Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. XII ZR 177/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10057

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 177/09
Verkündet am:

18.
Januar 2012

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.
Januar
2012
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne
und [X.], Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5.
Familien-
senats in [X.]
des [X.]s [X.] vom 30.
Ok-
tober
2009 aufgehoben, soweit der Beklagte
zum Trennungsun-terhalt verurteilt worden ist.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten [X.] und Entscheidung -
auch über die Kosten des [X.]sverfahrens
-
an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten über Trennungsunterhalt. Sie heirateten im Juli 1981. Aus der Ehe ist eine im Februar 1982 geborene Tochter hervorgegangen, die Studentin ist. Die Parteien trennten sich im Oktober 2005. Die Ehe ist seit dem 15.
April 2008 rechtskräftig geschieden. Im vor dem Senat geführten Paral-lelverfahren
(XII
ZR
178/09) streiten die Parteien über den nachehelichen [X.].
Der Beklagte
ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die [X.] betreibt. Er erzielt außerdem Einkünfte aus [X.]
-
3
-

gen, aus Vermietung und Verpachtung und kommt in den Genuss von [X.] aus einem Eigenheim sowie aus mehreren Geschäftsfahrzeugen. Das [X.] (Fabrikhalle) der GmbH stand im Eigentum der Klägerin, bis sie es im Dezember 2007 an den [X.] veräußerte.
Die Klägerin
ist 1952 geboren. Sie hat keine Berufsausbildung und war bei Eheschließung als Verkäuferin tätig. Während der Ehe arbeitete sie als Bü-rohilfe im Betrieb des [X.], zuletzt mit einem Bruttogehalt von monatlich
3.700

Beklagte das Arbeitsverhältnis. In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vereinbarten die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum
30.
Juni 2007 gegen eine Abfindung. Seitdem ist die Klägerin
nicht mehr erwerbstätig. Die Klägerin
ist Eigentümerin des [X.], das die frühere Ehewohnung darstellt und baulich in das [X.] der GmbH integriert ist.
Die Parteien waren ferner Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses, das als Abschreibungsobjekt diente und von dem inzwischen einzelne Eigentums-wohnungen verkauft wurden.
Die Klägerin
macht für die Zeit von Juli 2007 bis zur Rechtskraft der Scheidung am 15.
April 2008 Trennungsunterhalt von monatlich rund 4.300

geltend.
Die Parteien streiten vor allem über die Höhe des -
konkret berechne-ten
-
Bedarfs, ferner über das -
erzielbare
-
Einkommen
der Klägerin und die Ermittlung ihrer Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks an den [X.]
und darüber, ob die Klägerin
ihr Vermögen für [X.] verwerten muss.
Das Amtsgericht
hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin
hat ihr das Berufungsgericht insgesamt 17.824,31

zugesprochen. Dage-2
3
4
5

-
4
-

gen richtet sich die zugelassene Revision des [X.], mit welcher er die vollständige Abweisung der Klage erstrebt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Für das
Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3.
November 2010 -
XII
ZB
179/10
-
FamRZ 2011, 100
Rn.
10).

I.
Das Berufungsgericht hat einen
Bedarf der Klägerin
von
rund 4.600

ermittelt. Der Bedarf sei konkret zu ermitteln, weil bei hohen Einkünften regel-mäßig davon auszugehen sei, dass diese teilweise zur Vermögensbildung ver-wendet würden. Der Unterhalt diene nur der Finanzierung des laufenden [X.] und sei anhand eines objektiven Maßstabs zu ermitteln. [X.] sei der Lebensstandard, der nach den vorhandenen Einkommensverhält-nissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters als angemessen [X.]. Dabei habe unter Berücksichtigung des Konsumverhaltens während der Ehe sowohl ein zu dürftiger als auch ein übermäßiger Aufwand außer [X.] zu bleiben. Eine Sättigungsgrenze für die konkrete [X.] sei nicht anzunehmen. Der Beklagte berufe sich ausdrücklich darauf, für den konkreten Unterhaltsbedarf der Klägerin
unbegrenzt leistungsfähig zu sein und 6
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8
9
-
5
-

habe nicht dargelegt, dass eine Quotenermittlung zu einem geringeren Unter-haltsbedarf führen würde. Den Bedarf hat es sodann aufgrund
der Beträge, welche von der Klägerin
in Höhe von
monatlich
insgesamt rund 6.800

gemacht worden sind, näher aufgeschlüsselt und die einzelnen Positionen teil-weise für unbegründet und teilweise für überhöht gehalten.
Der Bedarf sei bis Dezember 2007 (Veräußerung des Betriebsgrund-stücks) durch ein Einkommen
aus Erwerbstätigkeit sowie durch Mieteinnahmen teilweise gedeckt gewesen. Dabei hat das Berufungsgericht die von der Kläge-rin erhaltene
Abfindung von netto rund 6.016

n-ständlichen Zeitraum von 9,5
Monaten verteilt. Ferner hat es ihr ein Einkommen
aus einer geringfügigen Beschäftigung zugerechnet, weil sie nach §
1361 Abs.
2 BGB
eine Erwerbsobliegenheit getroffen habe. Die Klägerin
habe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei dem [X.]
weder aus Alters-
noch aus Gesundheitsgründen von einer Erwerbstätigkeit absehen dürfen.
Auch sei sie im Hinblick auf §
1574 Abs.
2 BGB nicht an einer angemessenen Erwerbstätigkeit gehindert. Die für die Klägerin
aufgrund ihres Alters, der lang-jährigen Tätigkeit als "Ehefrau des Chefs"
und ihrer fehlenden Berufsausbildung bestehenden Schwierigkeiten gingen nicht so weit, als dass insgesamt keine reale Beschäftigungschance angenommen werden könne. Allerdings erscheine es unwahrscheinlich, dass die Klägerin
in dieser Situation mehr als eine gering-fügige Beschäftigung finden könne.
Das Einkommen aus Vermietung sei nicht aus dem Durchschnitt der dem [X.] vorangegangenen drei Jahre zu bilden, weil der [X.] insgesamt in der Vergangenheit liege und vergleichsweise kurz sei. Der Berechnung der Klägerin sei allerdings nicht zu folgen, weil sie
hinsichtlich der Einkommensteuer auf Vorauszahlungsbescheiden beruhe, die von [X.] ausgingen. Die Gewinnermittlung sei nicht um die Position 10
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-
6
-

Abschreibungen auf Anlagevermögen zu korrigieren. Auch wenn diese unter-haltsrechtlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien, gelte dies indessen nicht uneingeschränkt für Gewerbeimmobilien mit kurzer Nutzungsdauer. Hier müsse die Frage eines der Abschreibung entsprechenden Verschleißes dem Beweis zugänglich sein. Zwar liege im zu entscheidenden Fall zunächst keine Gewerbeimmobilie mit kurzer Nutzungsdauer vor. Jedoch habe die Klägerin dargelegt, dass der ursprüngliche Wert des Betriebsgebäudes sich tatsächlich entsprechend den Abschreibungen verringert habe. Das ergebe sich daraus, dass der Buchwert dem schließlich aus dem Verkauf erzielten Erlös entspreche.
Fiktive Einkünfte aus der Vermietung des dem [X.] übertragenen Betriebsgebäudes seien der Klägerin
nicht zuzurechnen. Dies erfordere eine mutwillige bzw. leichtfertige Verkürzung des eigenen Einkommens. Sie habe sich zwar "nicht sehr solidarisch"
zu dem [X.] verhalten, indem sie etwa das Grundstück einem anderen Interessenten angeboten und mit diesem be-reits einen Notartermin vereinbart habe. Der Verkauf sei aus finanzieller Sicht für den [X.]
nachteilig gewesen, für sie jedoch nicht vorteilhaft. [X.] sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Verflechtung der Parteien in der Vergangenheit zu Unzuträglichkeiten
geführt habe. Im Zusammenhang mit der Heizungsanlage habe es mehrfach Streitigkeiten gegeben. Bei Berücksich-tigung der von der Klägerin
zu erbringenden Tilgungsanteile auf [X.] bleibe ihr Einkommen nur geringfügig hinter den früheren Einkünften aus Vermietung zurück. In Anbetracht der unterschiedlichen geschäftlichen Erfah-rung der Parteien und ihres persönlichen Verhältnisses erscheine die [X.] insgesamt nicht mutwillig.
Für den Zeitraum ab Januar 2008 verfüge die Klägerin über Kapital,
das ihr Einkünfte von monatlich rund 674

Einen Wohnwert hat das Berufungsgericht der Klägerin
nicht zugerechnet. Hierbei handele es sich 12
-
7
-

um eine fiktive Größe, aus der kein konkreter Geldfluss folge. Würde man den Wohnwert
als Einkommensbestandteil berücksichtigen, müsste man diesen
in die Bedarfsberechnung in gleicher Höhe einstellen.
Zur Verwertung des Vermögensstammes sei die Klägerin im Rahmen des [X.] noch nicht verpflichtet gewesen, weil die [X.] das Ziel habe, der Klägerin
den in der intakten Ehe erworbenen Lebensstandard zu sichern und dies auch hinsichtlich des aus der Veräußerung erzielten Erlöses gelte, weil der Beklagte über ein deutlich höheres Vermögen verfüge und unbegrenzt leistungsfähig sei.

II.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1.
Der Unterhaltsanspruch beruht auf §
1361 BGB. Die vom Berufungs-gericht durchgeführte konkrete Bedarfsermittlung hält den Angriffen der [X.] im wesentlichen stand.
a) Die Notwendigkeit der Krankenversicherungskosten (monatlich für das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung rund 495

r-dem durchgehend 244

mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht annehmen. Die Kosten würden
vielmehr, soweit sie die gesetzliche Krankenversicherung [X.], nicht anfallen, wenn die Klägerin
eine sozialversicherungspflichtige ([X.] hätte finden können, was noch weiterer Aufklärung bedarf.
Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im Rahmen der sie nach 13
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-
8
-

§
1361 Abs.
2 BGB treffenden Erwerbsobliegenheit nicht mehr als eine gering-fügige Beschäftigung erlangen konnte. Das Berufungsgericht konnte zwar da-von ausgehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Umstände keine Vollzeitstelle mehr finden kann. Die Feststellungen des Berufungsgericht tragen hingegen nicht seine Folgerung, dass die Klägerin keine in die Gleitzone nach §
20 Abs.
2 SGB
IV fallende Teilzeitbeschäftigung finden konnte. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf
das heutige Senatsurteil im Parallelver-fahren zwischen den Parteien XII
ZR
178/09 verwiesen.
Wiederum übereinstimmend mit dem Berufungsgericht ist davon auszu-gehen, dass die Erwerbsobliegenheit der Klägerin schon zu Beginn des gesam-ten streitbefangenen [X.]s bestand. Dass die Klägerin nicht aus gesundheitlichen Gründen an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, hat das [X.] offengelassen. In der Revisionsinstanz ist demnach zu unterstel-len, dass insoweit keine Hinderungsgründe bestehen. Im Fall einer sozialversi-cherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung würden der Klägerin für die Leistun-gen der gesetzlichen Krankenversicherung keine gesonderten Krankenversi-cherungskosten entstehen.
Die Kosten der privaten Zusatzversicherung fallen hingegen auch im Fall der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit an und sind daher Bestandteil des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (vgl. Senatsurteil vom 31.
Ok-
tober
2001 -
XII
ZR
292/99
-
FamRZ
2002, 88, 91).
b) aa) Die von der
Revision vorgebrachten Beanstandungen zur Erfor-derlichkeit diverser Kosten (Wasser, Strom) betreffen Positionen, deren Anfall vor dem Berufungsgericht unstreitig gewesen ist, und daher in der [X.] mangels insoweit erhobener Verfahrensrügen als
solche nicht mehr in Frage gestellt werden können. Dass auch die Gartenpflege im bisherigen Um-19
20
21
-
9
-

fang entgeltlich durch Dritte erledigt werden kann, entspricht dem ehelichen Lebensstandard, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klägerin
diese Arbeiten selbst verrichten kann. Ähnliches gilt für die Putzhilfe, deren Kosten in [X.] geschätzt worden sind. Die Erforderlichkeit der genannten Kosten setzt allerdings die unterhaltsrechtliche Billigung der weiteren Nutzung des [X.] durch die Klägerin
voraus und hängt damit von der gesondert zu behandelnden Bemessung des [X.] (unten 1
d) und des der Klägerin
zukommenden Wohnvorteils (unten 2
b) ab.
[X.]) Im Hinblick auf die Kosmetikaufwendungen (monatlich 105

die Revision die vom Berufungsgericht getroffene tatrichterliche Würdigung mit der alleinigen Erwägung, die Klägerin
träfen nach der Trennung keine Reprä-sentationspflichten als Unternehmergattin mehr, nicht in Frage stellen. [X.] macht die Klägerin
auch die Kosten ihres
Zigarettenkonsums mit Recht gel-tend. Der Ansatz dieser Position entspricht dem ehelichen Lebensbedarf. Die Ansicht der Revision, eine Finanzierung des Tabakkonsums sei mit einem Al-kohol-
oder Drogenmissbrauch vergleichbar und verstoße gegen [X.] und Glauben, entbehrt der Grundlage.
c) Demgegenüber greifen auch die von der Revisionserwiderung gegen die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts erhobenen Beanstandungen nicht durch. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin
geltend gemachten Kos-ten künftiger kosmetischer Operationen (1.800

pro Jahr) zu Recht als Son-derbedarf angesehen, welcher für jeden Einzelfall geltend zu machen ist
(vgl. Senatsurteil vom 15.
Februar 2006 -
XII
ZR
4/04
-
FamRZ 2006, 612). Dass die Operationen aufgrund altersbedingter
Erscheinungen notwendig werden
und diese zwangsläufig auftreten, stellt das Ergebnis des Berufungsgerichts -
abgesehen davon, dass das vorliegende Verfahren nur einen Unterhaltszeit-raum von neuneinhalb Monaten betrifft
-
nicht in Frage, schon weil sich eine 22
23
-
10
-

feste Zeitspanne zur Erneuerung bestimmter Maßnahmen (etwa Fettabsaugen)
nicht festlegen lässt und eine Pauschalierung untunlich ist. Einen pauschalen trennungsbedingten Mehrbedarf hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend nicht anerkannt. Denn ein Mehrbedarf lässt sich nicht pauschalieren, sondern ist im Rahmen der konkreten Bedarfsermittlung vielmehr so vorzutragen, dass zumindest eine verlässliche Schätzungsgrundlage besteht.
d) Den Wohnbedarf der Klägerin
hat das Berufungsgericht bis auf die [X.] anfallenden Betriebskosten und Instandhaltungskosten, die es als [X.] anerkannt hat, nicht berücksichtigt. Das hat es (im Rahmen der [X.]) unter anderem damit begründet, dass es zugleich den Wohnvorteil des Eigenheims nicht als Einkommen berücksichtigt hat. Eine solche vereinfa-chende Rechnung setzt allerdings voraus, dass Wohnbedarf und Wohnvorteil übereinstimmen. Das ist aber hier nicht ohne weiteres der Fall. Denn die Kläge-rin bewohnt das Einfamilienhaus nunmehr allein und wohnt damit aufwändiger als zu Zeiten des ehelichen Zusammenlebens, als die Parteien sich das Haus noch teilten. Der Wohnbedarf der Klägerin
ist demnach geringer als der mit der Nutzung des Einfamilienhauses verbundene (volle) Wohnwert (vgl. [X.] vom 5.
März 2008 -
XII
ZR
22/06
-
FamRZ 2008, 963 Rn.
15 mwN und vom 22.
April 1998 -
XII
ZR
161/96
-
FamRZ 1998, 899, 901). Der Bedarf entspricht dem, was die Klägerin
als Miete (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und der Größe nach für eine Person (statt wie bisher für zwei Personen) genügende Wohnung aufzubringen hätte.
Der volle Nutzungswert des [X.] bemisst sich [X.] nach den (Netto-)Mieteinnahmen, welche die Klägerin
aus einer Vermie-tung der gesamten Immobilie erzielen könnte. Ob der Klägerin
letztlich der volle Wohnwert als Einkommen zuzurechnen ist, hängt davon ab, ob der von ihr nicht 24
25
-
11
-

benötigte Wohnraum für sie totes Kapital darstellt oder ihr eine andere Nutzung zumutbar ist, und ist im
Rahmen der Bedürftigkeit zu überprüfen.
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Bedürftigkeit begegnen in den bereits oben behandelten Fragen durchgreifenden Bedenken.
a) Eine auf teilweiser Erwerbslosigkeit beruhende Bedürftigkeit lässt sich
nicht ohne weiteres in dem vom Berufungsgericht angenommenen Umfang feststellen. Entsprechend den obigen Ausführungen zu den Krankenversiche-rungsbeiträgen als Bedarfsposition hat die Klägerin
nicht ausgeräumt, dass sie ein in die sogenannte Gleitzone fallendes Einkommen erwirtschaften kann, was zur Anrechnung eines 400

in welchem Umfang dies begründet ist, bedarf -
ggf. nach Ergänzung des Par-teivorbringens und Beweiserhebung
-
der erneuten tatrichterlichen Beurteilung.
b) Zum Wohnwert hat das Berufungsgericht ausgeführt, ein solcher falle der Klägerin
zwar zu, weil sie mietfrei wohne. Hierbei handele es sich aber um eine fiktive Größe. Ein konkreter Geldfluss, den die Klägerin
zur [X.] einsetzen könnte, folge daraus nicht. Würde man den Wohnwert den-noch als Einkommensbestandteil berücksichtigen, müsste man folgerichtig eine entsprechende Position in gleicher Höhe in die Bedarfsberechnung einstellen.
Damit hat das Berufungsgericht -
wie bereits oben ausgeführt
-
verkannt, dass sich der Wohnwert und der Wohnbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnis-sen nicht ohne weiteres entsprechen.
Nach der Rechtsprechung des Senats war von der Klägerin
schon zu Beginn des streitgegenständlichen [X.]s ein anderweitiger Ein-satz des [X.] zu verlangen.
Zwar ist der Vorteil mietfreien [X.] nach der Trennung der Parteien zunächst regelmäßig nur noch in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung 26
27
28
29
-
12
-

durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müss-te (Senatsurteil vom 28.
März 2007 -
XII
ZR
21/05
-
FamRZ 2007, 879, 880
f.; vgl. [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
1 Rn.
479). Ist eine Wiederherstellung der ehelichen [X.] allerdings nicht mehr zu erwarten, etwa wenn ein Scheidungsantrag rechtshängig ist oder die Ehegatten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe abschließend geregelt haben, sind solche Ausnahmen von der Berücksichti-gung des vollen Mietwerts nicht mehr gerechtfertigt (Senatsurteile vom 5.
März 2008 -
XII
ZR
22/06
-
FamRZ 2008, 963 Rn.
15).
Im vorliegenden Fall ist demnach der volle Mietwert zu berücksichtigen. Zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums war das Scheidungsverfahren rechtshängig und hatten die Parteien ihre Vermögensverhältnisse jedenfalls im wesentlichen abschließend geregelt. Da andere Gründe für eine Unzumutbar-keit einer anderweitigen Verwendung des [X.] nicht vorliegen, sondern insbesondere die hohen Betriebskosten eine andere Nutzung sogar nahelegen, ist der Klägerin
der volle Mietwert als (erzielbares) Einkommen an-zurechnen.
Daraus ergeben sich zugleich Folgerungen für die Notwendigkeit der als [X.] anerkannten Betriebskosten. Denn diese sind vermeidbar, so-fern sie auf einen Mieter umgelegt werden können (vgl. Senatsurteil vom 27.
Mai 2009 -
XII
ZR
78/08
-
FamRZ 2009, 1300 Rn.
29
ff.). Als eigener Bedarf entstehen der Klägerin
für eine kleinere Wohnung sodann nur entsprechend geringere Kosten.
30
31
-
13
-

c) Bei den Einnahmen der Klägerin aus Vermietung hat das Berufungs-gericht
die Abschreibungen für Abnutzung wegen der Besonderheiten des vor-liegenden Falles zu Recht berücksichtigt.
Zwar berühren nach der Rechtsprechung des Senats Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht, weil ihnen lediglich ein Verschleiß von Gegenständen des Vermögens
zugrunde liege
und die zulässigen steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgingen.
Darüber hinaus sei zu beachten, dass sie durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarktes ausgeglichen werden könnten (Senatsurteil vom 1.
Dezember
2004 -
XII
ZR
75/02
-
FamRZ 2005, 1159, 1160
mwN). Ob hieran in Anbetracht der Kritik (vgl. etwa [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
1 Rn.
347
f.) festzuhalten ist, bedarf aber keiner Entscheidung. Denn der vorliegende Fall ist insoweit besonders
gelagert, als sich der [X.] anhand konkreter Zahlen (Gebäudewert im Jahr 1985 und Verkaufspreis im Jahr 2007) ausnahmsweise konkret feststellen lässt
(vgl. auch [X.]/[X.]
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
1 Rn.
457). Das Berufungsgericht konnte sich hier darauf stützen, dass sich die [X.] und der seit 1985 bis zur Veräußerung im Jahr 2007 eingetretene Wertverlust in etwa entsprechen.
Dies ist als tatrichterliche Würdigung von der Revision nicht in Frage ge-stellt worden. Dass die Immobilienpreise ständig schwanken, stellt für sich ge-nommen den vom Berufungsgericht festgestellten Wertverlust nicht in Frage. Die von der Revision angeführte Diskrepanz des vom Berufungsgericht [X.] gelegten [X.] von jährlich 11.058

r-lichen
Gewinnermittlung ausgewiesenen Betrag von 15.132

r-aus, dass sich der letztgenannte Betrag auf sämtliche Sachanlagen bezieht und 32
33
34
-
14
-

darin auch Abschreibungen für andere Gegenstände des Anlagevermögens als die Gebäude enthalten sind. Gewisse Abweichungen der notwendig gemittelten Beträge können im Übrigen vernachlässigt werden, weil jedenfalls ersichtlich ist, dass die Abschreibungen im konkreten Fall einem realen Wertverlust ent-sprechen, der sich in dem geringeren Verkaufserlös niedergeschlagen hat.

d) Fiktive Einnahmen aus einer weiteren Vermietung des [X.] ab Januar 2008 hat das Berufungsgericht zu Recht nicht angesetzt. Eine
mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit nach §§
1361 Abs.
3, 1579 Nr.
4
BGB
ist der Klägerin nicht vorzuwerfen. Wegen der Einzelheiten der [X.] wird insoweit auf das heutige Senatsurteil im Parallelverfahren zwischen den Parteien XII
ZR
178/09 verwiesen.
e) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Verwertung des aus dem Verkauf des Betriebsgrundstücks erzielten Erlöses im Rahmen des Trennungs-unterhalts nicht für geboten erachtet. Das beruht darauf, dass an die Verwer-tung des Vermögensstamms vor Scheidung höhere Anforderungen zu stellen sind als beim
nachehelichen Unterhalt (vgl. Senatsurteil vom 19.
November 2008 -
XII
ZR
129/06
-
FamRZ 2009, 307 Rn.
17; [X.]/Dose Das Unterhalts-recht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
1 Rn.
614 mwN). Dass
hier ausnahmsweise eine Verwertung schon vor Scheidung der Ehe geboten sei, hat das Berufungsgericht
sodann aufgrund einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung verneint, die Rechtsfehler nicht erkennen lässt.

III.
Das Berufungsurteil ist demnach auf die Revision des [X.]
im Um-fang der Anfechtung aufzuheben. Der Senat ist an einer abschließenden Ent-35
36
37
-
15
-

scheidung in der Sache gehindert, weil noch tatrichterliche Feststellungen er-forderlich sind und den Parteien Gelegenheit zum ergänzenden Sachvortrag zu geben ist.

Hahne

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.12.2007 -
3 [X.]/07 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 30.10.2009 -
5 UF 6/08 -

Meta

XII ZR 177/09

18.01.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. XII ZR 177/09 (REWIS RS 2012, 10057)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10057

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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