Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2016, Az. IV ZR 527/15

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 758

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Gegenstand

Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung: Maßgebliche Tätigkeit für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit; Folgen der Beendigung einer leidensbedingt aufgenommenen Vergleichstätigkeit


Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit bleibt auch dann die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit maßgebend, wenn der Versicherte nach dem erstmaligen Eintritt des Versicherungsfalles zunächst einer leidensbedingt eingeschränkten Tätigkeit nachging.

2. Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglichkeit begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 5. November 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Rentenversicherung mit eingeschlossener [X.]. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiterhin die mit der Zusatzversicherung versprochenen Leistungen zu erbringen.

2

Dem Versicherungsvertrag liegen Besondere Bedingungen für die [X.] (im Folgenden: BB-BUZ) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

"§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder [X.], die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens drei Jahre außerstande sein wird, seinen Beruf auszuüben und er auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

...

§ 6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen; ... Dabei können wir erneut prüfen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausübt, wobei auch Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, die der Versicherte aufgrund neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten ausübt.

...

(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. ..."

3

Der Kläger ist [X.] und war seit Januar 2000, zunächst in einer Gemeinschaftspraxis und ab Dezember 2002 in einer Einzelpraxis, selbständig tätig. Ab dem [X.] kam es bei ihm zu einer kompletten Arthrose des rechten Schultergelenks und dadurch bedingt zu Einschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit. Seit 2005 führte der Kläger bei seinen Patienten keine ambulanten chirurgischen Eingriffe in seiner Praxis und Operationen in einem Belegkrankenhaus mehr durch. Er stellte im Februar 2006 eine Assistenzärztin ein, die kleinere ambulante Eingriffe vornahm und weitere ärztliche Tätigkeiten ausübte, zu denen er selbst aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage war. Nachdem der Kläger im Jahre 2006 Leistungen aus der [X.] beantragt hatte, erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab April 2006 an und erbrachte ab Mai 2006 die vertraglich vereinbarten Leistungen.

4

Mit Schreiben vom 15. August 2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) übergegangen und er seitdem bei dessen Trägerunternehmen angestellt sei. Außerdem war er zum ärztlichen Leiter des MVZ bestellt worden. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15. April 2011 an, ihre Leistungen im Nachprüfungsverfahren zum 31. Mai 2011 einzustellen; [X.] liege nicht mehr vor, weil die vom Kläger seit August 2010 ausgeübte Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung wahre.

5

Seine Klage auf Versicherungsleistungen hat der Kläger für den Zeitraum ab April 2013 zusätzlich darauf gestützt, dass seine Tätigkeit im MVZ unstreitig aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung zum 31. März 2013 geendet hat. Seit Mai 2013 ist der Kläger gegen ein monatliches Honorar als Praxisvertreter in einer Gemeinschaftspraxis in H.      tätig.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] ihm - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - Rentenleistungen ab April 2013 bis längstens 30. November 2020 zuerkannt, die Beklagte zur Erstattung im Zeitraum von April 2013 bis November 2015 gezahlter Beiträge verurteilt und zudem festgestellt, dass der Kläger berufsunfähig im Sinne des Versicherungsvertrages sei und ab Dezember 2015 keine Beiträge zu zahlen habe. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - angenommen, die konkrete Verweisungsmöglichkeit der Beklagten sei durch die Beendigung der Tätigkeit des [X.] im MVZ entfallen und es sei nunmehr nicht erneut Voraussetzung für einen [X.]nspruch des [X.], dass neue gesundheitliche Beeinträchtigungen eingetreten seien, die eine Berufsunfähigkeit nach § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.] begründeten. Denn aufgrund der Verweisung werde diese Tätigkeit nicht zu derjenigen in gesunden Tagen. Es sei vielmehr immer noch auf die Tätigkeit vor Eintreten der Beschränkungen abzustellen, die zum [X.]nerkenntnis der Beklagten geführt hätten; an dieses [X.]nerkenntnis sei die Beklagte weiterhin gebunden, weil das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens gerade keine gesundheitliche Veränderung zum Besseren gewesen sei. [X.]llein entscheidend für die [X.]rage der Leistungspflicht der Beklagten sei damit, ob der Kläger immer noch eine Tätigkeit ausübe, die seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Das sei für seine Tätigkeit als Praxisvertreter zu verneinen.

9

Die Tatsache, dass die Beklagte nach § 6 [X.]bs. 1 BB-[X.] berechtigt sei, die [X.]nspruchsvoraussetzungen jederzeit zu Lasten des Versicherten zu überprüfen, führe dazu, dass nach [X.] und Glauben auch der Versicherte Nachprüfung verlangen könne, ob er immer noch eine andere Tätigkeit ausübe, die seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. [X.]nsonsten ginge das Risiko späterer nachteiliger [X.]rbeitsplatzveränderungen ausschließlich zu Lasten des Versicherten. Selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit beim MVZ aufgrund eines persönlichen [X.] beendet habe, handele es sich dabei um ein übliches [X.]rbeitsplatzrisiko, das sich bei Tätigkeiten im [X.]ngestelltenverhältnis jederzeit verwirklichen könne.

II. Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 [X.]bs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht auch insoweit statthaft, als sich die Beklagte mit ihr gegen die getroffene [X.]eststellung der Berufsunfähigkeit des [X.] wendet. Entgegen der [X.]uffassung der Revisionserwiderung ist diese [X.]eststellung nicht von der Zulassung ausgenommen.

[X.]usweislich des [X.] hat das Berufungsgericht die Revision für den Zeitraum ab [X.]pril 2013 zugelassen und damit die Zulassung des Rechtsmittels auf den Gegenstand der Verurteilung der Beklagten beschränken wollen. Eine darüber hinausgehende Beschränkung der Zulassung lässt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die [X.]rage für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten, ob bei einer konkreten Verweisungsmöglichkeit die Vergleichstätigkeit oder aber der "in gesunden Tagen" ausgeübte Beruf [X.]nknüpfungspunkt für die Berufsunfähigkeit sei, wenn die Vergleichstätigkeit wieder beendet werde.

Mit ihrer [X.]nnahme, die zur Begründung der Zulassungsentscheidung aufgeworfene [X.]rage lasse sich in tatsächlicher und rechtlicher [X.]insicht unabhängig von der [X.]rage der Berufsunfähigkeit des [X.] beantworten, berücksichtigt die Revisionserwiderung die Voraussetzungen des Begriffs [X.]r Berufsunfähigkeit nicht ausreichend. Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, steht [X.] Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.] und damit der Eintritt des Versicherungsfalles noch nicht fest; es muss vielmehr hinzukommen, dass der Versicherte auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. "Berufsunfähigkeit" in der von der Beklagten ihren Bedingungen zugrunde gelegten Definition ist demgemäß ein eigenständiger juristischer Begriff, der eine Kombination aus rechtlichen und medizinischen [X.]spekten enthält (vgl. Senatsurteile vom 27. September 1995 - [X.], [X.], 1431 unter 2 a [juris Rn. 13]; vom 30. September 1992 - [X.], [X.], 263 unter [X.], 2 [juris Rn. 11 f.]; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. [X.]ufl. [X.] Rn. 76, 79) und die [X.]rage der Verweisbarkeit des Versicherten auf eine Vergleichstätigkeit einschließt.

2. Die Revision ist indessen unbegründet.

a) Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht die [X.]eststellungsklage zutreffend auch insoweit als zulässig behandelt, als der Kläger mit ihr seine Berufsunfähigkeit festgestellt wissen möchte.

Zwar ist es richtig, dass es sich bei der [X.]rage [X.]r Berufsunfähigkeit für sich genommen um kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 [X.]bs. 1 ZPO (vgl. dazu Senatsurteil vom 5. März 2014 - [X.], juris Rn. 15 m.w.N.) handelt. Klageanträge sind jedoch als Prozesserklärungen auszulegen. [X.]ür diese [X.]uslegung, die der erkennende Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann, ist - ebenso wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen - nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. nur [X.], Beschluss vom 12. [X.]pril 2016 - [X.]/14, NJW-RR 2016, 759 Rn. 11; Urteile vom 7. [X.]pril 2016 - [X.], [X.], 982 Rn. 11; vom 16. September 2008 - [X.], [X.], 121 Rn. 11 m.w.N.; st. Rspr.).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entsprach es dem Interesse des [X.], die [X.]eststellung seiner Befreiung von der Beitragspflicht für [X.]aupt- und Zusatzversicherung zu erreichen. [X.]ierbei ging er davon aus, dass das Vorliegen [X.]r Berufsunfähigkeit - was zutrifft - eine notwendige rechtliche Vorfrage für diesen [X.]nspruch ist. [X.]uch sein Wille war erkennbar lediglich auf [X.]eststellung der Beitragsbefreiung gerichtet. Dass er die Berufsunfähigkeit nur als Begründungselement des [X.]nspruchs auf Beitragsbefreiung ansieht, macht bereits die Zusammenfassung beider [X.]ragen in einem einheitlichen Klageantrag deutlich.

b) Zu Recht rügt die Revision hingegen die [X.]nnahme des Berufungsgerichts als unzutreffend, die Beklagte sei ungeachtet ihrer im Nachprüfungsverfahren erfolgten Änderungsmitteilung wieder an das im Rahmen der Erstfeststellung der Berufsunfähigkeit des [X.] erfolgte [X.]nerkenntnis gebunden, weil die Leistungseinstellung nicht wegen einer Verbesserung des Gesundheitszustands des [X.] erfolgt sei.

aa) Durch die wirksame Änderungsmitteilung der Beklagten endeten vielmehr ihre Leistungspflicht im konkreten Versicherungsfall und die Bindung an ihr abgegebenes [X.]nerkenntnis.

Der Versicherer kann im Wege des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 6 BB-[X.] von der durch sein [X.]nerkenntnis geschaffenen Selbstbindung abrücken (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2011 - [X.], [X.], 1736 Rn. 13) und seine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder beseitigen (Senatsurteile vom 28. [X.]pril 1999 - [X.], [X.], 958 unter [X.] a [juris Rn. 9]; vom 17. [X.]ebruar 1993 - [X.], [X.]Z 121, 284 unter III [juris Rn. 39]). Damit ist der gedehnte Versicherungsfall (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juni 2010 - [X.], [X.]Z 186, 171 Rn. 21) beendet (so auch [X.]/[X.], 3. [X.]ufl. § 6 BB-[X.] Rn. 5).

bb) [X.]us der Beseitigung der Selbstbindung des Versicherers im Wege des Nachprüfungsverfahrens folgt, dass die frühere Leistungspflicht des Versicherers mit der Beendigung der Vergleichstätigkeit nicht wieder auflebt, der Versicherte vielmehr - will er wiederum Leistungen erhalten - einen neuen Leistungsantrag stellen muss (so auch [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. [X.]ufl. [X.] Rn. 169). Entgegen der [X.]uffassung des Berufungsgerichts ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben, dass der Versicherte angesichts des jederzeitigen [X.]n Nachprüfungsrechts des Versicherers im [X.]alle einer konkreten Verweisung seinerseits Nachprüfung verlangen kann, ob er immer noch eine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Ein derartiges eigenes Nachprüfungsrecht des Versicherten findet im Wortlaut der Bedingungen keine Stütze; es ist auch unter Symmetriegesichtspunkten weder mit Blick auf das bei Vertragsschluss abgegebene Leistungsversprechen des Versicherers noch den Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung geboten. Ein eigenes Nachprüfungsrecht des Versicherten ist zudem auch nicht erforderlich. Ihm ist es unbenommen, jederzeit erneut Leistungen zu beantragen, während sich der Versicherer von seinem Leistungsanerkenntnis nur unter den erschwerten Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens lösen kann.

c) Gleichwohl bleibt die Revision ohne Erfolg. [X.]us den [X.]eststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nämlich, dass beim Kläger ab [X.]pril 2013 die Voraussetzungen [X.]r Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.] erneut vorliegen. Der versicherte Beruf des [X.] war auch zum Zeitpunkt dieses neuen Versicherungsfalles die Tätigkeit eines selbständigen [X.]NO-[X.]rztes, wie er ihn ausübte, bevor er aufgrund der [X.]rthrose des rechten Schultergelenks seine ärztliche Tätigkeit einschränken musste und insbesondere keine Operationen mehr durchführte. Dass der Kläger diese Tätigkeit auch ab [X.]pril 2013 gesundheitlich weiterhin nicht ausüben kann, hat die Beklagte nicht bestritten.

aa) [X.]nders als die Revision meint, beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf einem unzutreffenden Verständnis des in der [X.] versicherten Berufs. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Prüfung, ob [X.] Berufsunfähigkeit eingetreten ist, grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend, so wie sie "in gesunden Tagen" ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht eingeschränkt war (Senatsurteile vom 24. [X.]ebruar 2010 - [X.], [X.], 619 Rn. 11; vom 26. [X.]ebruar 2003 - [X.], [X.], 631 unter [X.] [juris Rn. 9]; vom 12. Januar 2000 - [X.], [X.], 349 unter 2 a [juris Rn. 10]; vom 22. September 1993 - [X.], [X.], 1470 unter 3 [juris Rn. 21]; vgl. nunmehr auch § 172 [X.]bs. 2 [X.], der die frühere Rspr. umgesetzt hat, so Terno, [X.], 361; [X.] in Looschelders/Pohlmann, [X.] 2. [X.]ufl. § 172 Rn. 8). Dies gilt für Versicherungsbedingungen wie den vorliegenden § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.], nach denen der Versicherte außerstande sein muss, "seinen Beruf" auszuüben. Entgegen der [X.]uffassung der Revision bedarf es keiner Vereinbarung einer sogenannten [X.], um den versicherten Beruf in dieser Weise zu bestimmen. Eine solche hätte vielmehr die [X.]unktion, ein im Versicherungsschein genanntes allgemeines Berufsbild anstelle der konkreten, in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Tätigkeit zum versicherten Beruf zu machen, so dass Berufsunfähigkeit erst dann einträte, wenn dem Versicherten das gesamte allgemeine Berufsbild verschlossen wäre (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], Der Versicherungsprozess 3. [X.]ufl. § 9 Rn. 49; [X.] in [X.]/[X.], Versicherungsrechts-[X.]andbuch 3. [X.]ufl. § 46 Rn. 59; [X.], [X.], 436, 437).

bb) Die aufgrund der [X.]rthrose des rechten Schultergelenks eingeschränkte ärztliche Tätigkeit, die der Kläger zunächst in seiner [X.]NO-Praxis und anschließend als [X.]ngestellter im MVZ ausübte, wurde nicht zum versicherten Beruf des [X.] im Sinne von § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.]. War ein Berufswechsel vor Eintritt des Versicherungsfalles ausschließlich leidensbedingt, bleibt [X.]usgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit der vor diesem Wechsel ausgeübte Beruf (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1994 - [X.], [X.], 159 unter 3 b [juris Rn. 20]; Lücke in [X.]/[X.], [X.] 29. [X.]ufl. § 172 Rn. 53; [X.]öra in [X.]/[X.]öra, [X.] [X.]nwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. [X.]ufl. § 26 Rn. 36; im Grundsatz ebenso, aber mit - insbesondere zeitlichen - Grenzen: [X.] in Looschelders/Pohlmann, [X.] 2. [X.]ufl. § 172 Rn. 8; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. [X.]ufl. [X.] Rn. 79; vgl. auch [X.]/[X.]irschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. [X.]ufl. § 2 [X.] 2008 Rn. 49; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. [X.]ufl. § 172 Rn. 68 f.; [X.]/[X.], 3. [X.]ufl. § 172 Rn. 22; [X.] in [X.]/[X.], Versicherungsrechts-[X.]andbuch 3. [X.]ufl. § 46 Rn. 16 ff.; [X.] VersR 2014, 1114). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte nach dem erstmaligen Eintritt des Versicherungsfalles zunächst weiterhin eine leidensbedingt eingeschränkte Tätigkeit ausgeübt hat und nach Beendigung dieser Tätigkeit erneut Versicherungsansprüche geltend macht. Dies ergibt die [X.]uslegung von § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.].

(1) [X.]llgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.]Z 123, 83, 85; st. Rspr.).

(2) Dabei wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Wortlaut der Klausel entnehmen, dass [X.] Berufsunfähigkeit eintritt, wenn er "infolge Krankheit, Körperverletzung oder [X.]" zur [X.]usübung seines Berufs außerstande ist. Die leidensbedingte Einschränkung seiner beruflichen [X.]ähigkeiten begründet danach gerade den Versicherungsfall, gegen den er sich mit der Berufsunfähigkeitsversicherung nach deren erkennbarem Zweck absichern will. Die [X.]eststellung einer solchen Einschränkung bedarf jedoch eines Vergleichsmaßstabs, unter dem der Versicherungsnehmer nur seine berufliche Leistungsfähigkeit in gesunden Tagen verstehen kann. Der bedingungsgemäß festgelegte Grad von Berufsunfähigkeit, der erst einen [X.]nspruch auf die zugesagten Leistungen gibt, orientiert sich nicht an einem fortlaufend absinkenden Leistungsniveau des Versicherten als Vergleichsmaßstab (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1993 - [X.], [X.], 1470 unter 3 [juris Rn. 20]). Dies muss daher auch die Definition seines versicherten Berufes bestimmen. [X.]ndernfalls setzten zukünftige Versicherungsansprüche eine immer weiter fortschreitende Verschlechterung seines Gesundheitszustands voraus. Der Versicherungsnehmer kann aber § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.] nicht entnehmen, dass ein während der Versicherungsdauer [X.] gesundheitlicher Zustand dann, wenn er bereits einmal den Versicherungsfall ausgelöst hat, für die restliche Laufzeit der Versicherung zum neuen Normalzustand werden soll, an dem künftig der Eintritt [X.]r Berufsunfähigkeit zu messen wäre. Bei einem anderen Klauselverständnis würde der versprochene und durch unverminderte Beiträge erworbene Versicherungsschutz während der Versicherungsdauer zunehmend entwertet (vgl. [X.] in [X.]/[X.], Versicherungsrechts-[X.]andbuch 3. [X.]ufl. § 46 Rn. 17; [X.]öra in [X.]/[X.]öra, [X.] [X.]nwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. [X.]ufl. § 26 Rn. 36).

(3) [X.]ür den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist weder aus § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.] noch aus den Versicherungsbedingungen im Übrigen erkennbar, dass dieser Versicherungsschutz für seinen Beruf aus gesunden Tagen einer zeitlichen Grenze unterliegen könnte. Eine solche einschränkende Regelung fehlt in den Klauseln. Der Versicherungsnehmer kann daher bei verständiger Würdigung den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen, ab wann eine gesundheitlich verminderte Leistungsfähigkeit und eine daran angepasste Berufstätigkeit im Weiteren zum versicherten Normalzustand werden könnte, weshalb zeitliche Grenzen nicht konstruiert werden können (entgegen [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. [X.]ufl. [X.] Rn. 79 (drei Jahre); [X.]/[X.]irschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. [X.]ufl. § 2 [X.] 2008 Rn. 49 (fünf Jahre)).

cc) Es steht der [X.]nnahme [X.]r Berufsunfähigkeit nicht entgegen, dass der Kläger nach Beendigung des ersten Versicherungsfalles und vor dem erneuten Leistungsantrag eine inzwischen beendete Tätigkeit im MVZ ausgeübt hat, auf die ihn die Beklagte wirksam verwiesen hat. Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglichkeit begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der "in gesunden Tagen" ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt dem Wortlaut des § 2 [X.]bs. 1 BB-[X.], dass [X.] Berufsunfähigkeit eintritt, wenn er zur [X.]usübung seines Berufs außerstande ist und auch keine andere Tätigkeit "ausübt", die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Damit verdeutlicht ihm der Versicherer, dass eine Verweisung auf Tätigkeiten, die er zwar ausüben könnte, aber nicht ausübt, ausgeschlossen sein soll. Indem nur auf die tatsächliche [X.]usübung einer anderen Tätigkeit abgestellt wird, soll der Versicherungsnehmer zugleich der Beweispflicht dafür enthoben werden, aus gesundheitlichen Gründen keine Vergleichstätigkeit ausüben zu können. Während bei Vereinbarung einer abstrakten Verweisungsmöglichkeit Berufsunfähigkeit nur dann eintritt, wenn der Versicherte zur [X.]usübung eines Vergleichsberufs aus ausschließlich gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist (vgl. Senatsurteil vom 7. [X.]ebruar 2007 - [X.], [X.], 631 Rn. 12), sind solche erhöhten Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles aus dem Wortlaut der vorliegenden Klausel nicht ersichtlich. [X.]ür den Versicherungsnehmer ist nicht erkennbar, dass - bei unverändertem Gesundheitszustand - die zeitweilige [X.]usübung einer Vergleichstätigkeit auch über deren Beendigung hinaus für die Zukunft zum Verlust des Versicherungsschutzes in seinem versicherten Beruf führt. Es trifft daher nicht zu, dass sich bei Beendigung einer konkreten Verweisungstätigkeit aus anderen als gesundheitlichen Gründen das versicherte Risiko nicht realisiert habe (entgegen [X.] in [X.]/[X.], Versicherungsrechts-[X.]andbuch 3. [X.]ufl. § 46 Rn. 142; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. [X.]ufl. § 172 Rn. 178). [X.]uf die Gründe des [X.] für die Beendigung seiner zwischenzeitlich ausgeübten Vergleichstätigkeit kommt es somit nicht an.

dd) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte den Kläger - ausgehend von seinem [X.]usgangsberuf - nicht auf seine seit Mai 2013 ausgeübte Tätigkeit als Praxisvertreter verweisen kann. Die [X.]eststellung des Berufungsgerichts, diese Tätigkeit sei mit seiner Tätigkeit als niedergelassener [X.]NO-[X.]rzt hinsichtlich der bisherigen Lebensstellung nicht vergleichbar, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. [X.]ierbei kommt es - anders als die Revision meint - nicht allein auf einen Einkommensverlust und die Vergleichbarkeit der [X.]rbeitsbedingungen, sondern auch auf die Wahrung des [X.] Status des Versicherten an. Insoweit ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden dass das Berufungsgericht davon ausgeht, einer Tätigkeit als Praxisvertreter komme nicht die gleiche [X.] Wertschätzung wie jener eines niedergelassenen [X.]acharztes mit eigener Praxis zu.

[X.]        

       

[X.]elsch        

       

[X.]arsdorf-Gebhardt

       

Lehmann        

       

Dr. Bußmann        

       

Meta

IV ZR 527/15

14.12.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 5. November 2015, Az: 16 U 84/14

§ 2 Abs 1 BUZBB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2016, Az. IV ZR 527/15 (REWIS RS 2016, 758)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1620 REWIS RS 2016, 758

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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