Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. 3 StR 231/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3433

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 [X.]
vom
13. September
2011
Nachschlagewerk:

ja
[X.]St:

ja
Veröffentlichung:

ja

___________________________________

[X.] §§ 129, 129b

Zur Einordnung einer kriminellen [X.] als in-
oder ausländische bzw. als solche innerhalb oder außerhalb der Mitgliedst[X.]ten der [X.].

[X.], Beschluss vom 13. September 2011 -
3 [X.] -
LG [X.] I

in der Strafsache
gegen

wegen
gewerbsmäßiger Bandenhehlerei
u.a.

-
2
-
[X.]er 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 13.
September 2011 gemäß § 349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-richts [X.] I vom 5.
April 2011 mit den Feststellungen aufge-hoben.
[X.]ie Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
[X.]as [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Banden-hehlerei in zwei Fällen und Geldwäsche in neun Fällen, jeweils in Tateinheit mit "Bildung krimineller [X.]en" (zutreffend: mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.]), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah-ren und neun Monaten
verurteilt. [X.]ie hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
Nach den Feststellungen des [X.] entstand in der ehemaligen [X.] eine kriminelle Subkultur, die nach ihrer eigenen Ideologie, den sogenannten "[X.]iebesregeln", lebt. [X.]ieses System dehnte sich nach Westen aus und etablierte sich teilweise auch in [X.]. [X.]ie Verbandsstruktur ist regional organisiert und überregional koordiniert. An oberster Stufe steht jeweils ein "[X.]ieb im Gesetz", der diese Stellung mittels "Krönung" durch alle "[X.]iebe im 1
2
-
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Gesetz" in [X.] erhält. [X.]iesem wird ein bestimmtes Gebiet zugewiesen, in dem sich kein anderer "[X.]ieb im Gesetz" ansiedeln darf. [X.] übernehmen als seine unmittelbaren Vertrauenspersonen "Nahestehen-de", unter denen "Statthalter" oder "Kassenhalter" stehen, welche die unterge-ordneten Mitglieder zu leiten und Beiträge zur [X.] einzusam-meln und abzuführen haben. [X.]ie Willensbildung unterliegt verbindlichen, in der Organisation anerkannten Regeln. [X.]ie Verhaltensregeln gebieten den [X.] eine Abschottung nach außen sowie Solidarität nach innen und untersa-gen jegliche Kooperation mit st[X.]tlichen Behörden. Verstöße werden abgestuft sanktioniert. Im Konfliktfall werden höhere Autoritätsstufen angerufen; deren "Schiedssprüche" erkennen die Mitglieder als bindend an und machen sie zur [X.] ihres Handelns. Verbindlich festgelegte Zielsetzung der Organisation ist, bestimmte Straftaten zu begehen und einen Teil der hieraus gewonnenen Erlöse in die [X.] ("[X.]") zu zahlen. [X.]iese dient der Bereicherung der höherrangigen Mitglieder sowie allgemein der Unterstützung der Mitglieder in besonderen Situationen, etwa im Falle einer Inhaftierung.
Spätestens im Juni 2005 begründeten die "[X.]iebe im Gesetz" K.

und L.

S.

eine nach den dargelegten Regeln agierende, euro-paweit tätige Gruppierung aus georgischstämmigen Mitgliedern, die [X.]iebstähle organisierte und die Beute an Hehler weiterverkaufte. Auf [X.] standen die tatausführenden [X.]iebe, die ihren Unterhalt aus organisierten, von mehreren Mitgliedern durchgeführten gemeinsamen Ladendiebstählen bestrit-ten. [X.] waren hochwertige Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Zigaretten, [X.]rogerieartikel, [X.]esignerkleidung und elektronische Gerä-te. [X.]ie Mitglieder hatten in der Regel monatlich 50

in den "[X.]" zu zahlen. [X.]ie [X.], die "[X.]iebesregeln" und der "[X.]" waren
oberste [X.]n des Handelns des Einzelnen. In verschiedenen [X.] 3
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4
-
Städten waren regionale Kassenhalter eingesetzt. [X.]ie an die [X.] abgeführten Gelder und die darüber geführten Einzahlungslisten wurden letztlich zu K.

S.

nach [X.] gebracht. [X.]ie [X.] in [X.] war grundsätzlich autonom, bei Konflikten oder bei groben Re-gelverstößen griffen allerdings die Brüder S.

ein.
[X.]er Angeklagte war zumindest seit Mitte 2009 bis zu seiner
Festnahme am 15.
März 2010 innerhalb der Organisation Statthalter für [X.].

. Er [X.] Kontakt zur Führungsebene und konnte K.

S.

bei Bedarf telefonisch erreichen. Spätestens ab September 2009 schloss er sich mit weite-ren Mitgliedern zusammen, um [X.]iebesgut von Mitgliedern aus M.

bei Hehlern in [X.].

gewinnbringend abzusetzen. So organisierte er im [X.]/Oktober 2009 sowie im [X.]ezember 2009 jeweils den Transport von [X.]ie-besgut von M.

nach [X.].

und den Verkauf an einen dortigen Heh-ler. Überdies transferierte er zwischen dem 18.
August 2009 und dem 20.
Februar 2010 in neun Fällen Einnahmen in Höhe von insgesamt 1.700

, die andere Mitglieder der Organisation durch [X.]iebstähle oder den Verkauf von [X.]iebesgut erzielt hatten, in Kenntnis ihrer Herkunft nach [X.].

I.
[X.]as Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit das Land-gericht den Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer [X.] (§ 129 Abs. 1 [X.]) und wegen gewerbsmäßiger Banden-hehlerei in zwei Fällen (§ 260a Abs. 1 [X.]) verurteilt hat. [X.]ie Feststellungen belegen zwar, dass sich der Angeklagte als Mitglied an einer kriminellen Verei-nigung beteiligte, nicht aber -
worauf bereits der
Generalbundesanwalt in seiner 4
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-
5
-
Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat -, dass es sich bei der [X.] um eine solche im Inland nach § 129 Abs. 1 [X.] handelte. Auch fehlen trag-fähige Feststellungen für ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten im Sinne des § 260a Abs. 1 [X.]. Im Einzelnen:
1. [X.]as [X.] hat im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen für eine [X.] im Sinne der §§ 129 ff. [X.] als erfüllt angesehen; denn nach den Feststellungen ist ein auf eine gewisse [X.]auer angelegter, freiwilliger orga-nisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen gegeben, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st.
Rspr.; vgl. zuletzt etwa [X.], Urteile vom 28.
Oktober 2010 -
3 [X.], NJW 2011, 542, 544 mwN; vom 3.
[X.]ezember 2009 -
3 [X.], [X.]St
54, 216, 221). [X.] Erörterung bedürfen allein die folgenden Gesichtspunkte:
a) [X.]ie erforderliche Unterordnung der Mitglieder unter den Gesamtwillen der [X.] liegt nach den Feststellungen vor:
[X.]) Insoweit ist für eine [X.] wesentlich die subjektive Einbin-dung der Beteiligten in die kriminellen Ziele der Organisation und in deren ent-sprechende Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen; denn nur ein derartiger Gruppenwille schafft die spezifischen Gefahren einer für die [X.] typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendyna-mik zur Begehung von Straftaten. Innerhalb der [X.] müssen deshalb bestimmte, von ihren Mitgliedern anerkannte Entscheidungsstrukturen beste-hen; dieser organisierten Willensbildung müssen sich die Mitglieder als für alle verbindlich unterwerfen. [X.]ie Art und Weise der Willensbildung ist allerdings gleichgültig; die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln können etwa dem [X.]e-6
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-
mokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen [X.], Urteil vom 3. [X.]ezember 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 216, 221 ff. mwN).
[X.]) [X.]iese Voraussetzungen sind in den Urteilsgründen dargetan. [X.]ie Mitglieder der Gruppierung verband nicht allein der Wille, gemeinsam Strafta-ten zu begehen; sie unterwarfen sich auch nicht lediglich je für sich der autoritä-ren Führung der Brüder S.

. Vielmehr bestanden verbindliche [X.], nach denen die Mitglieder der [X.] ausrichteten, und solche, die der Konfliktbewältigung innerhalb der Organisation dienten. [X.]iese Regeln wurden von den Mitgliedern übereinstimmend anerkannt; diese stellten insoweit ihre Einzelmeinungen zurück und ordneten sich dem entsprechenden Gruppenwillen unter.
[X.]) Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, ob im vorliegenden Fall eine tatsächliche Konstellation gegeben ist, bei der nach der neueren Recht-sprechung des Senats ([X.], Urteil vom 3.
[X.]ezember 2009 -
3 [X.], [X.]St
54, 216, 228
ff.) geringere Anforderungen an die tatrichterlichen Fest-stellungen bezüglich des voluntativen Elements der [X.] zu stellen sind.
Mit Blick auf die diesbezüglichen Ausführungen des [X.] merkt der Senat dazu allerdings an:
[X.]ie Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zum [X.] sind dann geringer, wenn die Mitglieder der Organisation eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Begehung von Straftaten hinausrei-chende Zielsetzung verfolgen und die für [X.]en typische Eigendynamik vor allem dadurch in Gang gesetzt wird, dass die Beteiligten sich in der Verfol-gung eines übergeordneten gemeinsamen Ziels verbunden fühlen, wie dies typischerweise bei politisch, ideologisch, religiös oder weltanschaulich motivier-9
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-
ter Kriminalität der Fall ist ([X.] [X.]O). [X.]iese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. [X.]ie Organisation war hier im [X.] allein auf die Begehung von Eigentums-
und Vermögensdelikten sowie die dadurch ermög-lichte Finanzierung einer [X.] gerichtet, die wiederum der Be-reicherung der Führungsebene und der materiellen Unterstützung der [X.] in bestimmten Situationen diente; die [X.] war somit durch wirt-schaftliche, nicht aber durch politisch-ideologische Zielsetzungen der [X.] geprägt. [X.]er Umstand, dass sich die [X.]smitglieder nach außen abgrenzten und die Zusammenarbeit mit st[X.]tlichen Stellen ablehnten, ist für kriminelle Organisationen jeglicher Art nicht ungewöhnlich. Ihm kommt deshalb im hier relevanten Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung zu. [X.]ieser Ge-sichtspunkt reicht insbesondere nicht aus, um darin bereits eine eigene, über den auf Straftaten ausgerichteten Zweckzusammenhang der [X.] hin-ausgehende Ideologie in dem dargelegten Sinne zu sehen.
b) [X.]ie Organisation war darauf ausgerichtet, Straftaten, vor allem Eigen-tums-
und Vermögensdelikte, zu begehen, mit denen -
obwohl die einzelnen festgestellten Taten isoliert betrachtet überwiegend eher dem unteren Bereich der Kriminalität zuzurechnen sind -
eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbunden war ([X.], Urteil vom 22. Februar 1995 -
3 [X.], [X.]St 41, 47, 51; Beschluss vom 4.
August 1995 -
StB 31/95, NJW 1995, 2117, 2118). Für diese Beurteilung ist nicht lediglich auf die einzelne Straftat oder die jeweilige Strafandrohung abzustellen; vielmehr ist eine Gesamtwürdi-gung der begangenen und/oder geplanten Straftaten unter Einbeziehung aller Umstände vorzunehmen, die für das Maß der Gefährdung der öffentlichen Si-cherheit von Bedeutung sein können. Hierzu gehören insbesondere auch die Auswirkungen der Straftaten ([X.], Urteil vom 22.
Februar 1995 -
3 [X.], [X.]St
41, 47, 51). Ins Gewicht fällt deshalb neben der Höhe der Erlö-12
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se, die etwa allein der Angeklagte mit seinen Straftaten im September/Oktober und im [X.]ezember 2009 erzielte, insbesondere die organisierte, planmäßige und überregionale Vorgehensweise der [X.]smitglieder. [X.]iese Umstände belegen ohne Weiteres eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
c) [X.]a nach den Feststellungen die Brüder S.

als "[X.]iebe im Gesetz" in der Organisation an oberster Stufe standen und der Wille der Orga-nisation demzufolge unabhängig von den übrigen "[X.]ieben im Gesetz" gebildet wurde, stellte die ihnen untergeordnete Gruppierung eine eigenständige Verei-nigung dar. Es bedarf daher keiner näheren Betrachtung, wie die Versammlung der verschiedenen "[X.]iebe im Gesetz" zu bewerten ist und ob diese etwa als eine übergeordnete [X.]ach-[X.] anzusehen sein könnte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 30.
März 2001 -
StB 4/01 u.a., [X.]St
46, 349, 354; LK/[X.], [X.], 12.
Aufl., §
129 Rn.
23).
2. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich jedoch nicht, dass es sich bei der von den Brüdern S.

geführten Organisation um eine Vereini-gung im Inland nach § 129 Abs. 1 [X.] handelte.
a) [X.]ie Kriterien, an denen die Einordnung einer Organisation als in-
oder ausländische [X.] -
im letzten Fall zudem als [X.] innerhalb oder außerhalb der Mitgliedst[X.]ten der [X.] -
auszurichten ist, sind gesetzlich nicht bestimmt
und in der Gesetzesbegründung bei Einführung des § 129b [X.] nicht näher erörtert worden (vgl. etwa BT-[X.]rucks.
14/7025 S.
1, 6). In der Rechtsprechung ([X.], Beschluss vom 14.
April 2010
-
StB 5/10, [X.]R [X.] §
129 Gruppenwille
6) und dem Schrifttum (vgl.
etwa [X.], GA
2005, 433, 443; [X.], Terrorismusstrafrecht, 2009, S.
523; [X.], Kriminelle und terroristische [X.]en im Ausland, 2007, S.
177 ff.; 13
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-
LK/[X.], [X.]O § 129 Rn.
36 ff.) sind sie verschiedentlich angedeutet bzw. [X.] worden, indessen noch nicht abschließend geklärt. Hierzu gilt:
[X.]en, die den §§ 129 ff. [X.] unterfallen, können in einer kaum überschaubaren Vielzahl von tatsächlichen Organisationsformen auftre-ten. So werden etwa Gruppierungen mit wirtschaftlichen Zielsetzungen ebenso erfasst wie solche, die politische, ideologische oder religiöse Zwecke verfolgen. Bezüglich der Größe der [X.] ist lediglich die Mindestzahl von drei [X.] bestimmt, es kommen deshalb sowohl [X.]en mit relativ weni-gen als auch solche mit außerordentlich zahlreichen Mitgliedern in Betracht. Weder die Organisationsform noch die Art der Willensbildung ist im Einzelnen festgelegt. Nicht zuletzt sind die Gruppierungen etwa im Bereich der [X.] Kriminalität, aber auch des
Terrorismus zunehmend länderübergreifend organisiert; ihre Aktionsfelder betreffen häufig die Gebiete mehrerer St[X.]ten. Vor diesem Hintergrund erscheint eine abstrakte Umschreibung der maßgebli-chen Gesichtspunkte, die für die Einordnung derartiger [X.]en als in-
oder ausländisch -
und im letztgenannten Fall als solche innerhalb oder außer-halb der Mitgliedst[X.]ten der [X.] -
den Anspruch der Verbind-lichkeit für alle denkbaren Einzelfälle erheben könnte, weder möglich noch sachgerecht. Mit Blick auf die Unterschiedlichkeit und Komplexität der in [X.] zu ziehenden Fallgestaltungen liegt es näher, die geographische [X.] einer [X.] von einer an den konkreten Einzelfallumständen [X.] Gesamtbetrachtung abhängig zu machen. [X.]abei sind regelmäßig na-mentlich die folgenden Kriterien von Bedeutung:
[X.]) Als wesentliches Zuordnungskriterium ist der Schwerpunkt der Or-ganisationsstruktur anzusehen (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
April 2010
-
StB 5/10, [X.]R [X.] §
129 Gruppenwille
6; s. auch Art. 4 Unterabsatz 1 der 16
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10
-
Gemeinsamen Maßnahme vom 21. [X.]ezember
1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen [X.] in den Mitgliedst[X.]ten der Eu-

die [X.] ihre Operationsbasis hat"; vgl. hierzu [X.], GA
2005, 433, 443). [X.]ieser Schwerpunkt der organisatorischen Strukturen ist seinerseits [X.] verschiedener Merkmale zu ermitteln (vgl. [X.], Terrorismusstrafrecht, 2009, S.
523). Er kann sich insbesondere aus dem Ort ergeben, an dem gleichsam "die Verwaltung geführt wird" (s. [X.], Kriminelle und terroristi-sche [X.]en im Ausland, 2007, S.
178). Anhaltspunkt dafür kann die Konzentration personeller und/oder sachlicher Ressourcen sein, beispielsweise für [X.] genutzte Gebäude, Ausbildungsstätten oder Material, wie [X.], Unterlagen oder auch [X.]atenverarbeitungsanlagen.
[X.]) Ferner ist in den Blick zu nehmen, wo nach den Strukturen der [X.] deren Gruppenwille gebildet wird, d.h. wo der durch die entschei-dungsbefugten Organe der [X.] gebildete Verbandswille zustande kommt und erstmals durch konkrete Umsetzungsakte nach außen in Erschei-nung tritt ([X.] [X.]O S. 523; [X.] [X.]O S. 178). Auch kann zu [X.] sein, an welchem Ort sich die [X.] gegründet hat. [X.]emgegenüber sind die St[X.]tsangehörigkeit der Mitglieder und deren bloßer Wohnsitz regel-mäßig nicht von entscheidendem Belang ([X.], Beschluss vom 5.
Januar 1982 -
StB 53/81, [X.]St
30, 328, 331
f.).
[X.]) [X.]aneben kann das eigentliche Aktionsfeld Bedeutung erlangen, mit-hin der Ort, an dem die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätig-keit der [X.] gerichtet sind, begangen werden sollen bzw. begangen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
April 2010 -
StB 5/10, [X.]R [X.] §
129 Gruppenwille
6; vgl. auch Art. 4 Unterabsatz 1 der Gemeinsamen Maßnahme 18
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vom 21. [X.]ezember
1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen [X.] in den Mitgliedst[X.]ten der [X.], ABl. L a-ren Tätigkeiten ausübt"; vgl. hierzu [X.], GA
2005, 433, 443). [X.]abei sind [X.] sowohl der Handlungs-
als auch der Erfolgsort in die Bewertung einzustellen. Allerdings genügt es für die Einordnung einer Gruppierung als in-ländische oder EU-[X.] nicht, dass sie auf dem jeweiligen Gebiet ledig-lich Straftaten begeht oder begehen will. Erforderlich ist vielmehr zumindest, dass in [X.] bzw. dem Bereich der Mitgliedst[X.]ten der [X.] auch Organisationsstrukturen bestehen und die [X.]smitglieder nicht nur zur Vorbereitung und Begehung der Straftaten, auf die die Vereini-gung gerichtet ist, in die betreffende Region einreisen und sich dort aufhalten.
b) Nach diesen Maßstäben wies die [X.] S.

auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen keine ausrei-chende räumlich-organisatorische Inlandsverankerung auf. Weder befand sich der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen im Inland, noch war das Aktions-feld der [X.] auf [X.] beschränkt. [X.]er "[X.]ieb im Gesetz" K.

S.

, der im Konfliktfall die maßgebliche Autorität und mithin für die Bildung des Gruppenwillens von entscheidender Bedeutung war, lebte nicht in [X.]. [X.]ie Weiterleitung der für die Organisation gesammelten Gelder und der darüber geführten Listen an ihn nach [X.] ist ein Indiz dafür, dass dort wesentliche Aufgaben betreffend die Organisation bzw. "Verwaltung" der [X.] vorgenommen wurden. [X.]a die [X.] -
etwa durch Statt-
und Kassenhalter -
regional organisiert war, liegt es nahe, dass neben der "Verwal-tung" in [X.] auch in weiteren St[X.]ten außerhalb [X.]s Organisati-onsstrukturen bestanden. [X.]ie [X.]smitglieder wurden europaweit tätig. [X.]er Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten der [X.] teilweise in 20
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12
-
die Bundesrepublik [X.] hineinreichten, genügt nicht, um die Gruppie-rung als inländische
anzusehen. Schließlich wurde die [X.] nicht in [X.], sondern in [X.] gegründet.
c) [X.]ie in [X.] agierende Gruppierung ist auch nicht als eigen-ständige inländische [X.] im Sinne einer Teilorganisation zu werten. Eine solche eigenständige [X.] setzt nach der neueren Rechtspre-chung des Senats, an der festzuhalten ist, voraus, dass die Gruppierung für sich genommen alle für eine [X.] notwendigen personellen, organisato-rischen, zeitlichen und voluntativen Voraussetzungen erfüllt. [X.]azu muss sie ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbstständigkeit aufweisen und ins-besondere einen eigenen, von der ausländischen ([X.] vollziehen ([X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010 -
3 [X.], NJW 2011, 542, 544 f.). [X.]aran fehlt es hier. Im Konfliktfall oder bei groben Verstößen gegen die Regeln der [X.] schalteten sich die Gebrüder S.

in ihrer Eigenschaft als "Anführer" der Vereini-gung ein. Angesichts
der gerade bei Fragen von besonderer Bedeutung von diesen "[X.]ieben im Gesetz" abhängigen Willensbildung vollzog sich der [X.] somit nicht vollständig im Inland. [X.]ie in die Gemein-schaftskasse eingezahlten Gelder wurden nach [X.] weitergeleitet, über ihre Verwendung wurde somit ebenfalls nicht vollständig im Inland entschieden. [X.]ie Gruppierung war deshalb in [X.] nur in begrenztem, für die An-nahme einer eigenständigen [X.] nicht ausreichendem Umfang auto-nom.
3. [X.]ie getroffenen Feststellungen belegen auch nicht die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei nach §
260a Abs.
1 [X.] in den [X.] B. II. 2. a. der Urteilsgründe.
21
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-
13
-
a) [X.]ie erhöhte Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Handelns setzt [X.], dass der Täter sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorüber-gehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (vgl. [X.], [X.], 58.
Aufl., Vor
§
52 Rn.
62). [X.]ie Gewerbsmäßigkeit, die ein [X.] persönliches Merkmal im Sinne des §
28 Abs.
2 [X.] darstellt ([X.], Beschluss vom 11.
Januar 2005 -
1 [X.], [X.], 177), erfordert stets Eigennützigkeit; es genügt nicht, wenn eine fortdauernde Einnahmequelle allein für [X.]ritte geschaffen werden soll ([X.], Beschluss vom 19.
[X.]ezember 2007 -
5 [X.], NStZ
2008, 282
f. zu § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.]). Ein bloß mittelbarer Vorteil des [X.] reicht zur Begründung der Gewerbsmäßig-keit nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann (vgl. [X.], [X.] vom 26.
Mai 2009 -
4 [X.], [X.], 351; vom 5.
Juni 2008
-
1 [X.], NStZ-RR
2008, 282; vom 16.
April 2008 -
5 [X.], [X.], 342, 343) oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über [X.]ritte verspricht ([X.], Beschluss vom 19.
[X.]ezember 2007 -
5 [X.], NStZ
2008, 282
f.; Urteil vom 1.
Juli 1998 -
1 [X.], [X.]R [X.] §
261 Strafzumessung
2).
b) [X.]en Urteilsfeststellungen ist nicht hinreichend zu entnehmen, dass das deliktische Handeln des Angeklagten auf die Erlangung eines derartigen eigenen Vorteils gerichtet war. [X.]anach beging er die Straftaten vielmehr in der Absicht, anderen Mitgliedern der [X.] und der [X.] als solcher eine fortdauernde Einnahmequelle zu schaffen. [X.]ass er selbst direkt auf die Einnahmen der [X.] zugreifen konnte oder tatsächlich aufgrund der [X.] einen bestimmten geldwerten Vorteil aus der [X.] erwartete, ergibt sich nicht. [X.]ie in die [X.] eingezahlten Gelder wurden zu K.

S.

nach [X.] gebracht. Allein die Möglichkeit, in Zukunft möglicherweise unter gewissen, noch unbestimmten 23
24
-
14
-
Umständen selbst vom Inhalt der [X.] zu profitieren, reicht für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht aus.

II.
1. [X.]ie aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat das [X.] für sich betrachtet rechtsfehlerfrei die neun Taten der Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 [X.] festgestellt; diese [X.]elikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an einer kriminellen Vereini-gung, so dass sich die [X.] auf sie zu erstrecken hat (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Juni 2001 -
3 [X.], juris Rn.
18; Urteile vom 20.
Februar 1997
-
4 [X.], NStZ
1997, 276; vom 7.
Juli 2011 -
5 [X.], juris Rn.
30; [X.], 6.
Aufl., §
353 Rn.
12; [X.], [X.], 54.
Aufl., §
353 Rn.
7a; zur Tateinheit mit dem [X.]sdelikt s. etwa [X.], Urteil vom 11.
Juni 1980 -
3 [X.], [X.]St
29, 288, 290).
[X.]ie Änderung des Schuldspruchs durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] dahin, dass der Angeklagte in diesen [X.] wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.] im Ausland bzw. wahlweise wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer [X.] im Inland oder im Ausland, dies jeweils in Tateinheit mit Geldwäsche nach § 129 Abs. 1, §
129b Abs. 1, § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr.
4 Buchst.
a, Abs. 2 Nr. 1 [X.] strafbar ist, scheidet aus; denn es fehlt an der möglicherweise gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 [X.] zur Verfolgung des [X.]sdelikts erforderlichen Ermächtigung des Bundesministeriums der
Justiz.
25
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-
15
-
a) Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung sind insoweit allein die schriftlichen Urteilsgründe. [X.]ie örtliche Einordnung der [X.] als in-ländische, solche in dem Gebiet der Mitgliedst[X.]ten der [X.] oder solche außerhalb dieses Bereichs ist sowohl für den Schuldspruch als auch für die Frage von
Bedeutung, ob eine Verfolgungsermächtigung als [X.] erforderlich ist. [X.]ie Bildung einer richterlichen Überzeu-gung zu dieser doppelrelevanten Tatsache im Wege des [X.] durch den Senat -
etwa auf der Grundlage des sonstigen Akteninhalts -
scheidet [X.] aus (vgl. [X.], [X.], 54.
Aufl., §
337 Rn.
6).
b) In den Fällen, in denen ausreichend sichere Feststellungen zur [X.] Einordnung der [X.] vor dem Hintergrund der aufgezeigten Viel-gestaltigkeit der Erscheinungsformen nicht getroffen werden können, kommt auch eine wahlweise Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereini-gung in Betracht. Vor allem mit Blick darauf, dass nach §
129b Abs. 1 Satz 1 [X.] die §§ 129, 129a [X.] auch bei einer [X.] im Ausland grundsätz-lich uneingeschränkt gelten, mithin insbesondere der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen nicht davon abhängt, ob die Tat sich auf eine in-
oder ausländi-sche [X.] bezieht, sieht der Senat keinen Anlass, die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der §§ 129, 129a [X.] einerseits und des §
129b [X.] andererseits in Zweifel zu ziehen. Eine Verurteilung auf alternati-ver Tatsachengrundlage setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätzen aber voraus, dass innerhalb des durch § 264 [X.] gezogenen Rahmens die angeklagte Tat nach Ausschöpfung aller Beweismög-lichkeiten nicht so eindeutig aufzuklären ist, dass ein bestimmter Tatbestand
festgestellt werden kann, aber sicher festzustellen ist, dass der Angeklagte ei-nen von mehreren
Tatbeständen verwirklicht hat, und andere, straflose Hand-27
28
-
16
-
lungen ausgeschlossen sind (Fischer, [X.], 58. Aufl., § 1 Rn. 19 mwN). [X.] folgt insbesondere, dass das Tatgericht die Voraussetzungen einer krimi-nellen oder terroristischen [X.] sowie eine strafbare Tathandlung des Angeklagten sicher feststellen muss; nicht aufklärbar darf allein die geographi-sche Einordnung der [X.] sein.
[X.]ie bisherigen Urteilsfeststellungen, welche die geographische Einord-nung der [X.] nicht näher in den Blick nehmen, lassen es jedoch [X.] als möglich erscheinen, dass die [X.] ihren Schwerpunkt au-ßerhalb der Mitgliedst[X.]ten der [X.] hatte. So ergibt sich aus den bisherigen Feststellungen etwa nicht, wo sich der mit seinem Bruder an der Spitze der Organisation stehende "[X.]ieb im Gesetz" L.

S.

be-fand und die [X.] betreffende Handlungen vornahm. Ferner wurde die [X.] europaweit tätig, ohne dass das [X.] diese Feststellung näher konkretisiert und etwa auf das Gebiet der Mitgliedst[X.]ten der [X.] beschränkt hat. [X.]amit bleibt offen, in welchen anderen europäi-schen St[X.]ten die [X.] Straftaten organisierte, ob diese möglicherweise teilweise außerhalb der [X.] lagen und welchen Umfang die Organisation außerhalb [X.]s und der [X.] hatte. [X.]a sämtliche vom Angeklagten transferierten Gelder nach [X.] flossen, ist überdies nicht völlig auszuschließen, dass möglicherweise auch dort nicht un-erhebliche Organisationsstrukturen bestanden. Schließlich ist unklar, was [X.] für Geldgeschenke an "[X.]iebe im Gesetz" in [X.] war und ob sich daraus weitere Erkenntnisse über die Organisationsstruktur ergeben könnten.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Verfolgbarkeit des [X.] nach § 129b Abs. 1 Satz 3 [X.] hier von einer entsprechenden Ermächtigung des [X.] abhängt. [X.]iese liegt bisher 29
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nicht vor; damit fehlt es für diesen Fall an einer Verfahrensvoraussetzung, so dass eine Wahlfeststellung ausscheidet.
2. [X.]er Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass die bisherigen Feststellungen zu der [X.] als solcher und ihrer Gründung in [X.] teilweise nicht ohne Weiteres nachvollziehbar erscheinen. [X.]anach agiert die [X.] der Gebrüder S.

einerseits europaweit; an-dererseits erhält ein "[X.]ieb im Gesetz" nach seiner "Krönung" ein eigenes Ge-biet zugewiesen, in dem ihm gestattet ist, durch kriminelle Handlungen [X.] zu verdienen, und in dem sich kein anderer "[X.]ieb im Gesetz" [X.] darf. [X.]anach wäre naheliegend die Gruppierung um die Brüder S.

die einzige [X.] der "[X.]iebe im Gesetz" in [X.]. [X.]em könnten allerdings die sonstigen Urteilsgründe widersprechen, denen zu [X.] ist, dass es mehrere "[X.]iebe im Gesetz" gibt, ohne dass festgestellt ist, dass sich deren Organisationen über [X.] hinaus ausgebreitet haben. Somit bleibt offen, wo sich die diesen zugewiesenen Gebiete befinden sollen.
[X.] Pfister Schäfer

Mayer

Menges
31

Meta

3 StR 231/11

13.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. 3 StR 231/11 (REWIS RS 2011, 3433)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3433

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