Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2013, Az. XII ZB 394/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5131

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 394/12

vom

12. Juni 2013

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§
64 Abs.
1, 68 Abs.
1 Satz
1 Halbsatz
2, 117 Abs.
1 Satz
1, 2 und 3;
ZPO §
236 Abs.
2
A
Zur rechtzeitigen Weiterleitung einer Rechtsmittelschrift durch das unzuständige Gericht.
[X.], Beschluss vom 12. Juni 2013 -
XII [X.] 394/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 12.
Juni 2013
durch den Vorsitzenden Richter
Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur

beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des 33.
Zivilsenats

zugleich Familiensenat

des [X.]s [X.]
vom 26.
Juni 2012
wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.
[X.]: 68.177

Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde und begehrt Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss
vom 12.
April 2012 die Ehe der [X.] geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs an die Antragsgegne-rin verpflichtet.
Die Entscheidung
wurde dem Antragsteller am 26.
April 2012 zugestellt.
Mit einem an das [X.] gerichteten und am 22.
Mai 2012 bei der allgemeinen [X.] der Justizbehörden M.
eingegangenen
Schrift-satz seines
Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsteller Beschwerde ge-gen die Entscheidung über den Zugewinnausgleich eingelegt.
1
2
3
-
3
-
Nachdem der Antragsteller am 8.
Juni 2012
auf die Nichteinhaltung der Beschwerdefrist hingewiesen worden war, hat er am 14.
Juni 2012 Beschwerde beim Amtsgericht einlegt. Gleichzeitig hat er beim [X.] Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.
Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des
Antragstellers.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
112 Nr.
2, 117 Abs.
1 Satz
4
FamFG
i.[X.]. §§
238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
2 und 4, 574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO statthaft.
Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO
fehlt.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller weder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) noch in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch
auf wirkungsvollen Rechts-schutz
(Art.
2 Abs.
1 GG i.[X.]. dem Rechtsst[X.]tsprinzip), der
es den Gerichten verbietet, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung einge-räumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 23.
März 2011

XII
[X.]
51/11

4
5
6
7
8
-
4
-
FamRZ 2011, 881 Rn.
7 und vom 2.
April 2008

XII
[X.]
189/07

FamRZ 2008, 1338 Rn.
8 mwN).
2. Das [X.] hat dem Antragsteller zu Recht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als [X.] verworfen. Die Beschwerde
ist verspätet bei dem zuständigen Amtsge-richt eingegangen, und die Säumnis ist auf ein dem Antragsteller zurechenba-res Verschulden seines
Verfahrensbevollmächtigten zurückzuführen.
a) Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt,
dem Antragsteller könne
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden,
weil er die Beschwerdefrist
nicht unverschuldet versäumt ha-be. Er müsse sich das Verschulden seines Anwalts bei der Adressierung der Beschwerde an das falsche Gericht zurechnen lassen. Die Kausalität des An-waltsverschuldens für die Versäumung der Frist sei auch nicht durch eine feh-lerhafte oder nachlässige Bearbeitung der Angelegenheit durch das Oberlan-desgericht unterbrochen worden. Die am 22.
Mai 2012
in der allgemeinen [X.] der
Justizbehörden M. eingegangene
Beschwerdeschrift habe [X.] dem [X.] zugeordnet
und dorthin weitergeleitet werden müssen. In der Eingangsstelle des
[X.]s
sei der Schriftsatz
am 23.
Mai 2012 registermäßig erfasst und an die zuständige Geschäftsstelle des 33.
Senats weitergeleitet worden. Am Tag des Eingangs dort (24.
Mai 2012)
habe der [X.] eine Verfügung der Vorsitzenden vorbereitet.
Da die
Vorsitzende Richterin
jedoch erkrankt gewesen sei, sei die Beschwerde am Freitag, den 25.
Mai 2012, dem stellvertretenden Vorsitzenden vorgelegt
wor-den. Dieser habe von einer Weiterleitung der Beschwerdeschrift an
das Amts-gericht abgesehen, weil vor Ablauf der Beschwerdefrist ein Eingang der Be-schwerde beim zuständigen Amtsgericht nicht mehr möglich gewesen sei. Hätte der stellvertretende Vorsitzende eine entsprechende Weiterleitung
verfügt, wäre 9
10
-
5
-
die Beschwerdeschrift erst am Dienstag nach [X.], dem letzten Tag der Frist, bei der Geschäftsstelle und am nächsten Tag bei der Poststelle des Ober-landesgerichts
eingegangen, von wo aus die Beschwerde mit der Sammelpost noch am selben Tag
an das Amtsgericht
geschickt worden wäre. Damit hätte die Beschwerde dort frühestens am
31.
Mai 2012 und damit zwei Tage nach Ablauf der Frist eingehen können. Anders als in dem
der Entscheidung
des [X.] vom 12.
Oktober 2011 (IV
[X.]
17/10

NJW 2012,
78) zu-grundeliegenden Sachverhalt
sei der Geschäftsgang beim [X.] M. so organisiert, dass eingehende Schriftstücke von der Geschäftsstelle dem
zuständigen Vorsitzenden oder Einzelrichter nicht erst nach Eingang der Akten oder der Beschwerdebegründung, sondern gleich vorgelegt würden. Bei dieser Organisation bestehe kein vernünftiger Grund, dass der Geschäftsstellenbeam-te selbst ohne Kenntnis und Verfügung des Vorsitzenden die Weiterleitung ei-nes Schriftstücks veranlasse.
b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
[X.]) Gemäß §
113 Abs.
1 FamFG sind in [X.], wozu ge-mäß §
112 Nr.
2
FamFG auch das hier streitgegenständliche Zugewinnaus-gleichsverfahren gehört, die §§
233
ff. ZPO anzuwenden.
Der Antragsteller hat den Wiedereinsetzungsantrag beim zuständigen
Gericht gestellt. Denn gemäß §
237 ZPO entscheidet über den Antrag auf Wiedereinsetzung
das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung
zusteht; deshalb ist das Wiedereinsetzungsgesuch an
das Beschwerdegericht zu richten (Senatsbeschluss vom 17.
August 2011

XII
[X.]
50/11
mRZ 2011, 1649 Rn.
15).
Der Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers ist auch in der Wieder-einsetzungsfrist
des §
234 Abs.
1
Satz
1 ZPO
von zwei Wochen eingegangen. 11
12
13
14
-
6
-
Nachdem das Beschwerdegericht den Antragsteller am 8.
Juni 2012
auf die Verfristung hingewiesen hatte, hat er mit am 14.
Juni 2012
beim Beschwerde-gericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung beantragt.
Zudem hat er an diesem Tag erneut Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt und damit die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt

236 Abs.
2 Satz
2 ZPO).
[X.]) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde
liegen jedoch
die materiellen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor.
(1) Das [X.] hat
zu Recht und mit zutreffender [X.] ausgeführt, dass der Antragsteller, der sich das Verhalten seines [X.] zurechnen lassen muss

113 Abs.
1 Satz
2 FamFG i.[X.]. §
85 Abs.
2 ZPO), die Fristversäumung verschuldet hat. Aus der dem amtsgerichtlichen Beschluss beigefügten
Rechtsbehelfsbelehrung war
eindeutig zu entnehmen, dass die Beschwerde innerhalb von einem Monat beim Amtsge-richt einzulegen ist. Im Übrigen war der Antragsteller anwaltlich vertreten, [X.] ein möglicher Rechtsirrtum regelmäßig verschuldet ist (Senatsbeschluss vom 23.
Juni 2011

XII
[X.]
82/10
mRZ 2010, 1425 Rn.
11).
(2) Die Behandlung des Beschwerdeschriftsatzes im Geschäftsgang des [X.]s verstößt
auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Ver-fahrens
und lässt daher die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung für die Fristversäumung nicht entfallen.
Zwar war die Beschwerdeschrift am Dienstag, dem 22.
Mai 2012, noch innerhalb der Beschwerdefrist des §
63 Abs.
1 FamFG beim [X.] eingegangen. Die unterlassene Weiterleitung der Beschwerde an das zuständi-ge Amtsgericht verletzt die Verfahrensgrundrechte des Antragstellers aber nicht.
15
16
17
18
-
7
-
Wird
in einer Familienstreitsache die Beschwerde anstatt bei dem
gemäß §
64 Abs.
1 FamFG für ihre Entgegennahme zuständigen Amtsgericht beim Beschwerdegericht eingelegt, hat
das angerufene Gericht die Beschwerde-schrift im ordentlichen Geschäftsgang an das Amtsgericht weiterzuleiten, wenn ohne weiteres die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts erkennbar und

damit regelmäßig

die Bestimmung des zuständigen Gerichts möglich ist ([X.] vom 27.
Februar 2013

XII
[X.]
6/13

FamRZ 2013, 779
Rn.
11 und
vom 17.
August 2011

XII
[X.]
50/11

FamRZ
2011, 1649
Rn.
23 mwN). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden
auf ein faires Verfahren (Art.
2 Abs.
1 GG i.[X.]. dem Rechtsst[X.]tsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Amtsge-richt im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die [X.] darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig dort
eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der [X.] oder ih-rer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Senatsbeschluss vom 23.
Mai 2012

XII
[X.]
375/11

FamRZ 2012, 1205
Rn.
26
mwN).

Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, den Beteiligten oder dessen Verfahrensbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung des Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von [X.] wegen jedoch nicht. Denn sonst würde dem Beteiligten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht [X.] übertragen ([X.] FamRZ 2001, 827; ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 27.
Februar 2013

XII
[X.]
6/13

FamRZ 2013, 779
Rn.
12;
vom 15.
Juni 2011

XII
[X.]
468/10

FamRZ 2011, 1389 Rn.
12
und vom 17.
August 2011

XII
[X.]
50/11

FamRZ 2011, 1649 Rn.
22).
19
20
-
8
-
Unterbleibt die gebotene Weiterleitung
der Beschwerdeschrift an das Amtsgericht, ist weitere Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung, dass die bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang verbleibende Zeit für die Fristwahrung ausreichend ist (Senatsbeschluss vom 17.
August 2011

XII
[X.]
50/11

FamRZ 2011, 1649 Rn.
27). Dies hat grundsätzlich der die Wiedereinsetzung begehrende Beteiligte darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom 23.
Mai 2012

XII
[X.]
375/11
FamRZ 2012, 1205 Rn.
29 mwN).
(3) Danach hat das [X.] zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist versagt, weil der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht erwarten konnte, dass die Beschwerde-schrift bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig beim Amtsgericht eingehen würde.
Die Beschwerde ging am Dienstag, dem 22.
Mai 2012, bei der gemein-samen [X.] der Justizbehörden M. ein. Mit einem Eingang des [X.] auf der Geschäftsstelle des zuständigen Senats des [X.]s konnte daher frühestens am Mittwoch, dem 23.
Mai 2012, gerechnet werden. Auch die Vorlage der Beschwerde zunächst an die Vorsitzende Richterin am Donnerstag, dem 24.
Mai 2012, und an den stellvertretenden Vorsitzenden
am Freitag, dem 25.
Mai 2012, wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit der Vorsitzenden Richterin, entspricht noch einer Sachbearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang. Das gilt auch deswegen, weil die verfassungsrechtliche [X.] der Gerichte keine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Zuständigkeit erfordert ([X.] NJW 2006, 1579).
Da dem stellvertretenden Vorsitzenden die Sache erst am Freitag zur Bearbeitung vorgelegt worden ist, wäre ein fristwahrender Eingang der Beschwerde beim zuständigen Amtsge-richt aufgrund des Feiertags am 28.
Mai 2012 ([X.]) am Dienstag, 21
22
23
-
9
-
dem 29.
Mai 2012 und damit am letzten Tag der Beschwerdefrist, nur zu erwar-ten gewesen, wenn noch an diesem Freitag der stellvertretende Vorsitzende des Senats die Weiterleitung der Beschwerde an das Amtsgericht verfügt hätte, diese Verfügung zur Geschäftsstelle des Senats gelangt und von dort zur Sammelpost gegeben worden wäre. Dies konnte jedoch im Rahmen des or-dentlichen Geschäftsgangs nicht erwartet werden.
3.
Weil der Antragsteller
somit die Frist zur Einlegung
seiner Beschwerde nicht schuldlos versäumt hat, hat das [X.] ihm die begehrte [X.] in den vorigen Stand nach §
113 Abs.
1 FamFG i.[X.]. §
233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG i.[X.]. §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.04.2012 -
2 [X.]/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 26.06.2012 -
33 UF 819/12 -

24

Meta

XII ZB 394/12

12.06.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2013, Az. XII ZB 394/12 (REWIS RS 2013, 5131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5131

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 UF 234/19

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XII ZB 394/12

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