Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2011, Az. XI R 9/08

11. Senat | REWIS RS 2011, 10563

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vorsteuerabzugsrecht einer GmbH aus den Bauerrichtungskosten eines ihren Gesellschafter-Geschäftsführern für private Wohnzwecke überlassenen Gebäudes - Zuordnungswahlrecht bei gemischtgenutztem Grundstück


Leitsatz

1. Hat eine GmbH in den Jahren 1998 bis 2000 auf ihrem Betriebsgrundstück ein Gebäude errichtet, das sie teilweise unternehmerisch nutzt und teilweise ihren Gesellschafter-Geschäftsführern unentgeltlich für deren private Wohnzwecke überlässt, kann der GmbH ein Vorsteuerabzugsrecht aus den Bauerrichtungskosten zustehen.

2. Die Vereinbarung einer Nutzungsüberlassung von Wohnraum im Rahmen eines Mietvertrages oder eines Anstellungsvertrages gilt dagegen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig als steuerfreie Vermietung und schließt den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Bauerrichtungskosten aus.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine international tätige Spedition in der Rechtsform einer GmbH. Sie erwarb 1997 ein Grundstück, das sie für ihre Speditionszwecke nutzt. Auf dem Grundstück befand sich ein Wohngebäude, das bis auf die Kellerdecke abgerissen wurde. Anschließend wurde das Wohnhaus neu errichtet und von den miteinander verheirateten Geschäftsführern der Klägerin privat genutzt.

2

Die Klägerin machte die Vorsteuern aus der Errichtung des Hauses ursprünglich nur zu einem geringen Teil in der am 31. März 2000 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 1998 geltend. Im April 2000 erging ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr.

3

Mit Schreiben vom 1. September 2000 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuerfestsetzung für 1998 zu ändern und Vorsteuern aus der Errichtung des Wohnhauses in Höhe von ... DM anzuerkennen.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) lehnte den Antrag ab. Die in der Umsatzsteuerjahreserklärung begehrten Vorsteuerbeträge erkannte das [X.] im Nachgang zu einer Betriebsprüfung nicht an, sondern erließ am 7. September 2001 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1998, in dem keine Vorsteuern aus den Bauerrichtungskosten berücksichtigt wurden. Der gegen den Ablehnungsbescheid gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt.

6

Die Klägerin habe einen Anspruch auf den Abzug der geltend gemachten Vorsteuern. Einer Zuordnungsentscheidung habe es nicht bedurft, weil die Klägerin als GmbH im Streitfall nur unternehmerisches Vermögen habe. Soweit der [X.] ([X.]) auch bei juristischen Personen des Privatrechts nichtunternehmerisches Vermögen bejahe, handele es sich um andere Fallgestaltungen. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen einer umsatzsteuerfreien Vermietung an die Gesellschafter ausgeschlossen, weil diese weder beabsichtigt noch später realisiert worden sei. Die unentgeltliche Lieferung oder Leistung eines Unternehmens an seine Arbeitnehmer sei ein steuerbarer Umsatz i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG). [X.] sei zwar anerkannt, dass die Vereinbarung der unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Vermietung zu behandeln sei ([X.]-Urteil vom 1. September 1998 VIII R 3/97, [X.]E 187, 28, [X.] 1999, 213). Auch die frühere Rechtsprechung des [X.] habe dies im Bereich der Umsatzsteuer so gesehen (Urteil vom 30. Juli 1986 [X.], [X.]E 147, 284, [X.] 1986, 877). Allerdings sei dieser Rechtsprechung spätestens durch die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) im Fall [X.] (Urteil vom 8. Mai 2003 Rs. [X.]/00 --[X.]--, Slg. 2003, [X.], [X.] 2004, 378) die Grundlage entzogen worden. Die für den privaten Bedarf erfolgende Verwendung einer Wohnung in einem Gebäude, das zum Unternehmensvermögen gehöre, erfülle nämlich die Voraussetzungen einer Vermietung nicht. Schließlich sei der Senat von der Richtigkeit der Darlegungen des Geschäftsführers der Klägerin überzeugt, wonach mindestens 26,763 % des privaten Wohnhauses originären Zwecken der Klägerin diene. Das Urteil des [X.] ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 903.

7

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts und macht Verfahrensfehler geltend.

8

Das [X.] beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I[X.] Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Die Entscheidung des [X.], dass der Klägerin ein Vorsteuerabzugsrecht aus den gesamten Herstellungskosten des Wohnhauses zustehe, weil das Wohnhaus zu ihrem Unternehmensvermögen gehöre, ist rechtsfehlerhaft. Das [X.]-Urteil war daher aufzuheben. Der [X.] kann aber nicht durcherkennen, weil das [X.] keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zu der im Streitjahr beabsichtigten Verwendung des Gebäudes getroffen hat.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

§ 15 UStG beruht auf Art. 17 Abs. 2 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]). Danach ist der Steuerpflichtige befugt, die von ihm geschuldete Steuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

2. Errichtet ein Unternehmer ein Gebäude, das zu Zwecken seines Unternehmens und zu seinen privaten Wohnzwecken genutzt werden soll, hat er die Wahl, ob der privat genutzte Teil "für die Anwendung der [X.] zu seinem Unternehmen gehören soll oder nicht" (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2003, [X.], [X.], 378, Rz 40, m.w.[X.]). Entscheidet er sich für die Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmen, sind die Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten grundsätzlich sofort und vollständig abziehbar (Rz 41 des Urteils). Dieses Recht auf den sofortigen Abzug der vollständigen Vorsteuerbeträge korrespondiert mit der Verpflichtung, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für die Verwendung des Gegenstandes gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] zu zahlen (Rz 43 des Urteils).

Nach dem [X.]-Urteil vom 12. Februar 2009 Rs. [X.]/07 --[X.]-- ([X.]. 2009, [X.], [X.], 682) kann das Zuordnungswahlrecht bei einer gemischten Verwendung eines Gegenstandes nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen des Privatrechts bestehen. Der [X.] hat aber klargestellt, dass nicht bereits jede teilweise Verwendung zu "nichtwirtschaftlichen" (in der [X.] Terminologie: nichtunternehmerischen) Zwecken das Zuordnungswahlrecht und das Recht auf einen vollständigen Vorsteuerabzug auslöst. Erforderlich ist vielmehr, dass der gemischtgenutzte Gegenstand insoweit für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke i.S. des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] verwendet wird (vgl. Rz 32 des Urteils). Denn nur in diesen Fällen ist das Erfordernis erfüllt, dass das --durch eine Zuordnungsentscheidung entstandene-- Recht auf einen vollständigen Vorsteuerabzug mit der (späteren) Verpflichtung zur (teilweisen) Versteuerung einer unentgeltlichen [X.] korrespondiert. Dabei geht der [X.] davon aus, dass der Begriff "unternehmensfremde Zwecke" i.S. des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] enger ist als der Begriff der Verwendung für "nichtwirtschaftliche" bzw. "nichtunternehmerische" Zwecke (vgl. dazu [X.], Der [X.] 2010, 83, 87; [X.], [X.] --[X.]-- 2010, 125, 129). Er hat bei der [X.], deren Mitglieder im Agrarsektor tätige Unternehmen sind, die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder nicht als "unternehmensfremd" betrachtet, da dies den Hauptzweck der Vereinigung darstelle (vgl. Rz 39 des Urteils).

3. In dem Urteil "[X.]" ([X.]. 2003, [X.], [X.], 378) hat der [X.] entschieden, dass entgegen der Auffassung der [X.] Regierung die Nutzung der Wohnräume durch den Unternehmer keine steuerfreie Vermietung i.S. des Art. 13 Teil [X.]. b der Richtlinie 77/388/[X.] ist. Bei der privaten Nutzung der Wohnung durch den Steuerpflichtigen liege keine Vermietung vor, weil es nicht nur an der Zahlung eines Mietzinses, sondern auch an wirklichen Vereinbarungen über die Dauer des Nutzungsrechts und über das Recht, die Wohnung in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen, fehle ([X.] und 52).

Die bei einer natürlichen Person als Unternehmer bestehende Rechtslage bezüglich der Nutzung von Wohnräumen in einem Gebäude des Unternehmers unterscheidet sich von derjenigen im Fall der Nutzung von Wohnräumen durch die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in einem Gebäude, das der GmbH gehört. Denn während der Einzelunternehmer mit sich selbst keine Verträge schließen kann, ist dies bei einer GmbH und ihren [X.] anders.

Die GmbH als juristische Person kann

- mit ihren [X.] einen Mietvertrag abschließen, durch den ihnen Wohnraum gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wird,

- mit ihren [X.] einen Anstellungsvertrag abschließen und darin vereinbaren, dass die Überlassung des Wohnraums --als sog. Sachbezug-- einen Teil der Vergütung für ihre Tätigkeit bildet, also ein Tausch vorliegt, oder

- den Wohnraum ihren Gesellschaftern in deren Eigenschaft als Anteilseigner unentgeltlich überlassen.

a) Liegt ein ausdrücklich vereinbarter Mietvertrag einer GmbH mit ihren [X.] vor (vgl. für den umgekehrten Fall einer Vermietung durch den Gesellschafter an die Gesellschaft [X.]-Urteil vom 27. Januar 2000 Rs. [X.]/98 --J. [X.], [X.]. 2000, [X.], [X.], 121), handelt es sich um eine steuerfreie Vermietung i.S. von § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG, die einen Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG zur Folge hat.

b) Auch die Vereinbarung einer Nutzungsüberlassung im Rahmen eines Anstellungsvertrages führt in der Regel zu einer Vermietung i.S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Denn eine als Vermietung anzusehende Nutzungsüberlassung kann auch in einem sonstigen Vertrag geregelt werden (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 12. Februar 1998 Rs. [X.]/95 --Blasi--, [X.]. 1998, [X.], [X.] 1998, 189, Rz 25). Dabei ist es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht erforderlich, dass die Nutzungsüberlassung dem Vertrag "das Gepräge" gibt.

Wird die Überlassung einer Wohnung eines Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer in einem Anstellungsvertrag geregelt, ist sie entgegen der Auffassung des [X.] in der Regel nicht unentgeltlich. Der Wohnraum wird vielmehr regelmäßig als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zur Verfügung gestellt (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 284, [X.] 1986, 877, und vom 7. Oktober 1987 [X.], [X.], 228, [X.] 1988, 88).

Dies gilt auch bei der im Anstellungsvertrag vereinbarten Überlassung einer Wohnung durch eine GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer. Insoweit kann für die Nutzungsüberlassung einer Wohnung grundsätzlich nichts Anderes gelten als für die Überlassung eines PKW zur privaten Nutzung. Hier entspricht es sowohl der Rechtsprechung des [X.] [X.]s des [X.] (vgl. Urteil vom 17. Juli 2008 [X.]/07, [X.], 417) als auch derjenigen des V[X.] [X.]s (vgl. Urteil vom 23. April 2009 [X.] R 81/06, [X.]E 225, 33, [X.], 1313, unter I[X.]3.), dass bei einer Regelung der Nutzung im Anstellungsvertrag in der Regel Sachlohn anzusetzen und damit keine unentgeltliche Leistung anzunehmen ist. Im Einklang damit ist nach der Rechtsprechung des erkennenden [X.]s in der Überlassung von Fahrzeugen zur privaten Nutzung an Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses eine entgeltliche unternehmerische Nutzung zu sehen (Urteil vom 1. April 2009 [X.], [X.], 1155).

Dies stimmt mit der Rechtsprechung des [X.] überein, wonach die Überlassung von Einkaufsgutscheinen durch einen Unternehmer an seine Bediensteten eine entgeltliche Leistung darstellt (Urteil vom 29. Juli 2010 Rs. [X.]/09 --Astra Zeneca [X.], [X.]/NV 2010, 1762, [X.] 2010, 734).

Für die Annahme einer entgeltlichen Vermietung i.S. von Art. 13 Teil [X.]. b der Richtlinie 77/388/[X.] ist es nicht zwingend, dass die Nutzung von vornherein auf eine bestimmte Dauer festgelegt ist (vgl. [X.]-Urteil vom 18. November 2004 Rs. [X.]/03 --Temco--, [X.]. 2004, [X.], [X.]/NV Beilage 2005, 86, Rz 22, m.w.[X.]).

c) Etwas Anderes kann gelten, wenn eine GmbH dem Gesellschafter-Geschäftsführer den Wohnraum überlässt, ohne dies in einem Anstellungs- oder Mietvertrag zu regeln. Dann ist es möglich, dass die Nutzungsüberlassung ihre Ursache nicht im Anstellungsverhältnis, sondern im Gesellschaftsverhältnis hat und dass die GmbH den Wohnraum ihrem Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Anteilseigner unentgeltlich überlassen wollte. Soweit der [X.] bei der Überlassung eines PKW an einen Gesellschafter-Geschäftsführer zur privaten Nutzung auch bei Fehlen ausdrücklicher Absprachen Arbeitslohn angenommen hat (vgl. dazu Urteil vom 10. Juni 1999 [X.], [X.]E 189, 196, [X.] 1999, 580), ist zu bedenken, dass die Überlassung von Wohnraum auch bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als übliche Vergütungsleistung angesehen werden kann.

aa) Die unentgeltliche Nutzung eines einer GmbH gehörenden Wohnhauses durch ihre Gesellschafter in deren Eigenschaft als Anteilseigner betrifft den nichtunternehmerischen Bereich der GmbH, da sie damit nicht eine auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit ausübt. Wird ein der GmbH gehörendes Wohnhaus ausschließlich unentgeltlich durch die Gesellschafter zu deren privaten Wohnzwecken genutzt, ist es nicht für Zwecke der besteuerten Umsätze der GmbH angeschafft worden. Da in diesem Fall auch keine sog. gemischte Nutzung vorliegt, kann auch kein Zuordnungswahlrecht bestehen. Ein Vorsteuerabzug ist von vornherein ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind.

bb) Soll hingegen das Wohngebäude teilweise auch für unternehmerische Zwecke genutzt werden, ist damit eine gemischte Nutzung beabsichtigt. Denn die privaten Wohnzwecke der Gesellschafter einer GmbH sind unternehmensfremde Zwecke i.S. des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] (vgl. oben unter I[X.]2.). Der GmbH steht das Wahlrecht zu, das gesamte Gebäude ihrem unternehmerischen Bereich zuzuordnen und einen vollständigen Vorsteuerabzug geltend zu machen.

Der Umstand, dass einer juristischen Person als Unternehmer bei der Anschaffung eines gemischt, d.h. auch für unternehmensfremde Zwecke genutzten Gegenstandes ebenso ein Zuordnungswahlrecht zusteht wie einer natürlichen Person, bedeutet, dass auch bei einer juristischen Person eine Entscheidung, den Gegenstand insgesamt ihrem unternehmerischen Bereich zuordnen zu wollen, erforderlich ist. Es gelten deshalb die gleichen Grundsätze wie bei natürlichen Personen. Das bedeutet, dass eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung zum unternehmerischen Bereich vorliegen muss (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 31. Januar 2002 [X.], [X.]E 197, 372, [X.] 2003, 813, unter I[X.]2.b, m.w.[X.]) und dass diese Entscheidung bereits bei der Anschaffung oder Herstellung des Gegenstandes zu treffen ist (vgl. [X.]-Urteile vom 11. April 2008 [X.], [X.]E 221, 456, [X.] 2009, 741, unter I[X.]3.c, m.w.[X.], und vom 17. Dezember 2008 [X.], [X.], 798).

4. Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] dem [X.] keine abschließende Entscheidung darüber erlauben, wie die Klägerin das Gebäude nutzen und wie sie die Nutzung durch ihre Gesellschafter-Geschäftsführer zu deren privaten Wohnzwecken regeln und ob sie das Gebäude ggf. ihrem unternehmerischen Bereich zuordnen wollte.

Das [X.] hat nicht festgestellt, auf welche Weise die Klägerin im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die spätere Nutzung des Gebäudes handhaben wollte. Bei der Nutzungsabsicht handelt es sich um eine innere Tatsache, deren Vorhandensein durch Hilfstatsachen indiziert sein muss. Ein gewichtiges Indiz für eine behauptete Nutzungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kann die spätere tatsächliche Nutzung sein. Den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist nicht zu entnehmen, ob und ggf. mit welchem Inhalt später Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren [X.] über die Nutzung des Gebäudes getroffen wurden. Das [X.] hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus zu [X.] auch keine Feststellung darüber getroffen, ob die Klägerin für den Fall der gemischten Nutzung den zu Wohnzwecken ihrer Gesellschafter genutzten Teil des Gebäudes ihrem unternehmerischen Bereich zuordnen wollte.

Soweit das [X.] es als unstreitig angesehen hat, dass das Gebäude teilweise unternehmerisch genutzt worden sei (Seite 5 des Urteils), hat das [X.] zu Recht einen Verfahrensfehler gerügt. Das Urteil verstößt insoweit gegen den klaren Inhalt der Akten, da das [X.] in der Einspruchsentscheidung nicht von einer teilweisen unternehmerischen Nutzung ausgegangen ist und es in seinen Schriftsätzen vom 1. März 2005 und vom 2. August 2007 erklärt hat, dass eine teilweise betriebliche Nutzung nicht nachgewiesen sei.

Zu der Entscheidung des [X.], eine unternehmerische Nutzung sei zu einem Anteil von mindestens 26,763 % des Gebäudes nachgewiesen, ist für den zweiten Rechtsgang zu bemerken, dass ihr ein zu niedriges Beweismaß zugrunde liegt. Denn das [X.] hat seine Entscheidung lediglich auf die Aussage des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin unter Berücksichtigung der Baupläne gestützt. Bei der Aussage des Geschäftsführers handelt es sich nicht um eine Zeugenaussage, sondern um einen Beteiligtenvortrag, der in einem [X.] nur als "letztes Beweismittel" zur Aufklärung des Sachverhalts gilt (vgl. [X.]-Beschluss vom 17. Juni 2009 [X.], nicht veröffentlicht, juris; [X.]-Urteil vom 2. Juli 1998 IV R 39/97, [X.]E 186, 299, [X.] 1999, 28, unter 5.b; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 76 Rz 26, m.w.[X.]). Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin dem Betriebsprüfer den Zugang zu dem Gebäude und damit die Möglichkeit, die tatsächliche Nutzung festzustellen, verweigert hat, reicht ein bloßer Vortrag des Geschäftsführers als Nachweis für das Vorhandensein einer originär unternehmerischen Nutzung nicht aus.

Meta

XI R 9/08

12.01.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 1. August 2007, Az: 1 K 37/05, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 2 Buchst b UStG 1993, § 4 Nr 12 Buchst a UStG 1993, § 15 Abs 1 Nr 1 UStG 1993, § 15 Abs 2 S 1 Nr 1 UStG 1993, Art 6 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, Art 13 Teil B Buchst b EWGRL 388/77, Art 17 Abs 2 EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2011, Az. XI R 9/08 (REWIS RS 2011, 10563)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10563

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI R 10/08 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 12.1.2011 XI R 9/08 - Vorsteuerabzugsrecht einer GmbH aus den Bauerrichtungskosten …


V R 23/15 (Bundesfinanzhof)

Vorsteuerabzug für privat genutzten Gebäudeteil ("Seeling" Altfall)


V R 27/12 (Bundesfinanzhof)

Vorsteuerabzug bei zu Wohnzwecken genutztem Geschäftsgebäude einer GmbH


V R 56/13 (Bundesfinanzhof)

Überlassung von Geschäftsführerwohnungen mit Einrichtung - Kein Vorsteuerabzug bei von vornherein beabsichtigter Verwendung der Eingangsleistung …


V R 26/09 (Bundesfinanzhof)

Keine Geschäftsveräußerung bei Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks an den Organträger - Fortsetzung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.