Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2015, Az. XII ZB 105/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1763

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:251115BXII[X.]105.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 105/13
vom
25.
November
2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; FamFG §§ 68 Abs. 4, 283
a)
Entscheidet das Beschwerdegericht in einer vom Gesetz dem Kollegium zugewiesenen Sache unbefugt durch den Einzelrichter, so liegt darin eine von Amts wegen zu berücksichtigende Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters, die als absoluter [X.] zur Aufhebung der Entscheidung führt (im [X.] an [X.], 200 =
FamRZ 2003, 669 und Senatsbeschluss vom 11.
September 2003

XII
[X.]
188/02
Z 2003, 1922).
b)
[X.], welche der Betreuungsbehörde anlässlich der Vorfüh-rung des Betroffenen zu einer Untersuchung entstehen, hat diese
selbst zu tragen.
[X.], Beschluss vom 25. November 2015 -
XII [X.] 105/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 25.
November 2015 durch [X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 19.
Zivilkammer des [X.] vom 30.
Januar 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 58

Gründe:
I.
Mit Schreiben vom 16.
Dezember 2011 regte die Beteiligte zu
3 (nachfol-gend: Betreuungsbehörde) die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen an. Dabei äußerte sie die Besorgnis, der Betroffene werde sich aller [X.] nach der Begutachtung durch einen Sachverständigen entziehen. Das Amtsgericht ordnete daraufhin die Zuführung des Betroffenen zum Zweck der Begutachtung an. Die Betreuungsbehörde wurde ermächtigt, bei der Zuführung Gewalt anzuwenden, die Wohnung des Betroffenen zu betreten und sich der Hilfe der polizeilichen [X.] zu bedienen.
1
-
3
-
Nachdem sich der Sachverständige mehrfach vergeblich um Einlass in die Wohnung des Betroffenen bemüht hatte, zog die Betreuungsbehörde einen Schlüsseldienst hinzu. Dieser vermochte den Betroffenen zu einer freiwilligen Kontaktaufnahme zu bewegen und berechnete für seine Bereitstellung zur [X.] 58,31

e-troffenen eine Betreuung zunächst für die [X.] Postangelegenheiten und Behördenangelegenheiten eingerichtet.
Die Betreuungsbehörde hat die Rechnung des Schlüsseldienstes begli-chen und begehrt nunmehr Erstattung dieser Kosten von der Beteiligten zu
2 (nachfolgend: Landeskasse).
Das Amtsgericht hat ausgesprochen, dass es sich bei den Kosten des Schlüsseldienstes um Verfahrenskosten handele, die vom Gericht, d.h. von der Landeskasse, zu tragen seien. Die zugelassene Beschwerde des Bezirksrevi-sors ist vom [X.] durch die Einzelrichterin zurückgewiesen worden. [X.] hat die Einzelrichterin die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Be-deutung der Sache zugelassen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die [X.] die Zurückweisung des [X.].

II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
70 Abs.
1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwer der Landeskasse ergibt sich aus der angeordneten Verpflichtung, der Betreuungsbehörde die für die Bereitstellung des Schlüsseldienstes verauslagten Kosten in Höhe von 58,31

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4
5
-
4
-
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Der angefochtene Beschluss leidet an einem Verfahrensmangel, denn er ist unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG) ergangen.
Hat das [X.] über eine Beschwerde in einer Betreuungssache nach §§
58
ff. FamFG zu entscheiden, ist hierzu gemäß §
68 Abs.
4 Halbsatz
1 FamFG i.V.m. §
75 GVG die mit drei Richtern besetzte Zivilkammer berufen (vgl. [X.]/Sternal FamFG 18.
Aufl. §
68 Rn.
95). Eine originäre Einzelrichter-zuständigkeit (etwa nach §
81 Abs.
6 Satz
1 GNotKG oder §
4 Abs.
7 Satz
1 JVEG) kommt hier nicht in Betracht.
Eine Übertragung auf den Einzelrichter nach §
68 Abs.
4 FamFG ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt, so dass die Einzelrichterin zur Entscheidung nicht berufen war. Dieser Verfahrensmangel ist von Amts wegen zu [X.]. Zwar ist ein Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Rich-ters grundsätzlich nur auf eine entsprechende Besetzungsrüge zu [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.]
gilt aber eine Ausnah-me im Fall der willkürlichen Zuständigkeitsüberschreitung des originären Einzel-richters, welche einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensman-gel darstellt ([X.], 200 =
FamRZ 2003, 669, 671 und Senatsbeschluss vom 11.
September 2003
XII
[X.]
188/02
FamRZ 2003, 1922). Nichts anderes gilt, wenn der Einzelrichter in einer dem Kollegium zugewiesenen Sache ohne einen vorausgegangenen Übertragungsbeschluss der Kammer entscheidet. Denn auch in diesem Fall liegt eine willkürliche Zuständigkeitsüberschreitung vor. Da es an jeder Grundlage für eine Einzelrichterentscheidung fehlt, ist der Fall auch nicht mit einer etwa unzulässigen, aber bindenden Übertragung auf den Einzelrichter vergleichbar (dazu vgl. [X.]Z 170, 180 =
FamRZ 2007, 554).
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-
b) Entscheidet der Einzelrichter unbefugt allein, liegt wegen fehlerhafter Besetzung des Gerichts ein absoluter Revisions-
bzw. [X.] im Sinne der §§
72 Abs.
3 FamFG, 547 Nr.
1 ZPO vor (vgl. [X.] Urteil vom 19.
Oktober 1992
II
ZR
171/91
NJW 1993, 600). Der angefochtene Be-schluss ist daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuver-weisen.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Frage der Erstattungsfähigkeit von [X.] anlässlich der Vorführung eines Betroffenen durch die Betreuungsbehörde nach §
283 FamFG ist umstritten. Teilweise wird die Betreuungsbehörde insoweit als Vollziehungs-organ des Betreuungsgerichts gesehen. Ihre hierdurch entstandenen Auslagen seien Teil der Gerichtskosten und als solche aus der Landeskasse zu erstatten (vgl. [X.], 425
f.; [X.], 399;
HK-BUR/[X.] [Stand: August 2015] §
10 [X.] nF Rn.
77
ff. [X.]). Die ge-genteilige Auffassung lehnt eine Erstattungsfähigkeit angefallener Auslagen auf Seiten der Betreuungsbehörde ab, da diese im Rahmen von §
283 FamFG in originär eigener Zuständigkeit tätig werde (vgl. [X.] Beschluss vom 27.
Juli 2009
1
T
144/09
juris Rn.
10
ff.; [X.] FamRZ 2004, 566; [X.] Beschluss vom 14.
Oktober 2002
4
T
212/02
s Rn.
7
f.).
Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Eine Betreuungsbehörde, die einen Betroffenen zum Zweck der Begutachtung nach §
283 FamFG vorführt, nimmt eine originär eigene Aufgabe im Sinne von §
8 Abs.
1 Satz
1 [X.] wahr und hat demzufolge die hierdurch verursachten Kosten selbst zu tragen. [X.] der spezialgesetzlich geregelten Aufgabenzuweisung in §
283 FamFG kann insbesondere nicht von einem Tätigwerden der Betreuungsbehörde im 10
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6
-
Wege der Amtshilfe ausgegangen werden (vgl. [X.]Z 148, 139 =
NJW 2001, 2799).

Dose

Klinkhammer

Günter

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.11.2012 -
110 XVII G 792 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.01.2013 -
19 [X.] -

Meta

XII ZB 105/13

25.11.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2015, Az. XII ZB 105/13 (REWIS RS 2015, 1763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1763

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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