Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.08.2017, Az. V R 62/16

5. Senat | REWIS RS 2017, 6980

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Gegenstand

Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung eines Marktplatzes


Leitsatz

Verwendet eine Stadt ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche wie auch für hoheitliche Zwecke, kann sie diesen nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und ist deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2016  6 K 1797/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um den Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung eines sog. Marktplatzes durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin).

2

Klägerin ist die Stadt [X.] Diese erhielt bereits im Jahre … die staatliche Anerkennung als Heilbad und das Recht, die Bezeichnung "Bad" im Stadtnamen zu führen.

3

In den Streitjahren (2009 und 2010) errichtete die Klägerin in der Stadtmitte auf dem Gelände eines ehemaligen Supermarktes einen als "Marktplatz" bezeichneten Platz, bestehend aus einer Bühnenanlage mit Zuschauertribüne, Ruhebänken sowie einem Geräte- und Abstellraum. Weiterhin wurden Basaltsäulen errichtet und Hinweistafeln angebracht, die über die Bedeutung des Badeortes im Hinblick auf die Lehren, Therapien und ... informieren. Schließlich ließ die Klägerin einen Wasserlauf mit zwei Brunnen erstellen, den Platz entsprechend befestigen, gärtnerisch gestalten und teilweise umzäunen. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde auf dem an den Marktplatz angrenzenden Kurpark eine öffentliche Toilettenanlage errichtet.

4

Nach Abschluss der Baumaßnahmen (Frühjahr 2010) wurde der Marktplatz im Rahmen eines Bürgerfestes am … eingeweiht.

5

In ihren am 9. September 2011 (Umsatzsteuer 2009) und 27. Juli 2012 (Umsatzsteuer 2010) eingereichten Umsatzsteuererklärungen machte die Klägerin den Abzug der auf die Umbaukosten für den Marktplatz in 2009 (120.541,65 €) und in 2010 (10.462,34 €) entfallenen Vorsteuerbeträge geltend.

6

Nach den Feststellungen einer die Streitjahre betreffenden [X.] wurde der Platz in den Sommermonaten 2010 für die Ausrichtung eines Weinfestes, für "public viewing" zur [X.] sowie für verschiedene Open-Air-Konzerte mit freiem Eintritt genutzt, nicht aber für Zwecke des --jeweils am Dienstag an anderer Stelle [X.] Wochenmarktes. Hieraus folgerte der Prüfer, dass der Marktplatz nicht für eine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit (Kurbetrieb der Klägerin) verwendet werde und deshalb kein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe.

7

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) schloss sich dieser Auffassung an und versagte mit den [X.] vom 3. Januar 2012 (2009) sowie vom 26. November 2012 (2010) den Vorsteuerabzug für die Kosten des Marktplatzes. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das [X.] im Wesentlichen als unbegründet zurück; lediglich für das [X.] wurden weitere Vorsteuerbeträge von 1.870,45 € zum Abzug zugelassen. Diese betreffen die Anschaffung und Anbringung von einzelnen Wirtschaftsgütern, die dem Betrieb gewerblicher Art "Kurverwaltung" dienten bzw. in einem objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem stünden (Basaltsäulen, Symbole, Infotafel, Colortafel).

8

Die dagegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit seinem in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2017, 244 veröffentlichten Urteil ab. Nach den Feststellungen des [X.] wurde der Platz sowohl von Kurgästen (gegen Kurbeitrag) als auch von [X.] (unentgeltlich) und damit "gemischt" genutzt. Der unternehmerische Bereich der Klägerin (Kurverwaltung) beinhalte das Bereitstellen von Einrichtungen des Fremdenverkehrs gegen die Entrichtung von [X.]. Daneben sei die Klägerin im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) hoheitlich tätig geworden. Dieses Tätigwerden vollziehe sich innerhalb des nichtunternehmerischen Bereichs. Der Marktplatz stelle eine allgemeine und kostenfrei von "jedermann" nutzbare städtische Einrichtung dar. Da der Platz öffentlich zugänglich sei, werde er auch von den einheimischen Bewohnern sowie sonstigen Besuchern der Gemeinde (Tagestouristen) besucht.

9

Der Vorsteuerabzug scheide bereits mangels rechtzeitiger Dokumentation der Zuordnungsentscheidung aus. Die Klägerin habe es unterlassen, bei Bezug der [X.] eine Zuordnungsentscheidung zu treffen und diese in den bis 31. Mai 2010 bzw. 31. Mai 2011 abzugebenden Umsatzsteuererklärungen zu dokumentieren. Denn diese Steuererklärungen seien erst im September 2011 (2009) bzw. im Juli 2012 (2010) beim [X.] eingereicht worden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung vor:

Das [X.] habe nicht berücksichtigt, dass ein Zuordnungswahlrecht bei nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten ausschließlich für den Sonderfall einer Privatentnahme bestehe. Da es sich bei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin um eine Verwendung für [X.] handele, sei sie, die Klägerin, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Im Hinblick auf die gemischte Nutzung des Marktplatzes gelte das Aufteilungsgebot des § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) analog. Danach sei der unternehmerische Nutzungsanteil im Wege einer sachgerechten und vom [X.] überprüfbaren Schätzung zu ermitteln.

Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge könnten nicht berücksichtigt werden, weil die unternehmerische Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs nicht nachgewiesen worden sei. Es fehle an einem hinreichenden objektiven Zusammenhang der Nutzung des Marktplatzes im Rahmen des Betriebs gewerblicher Art "Kurbetrieb". Der Kurbeitrag sei aufgrund der Neugestaltung des Marktplatzes nicht erhöht worden, obwohl es sich bei der Kurtaxe um eine Kommunalabgabe eigener Art handele, die neben [X.] auch gebührenrechtliche Merkmale aufweise und der Deckung des Aufwands diene, welcher der Gemeinde für die Herstellung und Unterhaltung von zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen entstehe. Ein Nachweis, nach dem die Kalkulation des Kurbeitrags den Aufwand für die Herstellung oder Unterhaltung des Marktplatzes beinhalte, sei nicht vorgelegt worden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den Vorsteuerabzug zu Unrecht mit der Begründung versagt, dass es an einer rechtzeitigen Dokumentation der Zuordnungsentscheidung fehle und damit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 UStG verletzt. Der [X.] kann mangels tatsächlicher Feststellungen die Sache nicht selbst entscheiden.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG).

1. Der Vorsteuerabzug erfordert --entgegen dem [X.]-Urteil-- im Streitfall keine zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung.

a) Eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung hat der Unternehmer für Zwecke des Vorsteuerabzugs nur dann zu treffen und zu dokumentieren, wenn ein Zuordnungswahlrecht besteht (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 14. Oktober 2015 V R 10/14, [X.] 251, 461, [X.], 717, Rz 17, m.w.N.). Das Zuordnungswahlrecht besteht jedoch nicht für jede gemischte Nutzung eines Gegenstands, sondern nur für die gemischte Nutzung im Rahmen des "Sonderfalls einer Privatentnahme" i.S. von Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] (nunmehr: Art. 16 und Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--), bei der ein Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund der Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann ([X.]-Urteile vom 3. März 2011 V R 23/10, [X.] 233, 274, [X.], 74, Rz 16 f.; vom 10. November 2011 V R 41/10, [X.] 235, 554, Rz 32; vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, [X.] 232, 243, [X.], 717, unter Rz 26, sowie vom 13. Januar 2011 V R 12/08, [X.] 232, 261, [X.], 721, Rz 35).

b) Das [X.] geht davon aus, dass eine gemischte Nutzung des Marktplatzes vorliege, weil die Klägerin diesen Platz im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch und im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) nichtunternehmerisch nutzt. In diesem Fall hat die Klägerin nicht die Möglichkeit, gemischt genutzte Gegenstände insgesamt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen, sondern kann den Vorsteuerabzug nur anteilig geltend machen (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 12. Februar 2009 [X.]/07, [X.]:C:2009:88, Leitsatz sowie Rz 32; [X.]-Urteile in [X.] 233, 274, [X.], 74, und in [X.] 235, 554). Anders ist es nur bei einer gemischten Verwendung für wirtschaftliche und private Zwecke. Private Zwecke in diesem Sinne sind nur Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche Person und --unabhängig von der Rechtsform des [X.] für den privaten Bedarf seines Personals, nicht dagegen eine Verwendung für den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.

Im Streitfall betrifft die weitere Verwendung des Marktplatzes den Hoheitsbereich der Klägerin und nicht deren private Zwecke, sodass ihr kein Wahlrecht zugunsten einer Zuordnung des gesamten Gegenstands zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusteht und damit auch kein Zuordnungserfordernis besteht. Das Urteil des [X.] widerspricht den o.g. Rechtsprechungsgrundsätzen und ist daher aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung des sog. Marktplatzes einen (anteiligen) Vorsteuerabzug geltend machen kann. Dieser könnte sowohl an der Unternehmereigenschaft der Klägerin als auch am Erfordernis eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz scheitern.

a) Der Unternehmer ist nach ständiger [X.]srechtsprechung zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt. Die bisherige Rechtsprechung des [X.]s ([X.]-Urteile vom 26. April 1990 V R 166/84, [X.] 161, 182, [X.] 1990, 799, Rz 8; vom 1. Oktober 1981 V R 34/76, [X.] 1982, 32, sowie vom 18. August 1988 V R 18/83, [X.] 154, 269, [X.] 1988, 971) geht zwar ebenso wie das Schrifttum (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 46 Rz 351 "Kurbetrieb"; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], UStG § 2 Rz 177 "Kurbetrieb"; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 1362, 1363; [X.] in [X.]/Söhn/[X.], § 2 UStG Rz 209 "Kurbetrieb") davon aus, dass zu den Betrieben gewerblicher Art auch ein sog. Kurbetrieb gehören kann, d.h. die Überlassung von Kureinrichtungen gegen Entgelt in Gestalt von [X.] oder Kurtaxen. Diese Rechtsprechung war jedoch im Hinblick auf den Verweis von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 des [X.] ([X.]) körperschaftsteuerrechtlich geprägt und berücksichtigte noch nicht den Einfluss des Unionsrechts auf die Auslegung des Begriffs "Betrieb gewerblicher Art" in § 2 Abs. 3 UStG.

Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des [X.] ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 [X.] entsprechend Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/[X.] (seit 1. Januar 2007: Art. 13 MwStSystRL) Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handelt sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde ([X.]-Urteile vom 15. April 2010 V R 10/09, [X.] 229, 416, unter [X.] bis 5., m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung; in [X.] 233, 274, [X.], 74, Rz 21, sowie vom 1. Dezember 2011 V R 1/11, [X.] 236, 235, Rz 18 ff.).

Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin den Kurbetrieb auf privatrechtlicher oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage betreibt. Sofern die im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen ergeben, dass die Klägerin auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig wird, hängt ihre Unternehmereigenschaft davon ab, ob die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. So verhält es sich nicht, wenn es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen durch den Staat ausgeschlossen ist, dass private Anbieter Leistungen auf den Markt bringen, die mit den staatlichen Leistungen im Wettbewerb stehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 46 Rz 103; [X.]-Urteil vom 15. April 2010 V R 10/09, [X.] 229, 416, Rz 48; EuGH-Urteil National Roads Authority vom 19. Januar 2017 [X.]/15, [X.]:[X.], Rz 49, 50).

b) Kommt das [X.] hiernach zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch tätig wurde, hat es weiter zu prüfen, ob der begehrte Vorsteuerabzug am fehlenden Zusammenhang zwischen den Kosten für die Errichtung/Gestaltung des Marktplatzes und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Kurbetrieb) scheitert.

Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der sog. Marktplatz (ganz oder teilweise) als öffentliche Straße oder Platz dem [X.] gewidmet wurde. Fehlt es an einer derartigen Widmung zum [X.], ist festzustellen, ob es sich beim sog. Marktplatz um eine öffentliche Einrichtung i.S. von § 14 Abs. 2 der Gemeindeordnung [X.] handelt, die ausdrücklich oder zumindest konkludent der Öffentlichkeit zur Nutzung überlassen wurde. In diesem Falle wäre eine Sondernutzung des Marktplatzes durch Kurgäste dann ausgeschlossen, wenn diese den Marktplatz lediglich in Form des Betretens und Besichtigens und damit als Teil der Allgemeinheit nutzen (vgl. hierzu [X.]-Urteil in [X.] 161, 182, [X.] 1990, 799, Rz 13). Gegen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin könnte auch sprechen, dass nach den Ausführungen des [X.] im Revisionsverfahren die Neugestaltung des Marktplatzes keinerlei Einfluss auf die Höhe des [X.] hatte, obwohl dieser zur Deckung des Aufwands dienen soll, der für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen entsteht.

c) Kommt das [X.] im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung, dass die Klägerin mit ihrem Kurbetrieb unternehmerisch tätig ist und die Aufwendungen für den Marktplatz in einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit stehen, liegt eine gemischte Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG vor, die zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Da die Klägerin bislang davon ausgegangen ist, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge in voller Höhe abziehbar sind, indes allenfalls ein anteiliger Vorsteuerabzug in Betracht kommt, hat sie im zweiten Rechtsgang eine sachgerechte Schätzung des abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Dem [X.] obliegt sodann die Überprüfung der Schätzung auf ihre Sachgerechtigkeit.

d) Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass ein prozentual geringfügiger Vorsteuerabzug nicht durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen wäre. Nach dieser Vorschrift gilt die Lieferung nicht als für das Unternehmen ausgeführt, wenn der Unternehmer den Gegenstand zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt.

aa) Führt die sachgerechte Schätzung (vgl. 2.c) dazu, dass die Klägerin den Marktplatz ganz überwiegend zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben und damit nicht im Rahmen ihres Unternehmens (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG und § 4 Abs. 5 [X.]) verwendet, wäre der Vorsteuerabzug nach nationalem Recht ausgeschlossen, wenn der Anteil der Nutzung für den Kurbetrieb der Klägerin weniger als 10 % beträgt.

bb) Die Klägerin könnte sich in diesem Falle aber unmittelbar auf Art. 168 Buchst. a MwStSystRL berufen. Denn für den besonderen Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG bestand --auch in den [X.] noch keine Ermächtigung des nationalen Gesetzgebers. Erst der --ab dem 1. Januar 2016 geltende-- Art. 1 des Durchführungsbeschlusses ([X.]) 2015/2428 des Rates vom 10. Dezember 2015 zur Änderung der Entscheidung 2009/791/[X.] und des Durchführungsbeschlusses 2009/1013/[X.] zur Ermächtigung [X.] bzw. [X.], weiterhin eine von den Art. 168 und 168a der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung anzuwenden, erstreckt den Vorsteuerausschluss auch auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten. Zur weiteren Begründung verweist der [X.] auf das [X.]-Urteil vom 16. November 2016 XI R 15/13, [X.] 255, 555).

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 62/16

03.08.2017

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 9. Juni 2016, Az: 6 K 1797/13, Urteil

§ 2 Abs 1 UStG 2005, § 2 Abs 3 UStG 2005, § 15 Abs 1 UStG 2005, § 15 Abs 2 UStG 2005, § 15 Abs 4 UStG 2005, Art 16 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 26 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 168 Buchst a EGRL 112/2006, Art 173 Abs 2 Buchst c EGRL 112/2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.08.2017, Az. V R 62/16 (REWIS RS 2017, 6980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6980

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