Urteil

§ 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG vom 14.08.2007, § 20 Abs 4 EStG 2009, § 20 Abs 6 EStG 2009, § 52a Abs 10 S 8 EStG vom 14.08.2007, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG vom 19.10.2002, § 52 Abs 28 S 17 EStG 2009, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.10.2019, Az. VIII R 16/16 (REWIS RS 2019, 2100)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2100

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