Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.10.2016, Az. V R 64/14

5. Senat | REWIS RS 2016, 3665

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Gegenstand

Umsatzsteuer: Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung


Leitsatz

NV: Die Berichtigung der Steuernummer des Rechnungsausstellers nach § 31 Abs. 5 UStDV wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurück (Änderung der Rechtsprechung; wie Senatsurteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 13. November 2014  5 K 5083/14 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 12. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Umsatzsteuer 2005 wird unter Abänderung des [X.] des Beklagten vom 22. August 2011 auf ... € festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 2006 wird unter Abänderung des [X.] des Beklagten vom 22. August 2011 auf ... € festgesetzt.

Die Kosten des Revisionsverfahrens/des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Flugplatz. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) fest, dass in mehreren Eingangsrechnungen für die Streitjahre 2005 und 2006 die Steuernummer des [X.] unrichtig angegeben war. Obwohl die Klägerin dem [X.] noch vor Erlass der geänderten Umsatzsteuerbescheide berichtigte Rechnungen vorlegte, erließ das [X.] für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die Vorsteuer aus den betreffenden Rechnungen nicht berücksichtigte.

2

Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die daraufhin erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit Urteil vom 13. November 2014  5 K 5083/14 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Berichtigung keine Rückwirkung entfalte und daher erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung zu berücksichtigen sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

3

Der Senat hat am 7. April 2015 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) in dem Verfahren des Niedersächsischen [X.] 5 K 40/14 ([X.]-Urteil [X.] GmbH vom 15. September 2016 [X.]/14, [X.]:[X.], [X.] --DStR-- 2016, 2211) beschlossen. Nach Erlass der Entscheidung des [X.] hat er den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

4

Die Klägerin sieht sich durch die [X.]-Entscheidung in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.

5

Die Klägerin beantragt,
die Einspruchsentscheidung und das [X.]-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer 2005 auf ... € und die Umsatzsteuer 2006 auf ... € festzusetzen.

6

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Das [X.] hat sich zu der Entscheidung des [X.] nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem [X.] kann die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug im Streitfall zumindest wegen der Rechnungsberichtigung bereits für die [X.] und 2006 ausüben. Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 der [X.] (UStDV) berichtigt, wirkt die Berichtigung auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.

9

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a des Gesetzes enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.

Unionsrechtliche Grundlage für das [X.] sind im Streitzeitraum Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]) in der Fassung der Richtlinie 2003/92/[X.] vom 7. Oktober 2003 zur Änderung der [X.]/[X.]. Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der [X.]/[X.] muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, für den Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.] in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen eine gemäß Art. 22 Abs. 3 der [X.]/[X.] ausgestellte Rechnung besitzen. In Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der [X.]/[X.] ist geregelt, welche Angaben eine solche Rechnung unbeschadet der in der [X.]/[X.] festgelegten Sonderbestimmungen mindestens enthalten muss.

2. Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG (für das Streitjahr 2005 des § 14 UStG a.F.) nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung entsprechend den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. EuGH-Urteil [X.] GmbH, [X.]:[X.], [X.], 2211) für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. Wegen der Einzelheiten verweist der [X.] zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15 ([X.], 348, unter II.3.).

3. Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] aufzuheben und die Umsatzsteuer entsprechend dem Antrag der Klägerin festzusetzen. Die Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug liegen unstreitig vor. Dieses Recht kann die Klägerin jedenfalls aufgrund der Rechnungsberichtigung auch für die Streitjahre ausüben.

a) Die in den Streitjahren ausgestellten Rechnungen waren nach § 31 Abs. 5 [X.]. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit in diesem Sinne berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält ([X.]sbeschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, [X.], 545, [X.], 809, Rz 33). Diese Angaben waren bereits in den ursprünglichen Rechnungen vollständig und richtig vorhanden.

b) Die Rechnungen sind berichtigt worden. Die berichtigten Rechnungen enthielten die richtige Steuernummer des [X.]. Sie entsprachen damit unstreitig den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 14, 14a UStG und ermöglichen daher, das Recht auf Vorsteuerabzug schon für die Streitjahre auszuüben.

c) Die Rechnungen wurden noch vor Erlass der geänderten Umsatzsteuerbescheide und damit auch rechtzeitig berichtigt (vgl. zu den zeitlichen Grenzen der Berichtigung [X.]surteil in [X.], 348, unter II.4.c).

d) Der [X.] kann nach alledem offenlassen, ob entsprechend den Grundsätzen des EuGH-Urteils [X.] 06 vom 15. September 2016 [X.]/14 ([X.]:C:2016:690, [X.], 2216, Rz 35) das Vorsteuerabzugsrecht auch ohne förmliche Berichtigung möglicherweise nicht ordnungsgemäßer Rechnungen ausgeübt werden konnte.

4. Die Änderung der Steuerbescheide führt zur Änderung der Zinsbescheide. Der [X.] muss im Streitfall nicht entscheiden, ob die Rechnungsberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 233a Abs. 2a, Abs. 7 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung sein kann. Wegen der Einzelheiten verweist der [X.] zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil in [X.], 348, (unter II.5.).

5. [X.] ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Meta

V R 64/14

20.10.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 13. November 2014, Az: 5 K 5083/14, Urteil

§ 14 UStG 2005, § 14a UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 31 Abs 5 UStDV 2005, Art 18 Abs 1 Buchst a EWGRL 388/77, Art 22 Abs 3 EWGRL 388/77, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.10.2016, Az. V R 64/14 (REWIS RS 2016, 3665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3665

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

6 K 1083/17

3 K 1448/14

3 K 2565/16

3 K 1850/19

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