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Betreuerbestellung: Voraussetzungen einer Nichtberücksichtigung des Wunsches des Betroffenen bei der Betreuerauswahl
Der Wille oder Wunsch des Betroffenen kann bei der Betreuerauswahl nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. August 2021 - XII ZB 151/20, FamRZ 2021, 1822).
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 12. Februar 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] ist gerichtskostenfrei.
Eine Festsetzung des [X.] (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
I.
Der Beteiligte zu 1 wendet sich dagegen, dass zum Betreuer für die Betroffene nicht er als Ehemann, sondern die Beteiligte zu 2, eine Berufsbetreuerin, bestellt worden ist.
Bei der Betroffenen, die seit rund 46 Jahren mit dem Beteiligten zu 1 verheiratet ist, liegt eine fortgeschrittene schwere Demenz vor, deretwegen sie ihre Angelegenheiten in den Bereichen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Am 20. Dezember 2019 errichtete sie eine Vollmacht für den Beteiligten zu 1, war aber zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr geschäftsfähig.
Im vorliegenden Verfahren hat die Betroffene mit Antwortschreiben vom 25. Januar 2020 an das Amtsgericht den Beteiligten zu 1 als Betreuer vorgeschlagen. Auch das vom Amtsgericht erhobene Sachverständigengutachten benennt den Ehemann als gewünschten Betreuer.
Das Amtsgericht hat hinsichtlich des genannten [X.] eine Betreuung eingerichtet und die Beteiligte zu 2 zur Berufsbetreuerin für die Betroffene bestellt. Die gegen die Auswahl der Betreuerin gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das [X.] zurückgewiesen, ohne die Betroffene erneut anzuhören. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er weiterhin seine eigene Bestellung zum Betreuer anstrebt.
II.
Die wirksam auf die Frage der [X.] (§ 1897 BGB) beschränkte Rechtsbeschwerde (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2021 - [X.] 151/20 - FamRZ 2021, 1822 Rn. 3 mwN) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung der [X.] ausgeführt, eine Betreuung durch den Beteiligten zu 1 würde dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen. Der Verfahrenspfleger habe mitgeteilt, die Betroffene habe ihm gegenüber mehrfach geäußert, dass sie nicht wolle, dass sich ihr Ehemann um ihre Angelegenheiten kümmere. Dies stimme mit den Angaben der Betroffenen in ihrer gerichtlichen Anhörung vor dem Amtsgericht überein. Zudem sei es während der stationären Unterbringung der Betroffenen nach Auskunft des Heims bei Besuchen des Beteiligten zu 1 regelmäßig zu lautstarken Streitereien gekommen. Das Amtsgericht habe den Willen der Betroffenen daher bei seiner Ermessensausübung richtigerweise berücksichtigt. Demnach sei die Bestellung eines Berufsbetreuers gerechtfertigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligte zu 2 als Betreuerin nicht geeignet sein sollte, seien nicht ersichtlich.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die [X.] des [X.] erweist sich nach den bisherigen Feststellungen als rechtsfehlerhaft. Zudem rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass die Feststellungen des [X.] verfahrensfehlerhaft getroffen worden seien, weil im Beschwerdeverfahren von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen wurde.
a) Gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB ist grundsätzlich die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Die Vorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2021 - [X.] 151/20 - FamRZ 2021, 1822 Rn. 7 f. mwN).
Nach § 1897 Abs. 5 Satz 1 BGB ist, wenn der Betroffene niemand als Betreuer vorgeschlagen hat, bei der Auswahl des Betreuers auf die persönlichen Bindungen des Betroffenen zum Ehegatten Rücksicht zu nehmen. Diese Regelung gilt auch dann, wenn der Betroffene den Ehegatten als Betreuer benannt hat. Denn der Ehegatte wird nach Maßgabe dieser Vorschrift „erst recht“ zum Betreuer zu bestellen sein, wenn der Betroffene ihn ausdrücklich als Betreuer seiner Wahl benannt hat, mag der Betroffene auch bei der Benennung nicht oder nur eingeschränkt geschäftsfähig gewesen sein. In Würdigung der in § 1897 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BGB getroffenen Wertentscheidungen wird ein langjähriger Ehegatte des Betroffenen, der zu diesem persönliche Bindungen unterhält und den der Betroffene wiederholt als Betreuer benannt hat, deshalb bei der [X.] besonders zu berücksichtigen sein und nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden können, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten seiner Betreuung entgegenstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2021 - [X.] 151/20 - FamRZ 2021, 1822 Rn. 9 mwN).
Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen die vom Gericht zu treffenden Feststellungen einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis ergeben. Bei der Frage, ob der Benannte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint, darf der Tatrichter sich jedoch nicht auf eine Gewichtung einzelner Umstände beziehungsweise Vorfälle beschränken; er hat vielmehr eine Gesamtschau all derjenigen Umstände vorzunehmen, die für und gegen eine Eignung sprechen könnten. Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann zwar gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist indessen rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2021 - [X.] 151/20 - FamRZ 2021, 1822 Rn. 10, 12 jeweils mwN).
b) Gemessen daran beanstandet die Rechtsbeschwerde zu Recht die [X.] des [X.].
Insbesondere übergeht das Beschwerdegericht zunächst, dass die Erteilung der Vollmacht im Dezember 2019 im Zustand der Geschäftsunfähigkeit zugleich den natürlichen Willen beziehungsweise Wunsch der Betroffenen erkennen lässt, den Beteiligten zu 1 als Betreuer zu bestellen. Rechtsfehlerhaft werden in die erforderliche Gesamtschau zudem weder das Antwortschreiben der Betroffenen im Januar 2020 an das Amtsgericht noch die Ausführungen des Sachverständigengutachtens einbezogen, das keine Zweifel an dem Wunsch der Betroffenen erkennen lässt, den Beteiligten zu 1 als Betreuer zu bestellen. Bedenklich erscheint auch die Feststellung des [X.], die Betroffene habe in der gerichtlichen Anhörung erklärt, sie wolle nicht, dass sich der Beteiligte zu 1 um ihre Angelegenheiten kümmere. Denn nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat sich die Betroffene dahingehend geäußert, dass „ihr Ehemann den Haushalt machen solle, ihr Geld aber nicht antasten dürfe“. Ferner lässt das Beschwerdegericht die Dauer der Ehe und die damit einhergehenden persönlichen Bindungen ebenso unberücksichtigt wie Erwägungen, inwieweit die aus dem Heim berichteten lautstarken Streitereien möglicherweise der fortgeschrittenen schweren Demenz und/oder der sich aus dem Bericht des sozialtherapeutischen Dienstes ergebenden schlechten Funktion des Hörgeräts der Betroffenen und ihrer Schwerhörigkeit geschuldet sein könnten.
c) Vor der Bestellung eines Betreuers hat das Gericht zudem gemäß § 278 Abs. 1 FamFG den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch im Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 - [X.] 213/21 - juris Rn. 8 mwN).
Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] lag die persönliche Anhörung seitens des Amtsgerichts bereits elf Monate zurück. Die Betroffene hat sich zudem während des Verfahrens vor dem Amtsgericht immer wieder wechselnd zu einem Betreuerwunsch geäußert. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung des [X.] ohne tragfähige Feststellungen diesbezüglich nicht angenommen werden, dass von einer erneuten Anhörung neue Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.
3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG).
Dose |
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[X.] |
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Günter |
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Botur |
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Krüger |
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Meta
04.05.2022
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend LG Bremen, 12. Februar 2021, Az: 5 T 19/21
§ 1897 Abs 4 S 1 BGB, § 1897 Abs 5 S 1 BGB, § 68 FamFG, § 278 FamFG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2022, Az. XII ZB 118/21 (REWIS RS 2022, 3191)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 3191 MDR 2022, 963-964
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZB 285/22 (Bundesgerichtshof)
Betreuungsverfahren: Absehen des Beschwerdegerichts von der persönlichen Anhörung des Betroffenen; Beauftragung eines Mitglieds der Beschwerdekammer …
XII ZB 129/21 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Teilnahme des Verfahrenspflegers an einem Anhörungstermin während der Corona-Pandemie
XII ZB 213/23 (Bundesgerichtshof)
Ablehnung eines vom Betroffenen vorgeschlagenen Betreuers
XII ZB 174/20 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Voraussetzungen einer Abweichung vom Vorschlag des Betreuten bei der Auswahl des Betreuers; persönliche Eignung …
XII ZB 151/20 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Betreuervorschlag des Betroffenen; Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung des Willens des Betroffenen