Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2014, Az. 3 StR 57/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4958

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 57/14
vom
10. Juni 2014
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen
zu 1.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.

zu 2.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

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2
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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 10.
Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 4 [X.] einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben und wegen Handel-treibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren sowie den Angeklagten [X.]

wegen Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es Einziehungs-
und Verfallsentscheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die [X.] mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit der von beiden [X.]n erhobenen, inhaltsgleichen Beanstandung Erfolg, die [X.] sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr.
1
[X.]).
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1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] Wuppertal für das [X.] war für Strafsachen erster Instanz gegen Erwachsene mit dem [X.] die [X.] zuständig (Ziffer 2.912 des [X.], im Folgenden: [X.]). Gemäß Ziff. 3.24 [X.] war bei mehreren Angeklagten der Anfangsbuchstabe des ältesten Angeklagten maß-geblich. Nach Ziff. 2.912 [X.] galt ein Präsidiumsbeschluss vom 1. Oktober 2012 fort, nach dem in den Zuständigkeitsbereich der 2. großen [X.] fallende Haftsachen in der Reihenfolge ihres Eingangs auf die 1., 3., 4. und 5.
[X.] verteilt wurden.
Da der Angeklagte [X.]

der älteste in der Anklageschrift aufgeführte Angeklagte war, wäre nach dem Geschäftsverteilungsplan die 2. große [X.] zuständig gewesen. Aufgrund des [X.] Beschlusses vom 1.
Oktober 2012 wurde das vorliegende Verfahren, bei dem es sich um eine Haftsache handelte, der 4. großen [X.] zugeteilt. Mit Beschluss vom 25. März 2013 entschied das Präsidium des [X.] Wuppertal sodann, r-fahren gegen [X.]

u.a. (Aktenzeichen 24 [X.])" übernehme. [X.] wurde dies mit der hohen Belastung der 4.
großen [X.]; die 6.
große [X.] könne schon zwei Monate früher mit der Hauptverhand-lung beginnen. Die 6. große [X.] eröffnete alsdann das Hauptverfah-ren, führte die Hauptverhandlung in der [X.] vom 24. Mai bis zum 27.
August 2013 durch und erließ das angefochtene Urteil. Beide Beschwerdeführer erho-ben am ersten Tag der Hauptverhandlung die Beanstandung, die [X.] sei nicht ordnungsgemäß besetzt.

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2. Die [X.] der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden [X.] nach § 338 Nr. 1 [X.] sind zulässig erhoben, insbesondere sind sie nicht wegen nicht fristgemäßer Erhebung der [X.] nach § 222[X.] präkludiert, vielmehr sind die rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebrachten Einwände der Angeklagten zurückgewiesen worden (§ 338 Nr. 1, 2. Halbsatz, Buchst. [X.]). Hierzu gilt:
a) Nach § 222b Abs.
1 Satz
1 [X.] kann in Fällen, in denen -
wie hier -
die Besetzung des Gerichts nach § 222a [X.] mitgeteilt worden ist, der [X.] nur bis zur Vernehmung des ersten Angeklagten in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Ausweislich des von der Revision vorgelegten Protokolls des ersten [X.] kündigte zunächst ein Verteidiger des Angeklagten [X.]

, [X.]

, vor Verlesung der Anklageschrift an, einen Antrag zur Gerichtsbe-setzung stellen zu wollen. Ein Verteidiger des Angeklagten [X.]

, [X.]

, erklärte, dass er ebenfalls einen solchen Antrag stellen wolle. Im [X.] daran ist protokolliert, dass die Angeklagten Angaben über ihre per-sönlichen Verhältnisse machten, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft den [X.] verlas, festgestellt wurde, dass die Anklage mit Eröffnungsbe-schluss der [X.] zur Hauptverhandlung zugelassen worden war und die Angeklagten belehrt wurden, dass es ihnen freistehe, sich zur Beschuldi-gung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Das Protokoll weist sodann aus, dass Rechtsanwalt Dr.
S.

, der Verteidiger des ehemaligen [X.]

, erklärt habe, sein Mandant räume die ihn betreffenden An-klagevorwürfe im Wesentlichen ein, und der ehemalige Mitangeklagte [X.]

erklärt habe, dies sei richtig so. Erst im [X.] daran verlas laut Protokoll Rechtsanwalt W.

den von ihm vorformulierten [X.], der als 5
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Anlage zum Protokoll genommen wurde und dem sich Rechtsanwalt R.

für den Angeklagten [X.]

anschloss.
Da in der protokollierten, von dem ehemaligen Mitangeklagten [X.]

bestätigten Erklärung seines Verteidigers bereits eine Einlassung zur Sache gesehen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2007 -
3 [X.], [X.], 349), wären nach diesem [X.] die Besetzungs-einwände verspätet erhoben und die Revisionsrügen der nicht vorschriftsmäßi-gen Besetzung des erkennenden Gerichts damit nach § 338 Nr.
1, 2. Halbsatz, Buchst.
[X.] präkludiert.
b) Vorliegend ist indes zur Beantwortung der Frage, ob die Einwände der vorschriftswidrigen Besetzung rechtzeitig vor der Vernehmung des [X.] zur Sache erhoben worden sind, nicht vom Inhalt des Protokolls [X.]. Denn das Protokoll entfaltet hier entgegen § 274 Satz
2 [X.] keine formelle Beweiskraft.
In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass die Beweiskraft des Protokolls entfällt, wenn und soweit sich eine der [X.]en nach-träglich zu Gunsten des oder der Angeklagten vom [X.] distanziert ([X.], Urteil vom 8.
Oktober 1953 -
5 StR 245/53, [X.]St 4, 364; Beschluss vom 18. September 1987 -
3
StR 398/87, [X.]R
[X.] § 274 Beweiskraft 1; [X.], Beschluss vom 25.
Mai 2009 -
5 [X.] 101/09, [X.], 365; [X.], [X.], 26.
Aufl., § 274 Rn.
34 mwN; KK-Greger, [X.], 7.
Aufl., § 274 Rn. 11; s. auch [X.], Urteil vom 8. August 2001 -
2
StR 504/00, NJW 2001, 3794, 3796; Beschluss vom 23. April 2007 -
GSSt 1/06, [X.]St 51, 298, 308; weiter gehend offenbar [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., §
274 Rn.
16). So verhält es sich hier:
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aa) Rechtsanwalt W.

beantragte als Verteidiger des Angeklagten [X.]

zunächst, das Protokoll der Hauptverhandlung betreffend den ersten [X.] dahin zu berichtigen, dass er die "Besetzungsrüge" be-reits zu Beginn der Hauptverhandlung habe erheben wollen, ihm das Wort dazu nicht erteilt worden sei, auf sein Drängen dieser Umstand und die Zusicherung des Vorsitzenden, dass dem Angeklagten [X.]

durch die spätere Antrag-stellung keine Nachteile entstehen würden, in das [X.] aufgenommen worden seien und er sodann den [X.] vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache -
eine Einlassung eines Ange-klagten habe es am ersten [X.] nicht gegeben -
erhoben ha-be. Zur Glaubhaftmachung überreichte er anwaltliche Versicherungen von sich selbst und den anderen drei Verteidigern der Angeklagten. Diesen [X.] wies der Vorsitzende der [X.] zurück, weil weder er noch die Protokollführerin nach Ablauf von sechs Monaten eine konkrete Erin-nerung an den Ablauf des [X.] hätten.
Nach Eingang der Revisionsbegründungen, die die vorliegende Beset-zungsrüge enthielten, gab der Vorsitzende der [X.] eine dienstliche Erklärung ab, in der er sich gegen den erhobenen Vorwurf der Protokoll-fälschung verwahrte und weiterhin betonte, dass er sich an den Ablauf des ers-ten [X.] nicht mehr erinnere und deshalb keine zuverläs-sigen Angaben dazu machen könne. Entsprechendes gelte für die Protokollfüh-rerin. Nach weiteren Erwägungen erklärte er, er könne sich eine objektiv unzu-treffende Protokollierung zwar nicht vorstellen, wenn eine solche aber vorliege, handele es sich nicht um eine bewusste Falschbeurkundung, sondern lediglich um eine nachlässige Protokollierung. Er halte es indes "allenfalls für denkbar", dass er nach der Belehrung der Angeklagten erklärt habe, infolge der vorge-rückten [X.] sollten die Einlassungen der Angeklagten bzw. die Gelegenheit 10
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dazu auf den zweiten [X.] verschoben werden, und der [X.] des ehemaligen Mitangeklagten [X.]

daraufhin mit dessen Zu-stimmung eine geständige Einlassung seines Mandanten lediglich angekündigt habe. Dies könne die Protokollführerin möglicherweise als Einlassung zur Sa-che gewertet und entsprechend protokolliert haben, was ihm bei der späteren Lektüre des Protokolls nicht aufgefallen sei.
bb) Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Vorsit-zende der [X.] als eine der beiden [X.]en damit nachträg-lich vom Inhalt des [X.]s abgerückt. Dafür ist es nicht erforderlich, dass die [X.] das Protokoll ausdrücklich als unrichtig bezeichnet, es reicht vielmehr aus, wenn sich aus ihrer Erklärung ergibt, dass sie von dem protokollierten [X.] nicht mehr überzeugt ist ([X.], aaO). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt: Der Vorsitzende der [X.] hält ausweislich der Ausführungen in seiner dienstlichen Erklärung den vom Protokoll abweichenden Ablauf der Hauptverhandlung ausdrücklich für denkbar, er hält es insoweit für möglich, dass die Protokollführerin die bloße Ankündigung einer Einlassung irrtümlich als Abgabe einer solchen protokolliert habe und ihm dies vor Unterzeichnung des Protokolls nicht aufgefallen sei. Dass er sich eine objektiv unrichtige Protokollierung gleichwohl nicht vorstellen kann, ist demgegenüber schon deshalb ohne maßgebende Bedeutung, weil er gerade keine konkrete Erinnerung mehr an den Ablauf des [X.] hat. Im Ergebnis hat sich [X.] damit vom Protokollin-halt in dem Sinne distanziert, dass er einen anderen Ablauf als den protokollier-ten jedenfalls nicht ausschließen kann. Dann kann er -
auf rationaler Basis -
aber auch nicht mehr davon überzeugt sein, dass der [X.] wie protokolliert abgelaufen ist.
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c) Folge der Distanzierung einer [X.] vom [X.] ist hier -
wie dargelegt -
der Verlust der Beweiskraft des Protokolls. Dies führt [X.], dass das Revisionsgericht den tatsächlichen Ablauf des maßgeblichen [X.] im Freibeweisverfahren aufzuklären hat (allg. Meinung, s. nur [X.]/[X.], aaO, §
274 Rn.
18 mwN).
aa) Aufgrund der auch im Revisionsverfahren vorgelegten anwaltlichen Versicherungen der Verteidiger der Angeklagten und der durch den [X.] eingeholten Mitteilung des Verteidigers des ehemaligen Mitan-geklagten [X.]

, Rechtsanwalt Dr.
S.

, ist der [X.] jedenfalls davon überzeugt, dass am ersten [X.] vor Erhebung des [X.] durch Rechtsanwalt W.

eine Einlassung des ehemaligen Mitangeklagten [X.]

nicht abgegeben, sondern -
entsprechend den [X.] in der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden der [X.] -
nur angekündigt worden ist. Dies steht mit den anwaltlichen Versicherungen aller Verteidiger im Einklang, nach denen eine Einlassung eines Angeklagten am ersten [X.] nicht abgegeben worden sei. Dass deren Erinne-rung zutreffend ist, wird wiederum dadurch gestützt, dass die [X.] den [X.] nicht etwa als unzulässig verworfen, sondern als unbe-gründet zurückgewiesen hat. Wäre sie von einer die Präklusion auslösenden verfristeten Erhebung des [X.] ausgegangen, hätte sie bei richtiger Rechtsanwendung -
entgegen den Äußerungen des Vorsitzenden [X.] in seiner dienstlichen Erklärung -
den Einwand hingegen als unzulässig verwerfen müssen ([X.], aaO, § 222b Rn.
14; [X.]/[X.], aaO, § 222b Rn.
11).
Der sich aus den anwaltlichen Versicherungen der Verteidiger der Ange-klagten in der Zusammenschau mit der dienstlichen Erklärung des Vorsitzen-13
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den der [X.] ergebende Ablauf der Hauptverhandlung wird auch durch das Schreiben von Rechtsanwalt Dr. S.

nicht entkräftet. Dieser hat zwar mitgeteilt, er sei sich sicher, dass er am ersten [X.] erklärt habe, dass sein Klient die Vorwürfe im Wesentlichen einräume und dieser das bestätigt habe; "eine detaillierte Einlassung" sei indes erst am zweiten Haupt-verhandlungstag
abgegeben worden. Dies steht angesichts des geschilderten Ablaufs und der [X.] der Erklärung, die Vorwürfe würden "im [X.]" eingeräumt, ersichtlich nicht im Widerspruch dazu, dass eine Einlassung des ehemaligen Mitangeklagten [X.]

damit am ersten [X.] lediglich für den nächsten [X.] angekündigt, nicht aber bereits abgegeben worden ist.
bb) Nachdem der Vorsitzende der [X.] und die Protokollführerin keine Erinnerung mehr an die Abläufe des [X.] hatten und die Staatsanwaltschaft eine Revisionsgegenerklärung nicht abgegeben hat, sieht der [X.] von der Einholung weiterer dienstlicher Erklärungen, etwa der Beisitzer, der Schöffen oder der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft ab: Da schon die [X.]en sich nicht mehr an die konkreten, von ihnen zu beurkundenden Abläufe erinnern können, steht nicht zu erwarten, dass die [X.], die weniger Veranlassung hatten, sich die genauen Abläufe einzuprägen, zur Sachaufklärung beitragen könnten.
d) War damit nach dem freibeweislich festgestellten Verfahrensgang da-von auszugehen, dass die Verteidiger für jeden der Angeklagten den [X.] nach § 222b Abs. 1 [X.] rechtzeitig erhoben hatten, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Besetzungsrügen auch aus anderen Gründen als zulässig anzusehen wären: Nach dem Vortrag der Revisionen habe der [X.] die Entgegennahme der [X.] vor Verlesung der 16
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Anklageschrift zwar abgelehnt, aber zugesichert, diese könnten ohne Rechts-nachteile für die Angeklagten zu einem späteren [X.]punkt erhoben werden und dies auf Drängen von Rechtsanwalt W.

auch in das Protokoll aufgenom-men. Im Protokoll findet sich -
wie dargelegt -
nur die Passage, dass Rechts-anwalt W.

einen Antrag zur Gerichtsbesetzung angekündigt und [X.]

erklärt habe, ebenfalls einen solchen Antrag stellen zu wollen.
Der [X.] sieht Anlass, zu der von den Revisionen dargestellten Vorge-hensweise zu bemerken, dass der Vorsitzende grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Anträge der Verfahrensbeteiligten zu jeder [X.] entgegenzunehmen ([X.], Beschlüsse vom 5.
November 2003 -
1 [X.], [X.]St 48, 372 f.; vom 24.
Januar 2006 -
3 [X.], [X.], 463). Werden sie
zu einem [X.] [X.]punkt gestellt, kann er -
auch bei fristgebundenen Anträgen -
den Antragsteller auf einen späteren [X.]punkt verweisen, wobei es die [X.] aber in aller Regel gebietet, dass der Vorsitzende von sich aus auf das zurückgestellte Anliegen zurückkommt ([X.][X.], aaO, § 238 Rn.
4). Fraglich ist, ob [X.] ausgehend von diesen Grundsätzen nicht schon auf der Grundlage des Inhalts des vorliegenden [X.]s gehalten war, den Angeklagten vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache von sich aus das Wort zur Erhebung der angekündigten, aber auf sein Betreiben zurückgestellten [X.] zu erteilen. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem die Verteidiger der Angeklagten von sich aus auf
die Erhe-bung der [X.] vor Verlesung der Anklageschrift hätten verzich-ten und stattdessen diese nur hätten ankündigen sollen; der Vorsitzende [X.] hat in seiner dienstlichen Erklärung -
schon aufgrund seiner fehlenden Erin-nerung -
nicht in
Abrede gestellt, die Verteidiger zur Zurückstellung der Beset-zungseinwände gebracht zu haben. Hätte bei einem solchen Verfahrensablauf aber [X.] von sich aus auf die [X.] zurück-18
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kommen müssen, hätte er dies auch zum gebotenen [X.]punkt und damit vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache tun müssen. Hätte er dies in Verletzung seiner prozessualen Fürsorgepflicht unterlassen, erschiene es [X.], den Angeklagten die verspätete Erhebung des [X.]es anzulasten und sie mit der Rüge nach § 338 Nr. 1 [X.] auszuschließen. [X.] kann dies aber offen bleiben, weil die [X.] -
wie oben [X.] -
nicht verfristet erhoben worden sind.
3. Die auch im Übrigen zulässigen Besetzungsrügen der Angeklagten sind gleichfalls begründet. Zu Recht rügen sie, dass sie durch die Vorgehens-weise des [X.] bei der Geschäftsverteilung [X.] entzogen worden sind.
Welches Verfahren zur Bestimmung des im Einzelfall berufenen [X.] einzuhalten ist und [X.] an der Entscheidung mitwirken müssen, ist in den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes, insbesondere in den §§
21a bis 21g GVG ausdrücklich geregelt. Darüber hinaus gelten weitere Rechtsgrundsätze, die sich daraus ergeben, dass sowohl nach einfachem Recht (§ 16 Satz
2 GVG) als auch nach Verfassungsrecht (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) niemand [X.] entzogen werden darf. Zu diesen Grundsätzen zählt, dass eine Strafsache dem erkennenden Gericht nach [X.], abstrakten Regelungen zuzuweisen ist; die Sache muss "blindlings" zu [X.] oder Spruchkörper gelangen ([X.], Urteil vom 28.
September 1954 -
5 [X.], [X.]St 7, 23, 24; [X.][X.], aaO, § 338 Rn. 14 mwN). Diese Grundsätze sind bei der Aufstellung und der Änderung eines [X.] durch das Präsidium eines [X.] gleichsam zu beachten; auch insoweit gilt, dass eine spezielle Zuweisung [X.] einzelner Verfahren unzulässig ist (vgl. [X.], Beschluss vom 19
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4.
August 2009 -
3 [X.], [X.], 294, 295; [X.], Beschluss vom 16. Februar 2005 -
2
BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690).
Nach diesen in ständiger Rechtsprechung wiederholten und vom Schrift-tum einhellig geteilten Grundsätzen war die Übertragung des Verfahrens "ge-gen [X.]

u.a." an die 6. große [X.] erkennbar rechtsfehlerhaft, weil es sich dabei um eine unzulässige Einzelzuweisung handelte. Dem steht nicht entgegen, dass eine Entlastung der 4. großen [X.] sachgerecht gewesen sein mag und zu diesem Zweck auch die Zuständigkeit für bereits [X.] Verfahren geändert werden darf, denn auch in diesen Fällen muss die Neuregelung generell und abstrakt gelten und darf nicht nur ein bestimmtes, namentlich benanntes Verfahren betreffen (vgl. zur insoweit zulässigen Vertei-lung bereits anhängiger Verfahren [X.], Beschluss vom 18. März 2009
-
2 BvR 229/09, [X.]K 15, 247, 248 f.).
4. Die Sache bedarf damit insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung. Für die neue Verhandlung weist
der [X.] darauf hin, dass die bisheri-gen Erwägungen der [X.] zur Strafzumessung hinsichtlich des Ange-klagten [X.]

insoweit rechtlichen Bedenken begegnen könnten, als bei ihm die Initiierung der [X.] durch einen verdeckten Er-mittler nicht strafmildernd berücksichtigt worden ist. Zutreffend ist zwar, dass

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dieser Angeklagte nicht selbst mit dem verdeckten Ermittler verhandelt hat; [X.] sind auch für den Angeklagten [X.]

jedenfalls in den Fällen sieben und neun
der Urteilsgründe die gehandelten Mengen auf die Vorgaben des verdeckten Ermittlers gegenüber dem Angeklagten [X.]

zurückzuführen.
Schäfer

Pfister

Ri[X.] Hubert befindet sich

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

Schäfer

Mayer

Gericke

Meta

3 StR 57/14

10.06.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2014, Az. 3 StR 57/14 (REWIS RS 2014, 4958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4958

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