Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2007, Az. IX ZR 157/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1204

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 25. Oktober 2007 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 a) Stellt der Pfändungsgläubiger die Verfügungsmacht des Schuldners über sein Geschäftskonto durch eine Erklärung gegenüber dem Drittschuldner zeitweise wieder her, beruht eine nachfolgende Überweisung des Schuldners auf dessen Rechtshandlung im Sinne der Vorsatzanfechtung ([X.] an [X.] 162, 143). b) Zur Gläubigerbenachteiligung nach Zustellung einer Pfändungsverfügung. [X.], [X.]eil vom 25. Oktober 2007 - [X.] - [X.]

LG Ravensburg
- 2 - Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2007 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 12. Juli 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der R.

GmbH (i.F.: Schuldnerin), das auf Antrag der Schuldnerin vom 30. September 2003 am 16. Oktober 2003 eröffnet wurde. 1 Am 11. April 2003 erließ das Finanzamt

wegen Lohn- und Umsatzsteuerforderungen in Höhe von 221.984,72 • eine Pfändungs- und Ein-ziehungsverfügung, die die Ansprüche der Schuldnerin aus der Geschäftsbe-ziehung mit der

Bank betraf. Erfasst wurden unter anderem alle Ansprüche aus allen Konten auf Durchführung von Überweisungen. Diese Verfügung wurde der Drittschuldnerin 2 - 3 - am 14. April 2003 zugestellt. Das Finanzamt schränkte die Einziehungsanord-nung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs dahin ein, dass die [X.] ermächtigt wurde, bis zu einer bestimmten Frist direkt an die Schuldnerin zu zahlen. Darauf veranlasste diese in der [X.] vom 16. April bis zum 10. Juni 2003 Überweisungen der Drittschuldnerin von ihrem Ge-schäftskonto an das Finanzamt in Höhe von insgesamt 120.697,27 •. Die auf Rückgewähr dieser Zahlungen gerichtete Anfechtungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] [X.]eils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt. 4 I. Das Berufungsgericht hat gemeint, es liege keine Rechtshandlung der Schuldnerin im Sinne des § 133 Abs. 1 [X.] vor. Dem beklagten [X.] habe zudem ein Absonderungsrecht nach § 50 [X.] zugestanden. Auch fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung. 5 - 4 - II. 6 Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 7 Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der [X.] nicht abschließend prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht einen Anfechtungsan-spruch des [X.] aus §§ 133, 143 Abs. 1 [X.] verneint hat. 8 1. Das Berufungsgericht hat die für jede Insolvenzanfechtung erforderli-che Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 [X.]) verneint. Aus seinen Fest-stellungen ergibt sich jedoch nicht, ob die Zahlungen der Schuldnerin sich im Rahmen einer ihr von der Drittschuldnerin eingeräumten Kreditlinie (oder eines Guthabens) gehalten haben oder ob die Drittschuldnerin lediglich Kontoüber-ziehungen geduldet hatte. Den Vortrag des [X.], das gepfändete Ge-schäftskonto sei in der [X.] zwischen der Zustellung der Pfändungsverfügung und der [X.] [X.] gewesen, hat das beklagte [X.] nach dem vom Berufungsgericht [X.] in Bezug genommenen Tatbestand des erstinstanzlichen [X.]eils bestritten. a) Wenn die von der Anfechtung erfassten Überweisungen aus einem Guthaben erfolgt sein sollten, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung. Diese tritt ein, wenn die spätere Masse durch eine Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten ([X.] 124, 76, 78 f; 155, 75, 80 f). Anders verhält es sich jedoch, wenn der [X.] aufgrund eines Pfändungspfandrechts zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 [X.]) aus dem überwiesenen Guthaben bei der [X.] berechtigt war ([X.], [X.]. v. 21. März 2000 - [X.], [X.], 898; v. 20. März 2003 - [X.], [X.], 808, 809). So liegt es hier; der Beklagte hat durch seine Vollstreckungsmaßnahme gegen die [X.] - nerin ein insolvenzbeständiges Absonderungsrecht erlangt. [X.] kann, ob der Kläger das Pfändungspfandrecht angefochten hat. Die insolvenzrechtli-che Anfechtbarkeit der Pfändung einer künftigen Forderung richtet sich gemäß § 140 Abs. 1 [X.] nach dem [X.]punkt ihrer Entstehung ([X.] 135, 140, 148; [X.], [X.]. v. 30. Januar 1997 - [X.], [X.], 513, 514; v. 20. März 2003 - [X.], [X.], 808, 809). Hier ist die im Voraus gepfändete Forderung noch vor der gesetzlichen Krise entstanden, so dass das [X.] nicht als inkongruente Deckung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] anfechtbar ist. Im Falle von Überweisungen aus einem Guthaben überschritten diese den Wert des in der [X.] vor dem Beginn des [X.] nicht. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt daher nicht vor (vgl. [X.] 157, 350, 355; [X.], [X.]. v. 21. März 2000 - [X.], [X.], 898). 10 b) Im Ergebnis nicht anders verhält es sich, wenn die Zahlungen aus [X.] geduldeten Überziehungen erfolgt sind. Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel man-gels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden ([X.], [X.]. v. 11. Januar 2007 - [X.], [X.], 435, z.[X.]. in [X.]). Die in dem vor-genannten [X.]eil offen gebliebene Frage einer mittelbaren Gläubigerbenachtei-ligung (aaO S. 436) bedarf auch hier keiner Entscheidung; dafür, dass die [X.] für ihren Darlehensrückzahlungsanspruch über (bessere) [X.] verfügt habe, ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts nichts. 11 c) Anders kann der Fall liegen, wenn die Überweisungen sich im Rah-men einer ungekündigten Kreditlinie gehalten haben. 12 - 6 - Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte überhaupt in die offene [X.] gepfändet hat. Ist dies zu verneinen, wäre die Zahlung an das beklagte [X.] erfolgt, ohne dass diesem ein Pfändungspfandrecht zugestanden hätte; dann stünde die Gläubigerbenachteiligung nicht infrage. 13 14 An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn man die Pfändungsverfü-gung dahin auslegt, dass diese auch die offene Kreditlinie erfasst hat (vgl. [X.] 93, 315, 321 ff). Eine Verkürzung der Masse ist grundsätzlich auch in Fällen zu bejahen, in denen der Schuldner mit den Mitteln eines ihm zuvor zur Disposition gestellten Kredits einen Gläubiger befriedigt hat ([X.], [X.]. v. 7. Juni 2001 - [X.], [X.], 1248 f; v. 7. Februar 2002 - [X.], [X.], 489, 490); der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar ([X.] 147, 193, 195 ff). Beim [X.] geht der Auszahlungshandlung der Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem das Darlehensangebot angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird ([X.] 147, 193, 195). In diesem Fall besteht - möglicherweise nur für kurze [X.] - ein Darlehensanspruch von Rechts wegen und die Pfändung, die mit dem Abruf als vorgenommen gilt ([X.] 157, 350, 355 f; [X.], [X.]. v. 17. Februar 2004 - [X.], [X.], 669, 670), kann Wirkung entfalten. Der [X.]punkt des Wirksamwerdens des Pfändungspfandrechts richtet sich jedoch nach § 140 Abs. 1 [X.]. Es entsteht, da zunächst eine zukünftige Forderung gepfändet worden ist, mit dem Abruf ([X.] 157, 350, 353 ff). Bis zum [X.]punkt der Überweisung stand dem Beklagten folglich kein insolvenzfes-tes Pfändungspfandrecht zu. Ein solches kann daher eine Gläubigerbenachtei-ligung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht hindern. 15 - 7 - 2. Im Falle einer Überweisung aus der offenen Kreditlinie kann die für den Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 [X.] erforderliche Rechtshand-lung des Schuldners nicht zweifelhaft sein; die gegenteilige Auffassung des Be-rufungsgerichts beruht auf einem Missverständnis des [X.]surteils vom 10. Februar 2005 ([X.] 162, 143). Zwar fehlt es an einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn dieser nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden ([X.] 162, 143, 147 ff). So liegt es hier jedoch nicht. Der für die Pfändbarkeit der Darlehensforderung erforderliche Abruf der Kreditmittel ist höchstpersönlicher Natur und unzweifelhaft eine vom Willen des Schuldners getragene Handlung; dieser hätte die Überweisungen ohne weiteres auch unterlassen können. 16 III. Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), muss sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen wer-den (§ 563 Abs. 1 ZPO). 17 Das Berufungsgericht wird die zum Stand des [X.] im [X.]-punkt der angefochtenen Überweisungen erforderlichen Feststellungen zu tref-fen haben. Gegebenenfalls wird es den Vortrag der Parteien zu der Frage, ob die Schuldnerin mit [X.] handelte und der [X.] dies wusste, zu würdigen haben. Dabei kann der Frage, ob ein ernsthafter Sanierungsversuch vorlag, Bedeutung zukommen (vgl. etwa HambKomm-[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 133 Rn. 18, 41 m.w.N.). 18 - 8 - Für den Fall einer Zahlung aus einem ungenehmigten Überziehungskre-dit haben die Parteien zugleich Gelegenheit, zu der nach dem [X.]surteil vom 11. Januar 2007 ([X.], [X.], 435, 437 f, z.[X.]. in [X.]) entschei-dungserheblichen Frage einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung infolge von [X.] vorzutragen. 19 Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 15.12.2005 - 3 O 361/05 - [X.], Entscheidung vom 12.07.2006 - 3 U 14/06 -

Meta

IX ZR 157/06

25.10.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2007, Az. IX ZR 157/06 (REWIS RS 2007, 1204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1204

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