Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 16/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1648

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 16/10

Verkündet am:

9. November 2011

[X.]kamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Novem-ber 2011

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 20. Zivil-senats des [X.] vom [X.] 2009 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten zu
1 und zu
3 wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nach-teil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus [X.] vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, [X.] Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit
einer von der A.

S.

GmbH (im Folgenden: A.

GmbH) bei den Beklagten zu
1 1
-
3
-

und zu
3 im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr
2005 genomme-nen Geld-
und Werttransportversicherung (Vertrag CLS
100-03). Die zu-grunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: [X.]) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses
Vertrages sind die jeweiligen [X.].

Als Auftraggeberin von [X.] erhielt die Klägerin eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss der Versicherung. Darin sind unter anderem die versicherten Sachen, Gegenstand und Umfang sowie Beginn und Ende der Versicherung, Haftungshöchstsummen, [X.] für den Schadenfall und die Beklagte zu
2 als führender Versicherer aufgeführt.

Geschäftsführer der A.

GmbH verwendeten seit dem [X.] dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A.

GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäfts-praktiken im [X.] 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsver-trag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.

Die Klägerin macht einen Schaden aus Bargeldentsorgungen in der [X.] vom 21. bis zum 29.
August 2006 in Höhe von 1.778.721,03

geltend. Hiermit war die A.

GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) beauftragt.

2
3
4
-
4
-

Im Hauptantrag verfolgt die Klägerin Schadensersatzansprüche aus §
280 Abs.
1 BGB und aus §§
823, 826, 830 BGB i.V.m. §§
246, 263, 266, 27 StGB gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner. [X.] hätten Schutzpflichten gegenüber der Klägerin übernommen, die sie dadurch verletzt hätten, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unre-gelmäßigkeiten bei der A.

GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerin nicht aufgeklärt oder zumindest vor den streitgegenständlichen Transporten gewarnt hätten.

Hilfsweise beruft sich die Klägerin zunächst auf einen -
jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten
-
Leistungsanspruch aus dem [X.], den sie auch gegenüber der Beklagten zu
2
geltend macht, die zwar nicht Vertragspartei geworden sei, aber aufgrund ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung ei-nen dahin gehenden Rechtsschein begründet habe. Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der [X.] aus dem Versicherungsvertrag. Bei diesen vertraglichen Ansprüchen streiten die Parteien insbesondere darüber, ob die Beklagten schon in-folge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie
ob die A.

GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld -
vor allem
mit dessen Einzah-lung auf ein eigenes Konto
-
gegen vertragliche Verpflichtungen versto-ßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.

Das [X.] hat den Beklagten zu
1 auf den ersten Hilfsantrag zur
Zahlung anteiliger Versicherungsleistung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu
1 zurückgewiesen und der Klägerin auf ihre Berufung ebenfalls aufgrund des ersten [X.] gegenüber der [X.] zu
3 eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen. Die wei-5
6
7
-
5
-

tergehende, auf [X.] gegenüber allen Beklagten gerichtete
Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin sowie
der Beklagten zu
1 und zu
3.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (unten
[X.]);
diejenige der Beklagten zu
1 und zu
3
ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt (unten
I[X.]).

I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begrün-det. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag oder der
Versicherungsbestätigung gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A.

GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klä-gerin davor zu warnen.

Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu
1
und zu
3 entsprechend ihrer Beteiligungsquo-ten zu, dagegen ergebe sich
ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu
2
nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.

8
9
10
11
-
6
-

An die Verpflichtung aus
Ziffer
15.4 [X.], Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertra-ges wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu
1 und zu
3
zu-gleich ihre aus Ziffer
15.4 [X.] folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach [X.] und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.

Der Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da hinsichtlich jeder an die A.

GmbH zur Entsorgung übergebenen Geldmenge ein Versicherungsfall eingetreten sei. Dies ergebe sich aus drei unterschiedlichen Gründen.

Die nach Ziffer
3.1 [X.] versicherte Gefahr für das allein vom Versi-cherungsschutz umfasste Bargeld habe sich
bereits durch eine von der A.

GmbH vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder der Klägerin mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A.

GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müs-sen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumenta-tion sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A.

GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.

Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A.

GmbH bei der [X.] zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Transportvertrag, die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der 12
13
14
15
-
7
-

Klägerin bei der [X.] einzuzahlen. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung

gegebenenfalls auch nur still-schweigend

mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A.

GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.

Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil davon auszuge-hen sei, dass die A.

GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der [X.] eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die [X.] zu
1 und zu
3
ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.

Der [X.] sei nicht infolge der von den Beklagten zu
1 und zu
3
erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Kläge-rin aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ausgeschlossen.

Die Klägerin
treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; [X.] für eine grob fahrlässige Verursachung des [X.]S. des §
61 VVG
a.[X.] bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von
10
Mio.

9.3.3 Abs.
2 [X.] begrenzt. Auch ein gedehnter Scha-denfall liege nicht vor.

[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das Berufungs-gericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.

1. Die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den [X.] verfolgten Schadensersatzansprüche ist rechtsfehlerfrei. Für eine 16
17
18
19
20
-
8
-

von den Beklagten vorgebrachte Beschränkung der Revisionszulassung fehlt es
allerdings
nach Tenor und Entscheidungsgründen des Beru-fungsurteils an einer ausreichenden Grundlage.

a) Ein Anspruch aus §
280 Abs.
1 BGB besteht selbst dann nicht, wenn die Beklagten
wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht

seit März
2006 um die Geschäftspraktiken der A.

GmbH gewusst haben. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenom-men, dass weder dem Versicherungsvertrag noch der [X.] besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den [X.] zu entnehmen sind. Die Versicherungsbestätigung enthält ins-besondere keine entsprechenden
ungeschriebenen

Mitteilungspflich-ten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der A.

GmbH zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Scha-den zu warnen (vgl. Senatsbeschluss vom 21.
September 2011,

HEROS
II

IV
ZR 38/09
Rn.
33). Gleiches gilt für den Versicherungsver-trag selbst.

b) Die Klägerin vermag einen Schadensersatzanspruch aus §§
823, 826, 830 BGB i.V.m. §§
246, 263, 266, 27 StGB ebenfalls nicht aufzuzeigen. In
ihrer Revision verweist sie allein auf eine erst während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein [X.] Vorwurf wird daher nicht schon an die Gewährung von Versi-cherungsschutz, sondern erst daran geknüpft, dass dieser weiterhin un-terhalten worden und eine -
vorzeitige
-
Vertragsbeendigung oder zumin-dest eine Information der Versicherten unterblieben ist. Eine solche in einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von §
27 StGB erfordert unter anderem eine Garantenstellung i.S. des §
13 StGB (vgl. nur [X.], [X.] vom 30.
September 1992
2 StR 397/92, wistra
1993, 59 un-21
22
-
9
-

ter
1; Urteil vom 9.
September 1988

2
StR 352/88, NJW
1989, 914 un-ter IV
2
a; Kühl in [X.], StGB 27.
Aufl. §
27 Rn.
5; [X.] in [X.]/[X.], StGB 28.
Aufl. §
27 Rn.
15). Diese hat das [X.] mit Blick darauf verneint, dass die Klägerin die A.

GmbH auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt
und
mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.

2. Die auf Leistung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge ha-ben die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu
2
zu Recht abgewie-sen.

Die
Beklagte zu
2
war

wovon die Klägerin in ihrer Revision aus-geht

nicht Versicherer der hier genommenen Geld-
und Werttransport-versicherung. Der Umstand, dass sie in der Versicherungsbestätigung als führender Versicherer genannt ist, vermag auch keinen dahin gehen-den Rechtsschein zu begründen. Aufgrund von §§
5, 7 Abs.
1 [X.] ist sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weder berechtigt noch in der Lage, Versicherungsverträge auf dem [X.] Markt anzubieten und in eigenem Namen abzuschließen. Der erforderliche Deckungs-schutz wäre nicht gewährleistet. Geschäftserfahrene Versicherte wie die Klägerin mussten deshalb von vornherein annehmen, dass der Versiche-rungsvertrag nicht mit der Beklagten zu
2, sondern mit solchen Vertrags-partnern geschlossen ist, die als Versicherer tätig werden dürfen und können (vgl. [X.], Urteil vom 17.
November 1975

II
ZR 120/74, [X.] 1976, 154 unter
2).

23
24
-
10
-

I[X.] Die Verurteilung der Beklagten zu
1
und zu
3 nach dem ersten Hilfsantrag hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidungserhebli-chen Punkt nicht stand.

1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klä-gerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu
1
und zu
3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.

Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 (unter [X.]) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] vereinbarten

lediglich passiven

Prozessfüh-rungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hin-aus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Beru-fen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach §
242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.

2. Einen nach Ziffer
3.1 [X.] versicherten Schaden in Höhe von 1.778.721,03

aufgrund der Bargeldentsorgung
durch die A.

GmbH hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.

a) Über
die hier genommene Geld-
und Werttransport-Versiche-rung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. [X.] ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten 25
26
27
28
29
-
11
-

Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch-
oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.
November 2007

IV
ZR 48/07, VersR
2008, 395 Rn.
4
ff. und

IV
ZR 70/07, TranspR
2008, 129 Rn.
4
ff.; Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
21
ff.; a.[X.], VersR
2011, 1081, 1082
f.).

b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten [X.] der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten zu
1 und zu
3
als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25.
Mai 2011,
HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
41).

aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Vertei-lung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A.

GmbH zu Scha-den gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des [X.] (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
42
ff.).

bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind

entgegen der Annahme des Berufungsgerichts

auch nicht damit zu begründen, dass
wie von der Klägerin behauptet

die Geldentsorgung durch die A.

GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige
unzu-reichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A.

GmbH zum Transport anver-traut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der 30
31
32
-
12
-

A.

GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Ver-buchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragli-che Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.

c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten [X.]raums eingetretenen Versiche-rungsfalles i.S. von Ziffer
3.1 [X.] hat die Klägerin erbracht.

aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte stoffli-che Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorge-sehene Sache manifestiert. Ein solcher Zugriff
ist
hier schon deshalb an-zunehmen, weil die geschuldete Übergabe
an die [X.]
nicht nach den Vorgaben des [X.] ausgeführt worden ist.

Daher
kommt es nicht darauf an, ob
wie die Klägerin behauptet

bereits vor Einzahlung bei der [X.] ein stofflicher Zu-griff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten zu
1 und zu
3, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht fest, dass die A.

GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bargeld letztlich vollständig auf bei der [X.] unterhaltene eigene [X.] eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom [X.] umfassten stofflichen Zugriff.

Das folgt aus der Regelung in Ziffer
1 der Anlage
2 zum [X.] ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die
Abholung von Werten"). Danach sind "Bargeldbestände, die aus Ein-33
34
35
36
-
13
-

n-den Bankarbeitstag gebündelt an die jeweilige Landeszentralbank

Gunsten des Kontos der Hausbank des Auftraggebers zu liefern".

Dem hat das Berufungsgericht entnommen, dass das Bargeld im Zuge der Übergabe an die [X.] von der A.

GmbH auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der [X.] einzuzahlen (sog. Nicht-Konto-Verfahren) und die Einzahlung auf ein Ei-genkonto der A.

GmbH nicht gestattet ist. Damit hat es den [X.] in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausge-legt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze ver-letzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur [X.], Versäumnisurteil vom 6.
Juli 2005

VIII
ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter
II
2
a; Urteil vom 7.
Dezember 2004

XI
ZR 366/03, NJW-RR
2005, 581 unter
II
2
a
bb
(2)).

Die Vereinbarung des [X.] erschließt sich be-reits
daraus, dass das Geld auf ein Konto der Hausbank der Klägerin einzuzahlen ist.
Gerade diese
mit an die Klägerin gerichtetem Schrei-ben der A.

GmbH vom 18.
März 2005 bestätigte

Einbeziehung der Hausbank widerspricht der Annahme der Beklagten zu
1 und zu
3, eine Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transporteurs und eine
Abwicklung im kontogebundenen Überweisungsverfahren
einer nach den damaligen Regularien der [X.] ebenfalls zulässigen, aber nicht vorrangigen Einzahlungsmodalität

seien erlaubt. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass das Geld gebündelt zu liefern ist (anders der Sachverhalt in: Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 37
38
-
14
-

117/09, VersR
2011, 918 Rn.
52
ff.; Senatsbeschlüsse vom 25.
Mai 2011

IV
ZR 156/09, juris Rn.
18
ff. und
IV
ZR 247/09, VersR
2011, 923 Rn.
20
ff.).

bb) Der stoffliche Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten [X.]raums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Trans-portgut der [X.] überlassen wird und diese zum an-deren die

vertragsgemäße

Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
c).

cc) Das Vorgehen der A.

GmbH ist

wie das Berufungsge-richt richtig sieht

auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des [X.] ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese [X.] stillschweigend geduldet hätte. Nach den festgestellten [X.] zur Abwicklung des [X.] ist für ein stillschweigendes Ab-bedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum, da dies dazu geführt hätte, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versi-cherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
d).

[X.]) Mit der Einzahlung des der A.

GmbH am 28. und 29.
Au-gust 2006 zur Aufbereitung und Einzahlung bei der [X.] überlassenen Bargeldes auf deren Konto ist der Klägerin ein versi-39
40
41
-
15
-

cherter Schaden in Höhe
von 1.778.721,03

entstanden. Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden oder dessen Reduzierung haben die
[X.] zu
1 und zu
3
nicht dargetan.

3. Die Beklagten zu
1 und zu
3 sind auch nicht

wie die Revision
meint

deshalb nach §§
130, 131 VVG
a.[X.] i.V.m. §
79 Abs.
1 VVG
a.[X.] leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A.

GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätte.

Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klä-gerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§
130, 131 VVG
a.[X.] sind gemäß Ziffer
4.2.1 [X.] zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden".
Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebil-deter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die [X.] und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, [X.], 918 Rn.
22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verste-hen, dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beein-trächtigt.

4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten [X.] abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ver-einbarte Haftungshöchstgrenze von 10

n-spruch der Klägerin nicht berührt. Jede einzelne vertragswidrige Einzah-lung auf ein Eigenkonto der A.

GmbH begründet einen stofflichen 42
43
44
-
16
-

Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem [X.] ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.

5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu
1 und zu
3
jedoch aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] zu Unrecht mit dem Einwand der Anfech-tung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von §
123 Abs.
1 BGB ausgeschlossen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 21.
September 2011 (HEROS
II

IV
ZR 38/09 Rn.
26
ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem [X.] selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des §
123 Abs.
2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen
den Beklagten zu
1 und zu
3 als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offen bleiben, ob Zif-fer
9.3.3 Abs.
2 [X.] durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen [X.] Verzicht zu entnehmen ist.

Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten zu
1 und zu
3 ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglis-tiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.

45
46
47
-
17
-

IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dr. [X.][X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2008 -
1 [X.]/07 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 18.12.2009 -
I-20 [X.]/08 -

48

Meta

IV ZR 16/10

09.11.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 16/10 (REWIS RS 2011, 1648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1648

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 15/10 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 171/10 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 173/10 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 172/10 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 16/10 (Bundesgerichtshof)

Geld- und Werttransportversicherung: Rechtsschein der Versichererstellung einer GmbH; Darlegungs- und Beweislast für die Abdeckung des …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 16/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.