Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2014, Az. 3 StR 382/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5853

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 382/13

vom
6. Mai
2014
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung
-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu
2. auf dessen Antrag
-
am 6.
Mai
2014 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 15.
März 2013, soweit es ihn betrifft, im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen auf-gehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rü-gen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.

1
-
3
-
Nach den Feststellungen griff der Angeklagte, der als Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt W.

einsaß, zusammen mit dem Mitangeklagten S.

einen Mitgefangenen an. Er stieß ihm ein Messer in den Rücken und verletzte ihn bei dem Versuch, nochmals zuzustechen, am Arm. Anschließend trat er zusammen mit dem Mitangeklagten mehrfach auf den am Boden liegen-den Geschädigten ein.
Der [X.] hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat das [X.] rechtsfehlerfrei die formellen Voraussetzungen für die An-ordnung der Sicherungsverwahrung
nach §
66 Abs.
2 und §
66 Abs.
3
Satz
1 StGB festgestellt und die im vorliegenden Fall fortgeltenden erhöhten Anforderungen an die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung aus
der Entscheidung des [X.] (Urteil vom 4.
Mai 2011
-
2
BvR
2365/09 u.a., [X.] 128, 326) gesehen (vgl. [X.], Urteil vom 11.
März 2014 -
5
StR
563/13, NJW 2014, 1316; Beschluss vom 17.
April 2014 -
3
StR 355/13, juris). Hingegen hat das [X.] einen Hang des Angeklag-ten zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
4 StGB nicht tragfähig begründet. Dieses Merkmal verlangt nach der ständigen Rechtsprechung einen eingeschliffenen inneren Zustand des [X.], der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. [X.] ist derjenige, der [X.] zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der [X.] ist und aus innerer Haltlosigkeit [X.] nicht zu wider-stehen vermag.
Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegen-wärtigen Zustand. Sein Vorliegen hat der Tatrichter -
nach sachverständiger Beratung
-
unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des [X.] und seiner Taten maßgebenden Umstände in eigener 2
3
-
4
-
Verantwortung festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Dezember 2009 -
3
StR
399/09, juris; Beschluss vom 27.
Sep-tember 1994 -
4
StR
528/94, [X.]R StGB §
66 Abs.
1 Hang
8). Diese Würdi-gung bedarf in den Fällen von §
66 Abs.
2 und §
66 Abs.
3 Satz
1
StGB, bei denen Vortaten und [X.] fehlen, besonderer Sorgfalt ([X.], [X.] vom 30.
März 2010 -
3
StR
69/10, NStZ-RR
2010, 203; vom 2.
August 2011 -
3
StR
208/11, juris Rn.
5).
Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Um-
fang gerecht. Es teilt im [X.] an den gehörten Sachverständigen mit,
der Angeklagte entspreche auf der Grundlage der Kriteriensammlung von
[X.]/[X.]
(Nervenarzt 2004, 1061, 1066
f.) bei einer Gesamtschau
"keiner ganz typisch psychiatrisch zu identifizierenden Fallkonstellation eines [X.]s", er erfülle einen Großteil ("zehn von elf", keine Psychopathie; UA
S.
76), aber nicht alle Merkmale, die aus psychiatrischer Sicht für einen [X.] typisch seien (UA S.
72). Zwar befasst sich das [X.] im Fol-genden mit einzelnen der in dem besagten
Katalog genannten Kriterien und gleicht sie mit der Persönlichkeit des Angeklagten und seinen früheren [X.] ab; indes bleibt offen, worin genau sich die Persönlichkeit des Angeklag-ten aufgrund der fehlenden Psychopathie von derjenigen eines "typischen [X.]s"
unterscheidet und warum trotz dieser Unterschiede ein Hang des Angeklagten im Sinne des §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
4 StGB zu bejahen ist.
Dieser Mangel wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass sich das [X.]
zur Begründung des Hanges auf die vom Sachverständigen refe-rierten Ergebnisse der Anwendung mehrerer statistischer Prognoseinstrumente auf den Angeklagten stützt, ohne dabei allerdings in den Blick zu nehmen, dass diese Prognoseinstrumente maßgeblich nicht der Beurteilung des Hangs des 4
5
-
5
-
[X.] zur Begehung von Straftaten, sondern der Einschätzung seiner künftigen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit dienen sollen (zur Differenzierung zwischen diesen beiden Anordnungsvoraussetzungen des §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
4 StGB vgl. [X.], Urteil vom 8.
Juli 2005 -
2
StR
120/05, [X.]St 50, 188, 196). Insoweit braucht sich der [X.] auch hier nicht näher mit der Frage zu befassen, ob es grundsätzlich zulässig ist, aus einer Gefährlichkeitsprognose auf den Hang des [X.] zur Begehung von Straftaten rückzuschließen (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
November 2007 -
3 [X.], [X.], 301, 302; vgl. demgegenüber etwa [X.], Urteil vom 11.
Mai 2005 -
1
StR
37/05, [X.]St 50, 121, 132:
naheliegend, dass die Feststellung der Gefährlichkeitsprognose im Regelfall
auf das Vorliegen eines Hangs
hindeutet; [X.], Urteil vom 20.
Februar 2002
-
2
StR
486/01, juris Rn.
8: Bejahung der Gefährlichkeitsprognose unvereinbar mit dem Schluss, bei dem Täter liege kein "Hang"
zur Begehung von Straftaten vor). Denn selbst wenn dieser Schluss regelmäßig gerechtfertigt sein sollte, so bedarf das Ergebnis statistischer Bewertung der Gefährlichkeit des [X.] ge-rade dann, wenn es auch zum Beleg seines Hanges zur Begehung von [X.] herangezogen werden soll, stets des konkreten Abgleichs mit dem indivi-duell zu beurteilenden Angeklagten und seinen
früheren Taten. Dies bleibt aus den schon aufgezeigten Gründen in dem angefochtenen Urteil lückenhaft, denn gerade wenn es sich bei dem Angeklagten um einen untypischen Fall handelt, bedarf die Aussagekraft rein statistischer Prognoseinstrumente schon für
sich besonders gründlicher Prüfung, insbesondere aber der kritischen Gegenüber-stellung mit der konkreten Analyse der Persönlichkeit des Angeklagten und sei-nen
früheren Taten. Daran mangelt es; denn auch nach der Darstellung der einzelnen Prognoseinstrumente bleibt für das [X.] das Fazit, dass der Angeklagte kein ganz
typischer [X.] sei (UA S.
76). Eine Erläuterung der Unterschiede zum "typischen [X.]"
und deren Unerheblichkeit für das Vor--
6
-
liegen eines Hangs im Sinne des §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
4 StGB unterbleibt auch hier.
Über den [X.] ist deshalb nochmals zu verhandeln und zu entscheiden.
Becker
Hubert
Schäfer

Gericke
Spaniol
6

Meta

3 StR 382/13

06.05.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2014, Az. 3 StR 382/13 (REWIS RS 2014, 5853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5853

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