Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 172/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1573

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 172/10

Verkündet am:

9. November 2011

Heinekamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

Geldtransport IV

A[X.] Valoren-Transportversicherung

Zum Begriff des Versicherungsfalles in einer Geld-
und Werttransportversicherung, wenn die Versicherungsnehmerin Bargeld nicht entsprechend den Vorgaben des [X.] zur Geldversorgung beim Auftraggeber abliefert.

[X.], Urteil vom 9. November 2011 -
IV ZR 172/10 -
OLG Hamm

LG Essen

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Novem-ber 2011

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20.
Zi-vilsenats des [X.] vom 16.
Juli 2010 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Genossenschaftsbank,
begehrt Versicherungs-leistungen im Zusammenhang mit einer von der A.

S.

GmbH (im Folgenden: A.

GmbH) bei den Beklagten im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr
2005 genommenen Geld-
und Wert-transportversicherung (Vertrag CLS
100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: [X.]) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. 1
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Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geld-entsorgung und -versorgung.

Geschäftsführer der A.

GmbH verwendeten seit dem [X.] dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A.

GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäfts-praktiken im [X.] 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsver-trag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.

Die Klägerin macht einen Schaden aufgrund einer unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten in Höhe von 3.224.000

einen Fehlbetrag von 250.000

infolge nicht erfolgter
Rückführung einer Geldmenge, die ursprünglich
ebenfalls zur
Bestückung
eines Geldautomaten
vorgesehen
war,
und
weitere Schäden in Höhe von insgesamt 471.765

m-menhang mit der von der Klägerin in Auftrag gegebenen
Bargeldentsor-gung und -versorgung geltend. Hiermit war die A.

GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonsti-gen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) betraut.

Die Klägerin beruft sich
unter Berücksichtigung eines [X.] Betrages von
652.750

im Hauptantrag
auf einen -
jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten
-
Leistungsanspruch aus dem [X.]. Mit dem Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag. Die [X.] streiten insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A.

GmbH im Umgang mit 2
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dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen versto-ßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.

Das [X.] hat den Beklagten zu
1 auf den Hauptantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung
wegen des [X.] von 250.000

der unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten verur-teilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der
Klägerin auf ihre Berufung gegenüber
der Beklagten zu
2 insofern eben-falls aufgrund des [X.] eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen, jedoch die weitergehende Berufung der Klägerin und die-jenige des Beklagten zu
1 zurückgewiesen.
Mit ihrer
Revision
wenden sich die
Beklagten
gegen ihre Verurteilung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Versicherungsleistung, den sie geltend zu machen berechtigt sei, gegenüber
den
Beklagten
entspre-chend ihrer Beteiligungsquoten wegen des [X.] von 250.000

und der unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten
mit 3.224.000

, nicht jedoch wegen der weiteren behaupteten Schäden
zu.

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An die Verpflichtung aus Ziffer
15.4 [X.], Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertra-ges wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zugleich ihre aus Ziffer
15.4 [X.] folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach [X.] und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.

Die ursprünglich zur Befüllung eines Geldautomaten vorgesehene
Geldmenge
von 250.000

habe nach Rückforderung durch die Klägerin im Wege der Bargeldentsorgung an diese zurückgeführt werden sollen. Daher ergebe sich ein Versicherungsfall aus drei unterschiedlichen Gründen.

Die nach Ziffer
3.1 [X.] versicherte Gefahr für das
allein vom Versi-cherungsschutz umfasste Bargeld habe sich
bereits durch eine von der A.

GmbH vorgenommene Vermischung des
zu entsorgenden Gel-des
der Klägerin mit dem
anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A.

GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müs-sen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumenta-tion sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib des
an die A.

GmbH übergebenen Geldes
nachzuweisen.

Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin
auf ein Konto der A.

GmbH bei der [X.] zu sehen.
Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtungen
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aus dem Transportvertrag. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung -
gegebenenfalls auch nur stillschweigend
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mit einer Ein-zahlung auf ein Eigenkonto der A.

GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.

Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil davon auszuge-hen sei, dass die A.

GmbH die zu entsorgenden Gelder
nicht bei
der [X.] eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die [X.] ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.

Hinsichtlich der
unterbliebenen Bestückung von Geldautomaten mit einem Betrag von insgesamt 3.224.000

liege ebenfalls ein Versiche-rungsfall vor. Diese Geldmenge sei der A.

GmbH am 29.
August 2006 von der [X.] im Auftrag der Klägerin ausgezahlt worden, eine Befüllung von Automaten sei
jedoch nicht erfolgt. Wenn
dieses Geld mit dem anderer Auftraggeber vermischt oder auf ein Konto der A.

GmbH eingezahlt worden sei, ergebe sich die Leistungs-pflicht der Beklagten
aus den Überlegungen zur Geldentsorgung. Im Fall einer Bargeldunterschlagung durch einen Mitarbeiter der A.

GmbH folge die Pflicht zur Leistung
unmittelbar aus den Ziffern
2.1, 2.1.1, 3.1 und 3.1.2 [X.].

Vom versicherten
Schaden in Höhe von
insgesamt
3.474.000

ein
der Klägerin zurückgezahlter Betrag von 652.750

n-gen, so dass ein Anspruch in Höhe von 2.821.250

sei nicht infolge der von den Beklagten erklärten Anfechtung des Versiche-rungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses [X.] diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ausge-schlossen.
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Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; [X.] für eine grob fahrlässige Verursachung des [X.]S. des §
61 VVG
a.[X.] bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10
Mio.

9.3.3 Abs.
2 [X.] begrenzt. Auch ein gedehnter Scha[X.]fall liege nicht vor.

II. Das
hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidungserheb-lichen Punkt nicht stand.

1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klä-gerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten nicht an die Verpflichtung aus Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] ge-bunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.

Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 (unter [X.]) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] vereinbarten -
lediglich passiven
-
Prozessfüh-rungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hin-aus stellt sich die Erhebung dieses [X.] bei gleichzeitigem Beru-fen
auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach §
242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.

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2. Einen nach Ziffer
3.1 [X.] versicherten Schaden
hat das [X.] sowohl
im Zusammenhang mit der von der A.

GmbH geschuldeten Rückführung des ihr ursprünglich zur Befüllung eines Geldautomaten überlassenen Betrages (250.000

)
als auch bezüglich der unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten (3.224.000

im Er-gebnis zutreffend
festgestellt.

a) Über die hier genommene Geld-
und Werttransport-Versiche-rung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. [X.] ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch-
oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.
November 2007 -
IV
ZR 48/07, VersR
2008, 395 Rn.
4
ff. und -
IV
ZR 70/07, TranspR
2008, 129 Rn.
4
ff.; Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I
-
IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
21
ff.; a.[X.], VersR
2011, 1081, 1082
f.).

b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten [X.] der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportge-fahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I
-
IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
41).

aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Vertei-lung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A.

GmbH zu Scha[X.] gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungs-20
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vertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
42
ff.).

bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind

entgegen der Annahme des Berufungsgerichts

auch nicht damit zu begründen, dass

wie von der Klägerin behauptet

die Geldbearbeitung
durch die A.

GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzu-reichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A.

GmbH zum Transport anver-traut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A.

GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Ver-buchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragli-che Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.

c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten Zeitraums eingetretenen Versiche-rungsfalles i.S. von Ziffer
3.1 [X.] hat die Klägerin
für den zurückzufüh-renden Betrag von 250.000

erbracht.

aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte "stoff-liche"
Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vor-gesehene
Sache manifestiert. Ein solcher Zugriff ist hier schon deshalb anzunehmen, weil die geschuldete Übergabe an die [X.] nicht nach den
Weisungen
der Klägerin
ausgeführt worden ist.

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Daher kommt es nicht darauf an, ob

wie die Klägerin behauptet

bereits vor Einzahlung bei der [X.] ein "stofflicher"
Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht fest, dass die A.

GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bargeld letztlich vollständig auf bei der [X.] unterhaltene eigene Konten einge-zahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die sie treffenden
Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten "stoffli-chen"
Zugriff.

Zwar lassen sich diese
Pflichten
nicht unmittelbar der für die Bar-geldentsorgung maßgeblichen Regelung in Ziffer
1 der Anlage
2 zum Transportvertrag ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten")
entnehmen, wonach "Bargeldbestände

zweiten Bankwerktag
nach der Abholung Bundesbank-gerecht aufberei-tet an die jeweilige Filiale der [X.] zu Gunsten des Kontos des Auftraggebers einzuzahlen"
sind.
Die von der Klägerin [X.] zur Rückführung hat jedoch -
wie die Revision im Ansatz zutreffend sieht
-
zum Inhalt, dass die Einzahlung bei der [X.] in
der für die Geldentsorgung üblichen Art und Weise
zu erfolgen hat. Daher ergeben sich die die A.

GmbH treffenden Pflichten auch insofern aus Ziffer
1 der Anlage
2 zum Transportvertrag.

Dieser Regelung
hat das Berufungsgericht entnommen, dass eine Einzahlung auf ein Eigenkonto der A.

GmbH nicht gestattet ist
([X.]). Damit hat es
im Ergebnis
den Transportvertrag in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der einge-27
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schränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein [X.] Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur [X.], Versäumnisurteil vom 6.
Juli 2005

VIII
ZR 136/04, NJW
2005, 3205 unter
II
2
a; Urteil vom 7.
Dezember 2004

XI
ZR 366/03,
NJW-RR
2005, 581 unter
II
2
a
bb
(2)).

Der Ausschluss einer Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transpor-teurs im Rahmen des kontogebundenen Überweisungsverfahrens er-schließt sich
bereits daraus, dass das Bargeld nach dem [X.] auf ein Konto der Klägerin
oder eines der

(vgl. Anlage
3.3 zum Transportvertrag: "[X.]") bei der [X.] einzuzahlen ist.
Gerade die Benennung dieser Kon-ten als Zielkonto weist auf das [X.], da sowohl die Klägerin als auch die

anders als andere
Auftraggeber der A.

GmbH

berechtigt sind, eigene Konten bei der [X.] zu unterhalten. Zur Geldentsorgung bedarf es in diesem Fall
keiner Zwischenschaltung eines weiteren
Kontos.

bb) Der "stoffliche"
Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Trans-portgut der [X.] überlassen wird und diese zum an-deren die -
den Vorgaben des Auftraggebers entsprechende
-
Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzu-schreiben ist (vgl. Senatsurteil im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
c).

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cc) Das Vorgehen der A.

GmbH ist

wie das Berufungsge-richt richtig sieht

auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des [X.] ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese [X.] stillschweigend geduldet hätte.
Selbst bei unterstellter Kenntnis der Klägerin
davon, dass sie
im Zuge der Geldentsorgung
Überweisun-gen von einem Eigenkonto der A.

GmbH und nicht von
demjenigen der

erhalten hat, ist nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports
für ein stillschweigendes Abbedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum. Denn
dies
hätte
dazu geführt, dass die zu entsor-genden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. [X.] im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
d).

d) Darüber hinaus ist ein Versicherungsfall innerhalb des nach Zif-fer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten Zeitraums bezüglich des
Geldbetrages von 3.224.000

r
für
Befüllung von Geldautomaten vor-gesehen gewesen ist.

aa) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die [X.] auf Weisung
der Klägerin am 29.
August 2006 diesen
Betrag an die A.

GmbH aus-bezahlt. Mit diesem Geld
sind

auf der Grundlage des [X.]

am Folgetag einzeln benannte Geldautomaten in genau angegebe-ner Höhe zu befüllen gewesen. Das ist nicht erfolgt; der Verbleib des Geldes ist ungeklärt.

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bb) Im Unterbleiben der im Rahmen des konkreten [X.] geschuldeten Ablieferung der jeweiligen Geldmengen an den
vor-gesehenen Bestimmungsorten
liegt bereits ein
"stofflicher"
Zugriff auf das Transportgut.
Die A.

GmbH unterbricht damit
nach außen er-kennbar

den vereinbarten Ablauf der Geldversorgung. Sie handelt

wie im Fall einer vertragswidrigen Einzahlung zu entsorgender
Gelder
auf ein Eigenkonto

den vertraglichen
Vorgaben zuwider und entzieht damit zu-gleich der Klägerin als Auftraggeberin die Möglichkeit zu bestimmen, wie mit dem Bargeld verfahren wird.

Dieser Zugriff liegt innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versi-cherten Zeitraums. Das der A.

GmbH im Rahmen der Geldversor-gung überlassene Bargeld
ist nicht "in die Obhut des berechtigten [X.]" gelangt, da es nicht zu den von der Klägerin benannten [X.] gebracht und dort eingesetzt worden
ist.

Zur Annahme eines Versicherungsfalles bedarf es -
anders als die Revision meint
-
daher keiner Feststellungen dazu, ob die A.

GmbH das Geld zu anderen Zwecken verwendet hat,
oder zu dessen weiterem Verbleib.

e) Der Klägerin ist mithin ein versicherter Schaden in Höhe von insgesamt 3.474.000

(250.000

entstanden. Da sie
ei-nen Betrag von
652.750

erhalten hat, verbleibt eine Leistungs-pflicht der
Beklagten in Höhe von
2.821.250

geringeren Schaden oder eine weitere Reduzierung haben die Beklagten nicht dargetan.

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3. Die Beklagten sind auch nicht
wie die Revision meint

deshalb nach §§
130, 131 VVG
a.[X.] i.V.m. §
79 Abs.
1 VVG
a.[X.] leistungsfrei, weil die Klägerin
mit Blick auf eine etwaige Kenntnis von Pflichtverlet-zungen die Fortsetzung der
Geschäftspraktiken der A.

GmbH er-möglicht oder zumindest begünstigt hätte.

Selbst bei einer

wie von der Revision behauptet

fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§
130, 131 VVG
a.[X.] sind gemäß Ziffer
4.2.1 [X.] zuguns-ten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versi-cherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Reprä-sentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durch-schnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die [X.] und In-teressen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
22), dass nur [X.] vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausge-nommen sind. Das darf er dahin verstehen, dass eine lediglich fahrlässi-ge oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewäh-renden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.

4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten [X.] abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ver-einbarte Haftungshöchstgrenze von 10
Mio.

n-spruch der Klägerin nicht berührt. Jeder einzelne vertragswidrige Um-gang mit zur Ent-
oder Versorgung überlassenem Bargeld begründet ei-nen "stofflichen"
Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
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5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten jedoch aufgrund Zif-fer
9.3.3 Abs.
2 [X.] zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von §
123 Abs.
1 BGB ausgeschlossen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 21.
September 2011 (HEROS
II

IV
ZR 38/09 Rn.
26
ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei
Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem [X.] selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des §
123 Abs.
2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und
den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offen bleiben, ob Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.

Das Berufungsgericht wird
der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger [X.] bei Vertragsschluss angefochten haben.

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-

III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dr. [X.][X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
LG

Essen, Entscheidung vom 01.12.2008 -
1 O 308/06 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 16.07.2010 -
I-20 U 28/09 -

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Meta

IV ZR 172/10

09.11.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 172/10 (REWIS RS 2011, 1573)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1573

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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