Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.11.2013, Az. IX R 26/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 938

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Gegenstand

Fremdvergleich bei Beteiligung einer GbR


Leitsatz

NV: Die Grundsätze über die Anerkennung von Verträgen zwischen nahe stehenden Personen gelten auch, wenn eine GbR, an der zwei Brüder zu je 50 % beteiligt sind, an deren Söhne je eine Wohnung vermietet.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine [X.]rundstücksgemeinschaft ([X.]bR), erzielt durch die Vermietung von im gemeinschaftlichen Eigentum der beiden je zur Hälfte an der Klägerin beteiligten [X.]esellschafter [X.] und [X.] stehenden [X.]rundstücke Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Streitig ist, ob der [X.] (§§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung --AO--) für 1998 bis 2001 (Streitjahre) zwei Mietverhältnisse mit den Söhnen der [X.]esellschafter zugrunde gelegt werden können.

2

In den bestandskräftigen Feststellungsbescheiden für die Streitjahre stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend den von der Klägerin eingereichten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von [X.]rundlagen für die Einkommensbesteuerung fest und verteilte die Einkünfte entsprechend dem Beteiligungsverhältnis je zur Hälfte auf die beiden [X.]esellschafter. Eine bei der Klägerin für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung ergab, dass die beiden im Dachgeschoss des Objektes in [X.] gelegenen Wohnungen [X.]. 5 und 6 von den Söhnen [X.] (geboren am … September 1975, Vater: [X.]) und [X.] (geboren am … November 1974, Vater: [X.]) bewohnt wurden und lediglich in 1998 und 1999 Mieten in Höhe von jeweils 9.600 DM als Einnahmen erklärt wurden, ohne dass allerdings entsprechende Zahlungen nachgewiesen werden konnten. Die auf die beiden Dachgeschosswohnungen entfallenden Werbungskosten wurden in allen geprüften Jahren in voller Höhe abgezogen. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass die beiden Mietverhältnisse mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen seien.

3

Dem folgend setzte das [X.] die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den jeweils nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Feststellungsbescheiden ohne Berücksichtigung der für die beiden Dachgeschosswohnungen ursprünglich anerkannten Verluste fest. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (F[X.]) wies die Klage ab. Zu Recht seien die aus den streitigen Mietverhältnissen resultierenden Verluste im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt geblieben. Konkrete Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Söhne im Zeitraum ihrer angeblichen finanziellen Unterstützung durch die beiden Väter seien nicht erfolgt, die Vorlage geeigneter Unterlagen unterblieben. Dem Senat sei insbesondere keine verlässliche Feststellung möglich gewesen, ob die längst volljährigen Söhne der beiden [X.]bR-[X.]esellschafter im gesamten Streitzeitraum ([X.]) bzw. bis zum 31. Oktober 1999 ([X.]) überhaupt unterhaltsbedürftig gewesen seien (§ 1601 Abs. 1 des Bürgerlichen [X.]esetzbuchs). Es bestünden durchgreifende Zweifel, ob die beiden streitigen Mietverhältnisse --orientiert an den Maßstäben des [X.] ernsthaft vereinbart und entsprechend dem Vereinbarten auch tatsächlich durchgeführt worden seien.

5

Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der konkreten [X.]estaltung der Mietverhältnisse auf die von ihr vorgelegten beiden schriftlichen Mietverträge vom November 1995 stütze, seien diese auf Vermieterseite nicht unterschrieben und daher mangels einer auf vertragliche Bindung angelegten Willensbekundung der Klägerin nicht als [X.]rundlage einer derartigen Rechtsbeziehung geeignet. [X.], die die aus einem Mietverhältnis resultierenden gegenseitigen Rechte und Pflichten schriftlich fixieren wollten, würden auf einer Unterzeichnung des [X.] durch den Vermieter (oder einen von diesem Bevollmächtigten) bestehen. Diese Verfahrensweise sei nach den Feststellungen des [X.] mit den übrigen Mietern des Hauses auch so praktiziert worden. Die fehlende Rechtsverbindlichkeit ergebe sich bzgl. [X.] zusätzlich daraus, dass die schriftliche Vereinbarung vom November 1995 nicht von diesem selbst, sondern von [X.] "als Mieter" unterzeichnet sei, ohne dass dessen Vertretungsbefugnis durch einen entsprechenden Zusatz im Mietvertrag oder sonstige schriftliche Regelungen klargestellt werde. Unter Berücksichtigung der von [X.]  unterzeichneten "Tatsachenerklärung nebst eidesstattlicher Versicherung" stehe noch nicht einmal fest, ob dieses Mietverhältnis --entsprechend dem [X.] mit der Klägerin oder --wie in der Erklärung angegeben-- mit dessen Vater bestanden habe. Mit den jeweiligen laufenden Forderungen aus dem Mietverhältnis (monatliche Miete sowie Nebenkosten) korrespondierende Barabhebungen vom Konto des Mieters [X.] seien nicht nachgewiesen.

6

Daneben bestünden weitere gewichtige Beweisanzeichen gegen die Annahme der von der Klägerin behaupteten Zahlungsmodalitäten. So sei im Rahmen der Betriebsprüfung eine im Juli 1999 angefertigte Notiz einer bei der Klägerin beschäftigen Buchhalterin aufgefunden worden, wonach im [X.] keine Zahlung von Nebenkosten durch die beiden Söhne der [X.]bR-[X.]esellschafter erfolgt sei und daher die bereits vorbereitete, diesen Umstand berücksichtigende Aufstellung der Einnahmen aus Nebenkosten 1998 nicht dem [X.] vorgelegt werden sollte. Die Bedenken würden durch den Umstand verstärkt, dass hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 die beiden Mietverhältnisse im Rahmen der für diese Jahre abgegebenen Feststellungserklärungen völlig unberücksichtigt geblieben seien, ohne dass die Klägerin eine plausible Begründung für diese inkonsequente Handhabung zu geben vermocht habe. Nachhaltig erschüttert werde schließlich die [X.]laubwürdigkeit der von der Klägerin zum tatsächlichen Vollzug der Mietverhältnisse vorgetragenen Angaben durch die erstmalige Vorlage des auf [X.] lautenden "[X.]es" im [X.] an die Aufhebung des ursprünglich auf den im April 2011 anberaumten [X.]. Es bleibe unerfindlich, wieso der vom [X.] von Anfang an kontinuierlich geforderte Nachweis im späteren Verlauf des Klageverfahrens doch noch vorgelegt worden sei. Es existierten gute [X.]ründe für die Annahme, dass das [X.] nachträglich in dem Bestreben erstellt worden sei, hiermit die Erfolgschancen der eingelegten Klage zu verbessern. Unter diesen Umständen könne aber das vorgelegte [X.] nicht als Beweis für die darin ausgewiesenen Zahlungen anerkannt werden.

7

Angesichts der Vielzahl der dargelegten Unstimmigkeiten und Widersprüche und deren essentieller Bedeutung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptpflichten eines [X.] könne nicht mehr von kleineren Unregelmäßigkeiten ausgegangen werden, die der Anerkennung eines [X.] bei Durchführung des Fremdvergleichs grundsätzlich nicht entgegenstünden.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese lediglich geltend macht, das F[X.] habe es unter Verletzung rechtlichen [X.]ehörs unterlassen, zur Bekräftigung der vorgelegten Mietbücher die Söhne der [X.]esellschafter persönlich zu hören. Hätte das F[X.] dies getan, hätte es zu einer anderen [X.]esamtwürdigung der streitbefangenen Mietverhältnisse kommen müssen.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des F[X.] sowie die geänderten Feststellungsbescheide für die Jahre 1998 bis 2001 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Mietverträge mit den Söhnen der [X.]esellschafter anerkannt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zutreffend hat das [X.] die Mietverträge mit den Söhnen der [X.]er der Klägerin nicht anerkannt.

1. Die steuerliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahe stehenden Personen ist u.a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 7. Juni 2006 IX R 4/04, [X.], 173, [X.], 294, m.w.N.).

Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahe stehenden Personen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt. Es ist daher geboten, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahe stehenden Personen strenge Anforderungen zu stellen. Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 AO und § 76 Abs. 1 [X.]O. Er ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch --wie im [X.] unter Angehörigen stattgefunden hat, ob aufgrund eines den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllenden Vertrages oder aus privaten, familiären Gründen. Erst das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich bei den Aufwendungen des Steuerpflichtigen um nicht abziehbare Privatausgaben oder aber um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt ([X.]-Urteile vom 31. Juli 2007 IX R 8/07, [X.], 350; vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, [X.], 380, [X.], 699). Die revisionsrechtliche Überprüfung der (hierfür notwendigen) Gesamtwürdigung des [X.] durch den [X.] beschränkt sich darauf, ob das [X.] von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen (Indizien) einbezogen und dabei nicht gegen Denkansätze oder Erfahrungssätze verstoßen hat ([X.]-Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 73/01, [X.]/NV 2005, 192).

Maßgebliche Beweisanzeichen bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes) zugehörig sind, bilden insbesondere die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleichs ([X.]-Urteil in [X.], 173, [X.], 294, m.w.N.). Jedenfalls die Hauptpflichten der Vertragsparteien müssen klar und eindeutig vereinbart worden sein und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung seit [X.]-Urteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, [X.]E 184, 463, [X.] 1998, 106).

Zudem ist ein Fremdvergleich anzustellen bei Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und einer Personengesellschaft, die von einem Angehörigen beherrscht wird (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 15. Dezember 1988 IV R 29/86, [X.]E 155, 543, [X.] 1989, 500; [X.]-Beschlüsse vom 22. April 2002 IX B 186/01, [X.]/NV 2002, 1155; vom 15. Juni 2000 XI B 123/99, [X.]/NV 2000, 1467, m.w.N.).

2. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] die Mietverhältnisse mit den Söhnen der [X.]er der Klägerin zutreffend nicht der Besteuerung zugrunde gelegt.

Zu Recht wendet das [X.] die Grundsätze des Fremdvergleichs auf den Streitfall an. Zwar hat die [X.] keinen beherrschenden [X.]er, jedoch sind beide [X.]er zugleich Angehörige beider Mieter (§ 15 Abs. 1 Nrn. 3, 5, 7 AO). Insoweit beherrscht zwar nicht ein Angehöriger die [X.]. Es fehlt aber in gleicher Weise an dem für Verträge unter fremden [X.] typischen Interessengegensatz. Denn die [X.]er sind selbst Angehörige, sodass ihr gegenseitiges Handeln in der Geschäftsführung wie auch ihr Verhältnis zu den Mietern typischerweise die jeweiligen Angehörigenverhältnisse beeinflusst.

Auch die Anwendung der Grundsätze des Fremdvergleichs im Einzelnen auf die streitbefangenen Mietverhältnisse ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte das [X.] die fehlende Unterschrift des Vermieters in Abweichung zu den Verträgen mit den sonstigen Mietern des Hauses als Indiz gegen eine ernsthafte Vereinbarung werten, ebenso die Vertretung eines Cousins durch den anderen ohne nachweisbare Vollmacht.

Möglich ist weiter die Würdigung des [X.], die Mietverträge seien mangels feststellbarer Mietzahlungen nicht tatsächlich wie vereinbart durchgeführt worden. Insoweit hat das [X.] eine umfassende Beweiswürdigung aller ihm vorliegenden Umstände vorgenommen. Es hat dabei auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 [X.]O, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) oder seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 [X.]O) verletzt. Angesichts des sich ihm bietenden Gesamtbildes der Verhältnisse des Streitfalls musste sich dem [X.] --ohne entsprechenden [X.] die Vernehmung der Söhne/ Mieter nicht aufdrängen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin mangels entsprechender Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren ihr [X.] verloren hat und ob die Rüge außerhalb der [X.] (§ 120 Abs. 2 [X.]O) erfolgt ist (dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 100, § 118 Rz 66, § 120 Rz 66).

Meta

IX R 26/12

21.11.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 15. September 2011, Az: 12 K 1960/06, Urteil

§ 41 Abs 2 AO, § 21 Abs 1 EStG 1997, § 12 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.11.2013, Az. IX R 26/12 (REWIS RS 2013, 938)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 938

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