Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2022, Az. 5 StR 318/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 9741

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Gegenstand

Tankbetrug: Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug; versuchter Betrug bei Nichtbemerken des Tankvorgangs durch das Tankstellenpersonal


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2021 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Betrug schuldig ist und die verhängte [X.] von drei Monaten entfällt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

a) Der Angeklagte fuhr am Abend des 11. Januar 2019 gemeinsam mit den zwei gesondert Verfolgten [X.]     und M.    an eine Autobahntankstelle. Sie hatten verabredet, den Pkw zu betanken, ohne den Kraftstoff zu bezahlen, und die Tankstelle unter Verwendung eines Messers zu überfallen. Der Angeklagte ließ die beiden gesondert Verfolgten im Bereich der Toiletten aussteigen. Danach fuhr er zu einer nur wenige Meter entfernten Zapfsäule und tankte um 20 Uhr für 56,24 Euro, wobei er den Kopf gesenkt hielt und sich bemühte, sein Gesicht verdeckt zu halten; zuvor hatte er das Kennzeichen abgedeckt. Der [X.]     bemerkte den Tankvorgang nicht.

4

b) Nach der Beendigung des Tankvorgangs stellte der Angeklagte das Auto um 20.02 Uhr fluchtbereit vor den Toiletten ab und betrat nur wenige Sekunden später gemeinsam mit [X.]     und M.    den Verkaufsraum der Tankstelle. Der Angeklagte stellte sich an den [X.], sodass der [X.] annahm, einen zahlungswilligen Kunden vor sich zu haben. Tatsächlich diente dieses Vorgehen der Umsetzung des Überfallplans. Der Angeklagte lenkte D.    nun mit einer Frage nach Zigaretten ab. Der gesondert Verfolgte [X.]    nutzte dies aus, um hinter den Verkaufstresen zu gehen und dem [X.] ein Messer an den Hals zu halten. Auf Aufforderung des Angeklagten und der gesondert Verfolgten öffnete D.     die Kasse, aus der M.  650 Euro entnahm. Anschließend flüchteten sie mit dem Auto des Angeklagten. Die Beute teilten sie untereinander auf.

5

2. Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf der Schuldspruch der Korrektur.

6

a) Der [X.] hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derjenige, dessen Bestreben beim Tanken von Anfang an darauf gerichtet ist, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, sich nicht – wie vom [X.] angenommen – des Diebstahls (oder der Unterschlagung), sondern des Betruges gemäß § 263 StGB schuldig macht. Wird der unter Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft durchgeführte Tankvorgang – wie hier – nicht vom [X.] bemerkt, ist der Täter wegen versuchten Betruges zu verurteilen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 4 StR 632/11, [X.], 1092 f.; vom 9. März 2021 – 6 StR 74/21). Seine Bemühungen, unentdeckt zu bleiben, ändern an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

7

b) Zutreffend haben sowohl der [X.] als auch der Beschwerdeführer ausgeführt, dass sich der Angeklagte nach dem für die rechtliche Bewertung des vermögensschädigenden Verhaltens maßgeblichen äußeren Erscheinungsbild nicht wegen einer besonders schweren räuberischen Erpressung strafbar gemacht hat; er ist stattdessen des besonders schweren Raubes nach § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB schuldig (vgl. [X.], Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 [X.], [X.], 46, 48; vom 12. August 2021 – 3 StR 474/20).

8

c) Schließlich hat der [X.] zu Recht durchgreifende Bedenken gegen die konkurrenzrechtliche Beurteilung des [X.]s geltend gemacht. Der Tankvorgang und der Raubüberfall auf die Tankstelle beruhten auf einem einheitlichen Tatentschluss und spielten sich binnen drei Minuten am selben, lediglich einige Quadratmeter umfassenden Ort ab. Die Handlungen des Angeklagten gingen ohne Zäsur ineinander über. Bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich das gesamte Tätigwerden des Angeklagten auch aus der Sicht eines [X.] als [X.] dar (sogenannte natürliche Handlungseinheit) und steht daher im Verhältnis der Tateinheit im Sinne von § 52 StGB zueinander (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 10. Juli 2017 – [X.], [X.]St 63, 1, 6).

9

d) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3. Der Senat schließt aus, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte (§ 337 StPO). Die [X.] hätte es ebenfalls im Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB finden müssen. Die Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung führt zwar zum Wegfall der gesondert verhängten [X.] von drei Monaten. Angesichts der [X.] von fünf Jahren sowie der einbezogenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ist es auszuschließen, dass das [X.] bei zutreffender Rechtsanwendung eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte, zumal die unterschiedliche rechtliche Beurteilung des [X.] bei wie hier unverändertem Schuldumfang kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 – 2 [X.]; vom 21. März 2019 – 3 [X.], [X.], 232, 233).

Cirener     

  

Gericke     

  

Mosbacher

  

Köhler     

  

von Häfen     

  

Meta

5 StR 318/22

08.11.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Itzehoe, 19. Oktober 2021, Az: 1 KLs 302 Js 8818/19

§ 22 StGB, § 23 Abs 1 StGB, § 242 StGB, § 263 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2022, Az. 5 StR 318/22 (REWIS RS 2022, 9741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9741

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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