Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2011, Az. 3 StR 262/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3398

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Gegenstand

Mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung: Geographische Zuordnung; Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, Diebstahls, versuchten Diebstahls und gewerbsmäßiger Bandenhehlerei, "jeweils in Tateinheit mit Bildung krimineller [X.]en" (zutreffend: mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.]), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s entstand in der ehemaligen [X.] eine kriminelle Subkultur, die nach ihrer eigenen Ideologie, den sogenannten "Diebesregeln", lebt. Dieses System dehnte sich nach Westen aus und etablierte sich teilweise auch in [X.]. Die Verbandsstruktur ist regional organisiert und überregional koordiniert. An oberster Stufe steht jeweils ein "Dieb im Gesetz", der diese Stellung mittels "Krönung" durch alle "[X.]" in [X.] erhält. Diesem wird ein bestimmtes Gebiet zugewiesen, in dem sich kein anderer "Dieb im Gesetz" ansiedeln darf. Organisatorische Aufgaben übernehmen als seine unmittelbaren Vertrauenspersonen "Nahestehende", unter denen "Statthalter" oder "[X.]" stehen, welche die untergeordneten Mitglieder zu leiten und Beiträge zur [X.] einzusammeln und abzuführen haben. Die Willensbildung unterliegt verbindlichen, in der Organisation anerkannten Regeln. Die Verhaltensregeln gebieten den Mitgliedern eine Abschottung nach außen sowie Solidarität nach innen und untersagen jegliche Kooperation mit staatlichen Behörden. Verstöße werden abgestuft sanktioniert. Im Konfliktfall werden höhere Autoritätsstufen angerufen; deren "Schiedssprüche" erkennen die Mitglieder als bindend an und machen sie zur [X.] ihres Handelns. Verbindlich festgelegte Zielsetzung der Organisation ist, bestimmte Straftaten zu begehen und einen Teil der hieraus gewonnenen Erlöse in die [X.] ("[X.]") zu zahlen. Diese dient der Bereicherung der höherrangigen Mitglieder sowie allgemein der Unterstützung der Mitglieder in besonderen Situationen, etwa im Falle einer Inhaftierung.

3

Spätestens im Juni 2005 begründeten die "[X.]" K.     und [X.]          eine nach den dargelegten Regeln agierende, europaweit tätige Gruppierung aus georgischstämmigen Mitgliedern, die Diebstähle organisierte und die Beute an Hehler weiterverkaufte. Auf [X.] standen die tatausführenden Diebe, die ihren Unterhalt aus organisierten, von mehreren Mitgliedern durchgeführten gemeinsamen [X.] bestritten. [X.] waren hochwertige Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Zigaretten, Drogerieartikel, Designerkleidung und elektronische Geräte. Die Mitglieder hatten in der Regel monatlich 50 € in den "[X.]" zu zahlen. Die [X.], die "Diebesregeln" und der "[X.]" waren oberste [X.]n des Handelns des Einzelnen. In verschiedenen [X.] Städten waren regionale [X.] eingesetzt. Die über die an die [X.] abgeführten Gelder geführten Listen wurden zu [X.]nach [X.] gebracht. Die Teile der [X.] in [X.] waren grundsätzlich autonom, bei Konflikten oder bei groben Regelverstößen griff allerdings die Führungsebene um die [X.] ein.

4

Der Angeklagte übernahm spätestens am 21. Dezember 2009 die [X.] der Organisation in [X.]. Er veranlasste verschiedene Ladendiebe zur pünktlichen Zahlung des monatlichen Beitrags, beging selbst verschiedene Diebstähle und war am Absatz von fremder [X.] beteiligt. Am 30. Januar "2009" (richtig wohl: 2010) übergab er einen Koffer mit Ware, die andere Mitglieder der [X.] gestohlen hatten, an eine Frau zum Transport nach [X.], um dadurch "andere Mitglieder der Organisation um die [X.]           und auch sich zu bereichern". Zwischen dem 21. Dezember 2009 und etwa dem 2. März 2010 entwendete er aus verschiedenen Geschäften in insgesamt fünf Fällen Gegenstände (Parfumflakons, Stiefel, [X.]) oder versuchte dies zumindest, um daraus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, teilweise indem er Gegenstände des persönlichen Bedarfs entwendete und sich so Aufwendungen ersparte. Dabei wirkte in drei Fällen ein weiteres Mitglied der [X.]mit.

I.

5

Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit das [X.] den Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.] (§ 129 Abs. 1 [X.]) und wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 1 [X.]) verurteilt hat. Die Feststellungen belegen zwar, dass sich der Angeklagte als Mitglied an einer kriminellen [X.] beteiligte, nicht aber - worauf bereits der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat -, dass es sich bei der [X.] um eine solche im Inland nach § 129 Abs. 1 [X.] handelte. Auch fehlen tragfähige Feststellungen für ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten im Sinne des § 260a Abs. 1 [X.]. Im Einzelnen:

6

1. Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen für eine [X.] im Sinne der §§ 129 ff. [X.] als erfüllt angesehen; denn nach den Feststellungen ist ein auf eine gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen gegeben, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa [X.], Urteile vom 28. Oktober 2010 - 3 [X.], [X.]St 56, 28, 29 f. mwN; vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 216, 221). [X.] Erörterung bedürfen allein die folgenden Gesichtspunkte:

7

a) Die erforderliche Unterordnung der Mitglieder unter den Gesamtwillen der [X.] liegt nach den Feststellungen vor:

8

aa) Insoweit ist für eine [X.] wesentlich die subjektive Einbindung der Beteiligten in die kriminellen Ziele der Organisation und in deren entsprechende Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen; denn nur ein derartiger Gruppenwille schafft die spezifischen Gefahren einer für die [X.] typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik zur Begehung von Straftaten. Innerhalb der [X.] müssen deshalb bestimmte, von ihren Mitgliedern anerkannte Entscheidungsstrukturen bestehen; dieser organisierten Willensbildung müssen sich die Mitglieder als für alle verbindlich unterwerfen. Die Art und Weise der Willensbildung ist allerdings gleichgültig; die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen [X.], Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 216, 221 ff. mwN).

9

bb) Diese Voraussetzungen sind in den Urteilsgründen dargetan. Die Mitglieder der Gruppierung verband nicht allein der Wille, gemeinsam Straftaten zu begehen; sie unterwarfen sich auch nicht lediglich je für sich der autoritären Führung der [X.]. Vielmehr bestanden verbindliche Regeln, nach denen die Mitglieder der [X.] ausrichteten, und solche, die der Konfliktbewältigung innerhalb der Organisation dienten. Diese Regeln wurden von den Mitgliedern übereinstimmend anerkannt; diese stellten insoweit ihre Einzelmeinungen zurück und ordneten sich dem entsprechenden Gruppenwillen unter.

cc) Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, ob im vorliegenden Fall eine tatsächliche Konstellation gegeben ist, bei der nach der neueren Rechtsprechung des [X.]s ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 216, 228 ff.) geringere Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen bezüglich des voluntativen Elements der [X.] zu stellen sind. Der [X.] sieht allerdings Anlass, hierzu Folgendes anzumerken:

Die Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zum Willenselement sind dann geringer, wenn die Mitglieder der Organisation eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Begehung von Straftaten hinausreichende Zielsetzung verfolgen und die für [X.]en typische Eigendynamik vor allem dadurch in Gang gesetzt wird, dass die Beteiligten sich in der Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Ziels verbunden fühlen, wie dies typischerweise bei politisch, ideologisch, religiös oder weltanschaulich motivierter Kriminalität der Fall ist ([X.] aaO). Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. [X.] war hier im [X.] allein auf die Begehung von Eigentums- und Vermögensdelikten sowie die dadurch ermöglichte Finanzierung einer [X.] gerichtet, die wiederum der Bereicherung der Führungsebene und der materiellen Unterstützung der Mitglieder in bestimmten Situationen diente; die [X.] war somit durch wirtschaftliche, nicht aber durch politisch-ideologische Zielsetzungen der Beteiligten geprägt. Der Umstand, dass sich die [X.]smitglieder nach außen abgrenzten und die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen ablehnten, ist für kriminelle Organisationen jeglicher Art nicht ungewöhnlich. Ihm kommt deshalb im hier relevanten Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung zu. Dieser Gesichtspunkt reicht insbesondere nicht aus, um darin bereits eine eigene, über den auf Straftaten ausgerichteten Zweckzusammenhang der [X.] hinausgehende Ideologie in dem dargelegten Sinne zu sehen.

b) [X.] war darauf ausgerichtet, Straftaten, vor allem Eigentums- und Vermögensdelikte, zu begehen, mit denen - obwohl die einzelnen festgestellten Taten isoliert betrachtet überwiegend eher dem unteren Bereich der Kriminalität zuzurechnen sind - eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbunden war ([X.], Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94, [X.]St 41, 47, 51; Beschluss vom 4. August 1995 - StB 31/95, NJW 1995, 3395, 3396). Für diese Beurteilung ist nicht lediglich auf die einzelne Straftat oder die jeweilige Strafandrohung abzustellen; vielmehr ist eine Gesamtwürdigung der begangenen und/oder geplanten Straftaten unter Einbeziehung aller Umstände vorzunehmen, die für das Maß der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit von Bedeutung sein können. Hierzu gehören insbesondere auch die Auswirkungen der Straftaten ([X.], Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94, [X.]St 41, 47, 51). Ins Gewicht fällt deshalb neben der Höhe der Erlöse insbesondere die organisierte, planmäßige und überregionale Vorgehensweise der [X.]smitglieder. Diese Umstände belegen ohne Weiteres eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

c) Da nach den Feststellungen die [X.]  als "[X.]" in der Organisation an oberster Stufe standen und der Wille der Organisation demzufolge unabhängig von den übrigen "Dieben im Gesetz" gebildet wurde, stellte die ihnen untergeordnete Gruppierung eine eigenständige [X.] dar. Es bedarf daher keiner näheren Betrachtung, wie die Versammlung der verschiedenen "[X.]" zu bewerten ist und ob diese etwa als eine übergeordnete Dach-[X.] anzusehen sein könnte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4/01 u.a., [X.]St 46, 349, 354; LK/Krauß, [X.], 12. Aufl., § 129 Rn. 23).

2. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich jedoch nicht, dass es sich bei der von den [X.]          geführten Organisation um eine [X.] im Inland nach § 129 Abs. 1 [X.] handelte.

a) Die Kriterien, an denen die Einordnung einer Organisation als in- oder ausländische [X.] - im letzten Fall zudem als [X.] innerhalb oder außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] - auszurichten ist, sind gesetzlich nicht bestimmt und in der Gesetzesbegründung bei Einführung des § 129b [X.] nicht näher erörtert worden (vgl. etwa BT-Drucks. 14/7025 [X.], 6). In der Rechtsprechung ([X.], Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, [X.]R [X.] § 129 Gruppenwille 6) und dem Schrifttum (vgl. etwa [X.], [X.] 2005, 433, 443; [X.], Terrorismusstrafrecht, 2009, [X.]; [X.], Kriminelle und terroristische [X.]en im Ausland, 2007, [X.] ff.; LK/Krauß, aaO § 129b Rn. 26 ff.) sind sie verschiedentlich angedeutet bzw. erörtert worden, indessen noch nicht abschließend geklärt. Hierzu gilt:

[X.]en, die den §§ 129 ff. [X.] unterfallen, können in einer kaum überschaubaren Vielzahl von tatsächlichen Organisationsformen auftreten. So werden etwa Gruppierungen mit wirtschaftlichen Zielsetzungen ebenso erfasst wie solche, die politische, ideologische oder religiöse Zwecke verfolgen. Bezüglich der Größe der [X.] ist lediglich die Mindestzahl von drei Mitgliedern bestimmt, es kommen deshalb sowohl [X.]en mit relativ wenigen als auch solche mit außerordentlich zahlreichen Mitgliedern in Betracht. Weder die Organisationsform noch die Art der Willensbildung ist im Einzelnen festgelegt. Nicht zuletzt sind die Gruppierungen etwa im Bereich der Organisierten Kriminalität, aber auch des Terrorismus zunehmend länderübergreifend organisiert; ihre Aktionsfelder betreffen häufig die Gebiete mehrerer [X.]. Vor diesem Hintergrund erscheint eine abstrakte Umschreibung der maßgeblichen Gesichtspunkte, die für die Einordnung derartiger [X.]en als in- oder ausländisch - und im letztgenannten Fall als solche innerhalb oder außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] - den Anspruch der Verbindlichkeit für alle denkbaren Einzelfälle erheben könnte, weder möglich noch sachgerecht. Mit Blick auf die Unterschiedlichkeit und Komplexität der in Betracht zu ziehenden Fallgestaltungen liegt es näher, die geographische Zuordnung einer [X.] von einer an den konkreten Einzelfallumständen orientierten Gesamtbetrachtung abhängig zu machen. Dabei sind regelmäßig namentlich die folgenden Kriterien von Bedeutung:

aa) Als wesentliches Zuordnungskriterium ist der Schwerpunkt der Organisationsstruktur anzusehen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, [X.]R [X.] § 129 Gruppenwille 6; s. auch Art. 4 Unterabsatz 1 der Gemeinsamen Maßnahme vom 21. Dezember 1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen [X.] in den Mitgliedstaaten der [X.], ABl. L 351 vom 29. Dezember 1998, [X.]: "Ort…, an dem die [X.] ihre Operationsbasis hat"; vgl. hierzu [X.], [X.] 2005, 433, 443). Dieser Schwerpunkt der organisatorischen Strukturen ist seinerseits anhand verschiedener Merkmale zu ermitteln (vgl. [X.], Terrorismusstrafrecht, 2009, [X.]). Er kann sich insbesondere aus dem Ort ergeben, an dem gleichsam "die Verwaltung geführt wird" (s. [X.], Kriminelle und terroristische [X.]en im Ausland, 2007, [X.]78). Anhaltspunkt dafür kann die Konzentration personeller und/oder sachlicher Ressourcen sein, beispielsweise für [X.] genutzte Gebäude, Ausbildungsstätten oder Material, wie [X.], Unterlagen oder auch Datenverarbeitungsanlagen.

bb) Ferner ist in den Blick zu nehmen, wo nach den Strukturen der [X.] deren Gruppenwille gebildet wird, d.h. wo der durch die entscheidungsbefugten Organe der [X.] gebildete Verbandswille zustande kommt und erstmals durch konkrete Umsetzungsakte nach außen in Erscheinung tritt ([X.] aaO [X.]; [X.] aaO [X.]78). Auch kann zu berücksichtigen sein, an welchem Ort sich die [X.] gegründet hat. Demgegenüber sind die Staatsangehörigkeit der Mitglieder und deren bloßer Wohnsitz regelmäßig nicht von entscheidendem Belang ([X.], Beschluss vom 5. Januar 1982 - StB 53/81, [X.]St 30, 328, 331 f.).

cc) Daneben kann das eigentliche Aktionsfeld Bedeutung erlangen, mithin der Ort, an dem die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätigkeit der [X.] gerichtet sind, begangen werden sollen bzw. begangen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, [X.]R [X.] § 129 Gruppenwille 6; vgl. auch Art. 4 Unterabsatz 1 der Gemeinsamen Maßnahme vom 21. Dezember 1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen [X.] in den Mitgliedstaaten der [X.], ABl. L 351 vom 29. Dezember 1998, [X.]: "Ort…, an dem die [X.] ihre strafbaren Tätigkeiten ausübt"; vgl. hierzu [X.], [X.] 2005, 433, 443). Dabei sind gegebenenfalls sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort in die Bewertung einzustellen. Allerdings genügt es für die Einordnung einer Gruppierung als inländische oder EU-[X.] nicht, dass sie auf dem jeweiligen Gebiet lediglich Straftaten begeht oder begehen will. Erforderlich ist vielmehr zumindest, dass in [X.] bzw. dem Bereich der Mitgliedstaaten der [X.] auch Organisationsstrukturen bestehen und die [X.]smitglieder nicht nur zur Vorbereitung und Begehung der Straftaten, auf die die [X.] gerichtet ist, in die betreffende Region einreisen und sich dort aufhalten.

b) Nach diesen Maßstäben wies die Organisation der [X.]         auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen keine ausreichende räumlich-organisatorische Inlandsverankerung auf. Weder befand sich der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen im Inland, noch war das Aktionsfeld der [X.] auf [X.] beschränkt. Die "[X.]", die [X.]         , die im Konfliktfall die maßgebliche Autorität und mithin für die Bildung des Gruppenwillens von entscheidender Bedeutung waren, hielten sich nicht in [X.] auf. Die Weiterleitung der Listen, die über die für die Organisation gesammelten Gelder geführt wurden, an [X.]  nach [X.] ist ein Indiz dafür, dass dort wesentliche Aufgaben betreffend die Organisation bzw. "Verwaltung" der [X.] vorgenommen wurden. Da die [X.] - etwa durch [X.] und [X.] - regional organisiert war, liegt es nahe, dass neben der "Verwaltung" in [X.] auch in weiteren [X.] außerhalb [X.]s Organisationsstrukturen bestanden. Die [X.]smitglieder wurden in mehreren [X.] [X.] tätig. Schließlich wurde die Gruppierung nicht in [X.], sondern in [X.] gegründet. Nach alldem genügt der Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten der [X.] teilweise in die Bundesrepublik [X.] hineinreichten, nicht, um die [X.] als inländische anzusehen.

c) Die in [X.] agierende Gruppierung ist auch nicht als eigenständige inländische [X.] im Sinne einer Teilorganisation zu werten. Eine solche eigenständige [X.] setzt nach der neueren Rechtsprechung des [X.]s, an der festzuhalten ist, voraus, dass die Gruppierung für sich genommen alle für eine [X.] notwendigen personellen, organisatorischen, zeitlichen und voluntativen Voraussetzungen erfüllt. Dazu muss sie ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbstständigkeit aufweisen und insbesondere einen eigenen, von der ausländischen ([X.] unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 [X.], [X.]St 56, 28, 32 ff.). Daran fehlt es hier. Die Listen über die in die [X.] eingezahlten Gelder wurden nach [X.] zu [X.] weitergeleitet. Im Konfliktfall oder bei groben Verstößen gegen die Regeln der [X.] schalteten sich die [X.]       in ihrer Eigenschaft als "Anführer" der [X.] ein. Angesichts der gerade bei Fragen von besonderer Bedeutung von diesen "Dieben im Gesetz" abhängigen Willensbildung vollzog sich der Willensbildungsprozess somit nicht vollständig im Inland. Die Gruppierung war deshalb in [X.] nur in begrenztem, für die Annahme einer eigenständigen [X.] nicht ausreichendem Umfang autonom.

3. Die getroffenen Feststellungen belegen auch nicht die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei nach § 260a Abs. 1 [X.] im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe.

a) Die erhöhte Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Handelns setzt voraus, dass der Täter sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (vgl. Fischer, [X.], 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 62). Die [X.], die ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 [X.] darstellt ([X.], Beschluss vom 11. Januar 2005 - 1 [X.], [X.], 177), erfordert stets Eigennützigkeit; es genügt nicht, wenn eine fortdauernde Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, [X.], 282 f. zu § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.]). Ein bloß mittelbarer Vorteil des [X.] reicht zur Begründung der [X.] nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09, [X.], 351; vom 5. Juni 2008 - 1 [X.], [X.], 282; vom 16. April 2008 - 5 [X.], [X.], 342, 343) oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, [X.], 282 f.; Urteil vom 1. Juli 1998 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 261 Strafzumessung 2).

b) Den Urteilsfeststellungen ist nicht hinreichend zu entnehmen, dass die Mitwirkung des Angeklagten bei dem Transport des Koffers mit Diebesgut nach [X.] auf die Erlangung eines derartigen eigenen Vorteils gerichtet war. Dass er selbst direkt auf die Einnahmen der [X.] zugreifen konnte oder tatsächlich aufgrund seines deliktischen Handelns einen bestimmten geldwerten Vorteil aus der [X.] erwartete, ergibt sich nicht. Allein die Möglichkeit, in Zukunft möglicherweise unter gewissen, noch unbestimmten Umständen selbst vom Inhalt der [X.] zu profitieren, reicht für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht aus. Soweit die pauschale Feststellung des [X.]s, der Angeklagte habe durch die Weitergabe des Koffers auch sich selbst bereichern wollen, dahin zu verstehen sein sollte, dessen Intention sei darauf gerichtet gewesen, den Gewinn aus der Straftat als solchen zumindest teilweise unmittelbar für sich selbst zu erzielen, wird dies weder näher belegt noch durch die Beweiswürdigung getragen. Es ist nicht ersichtlich, woraus die [X.] entnommen hat, der - die Taten bestreitende - Angeklagte habe eine Absicht verfolgt, die über die Einzahlung des Taterlöses in die [X.] und die unbestimmte Möglichkeit, von dieser zukünftig zu profitieren, hinausging.

II.

Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Urteils.

1. Zwar hat das [X.] für sich betrachtet rechtsfehlerfrei drei Fälle des schweren Bandendiebstahls nach § 244a Abs. 1 [X.], einen Diebstahl nach § 242 Abs. 1 [X.] und einen versuchten Diebstahl nach § 242 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 [X.] festgestellt; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an einer kriminellen [X.], so dass sich die [X.] auf sie zu erstrecken hat (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 [X.], juris Rn. 18; Urteile vom 20. Februar 1997 - 4 [X.], [X.], 276; vom 7. Juli 2011 - 5 StR 561/10, juris Rn. 30; [X.], [X.], 6. Aufl., § 353 Rn. 12; [X.], [X.], 54. Aufl., § 353 Rn. 7a; zur Tateinheit mit dem [X.]sdelikt s. etwa [X.], Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, [X.]St 29, 288, 290).

2. Die Änderung des Schuldspruchs durch den [X.] in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] dahin, dass der Angeklagte in diesen Fällen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.] im Ausland bzw. wahlweise wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.] im Inland oder im Ausland, dies jeweils in Tateinheit mit den genannten Delikten nach § 129 Abs. 1, § 129b Abs. 1, § 244a Abs. 1, §§ 242, 22, 23 [X.] strafbar ist, scheidet aus; denn es fehlt an der möglicherweise gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 [X.] zur Verfolgung des [X.]sdelikts erforderlichen Ermächtigung des [X.].

a) Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung sind insoweit allein die schriftlichen Urteilsgründe. Die örtliche Einordnung der [X.] als inländische, solche in dem Gebiet der Mitgliedstaaten der [X.] oder solche außerhalb dieses Bereichs ist sowohl für den Schuldspruch als auch für die Frage von Bedeutung, ob eine Verfolgungsermächtigung als Verfahrensvoraussetzung erforderlich ist. Die Bildung einer richterlichen Überzeugung zu dieser doppelrelevanten Tatsache im Wege des [X.] durch den [X.] - etwa auf der Grundlage des sonstigen Akteninhalts - scheidet deshalb aus (vgl. [X.], [X.], 54. Aufl., § 337 Rn. 6).

b) In den Fällen, in denen ausreichend sichere Feststellungen zur örtlichen Einordnung der [X.] vor dem Hintergrund der aufgezeigten Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen nicht getroffen werden können, kommt auch eine wahlweise Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen kriminellen oder terroristischen [X.] in Betracht. Vor allem mit Blick darauf, dass nach § 129b Abs. 1 Satz 1 [X.] die §§ 129, 129a [X.] auch bei einer [X.] im Ausland grundsätzlich uneingeschränkt gelten, mithin insbesondere der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen nicht davon abhängt, ob die Tat sich auf eine in- oder ausländische [X.] bezieht, sieht der [X.] keinen Anlass, die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der §§ 129, 129a [X.] einerseits und des § 129b [X.] andererseits in Zweifel zu ziehen. Eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätzen aber voraus, dass innerhalb des durch § 264 [X.] gezogenen Rahmens die angeklagte Tat nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht so eindeutig aufzuklären ist, dass ein bestimmter Tatbestand festgestellt werden kann, aber sicher festzustellen ist, dass der Angeklagte einen von mehreren Tatbeständen verwirklicht hat, und andere, straflose Handlungen ausgeschlossen sind (Fischer, [X.], 59. Aufl., § 1 Rn. 19 mwN). Hieraus folgt insbesondere, dass das Tatgericht die Voraussetzungen einer kriminellen oder terroristischen [X.] sowie eine strafbare Tathandlung des Angeklagten sicher feststellen muss; nicht aufklärbar darf allein die geographische Einordnung der [X.] sein.

c) Die bisherigen Urteilsfeststellungen, welche die räumliche Zuordnung der [X.] nicht näher in den Blick nehmen, lassen es jedoch zumindest als möglich erscheinen, dass die [X.] ihren Schwerpunkt außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] hatte. Die [X.] wurde in mehreren [X.] [X.] tätig, ohne dass das [X.] diese Feststellung näher konkretisiert und etwa auf das Gebiet der Mitgliedstaaten der [X.] beschränkt hat. Damit bleibt offen, in welchen anderen [X.] [X.] die [X.] Straftaten organisierte, ob diese möglicherweise teilweise außerhalb der [X.] lagen und welchen Umfang die Organisation außerhalb [X.]s und der [X.] hatte. Da etwa das Diebesgut im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe nach [X.] verbracht wurde, ist überdies nicht auszuschließen, dass möglicherweise auch dort nicht unerhebliche Organisationsstrukturen bestanden. Hierfür spricht auch die vom [X.] als glaubhaft bewertete Aussage des Zeugen G.    , wonach Waren und in [X.] eingesammelte "[X.]-Gelder" nach [X.] zu einem "Le.    " verbracht worden seien.

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Verfolgbarkeit des [X.]sdelikts nach § 129b Abs. 1 Satz 3 [X.] hier von einer entsprechenden Ermächtigung des [X.] abhängt. Diese liegt bisher nicht vor; damit fehlt es für diesen Fall an einer Verfahrensvoraussetzung, so dass eine Wahlfeststellung ausscheidet.

III.

Der [X.] weist für die neue Hauptverhandlung über die Ausführungen des [X.]s hinaus auf Folgendes hin:

1. Die bisherigen Feststellungen zu der [X.] als solcher und ihrer Gründung in [X.] erscheinen teilweise nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Danach agiert die [X.] der [X.]        einerseits europaweit; andererseits erhält ein "Dieb im Gesetz" nach seiner "Krönung" ein eigenes Gebiet zugewiesen, in dem ihm gestattet ist, durch kriminelle Handlungen jedweder Art Geld zu verdienen, und in dem sich kein anderer "Dieb im Gesetz" ansiedeln darf. Danach wäre naheliegend die Gruppierung um die [X.]die einzige [X.] der "[X.]" in [X.]. Dem könnten allerdings die sonstigen Urteilsgründe widersprechen, denen zu entnehmen ist, dass es mehrere "[X.]" gibt, ohne dass festgestellt ist, dass sich deren Organisationen über [X.] hinaus ausgebreitet haben. Somit bleibt offen, wo sich die diesen zugewiesenen Gebiete befinden sollen.

2. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme von Tateinheit zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen [X.] und einer anderen Straftat voraus, dass die Begehung dieser Tat zugleich zur Verfolgung der Zwecke der [X.] oder zu ihrer organisatorischen Aufrechterhaltung oder Stärkung dient (s. etwa [X.], Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, [X.]St 29, 288, 290). Die bisherigen Feststellungen belegen diesen sachlichen Zusammenhang in den Fällen [X.] 3. d. und e. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte die Diebstahlsobjekte für sich behalten wollte, nicht.

3. Die bisherigen Ausführungen des [X.]s zur Strafzumessung lassen nicht erkennen, von welchem konkreten Strafrahmen die Kammer im Fall des versuchten Diebstahls ausgegangen ist. Im Übrigen erschließen sich die Höhen der unterschiedlichen Einzelstrafen in den drei Taten des schweren Bandendiebstahls nicht ohne Weiteres. So ist unklar, wieso die Strafe in einem Fall, in dem der Angeklagte die entwendeten Parfümflaschen schließlich zurücklegte und dem Geschäft insoweit kein Schaden verblieb, trotz ähnlichen [X.] drei Monate höher bemessen wurde als in einem Fall, in dem der Geschädigte die entwendeten Stiefel nicht zurück erhielt.

Becker                                    Pfister                                  Schäfer

                     Mayer                                     [X.]

Meta

3 StR 262/11

13.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 4. April 2011, Az: 2 KLs 100 Js 3640/10

§ 129 Abs 1 StGB, § 129a StGB, § 129b Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2011, Az. 3 StR 262/11 (REWIS RS 2011, 3398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3398

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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