Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2016, Az. IV ZR 434/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1240

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:071216UIVZR434.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 434/15

Verkündet am:

7. Dezember 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

Besondere Bedingungen für die [X.]
([X.]) § 6 Abs. 1 Satz 2

Im Nachprüfungsverfahren können bei der Prüfung, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt wer-den kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, ein höherer Freizeitanteil und Arbeitserleichterungen nicht berücksichtigt werden.

[X.], Urteil vom 7. Dezember 2016 -
IV ZR 434/15 -
OLG Rostock

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.]
Karczewski und Dr.
Götz auf die mündliche Verhandlung vom 7.
Dezember 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock
4.
Zivilsenat
-
vom 17.
Au-gust 2015 aufgehoben und die
Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht [X.].

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 30.000

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer [X.]szusatzversicherung geltend, die sie in Verbindung mit [X.] Lebensversicherung hält. Versicherte Person ist ihre Tochter.

Dem Vertrag liegen "Besondere Bedingungen für die Berufsunfä-higkeits-Zusatzversicherung"
(im Folgenden: [X.]) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

1
2
-
3
-


1 Was ist versichert?

(1) Wird die
versicherte Person während der Risikodauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50 Prozent be-rufsunfähig, so erbringen wir für die Dauer der Berufsunfä-higkeit, längstens jedoch bis zum Ablauf der vereinbarten Leistungsdauer folgende Versicherungsleistungen:

§
2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingun-gen?

(1) Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder [X.], die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zu-letzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf oder eine [X.] Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Le-bensstellung entspricht. Wir verzichten jedoch auf die [X.] auf eine andere Tätigkeit, wenn die versicherte

§
6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leis-tungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der [X.],
ihren Grad bzw. den Umfang der [X.] nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenz-te Anerkenntnisse nach §
5. Dabei können wir erneut [X.], ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von §
2 ausübt, wobei neu erworbene berufliche Fä-higkeiten zu berücksichtigen sind. Wenn die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit noch nicht oder nicht mehr berufstätprüfen, ob sie eine Tätigkeit im Sinn von §
2 ausüben kann.

(4) Haben sich der Grad der Berufsunfähigkeit auf weniger ,
stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten

-
4
-

Die Versicherte ist ausgebildete Gesundheits-
und Krankenpflege-rin. Sie war seit September 2006 bis November 2008 als Kranken-schwester bei einem ambulanten Pflegedienst mit der Betreuung von pflegebedürftigen Personen in der stationären und ambulanten Pflege beschäftigt. Ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug [X.] bei einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt durchschnittlich 1.359,31

r-litten hatte, erkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 14.
April 2009 ihre Leistungspflicht rückwirkend zum 1.
Dezember 2008 an und erbrachte die vereinbarten Leistungen aus der Berufsunfä-higkeitszusatzversicherung.

Seit November 2009 arbeitet die Versicherte als Krankenschwester mit ausschließlich administrativen und unterstützenden Tätigkeiten ohne körperliche Belastungen bei einem Pflegedienst. Bei einer 30-Stunden-Woche erhält sie einen Bruttolohn von 1.050

l-te die Rechtsvorgängerin der Beklagten entsprechend einer Ankündigung vom 21.
Mai 2010 die Leistungen zum 1.
November 2010 ein.

Die Parteien streiten darüber, ob die Versicherte auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester mit ausschließlich administra-tiven Tätigkeiten verwiesen werden kann.

Das
Landgericht hat die -
auf Zahlung der rückständigen und lau-fenden Renten zuzüglich Überschussbeteiligung, Erstattung von [X.] und Beitragsbefreiung gerichtete
-
Klage
abgewiesen. Das Oberlan-desgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

3
4
5
6
-
5
-

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Nach dessen Auffassung hat die Rechtsvorgängerin der [X.] das Nachprüfungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Sie habe mit dem Schreiben vom 21.
Mai 2010 wirksam mitgeteilt, dass sie die Leistungen aufgrund konkreter Verweisung in die im Rahmen des erlern-ten Berufs tatsächlich ausgeübte Tätigkeit einstellen werde. Aus §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] ergebe sich, dass die konkrete Verweisung auf eine tatsächlich ausgeübte Ausweichtätigkeit ohne einen ausdrücklich im [X.] erklärten Vorbehalt möglich sei.

Die von der Versicherten seit November 2009 ausgeübte Berufstä-tigkeit als Krankenschwester im administrativen und unterstützenden Be-reich sei in wirtschaftlicher und [X.] Hinsicht mit derjenigen, die sie im unmittelbaren Pflegebereich vor dem Anerkenntnis ausgeübt habe, vergleichbar und sichere ihr trotz der Reduzierung der regelmäßigen wö-chentlichen Arbeitszeit ihre Lebensstellung. Die neue Tätigkeit im erlern-ten Beruf erfordere keine geringere Qualifikation und stelle keinen sozia-len Abstieg dar. Die wahrgenommenen Organisations-
und Leitungsauf-gaben würden im gesellschaftlichen Ansehen erfahrungsgemäß nicht ge-ringer bewertet als die zuvor ausgeübte pflegerische Tätigkeit. Die [X.] müsse sich nicht darauf verweisen lassen, welches Einkommen sie erzielen könnte, sondern allein darauf, welches Einkommen sie [X.] ihrer derzeitigen Tätigkeit tatsächlich erziele. Die Einkommens-minderung liege noch in einem Bereich, der im Zusammenhang mit den anderen Faktoren die Annahme einer Ungleichwertigkeit der Lebensstel-7
8
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-
6
-

lung nicht rechtfertige. Selbst bei einer Gegenüberstellung der [X.] aus der früheren vollschichtigen Tätigkeit als Krankenschwester in Höhe von durchschnittlich 1.359,31

s-geübten Tätigkeit von durchschnittlich 1.050

[X.] von durchschnittlich 309,31

die Verweisung noch zumutbar, weil die Lebensstellung der Versicherten nunmehr durch einen wesentlich höheren Freizeitanteil geprägt werde und besondere Belastungen, wie Nachtarbeit, entfielen.

I[X.] Mit der gegebenen Begründung kann die Entscheidung des Be-rufungsgerichts
keinen Bestand haben.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die [X.] auch nach dem Anerkenntnis der Leistungspflicht ohne ausdrück-lichen Vorbehalt gemäß §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] zur erneuten Prüfung berechtigt ist, ob die Versicherte im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz
1 und 2 [X.] eine andere Tätigkeit ausübt, die sie aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Es hat angenommen, dass das Schreiben der Beklagten vom 21.
Mai 2010 den formellen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügt. Dagegen wendet sich die Revision -
zu Recht
-
nicht.

2. Sie rügt aber mit Erfolg, dass die materiellen Voraussetzungen für die Leistungseinstellung nach den bisherigen Feststellungen nicht er-füllt sind.

a) Im Rahmen der in §
6 Abs.
1 Satz
1 [X.] vorgesehenen Nachprüfung der Berufsunfähigkeit kann die Beklagte nach §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] auch erneut prüfen, ob die versicherte Person eine ande-10
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12
13
-
7
-

re Tätigkeit im Sinne von §
2 [X.] ausübt. Selbst wenn -
wie die Re-visionserwiderung meint
-
§
2 Abs.
1 Satz
1 und 2 [X.] eine abstrak-te Verweisungsklausel mit Verweisungsverzicht bei Nichtausübung der Verweisungstätigkeit enthält, gilt dies nach dem für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen maßgeblichen Verständnis ei-nes durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht für die hier in Rede stehende Nachprüfung, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

Die Regelung des Nachprüfungsverfahrens in §
6 Abs.
1 [X.] steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Definition der [X.] in §
2 Abs.
1 [X.] (vgl. Senatsurteil vom 3.
November 1999 -
IV ZR 155/98, [X.], 171 unter I 3 a zu §
7 Abs.
1 [X.] entsprechend den Musterbedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatz-versicherung aus dem Jahre 1975, im Folgenden: §
7 [X.] 1975). Mit §
6
Abs.
1 Satz
1 [X.] wird dem Versicherer das Recht eröffnet, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren
Grad nachzuprüfen. Ein Fortbestehen der Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass eben dieser [X.] bereits zu einem früheren [X.]punkt vorgelegen hat. Wann und unter welchen Voraussetzungen bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit

und damit der Versicherungsfall
-
eintritt, ergibt sich aber nicht aus §
6 [X.], sondern allein aus der Vorschrift des §
2 Abs.
1 [X.] und den ihr zu entnehmenden Maßstäben. Schon aus diesem Zusammen-hang wird deutlich, dass der Begriff Berufsunfähigkeit in §§
2 und 6 [X.] inhaltlich deckungsgleich ist; §
6 [X.] betrifft allein die Nachprü-fung eines Tatbestands, dessen Voraussetzungen mit der Definition von Berufsunfähigkeit in §
2 Abs.
1 [X.] vorgegeben sind (vgl. Senatsur-teil vom 3.
November 1999 [X.]O). Allerdings enthält §
6 Abs.
1 Satz
2 14
-
8
-

[X.] -
anders als etwa §
7 Abs.
1 [X.]
1975
-
hinsichtlich der Verweisung eine ausdrückliche Regelung, die nicht vollständig
mit §
2 Abs.
1 Satz
1 und 2 [X.] übereinstimmt. §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] ermöglicht dem Versicherer grundsätzlich nur die Nachprüfung, ob die versicherte Person eine andere

vergleichbare
-
Tätigkeit im Sinne von §
2 [X.] tatsächlich ausübt. Etwas anderes gilt nach §
6 Abs.
1 Satz
3 [X.], wenn die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfä-higkeit noch nicht oder nicht mehr berufstätig war; dann kann der [X.] außerdem erneut prüfen, ob die versicherte Person eine Tätigkeit im Sinne
von §
2
[X.] ausüben kann.
Abgesehen von diesem [X.] ist dem Versicherer im Nachprüfungsverfahren gemäß §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] nur eine konkrete Verweisung auf eine andere Tätigkeit eröffnet, nicht aber eine abstrakte Verweisung, wie sie in §
2 Abs.
1 Satz
1 [X.] geregelt ist. Ein Wegfall der Berufsunfähigkeit wegen Verweisung auf eine vergleichbare Tätigkeit setzt somit im [X.] voraus, dass der Versicherte diese tatsächlich ausübt.

b) Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere ausgeübte Tätigkeit kommt nach dem für den Versicherungsnehmer erkennbaren Sinnzusammenhang zwischen §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] und §
2
[X.] auch nach einem [X.] nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz
1 [X.] der bisherigen Lebensstellung der versicherten Person entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit ge-prägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der [X.] seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich -
ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit
-
wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und [X.]
-
9
-

fahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der [X.] voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähig-keiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer [X.] Wertschät-zung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs ab-sinkt (Senatsurteile vom 21.
April 2010 -
IV ZR 8/08, [X.], 1023 Rn.
11; vom 11.
Dezember 2002 -
IV ZR 302/01, [X.], 164 unter [X.]; vom 11.
Dezember 1996 -
IV ZR 238/95, [X.], 436 unter [X.] b m.w.[X.]).

Da die Berufsausübung in gesunden Tagen vor Eintritt des Versi-cherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue [X.] der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senatsurteile vom
21.
April 2010 [X.]O; vom 11.
Dezember 2002 [X.]O). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des [X.] der Berufsunfähigkeit. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, er-fordert
einen Vergleich des Zustandes, der dem [X.] zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren [X.]punkt (Senatsur-teil vom 21.
April 2010 [X.]O; Senatsbeschluss vom 30.
Januar 2008 -
IV ZR 48/06, [X.], 521 Rn.
3; jeweils m.w.[X.]). Dies gilt auch für den Vergleich der vor dem [X.] zuletzt ausgeübten [X.] mit der anderen, nach dem Anerkenntnis ausgeübten Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll
(vgl. Senatsbeschluss vom 30.
Januar 2008 [X.]O; Senatsurteil vom 21.
April 2010 [X.]O Rn.
11 a.E.).

16
-
10
-

c) Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des [X.] nicht.

[X.]) Es ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es [X.] des Versicherers ist, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind (Se-natsurteile vom 21.
April 2010 [X.]O Rn.
13; vom 24.
Februar 2010 -
IV ZR 119/09, [X.], 619
Rn.
10; vom 11.
Dezember 2002 [X.]O unter [X.]; vom 3.
November 1999 [X.]O unter [X.]). [X.] der Versicherungsnehmer

wie hier die Klägerin
-
geltend machen, die von der versicherten Person neu ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht ihrer bisherigen Lebensstel-lung, so obliegt es ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll (Senatsurteile vom 21.
April 2010 [X.]O; vom 11. Dezember 2002 [X.]O m.w.[X.]).

bb) Ob -
wie die Revision einwendet
-
die vom Berufungsgericht bejahte Vergleichbarkeit der [X.] Wertschätzung beider Tätigkeiten der Versicherten schon daran scheitert, dass eine Krankenpflegerin, die die Arbeit am Krankenbett erledigt
und sich um den Patienten kümmert, deshalb das deutlich höhere Sozialprestige als eine Krankenschwester hat, die -
wie die Tochter der Klägerin
-
die Organisation dieser Arbeit regelt, kann dahinstehen. Entsprechenden Instanzvortrag der Klägerin zum geringeren Sozialprestige der neuen Tätigkeit ihrer Tochter zeigt die Revision nicht auf.

cc) Mit nicht tragfähiger Begründung hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass die Vergütung nicht spürbar unter das Niveau des bisher ausgeübten Berufs abgesunken sei.

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18
19
20
-
11
-

(1) Richtig ist der Ausgangspunkt, dass es bei der konkreten [X.] für den Einkommensvergleich nicht auf die erzielbaren, sondern auf die tatsächlich erzielten Einkünfte auch dann ankommt, wenn die Einkommensminderung ausschließlich auf einer Minderung der [X.] beruht (so auch [X.]
[X.], 843, 845). Ist dem [X.] nur eine konkrete Verweisung möglich, kann er dem [X.] auch dann kein fiktives Einkommen anrechnen, wenn dieser nur eine Teilzeitarbeit ausübt.

(2) Zutreffend hat das Berufungsgericht weiterhin
zugrunde gelegt, dass sich eine generelle Quote der [X.] angesichts der Bandbreite individueller Einkommen nicht festlegen lässt. Vielmehr ist stets eine einzelfallbezogene Betrachtung unerlässlich und geboten (Senatsurteile vom 17.
Juni 1998 -
IV [X.], [X.], 1537 unter [X.]; vom 22.
Oktober 1997 -
IV ZR 259/96, VersR
1998, 42 unter 4 b). Ausgehend davon hat das Berufungsgericht bei [X.] der Bruttoeinkommen eine [X.] von brutto 22,77% für "noch" zumutbar gehalten. Gegen die Anwendung der Bruttolohnmethode erinnert die Revision zu Recht nichts. Bei dem [X.] vorzunehmenden Einkommensvergleich kommt es ent-scheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensum-stände an. Maßgeblich ist nicht die Festlegung auf eine Berechnungsme-thode, sondern es kommt darauf an, nach welcher Methode die zu ver-gleichenden Lebensstellungen in ihrer wirtschaftlichen/finanziellen Kom-ponente zutreffend abgebildet werden (Senatsurteil vom 8.
Februar 2012 -
IV ZR 287/10, [X.], 427 Rn.
10).

(3) Ob -
wie die Revision geltend macht
-
der
in gesunden Tagen erzielte Lohn unter Berücksichtigung von Lohn-
und Preissteigerungen mit dem Lohn aus dem Vergleichsberuf zu vergleichen
und
das früher 21
22
23
-
12
-

erzielte Einkommen auf den [X.]punkt der Verweisung fortzuschreiben ist (Lücke
in Prölss/[X.], VVG 29.
Aufl. §
172
Rn.
91; [X.], Berufsun-fähigkeitsversicherung 3.
Aufl. Abschnitt
H Rn.
59; [X.], 243, 244; offengelassen von OLG S[X.]rbrücken, Urteil vom 21.
Mai 2006
5 [X.], juris Rn.
50), bedarf hier keiner Entscheidung. In den Tatsacheninstanzen hat die Klägerin zu Lohnsteigerungen in der [X.] zwischen Aufgabe des früheren Berufs ihrer Tochter und Aufnahme ihrer jetzigen Tätigkeit nichts vorgetragen.

(4) Nicht bedacht hat das Berufungsgericht indes, dass sich pro-zentuale Einkommens-
und [X.] -
je nach Höhe des bis-herigen Verdienstes
-
unterschiedlich belastend auswirken (Senatsurteile vom 17.
Juni 1998 [X.]O; vom 22.
Oktober 1997 [X.]O; so auch Lücke [X.]O Rn.
86, §
2 BU Rn.
49). Der Senat hat in der Entscheidung vom 17.
Juni 1998 angenommen, dass sich bei Minderung eines Jahresbruttoeinkom-mens von nicht ganz 70.000
DM um fast ein Drittel die bisherige Lebens-stellung im wirtschaftlichen Bereich nicht mehr halten lasse. Auch eine -
hier gegebene
-
Einbuße von 22,77% wirkt
sich bei einem niedrigen Bruttoeinkommen von 1.359,31

Bruttoeinkommen im mittleren oder höheren Bereich.

(5) Das Berufungsgericht hat die Lebensstellung der Versicherten nur deshalb als "noch" gesichert angesehen, weil sie nun durch einen wesentlich höheren Freizeitanteil geprägt werde und besondere Belas-tungen, wie Nachtarbeit, entfielen. Eine solche Verrechnung von Freizeit und Arbeitserleichterungen mit der [X.] (dafür: [X.] VersR 1992,
1387, 1388; [X.], [X.] 3.
Aufl. Abschnitt
H Rn.
118) ist aber mit dem Zweck der [X.]sversicherung nicht vereinbar (so auch: [X.] [X.], 841,
843; [X.] [X.], 166, 167). Zwar bildet 24
25
-
13
-

nicht allein die Gleichheit des durch Arbeit erzielten Einkommens den Vergleichsmaßstab, sondern die Vergleichbarkeit der Lebensstellung, die sich ein Versicherter aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit verschafft
oder verschaffen kann (Senatsurteil vom 8.
Februar
2012 [X.]O Rn.
12 m.w.[X.]). Durch das Fehlen von (einzelnen) Erschwernissen, wie etwa Nachtarbeit oder Überstunden, wird die Lebensstellung in diesem Sinne aber ebenso wenig geprägt wie durch zusätzliche Freizeit. Beim [X.] kommt es entscheidend auf die Sicherstellung der in-dividuellen bisherigen Lebensumstände an (Senatsurteil vom 8.
Februar 2012 [X.]O Rn.
10). Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung soll für den Versicherten erkennbar seinen individuellen und [X.] Abstieg im Be-rufsleben und in der Gesellschaft verhindern (Senatsurteil vom 8.
Fe-bruar 2012 [X.]O Rn.
14 m.w.[X.]). Ein solcher Abstieg wird nicht durch mehr Freizeit und das Fehlen von Erschwernissen am Arbeitsplatz [X.], sondern dadurch, dass dem Versicherten weiterhin die finanziel-len Mittel zur Verfügung stehen, die die Aufrechterhaltung des in [X.] Tagen durch den früheren Beruf erreichten Lebensstandards ermög-lichen. Demnach ist der Vorteil größerer Freizeit angesichts des Zwecks der Berufsunfähigkeitsversicherung, den Unterhalt des Versicherten und gegebenenfalls seiner Familie auch in [X.]en der Krankheit sicherzustel-len, nicht zu berücksichtigen ([X.] [X.]O; [X.] [X.]O). Von der zusätzlich gewonnenen Freizeit kann der Unterhalt nicht bestrit-ten werden ([X.] [X.]O). Könnte man Einkommenseinbußen durch [X.]gewinn kompensieren, bedeutete das letzten Endes, dass der gänzliche Verlust des Einkommens durch den völligen Wegfall berufli-cher Tätigkeit aufgewogen würde ([X.] [X.]O).

Eine von der Revisionserwiderung befürwortete Anrechnung etwai-ger
Einsparmöglichkeiten dergestalt, dass der Versicherte [X.]
-
14
-

gen, die er sonst hätte bezahlen müssen, nun selbst übernehmen könn-te, ist in den [X.] nicht vorgesehen.

3. Das Berufungsgericht hat daher nochmals zu prüfen, ob die [X.] -
ohne Kompensation durch mehr Freizeit und Wegfall besonderer Belastungen
-
der Versicherten zumutbar ist; hierzu wird es den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben ha-ben.

[X.] [X.] [X.]

Dr.
[X.]Dr. Götz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.10.2013 -
3 O 582/11 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 17.08.2015 -
4 [X.] -

27

Meta

IV ZR 434/15

07.12.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2016, Az. IV ZR 434/15 (REWIS RS 2016, 1240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1240

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 434/15

IV ZR 8/08

IV ZR 119/09

IV ZR 287/10

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