Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2024, Az. XII ZB 213/23

12. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1871

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Gegenstand

Ablehnung eines vom Betroffenen vorgeschlagenen Betreuers


Leitsatz

Eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person darf bei der Betreuerauswahl nur dann mangels Eignung unberücksichtigt bleiben, wenn sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände hinsichtlich sämtlicher Aufgabenbereiche der Betreuung die konkrete Gefahr ergibt, dass der Vorgeschlagene nicht gewillt oder in der Lage ist, die Betreuung zum Wohl der betroffenen Person zu führen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 4. Mai 2022 - XII ZB 118/21, FamRZ 2022, 1559).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 3. Mai 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]s, an eine andere Zivilkammer des [X.] zurückverwiesen.

Das [X.] ist gerichtskostenfrei.

Eine Festsetzung des [X.] (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1 wendet sich dagegen, dass zum Betreuer für die Betroffene nicht er als Ehemann, sondern die Beteiligte zu 2, eine Berufsbetreuerin, bestellt worden ist.

2

Bei der Betroffenen, die seit rund 48 Jahren mit dem Beteiligten zu 1 verheiratet ist, liegt eine fortgeschrittene schwere Demenz vor, deretwegen sie ihre Angelegenheiten in den Bereichen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Am 20. Dezember 2019 erteilte sie dem Beteiligten zu 1 eine Vollmacht, war aber zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr geschäftsfähig. Im vorliegenden Verfahren hat die Betroffene am 25. Januar 2020 den Beteiligten zu 1 schriftlich als Betreuer vorgeschlagen. Auch das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten benennt den Ehemann als gewünschten Betreuer. Das Amtsgericht hat hinsichtlich des genannten [X.] eine Betreuung eingerichtet und die Beteiligte zu 2 zur Berufsbetreuerin für die Betroffene bestellt.

3

Die gegen die Auswahl der Betreuerin gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das [X.] zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 durch [X.]sbeschluss vom 4. Mai 2022 ([X.]/21 - FamRZ 2022, 1559) aufgehoben worden. Nach Zurückverweisung der Sache hat das [X.] die Betroffene am 19. September 2022 persönlich angehört und durch Beschluss vom 3. Mai 2023 erneut die Beteiligte zu 2 als Berufsbetreuerin für die Betroffene bestellt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das [X.].

5

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, nach § 1816 Abs. 2 BGB sei dem Wunsch der Betroffenen, eine bestimmte Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person sei zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Die Beurteilung der Eignung der Person sei dabei Tatrichterfrage. Ein Betreuer dürfe nur bestellt werden, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen nicht durch einen Bevollmächtigten gleichermaßen erledigt werden können. Bei der Auswahl des Betreuers sei das Wohl des Betroffenen ausschlaggebend.

6

Eine rechtswirksame Vollmacht der Betroffenen, die einer Betreuerbestellung entgegenstünde, liege nicht vor. Einer Bestellung des Beteiligten zu 1 als Betreuer der Betroffenen stehe der natürliche Wille der Betroffenen entgegen. Zwar habe das Gericht im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Betroffenen keine eigenen Feststellungen zu ihrem natürlichen Willen treffen können, jedoch ergebe sich ein entgegenstehender Wille der Betroffenen aus den Angaben der übrigen Verfahrensbeteiligten. So habe der Verfahrenspfleger ausgeführt, die Betroffene habe ihm gegenüber wiederholt geäußert, dass ihr Ehemann sich nicht um ihre Angelegenheiten kümmern solle.

7

Die Betreuerin habe in der Anhörung mitgeteilt, dass der Beteiligte zu 1 den Kontakt zu ihr verweigere und bei der Regelung der sozialrechtlichen Angelegenheiten der Betroffenen nicht ausreichend mitwirke. Zudem erachte das Gericht in Übereinstimmung mit der Betreuungsbehörde den Beteiligten zu 1 für nicht geeignet, die Betreuung zum Wohl der Betroffenen zu führen. Das Gericht sei überzeugt davon, dass - auch wegen des gemeinsamen betreuungsbedürftigen [X.] ­ ein Interessenkonflikt bestehe. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der [X.] der Betroffenen durch erhebliche Zahlungsrückstände gefährdet worden sei und der Tatsache, dass der Beteiligte zu 1 ausweislich eines Schreibens im Oktober 2021 fortlaufend Miete von der Betroffenen verlange, da sie die Wohnung nicht vollständig geräumt habe, obwohl eine Rückkehr der Betroffenen in die Häuslichkeit ausgeschlossen sei. Der Beteiligte zu 1 sei nicht in der Lage, die Interessen der Betroffenen von seinen eigenen und denen des gemeinsamen [X.] abzugrenzen. Demnach sei die Bestellung eines Berufsbetreuers gerechtfertigt.

8

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass sich auch die erneute [X.] nach den bisherigen Feststellungen als rechtsfehlerhaft erweist.

9

a) Die Auswahl des Betreuers war bis zum 31. Dezember 2022 in § 1897 Abs. 4 und Abs. 5 BGB geregelt. Durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 ([X.]I S. 882) wurde mit der Regelung des § 1816 Abs. 2 BGB die Bedeutung der Wünsche des Betroffenen für die konkrete [X.] hervorgehoben. Danach ist einem Wunsch des Volljährigen nach einem bestimmten Betreuer grundsätzlich zu entsprechen. Dabei wird klargestellt, dass jeder Wunsch hinsichtlich der Person des Betreuers grundsätzlich zu beachten ist. Die Pflicht des Gerichts zur Beachtung der Wünsche des Betreuten gilt auch für Wünsche, die der Volljährige vor Einleitung des Betreuungsverfahrens geäußert hat, es sei denn, er möchte an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten. Allerdings ist die Wunschbefolgungspflicht des Gerichts hinsichtlich der [X.] nicht schrankenlos. Das Gericht kann nicht verpflichtet werden, einen ungeeigneten Betreuer zu bestellen. Da aber eine vertrauensvolle Zusammenarbeit die Qualität der Betreuung hebt, darf bei einem konkreten Wunsch des Volljährigen die Eignung des Betreuers auch nicht vorschnell verneint werden (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 237 f.).

Nicht geeignet für eine konkrete Betreuung ist nach § 1816 Abs. 1 BGB derjenige, der nicht willens oder in der Lage ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis nach Maßgabe des § 1821 BGB die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln und adäquat umzusetzen und in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten. Von einer fehlenden persönlichen Eignung ist danach insbesondere auszugehen, wenn das Betreuungsgericht anhand konkreter Tatsachen erhebliche Interessenkonflikte feststellt oder wenn ein Missbrauch eines zu der betroffenen Person bestehenden Vertrauensverhältnisses durch den potentiellen Betreuer zu befürchten ist. Stellt das Betreuungsgericht in einem solchen Fall anhand von Tatsachen die konkrete Gefahr fest, dass die als Betreuer in Betracht kommende Person die Vertrauensbeziehung zu der betroffenen Person zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen könnte und damit nicht gewillt oder in der Lage ist, die Betreuung zum Wohl der betroffenen Person zu führen, ist von einer Bestellung zum Betreuer mangels Eignung abzusehen (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 237).

Danach darf bei der Auswahl des Betreuers von einer vom Betroffenen vorgeschlagenen Person nur dann mangels Eignung abgesehen werden, wenn die vom Gericht konkret zu treffenden Feststellungen einen Eignungsmangel bezogen auf sämtliche von der Betreuung umfassten Aufgabenbereiche ergeben. Bei der Frage, ob der Benannte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint, darf der Tatrichter sich dabei nicht auf eine Gewichtung einzelner Umstände oder Vorfälle beschränken; er hat vielmehr eine Gesamtschau all derjenigen Umstände vorzunehmen, die für und gegen eine Eignung sprechen könnten. Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann zwar gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist indessen rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. etwa - zu § 1897 Abs. 4 und Abs. 5 BGB - [X.]sbeschlüsse vom 4. Mai 2022 - [X.]/21 - FamRZ 2022, 1559 Rn. 10 und vom 18. August 2021 - XII ZB 151/20 - FamRZ 2021, 1822 Rn. 10, 12 jeweils mwN).

b) Auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab ist die erneute [X.] des [X.] zu beanstanden.

Insbesondere fehlt es schon deswegen an der erforderlichen Gesamtschau, weil das Beschwerdegericht (trotz der Hinweise des [X.]s im Beschluss vom 4. Mai 2022 - [X.]/21 - FamRZ 2022, 1559 Rn. 12) keinen der für die Bestellung des Beteiligten zu 1 sprechenden Gesichtspunkte (mehrfacher Wunsch der Betroffenen, auch gegenüber der vom Amtsgericht bestellten Sachverständigen; langjährige Dauer der Ehe und die damit einhergehenden Bindungen) in den Blick genommen hat. Bedenklich erscheint auch die Feststellung des [X.], ein etwa entgegenstehender aktueller Wille der Betroffenen ergebe sich aus den Angaben der übrigen Verfahrensbeteiligten. Denn der Verfahrenspfleger hat ausweislich des Anhörungsprotokolls des [X.]s vom 19. September 2022 nicht geäußert, die Betroffene habe mehrfach erklärt, sie wolle nicht, dass sich ihr Ehemann um ihre Angelegenheiten kümmere, sondern lediglich, „dass sie nicht will, dass [X.] das mit dem Geld macht“. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte die Betreuerin für eine Ungeeignetheit des Beteiligten zu 1 vorgetragen haben soll, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Entsprechendes gilt für die vom [X.] behauptete Übereinstimmung mit der Einschätzung der Betreuungsbehörde. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine aktuelle konkrete Nichteignung des Beteiligten zu 1 - für sämtliche von der Betreuung umfassten Aufgabenbereiche - hat das Beschwerdegericht mithin nicht festgestellt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Hinzu kommt, dass das Beschwerdegericht ausweislich seines Anhörungsprotokolls den Beteiligten abschließend mitgeteilt hat, dass zunächst die übrigen Bereiche bis auf die Vermögenssorge auf den Beteiligten zu 1 übertragen werden sollten. Aufgrund welcher Tatsachen das Beschwerdegericht nachfolgend zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG). Der [X.] macht dabei wegen der wiederholten Aufhebung und Zurückverweisung von der Möglichkeit gemäß § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch, die Sache an eine andere Zivilkammer des [X.]s zurückzuverweisen (vgl. [X.]sbeschluss vom 13. Februar 2019 - XII ZB 276/18 - [X.] 2019, 642 Rn. 9 mwN). Für den Fall, dass sich im weiteren Verfahren eine Ungeeignetheit des Beteiligten zu 1 nur für den Bereich der Vermögenssorge feststellen lassen sollte, wird das [X.] auch die Möglichkeit der Bestellung einer weiteren Person als Mitbetreuer in den Blick zu nehmen haben, um der fehlenden Eignung hinsichtlich (nur) einzelner [X.] Rechnung zu tragen (vgl. [X.] FamRZ 2022, 722 Rn. 19).

Günter     

  

Klinkhammer     

  

Botur

  

Krüger     

  

Pernice     

  

Meta

XII ZB 213/23

28.02.2024

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bremen, 3. Mai 2023, Az: 5 T 19/21

§ 1816 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2024, Az. XII ZB 213/23 (REWIS RS 2024, 1871)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1871

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