Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.03.2024, Az. 1 WB 55/22

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2024, 2078

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Leitsatz

Die Aufhebung einer rechtswidrigen Referenzgruppe unterliegt im Wehrdienstrecht den Rücknahmevorschriften für begünstigende Verwaltungsakte.

Tenor

Die [X.] vom 17. August 2021 und der Beschwerdebescheid des [X.] vom 14. Juni 2022 werden aufgehoben. Das [X.] wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Rücknahme und die Bildung einer neuen [X.] erneut zu entscheiden.

Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem [X.] einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem [X.] auferlegt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die am 17. August 2021 für ihn neugebildete [X.].

2

Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes; nach seiner Ernennung zum Leutnant im Oktober 2010 wurde er als Personaloffizier im Bereich ... verwendet und am 1. April 2013 zum Oberleutnant befördert. [X.] wurde er erstmals zum Vorsitzenden des [X.] für den Bereich ... gewählt und ist seit dem 22. April 2015 vollständig vom Dienst freigestellt. Die aktuelle Wahlperiode endet am 31. Mai 2024.

3

Infolge der Freistellung ist für den Antragsteller am 23. Februar 2016 eine [X.] gebildet worden. Dabei sind alle Offiziere mit ähnlichem [X.] betrachtet worden, die wie der Antragsteller am 1. Oktober 2010 zum Leutnant befördert worden sind und die alle Voraussetzungen für eine Förderung zum Hauptmann ([X.]) am 1. April 2016 erfüllt haben. Die [X.] besteht aus 14 Soldaten im Dienstgrad Oberleutnant in der Verwendung "[X.]". Der Antragsteller nimmt in dieser [X.] den fünften Rang ein.

4

Die letzte planmäßige Beurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. März 2015 wies den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "8,22" und in der Entwicklungsprognose die Bewertung "Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn" aus. Er wurde am 10. Juni 2016 noch auf der Grundlage dieser Beurteilung zum Hauptmann ([X.]) und mit Wirkung vom 1. Oktober 2020 auf der Grundlage der [X.] in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen.

5

Bei einer im Dezember 2020 angeordneten generellen Überprüfung aller [X.]n stellte das [X.] fest, dass eine Neubildung der [X.] des Antragstellers notwendig sei, da die alte [X.] größere Abweichungen beim Durchschnittswert der Beurteilungen als +/- 0,3 aufweise und der Antragsteller nicht mittig platziert worden sei. Daher erstellte das [X.] der Bundeswehr für den Antragsteller mit Wirkung vom 17. August 2021 eine neue [X.], die aus 13 Soldaten besteht und in der er den siebten Platz belegt. Dabei wurde auf den [X.]punkt der Beförderung des Beschwerdeführers zum Hauptmann im Juni 2016 abgestellt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das [X.] mit Bescheid vom 14. Juni 2022 zurück. Die Aufhebung der alten und die Bildung der neuen [X.] seien nicht zu beanstanden.

6

Hiergegen richtet sich der am 27. Juni 2022 beim [X.] eingegangene Antrag auf Entscheidung des [X.]. Der Antragsteller führt aus, dass die Neubildung der [X.] ihn benachteilige. Eine Erweiterung der Gruppe um Referenzpersonen auf Plätze vor ihm sei nicht erforderlich gewesen, da bereits mit einer Erweiterung der [X.] nach seiner Rangnummer die notwendige Mindestgröße hätte erreicht werden können. Der Grund für die Neubildung sei bei den [X.]nmitgliedern aufgetreten, die hinter ihm platziert seien, so dass sich die Frage stelle, warum die Reihung vor ihm geändert werde. Trotz der Überprüfung gehe er von einer Besitzstandswahrung seines Rangplatzes aus. Auch die damals gültige Dienstvorschrift habe gefordert, dass eine Änderung der [X.] während der Freistellung nicht erfolgen solle.

7

Das [X.] hat den Antrag am 5. August 2022 vorgelegt und beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Eine [X.] dürfe dann aufgehoben werden, wenn sie in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft zustande gekommen sei. Diese Voraussetzung liege vor, da die alte [X.] Mitglieder enthalte, die nicht über ein vergleichbares Leistungsbild verfügten. Das [X.] habe zulässigerweise eine neue [X.] erstellen können und sei nicht verpflichtet gewesen, die ursprüngliche [X.] lediglich zu korrigieren.

8

Mit Verfügung vom 2. November 2023 ist das [X.] vom Gericht darauf hingewiesen worden, dass für die Auswahl der Referenzpersonen bei gebündelten Dienstposten die zuletzt erfolgte Beförderung des Antragstellers vor der Freistellung maßgeblich sei. Mit Schreiben vom 21. November 2023 führt das Ministerium aus, bei der Neubildung der [X.] sei zwar auf die Beförderung zum Hauptmann im Jahr 2016 abgestellt worden. Die [X.] sei materiell-rechtlich dennoch nicht zu beanstanden, da deren Mitglieder auch bei Abstellen auf das Bezugsjahr der Beförderung zum Oberleutnant (2013) im [X.]raum 2012/2013 befördert worden seien. [X.] aus der [X.] der Freistellung hätten auf die [X.]nbildung keine Auswirkung gehabt.

9

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des [X.]s der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

1. Der Antragsteller hat keinen konkreten Sachantrag gestellt. Sein Vorbringen ist dahingehend auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass er nicht nur die Aufhebung der 2021 gebildeten [X.] und des [X.] vom 14. Juni 2022, sondern auch die Bildung einer neuen [X.] begehrt. Denn er geht wie das [X.] davon aus, dass seine 2016 gebildete [X.] jedenfalls hinsichtlich der letzten Gruppenmitglieder fehlerhaft gebildet ist und zumindest korrigiert werden muss. Darum beantragt er sinngemäß die Verpflichtung zur erneuten Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

2. Der Antrag ist zulässig. Die Bildung einer [X.] für freigestellte Soldaten stellt eine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] dar (vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 2020 - 1 [X.] 20.20 - juris Rn. 10 m. w. N.). Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Die [X.]nbildung dient der Verwirklichung des Rechts des freigestellten Soldaten aus § 62 Abs. 3 Satz 1 [X.] i. V. m. § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG a. F. (nunmehr § 52 Abs. 1 Satz 2 BPersVG) auf ein benachteiligungsfreies berufliches Fortkommen nach Eignung, Befähigung und Leistung. Der Antragsteller kann geltend machen, durch die neugebildete [X.] möglicherweise in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. § 6 [X.] verletzt zu sein, und im Falle der Rechtswidrigkeit einen Anspruch auf erneute Bescheidung zu haben. Schließlich hat er seinen Antrag fristgerecht gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.] innerhalb eines Monats nach Zustellung des zurückweisenden [X.] eingelegt und ein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt.

3. Der Antrag ist begründet. Für den Anspruch auf Neubildung einer [X.] kommt es nicht wie häufig bei [X.] auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an. Denn die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt sich grundsätzlich nach dem materiellen Recht (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2022 - 5 P 1.22 - [X.]E 175, 285 Rn. 15). Dies stellt für die [X.]nbildung vergangenheitsorientiert auf die Sach- und Rechtslage zu Beginn der Freistellung des betroffenen Soldaten ab ([X.], Beschlüsse vom 26. April 2018 - 1 [X.] 41.17 - juris Rn. 27 und vom 26. Januar 2023 - 1 [X.] 3.22 - [X.]E 177, 360 Rn. 33). Auf diese Weise wird die Gleichbehandlung der freigestellten Soldatinnen und Soldaten gesichert. Etwas anderes gilt nur, wenn sich eine rechtmäßig gebildete [X.] durch [X.] erledigt oder mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen wird. In diesem Fall ist bei der Neubildung auf die Rechtslage nach Aufhebung der ersten [X.] abzustellen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Januar 2023 - 1 [X.] 45.22 - juris Rn. 27).

a) Zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten fehlte dem [X.]nmodell zwar eine dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes genügende normative Rechtsgrundlage ([X.], Beschluss vom 23. November 2022 - 1 [X.] 21.21 - [X.]E 177, 121 Rn. 41 f.). Es gab nur das gesetzliche Benachteiligungsverbot für freigestellte Soldatinnen und Soldaten aus § 62 Abs. 3 Satz 1 [X.] i. V. m. § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG a. F. (nunmehr § 52 Abs. 1 Satz 2 BPersVG), aber keine gesetzliche Direktive, auf welche Weise die berufliche Förderung freigestellter Personalratsmitglieder erfolgen sollte. Zum Nachteilsausgleich wurde bei Freistellung des Antragstellers im April 2015 ein [X.]nmodell verwendet, das ausschließlich im [X.] [X.]/2 "Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten" (1. Änderung, Stand Februar 2015) geregelt war. Auch bei Bekanntgabe der neuen [X.] im September 2021 beruhte die [X.]nbildung allein auf der Allgemeinen Regelung (AR) [X.]/1 "Mil. Personalführung für Freigestellte, Entlastete oder Beurlaubte" in der Fassung vom 26. August 2021. Die gesetzliche Verankerung des [X.]nmodells in § 27b [X.] wurde erst durch das "Gesetz zur Beschleunigung der Entfernung von verfassungsfeindlichen Soldatinnen und Soldaten aus der [X.] sowie zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften" am 22. Dezember 2023 geschaffen ([X.] Nr. 392 S. 2).

Dieser Rechtsmangel führt jedoch nicht zur Unbeachtlichkeit der Verwaltungsvorschriften für Altfälle. Denn ein völliger Wegfall jeglicher Förderung der freigestellten Soldaten für vergangene Zeiten würde das Benachteiligungsverbot verletzen und damit einen Zustand herbeiführen, der von der Rechtsordnung weiter entfernt wäre als die übergangsweise Anwendung der Verwaltungsvorschriften in [X.]. Vielmehr verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz die weitere Anwendung des damals in Verwaltungsvorschriften ausgestalteten und heute vom Gesetzgeber in § 27b [X.] übernommenen [X.]nmodells (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Januar 2023 - 1 [X.] 45.22 - juris Rn. 20 und vom 26. Januar 2023 - 1 [X.] 41.21 - juris Rn. 22 ff.).

b) Die Rücknahme der 2016 gebildeten [X.] ist aus anderen Gründen zu beanstanden. Zwar kann eine [X.] wie jeder Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurückgenommen werden, wenn sie rechtswidrig gebildet ist. Da die [X.]nbildung nicht nur, aber auch einen rechtlichen Vorteil begründet, sind die für begünstigende Verwaltungsakte geltenden Maßgaben des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG zu beachten (vgl. [X.], Beschluss vom 31. März 2021 - 1 [X.] 12.21 - juris Rn. 45 f.). Dies setzt neben der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts voraus, dass die zuständige Stelle eine Ermessensentscheidung über die Rücknahme trifft.

aa) Die ursprünglich für den Antragsteller am 23. Februar 2016 gebildete [X.] war zwar rechtswidrig. Die Bildung der [X.] entsprach nicht dem im April 2015 geltenden [X.] [X.]/2 "Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten". Die [X.] hatten vor der Freistellung im Jahr 2015 in ihren planmäßigen Beurteilungen kein wesentlich gleiches Eignungs- und Leistungsbild im Sinne der Nr. 502 Punkt 1 [X.]2. Während der Erstplatzierte im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung 8,50 Punkte aufwies, kam die letztplatzierte [X.] nur auf einen Wert von 7,44 Punkten. Die Differenz von "1,06" Punkten lässt sich nicht mehr mit dem Kriterium der wesentlich gleichen Eignung in Einklang bringen. Von einem im Wesentlichen gleichen Leistungsbild kann nur ausgegangen werden, wenn sich die Durchschnittswerte - wie hier - innerhalb desselben Wertungsbereichs bewegten und die Differenz der Leistungswerte nicht höher als "0,30" Punkte ist ([X.], Beschluss vom 26. April 2018 - 1 [X.] 41.17 - juris Rn. 32). Die Beteiligten gehen daher zu Recht davon aus, dass die fünf letztplazierten [X.] rechtswidrig in die [X.] aufgenommen worden sind. Zwar liegen die betroffenen [X.] hinter dem Antragsteller und verschlechtern dessen Rangplatz nicht: Die [X.] erfüllt ohne sie jedoch nicht das in Nr. 501 [X.]2 aufgestellte [X.] der Mindestgröße von 9 [X.].

Des Weiteren ist die [X.] deswegen gleichheitswidrig gebildet worden, weil ihre Zusammensetzung nicht den in der Verwaltungspraxis üblichen zeitlichen Vorgaben entspricht. Nach Nr. 502 Punkt 2 [X.]2 ist für die [X.] die Versetzung im gleichen Jahr wie die freigestellte Person auf einen nach der [X.] vergleichbaren Dienstposten Voraussetzung. Da die Versetzung des Antragstellers auf einen Dienstposten A 9/[X.] im [X.] erfolgte, entspräche es dem Wortlaut auf das [X.] als Referenzjahr abzustellen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen jedoch keiner eigenständigen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 C 15.14 - [X.]E 152, 211 Rn. 24). Bei Soldaten, die auf gebündelten Dienstposten eingesetzt sind, wird in der Verwaltungspraxis jedoch bei der Wahl des [X.] generell auf das Jahr der (letzten) Beförderung (Ernennung) abgestellt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 1 [X.] 11.16 - juris Rn. 44 ff. und vom 26. April 2018 - 1 [X.] 41.17 - juris Rn. 34).

Da der Antragsteller im April 2013 zum Oberleutnant befördert worden ist, hätte die [X.] somit aus im selben Jahr ernannten Oberleutnanten gebildet werden müssen. Laut Anmerkung des [X.] wurde jedoch auf die Beförderung zum Leutnant im [X.] abgestellt. Diese Ungleichbehandlung ist ohne sachlichen Grund erfolgt, sodass die Bildung der [X.] das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Auf diesem Rechtsfehler kann die [X.]nbildung auch beruhen. Es trifft zwar zu, dass alle Mitglieder der 2016 gebildeten [X.] auch im April 2013 zum Oberleutnant befördert wurden. Es ist aber nicht auszuschließen, dass darüber hinaus noch andere Soldaten im [X.] zum Oberleutnant befördert wurden, die ebenfalls in die [X.] hätten aufgenommen werden müssen.

bb) Angesichts dieser Rechtswidrigkeitsgründe war das Bundesamt für Personalmanagement der [X.] berechtigt, aber nicht verpflichtet, die [X.] aufzuheben. Die Rücknahme dieses begünstigenden Verwaltungsakts lag nach § 48 Abs. 1 VwVfG in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Weder aus der Begründung der Neubildung der [X.] noch aus der Begründung des [X.] ist ersichtlich, dass sich die Ausgangs- oder die Beschwerdebehörde dieses Ermessensspielraums bewusst gewesen wäre. Die von § 48 Abs. 1 VwVfG geforderte Abwägung von Rechtmäßigkeits- und Bestandsschutzinteresse hat nicht stattgefunden, obwohl der Soldat in seiner Beschwerde explizit Bestandsschutz für seinen Rangplatz eingefordert hat. Ferner fehlt die für eine Ermessensentscheidung erforderliche Begründung (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG). Eine Ermessensentscheidung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil jede andere Entscheidung als eine Rücknahme ermessensfehlerhaft gewesen wäre (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Denn die Rechtsfehler der alten [X.] sind nicht so gravierend, dass sie funktionslos geworden wäre oder zu einer völlig unangemessenen Benachteiligung oder Bevorzugung geführt hätte. Angesichts dessen führt der vollständige [X.] dazu, dass die Rücknahme der 2016 gebildeten [X.] aufzuheben ist. Dies schließt eine neue [X.] innerhalb der erneut laufenden Jahresfrist des § 49 Abs. 4 VwVfG nicht aus ([X.], Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 - [X.]E 164, 237 Rn. 44).

c) Die am 17. August 2021 neu gebildete [X.] ist gleichfalls aus materiell-rechtlichen Gründen zu beanstanden. Alle Mitglieder der neuen [X.] gehören zwar - wie der Antragsteller - dem Werdegang "[X.]/PR/IN FUE" (Nr. 308 Satz 2 Buchst. e AR [X.]/1) an. Die [X.] setzt sich neben dem Antragsteller aus zwölf weiteren, nicht freigestellten [X.] zusammen und weist somit die erforderliche Mindestgröße von elf Mitgliedern auf (Nr. 303 Satz 1 AR [X.]/1). Sie haben auch ein vergleichbares Leistungsbild, weil die Durchschnittswerte der [X.]nmitglieder in einem Spielraum von "8,50" bis "8,0" liegen und alle über dieselbe Entwicklungsprognose wie der Antragsteller verfügen (Nr. 308 Satz 2 Buchst. a AR [X.]/1).

Die neue [X.] entspricht jedoch nicht der aus [X.] nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beachtenden Vorgabe, die [X.] aus Soldatinnen und Soldaten zu bilden, die zum Zeitpunkt der Freistellung laufbahnrechtlich über einen vergleichbaren Stand verfügen (Nr. 308 Satz 1 AR [X.]/1). Sofern die betreffende Person - wie hier der Antragsteller - bei der Freistellung auf einem gebündelten Dienstposten eingesetzt worden ist, sind nach Nr. 308 Satz 2 Buchst. d AR [X.]/1 in die Vergleichsgruppe nur Soldatinnen und Soldaten aufzunehmen, die im gleichen Jahr wie die freigestellte Person zum aktuellen Dienstgrad befördert oder in die aktuelle Besoldungsgruppe eingewiesen wurden. Da der Antragsteller bei der Freistellung Oberleutnant gewesen ist, durften grundsätzlich nur Personen in die [X.] aufgenommen werden, die wie er im [X.] zum Oberleutnant befördert worden sind.

Bei der Bildung der [X.] wurde jedoch auf die Beförderung zum Hauptmann am 10. Juni 2016 und damit auf einen Zeitpunkt nach Freistellung am 23. Februar 2016 abgestellt. Zur Ergänzung der [X.] wurden sodann die benachbarten Jahrgänge 2015 und 2017 in die Betrachtung einbezogen. Dies wurde auch vom [X.] eingeräumt. Die fehlerhafte Bezugnahme ist ohne sachlichen Grund erfolgt und verletzt den Anspruch des Antragstellers auf Gleichbehandlung. Soweit das [X.] ausführt, dass alle [X.]nmitglieder in den Jahren 2012/2013 zum Oberleutnant befördert worden sind, hilft dies nicht weiter. Denn es kann auch hier nicht ausgeschlossen werden, dass die mit Bezugsjahr 2013 zu bildende Vergleichsgruppe oder eine um die Jahrgänge 2012 und 2014 erweiterte [X.] aus anderen Soldaten besteht und für den Antragsteller günstiger ist.

4. [X.] beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Meta

1 WB 55/22

20.03.2024

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.03.2024, Az. 1 WB 55/22 (REWIS RS 2024, 2078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2078

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