Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2003, Az. IX ZR 166/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3813

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[X.] DES VOLKESURTEILIX ZR 166/02Verkündet am:20. März 2003PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein [X.] § 140 Abs. 1 und 3Die Pfändung einer künftigen Forderung gilt [X.] in dem [X.] vorgenommen, in dem die Forderung entsteht. Die Entstehung der Forderung istkeine Bedingung der Pfändung.[X.], [X.]eil vom 20. März 2003 - [X.] [X.]LG Gera- 2 -Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 20. März 2003 durch [X.] Kreft und die [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des 9. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 17. Juni 2002 wird auf [X.] Beklagten zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Der Beklagte (Finanzamt [X.]) erließ am 22. August 2000 eine Verfü-gung, mit welcher wegen vollstreckbarer [X.] gegen die [X.] (fortan: Schuldnerin) von insgesamt 68.625,51 DM ge-genwärtige und künftige Guthaben der Schuldnerin bei der [X.],Zweigstelle [X.], gepfändet und eingezogen wurden. Die Verfügung wur-de der [X.]am nächsten Tage zugestellt.Am 20. Oktober 2000 setzte das Finanzamt die Pfändungsverfügungunter doppelter Bedingung und mit dem Vorbehalt des jederzeitigen [X.]. Die Aussetzung sollte nur in [X.] treten, wenn ein Betrag von 45.000 [X.] wurde. Sie sollte außer [X.] treten, sobald ein Dritter Anspruch aufdie gepfändete Forderung erhob. Der genannte Betrag wurde unter dem [X.] 20. Oktober 2000 zu Lasten des gepfändeten Kontos von der Schuldnerinan die Finanzkasse überwiesen.Am 8. November 2000 widerrief das Finanzamt die Aussetzung seinerPfändungsverfügung. Am 15. November 2000 setzte es die Pfändungsverfü-gung abermals auf einen Monat mit den bisherigen Nebenbestimmungen aus,wobei als aufschiebende Bedingung diesmal indes die sofortige Überweisungvon 35.000 DM bezeichnet wurde. Die Schuldnerin überwies der Finanzkassediesen Betrag von dem gepfändeten Konto mit Datum vom selben Tage.Auf Antrag der [X.] in [X.], der bei dem Insolvenzgericht [X.] November 2000 einging, wurde am 15. Januar 2001 das Insolvenzverfahrenüber das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum [X.] bestellt. Mit der Klage verlangt er die Rückgewähr der überwiesenen Be-träge von 45.000 DM und 35.000 DM zur Masse.Das [X.] hat den Beklagten zur Rückgewähr von 35.000 [X.] Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die [X.] gegen die Teilabweisung der Klage hatte Erfolg. Die [X.] des Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen [X.] der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.Entscheidungsgründe:Die Revision ist [X.] -I.Das Berufungsgericht hat die Überweisungen der [X.] 20. Oktober und 15. November 2000 als inkongruente Deckungen gewer-tet, da sie unter dem Druck der ausgebrachten bzw. wieder in Vollzug gesetztenPfändung erfolgt seien. Die Überweisungen seien unmittelbar gläubigerbe-nachteiligend gewesen, da sie das Aktivvermögen der Schuldnerin sogleichentsprechend verringerten. Die angefochtenen Rechtshandlungen seien, [X.] man auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten nebstWiderruf der Aussetzung abstelle, innerhalb der Anfechtungszeiträume des§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] vorgenommen worden. Gemäß § 140 Abs. 1[X.] gelte eine mehraktige Rechtshandlung bei Eintritt ihrer rechtlichen Wir-kung als vorgenommen. Das sei grundsätzlich der Zeitpunkt des letzten Teil-aktes. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten einerseits unddas Entstehen der hiervon ergriffenen Forderungen der Gemeinschuldnerin ge-gen die Drittschuldnerin durch die Gutschriften auf dem zunächst [X.] andererseits hätten zeitlich weit auseinandergelegen. Ebenso wie [X.] werde auch die Pfändung einer künftigen Forderung erst mitderen Entstehung wirksam. Aus § 140 Abs. 3 [X.] ergebe sich entgegen derMeinung des [X.]s nichts anderes.[X.] Erwägungen des Berufungsgerichts sind rechtlich im Ergebnisnicht zu beanstanden.1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß dieÜberweisung der Schuldnerin vom 15. November 2000 grundsätzlich nach- 5 -§ 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.], die vorausgegangene Überweisung vom 20. [X.] nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] anfechtbar [X.]) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist einewährend der "kritischen" [X.] erlangte Siche-rung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen. Das die Einzelzwangsvoll-streckung beherrschende [X.] wird durch das System der insolvenz-rechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit [X.] nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldnersvolle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit [X.] Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigungder eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter den Schutz der Gläubi-gergesamtheit zurück ([X.]Z 136, 309, 311 ff; [X.], [X.]. v. 11. April 2002- [X.], [X.], 1193, 1194 m.w.[X.] Forderungseinziehung kraft hoheitlicher Anordnung (§ 314 Abs. 1AO) stehen [X.] Verfügungen des Schuldners über ein ge-pfändetes Bankguthaben zugunsten des Pfändungsgläubigers gleich (vgl. [X.],[X.]. v. 26. September 2002 - [X.], [X.], 59, 60).b) Die angefochtenen Überweisungen der Schuldnerin an die [X.] gingen zu Lasten ihres gepfändeten [X.]; sie benachteiligtendeshalb im Grundsatz die Insolvenzgläubiger (§ 129 [X.]). Eine [X.] nur dann vorgelegen, wenn der Beklagte aufgrund seines Pfändungs-pfandrechts (§ 804 Abs. 1 und 2 ZPO) zur abgesonderten Befriedigung (§ 50Abs. 1 [X.]) aus dem überwiesenen Guthaben bei der Drittschuldnerin berech-tigt gewesen wäre (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Juli 1991 - [X.], [X.] 1991,1570, 1574; v. 21. März 2000 - [X.], [X.] 2000, 1071, 1072 m.w.[X.] 6 -Der Beklagte hat jedoch durch seine Vollstreckungsmaßnahmen gegen [X.] kein insolvenzbeständiges Absonderungsrecht erlangt.2. Die auch gegen die [X.] selbständige (vgl. [X.], [X.].v. 21. März 2000 - [X.], aaO) Pfändungs- und Einziehungsverfügungdes Beklagten vom 22. August 2000 gerichtete Anfechtung des Klägers [X.] § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] durch. Die hierdurch erlangte Sicherung istinkongruent (siehe oben 1. a). Der Beklagte kann sie nach § 143 [X.] der An-fechtung der Überweisungen nicht entgegenhalten.a) Die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Pfändung eines künftigen[X.] hängt davon ab, ob sie bereits mit ihrer Bewirkung (§ 309Abs. 2 Satz 1 AO; § 829 Abs. 3 ZPO) als vorgenommen gilt, wie der Beklagteannimmt, oder ob § 140 Abs. 1 [X.] auf die Entstehung des Guthabens [X.]. Der [X.] hat die [X.] entscheidende Wir-kung bei der Vorausabtretung, der Vorausverpfändung und der Pfändung einerkünftigen Forderung nicht schon in der Verfügung, sondern erst in der Entste-hung der Forderung gesehen ([X.], [X.]. v. 24. Oktober 1996 - [X.]/95,ZIP 1996, 2080, 2082 - Vorausverpfändung; v. 30. Januar 1997 - [X.]/96,ZIP 1997, 513, 514 - Vorausabtretung; jeweils zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO;[X.]Z 135, 140, 148 - Pfändung künftiger Forderung, zu § 30 Nr. 2 KO). [X.] [X.] entscheidende Gläubigerbenachteiligung kann sich [X.] erst dann äußern, wenn die Forderung entstanden ist, über die der Schuld-ner rechtsgeschäftlich oder im Wege der Zwangsvollstreckung vorausverfügthat. Daran hat sich unter der Geltung von § 140 Abs. 1 [X.] gegenüber derälteren Rechtslage nichts [X.] die im voraus abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forde-rung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so erwirbt der [X.]. Pfandgläubiger zu Lasten der Masse nach § 91 Abs. 1 [X.] kein [X.] und kein Absonderungsrecht mehr (vgl. [X.], [X.]. v. 5. Januar 1955 - [X.], NJW 1955, 544 und [X.]Z 135, 140, 145 zu § 15 KO; Münch-Komm-[X.]/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23). Entsteht eine Forderung in [X.] vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist die gläubigerbe-nachteiligende Wirkung einer Vorausverfügung nicht anfechtungsfest. Das [X.] Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht anders als für [X.]) Zu Recht und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsge-richt der Ansicht des [X.]s widersprochen, daß auf die vorliegende Fall-gestaltung § 140 Abs. 3 [X.] anzuwenden sei. Schon die vom [X.] an-geführte Entscheidung des [X.] ([X.], 139, 141) hat [X.], daß die Pfändung einer künftigen Forderung "bedingungslos" ist. § 140Abs. 3 [X.] betrifft nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen. Die [X.] im voraus gepfändeten Forderung ist keine Bedingung im Sinne [X.] 158 ff BGB und insolvenzrechtlich nicht in gleicher Weise wie die in § 140Abs. 3 [X.] geregelten Fälle schutzwürdig.c) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht ausrei-chende Feststellungen dazu getroffen, wann die Pfändung des Beklagten in [X.] debitorisch geführte Konto der Schuldnerin Guthaben ergriffen [X.] damit im Sinne des § 140 Abs. 1 [X.] vorgenommen worden ist.Das Berufungsgericht ist dem als unstreitig gewerteten Vortrag des [X.] gefolgt, daß eine Gutschrift auf dem gepfändeten Konto vom 19. Oktober- 8 -2000 für ein Guthaben gesorgt habe, welches den am 20. Oktober 2000 über-wiesenen Betrag von 45.000 DM überstieg. Zu der Überweisung vom15. November 2000 hat es festgestellt, daß eine entsprechende Kontogutschriftnach dem 8. November 2000 und damit innerhalb eines Monats vor dem [X.] Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Gegen diese Feststellungensind Verfahrensrügen nicht erhoben worden.3. [X.] vom 15. November 2000 und [X.] dem 8. November 2000 entstandenen Pfändungspfandrechts des [X.] hat daher bereits nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 [X.] Erfolg.Das ältere Pfändungspfandrecht und die Überweisung vom 20. [X.] unterliegen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Ohne Erfolgwendet sich die Revision deswegen mit Verfahrensrügen gegen die Feststel-lung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin sei nach § 17 Abs. 2 [X.] zah-lungsunfähig gewesen. Diese [X.] hat der Senat geprüft und nicht für durch-greifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß § 564 ZPO insoweit abge-sehen.Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts in der Auslegung und Anwen-dung von § 17 Abs. 2 [X.] ist nicht ersichtlich. Die Berechtigung von Verbind-lichkeiten der Schuldnerin hat der Beklagte nicht bestritten, so daß es im [X.] keiner näheren Prüfung bedurfte, ob sämtliche [X.] anzuerkennen sind (vgl. [X.], [X.]. v. 17. Mai 2001 - [X.]/98,- 9 -[X.] 2001, 1225, 1226). Auf die Kenntnis des Beklagten von der [X.] kommt es bei dem Anfechtungstatbestand des § 131Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht an.[X.] am [X.] [X.]Kirchhof ist wegen urlaubsbe-dingter Abwesenheit verhindert,seine Unterschrift beizufügen. Kreft [X.] Bergmann

Meta

IX ZR 166/02

20.03.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2003, Az. IX ZR 166/02 (REWIS RS 2003, 3813)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3813

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