Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2003, Az. I ZR 76/01

I. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1395

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[X.] DES VOLKESTEILURTEILI ZR 76/01Verkündet am:2. Oktober 2003WalzJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren, indem bis zum 4. September 2003 Schriftsätze eingereicht werden konnten,durch [X.] Dr. Ullmann und [X.],Prof. [X.], [X.] und Dr. Schaffertfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des 2. Zivilsenats desHanseatischen Oberlandesgerichts in [X.] vom 8. [X.], soweit es zwischen der Klägerin und dem [X.] zu [X.] ist, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigenim Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung derKlägerin hinsichtlich der vom [X.] abgewiesenen [X.] gegen den [X.] zu 2 zurückgewiesen worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Die Klägerin gehört der 140 bis 150 Unternehmen [X.]/S. -Gruppe an. Sie betreibt in [X.]einen Selbstbedienungsmarktfür Unterhaltungselektronik, Computer und Computerzubehör.Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer bis zum [X.] der [X.] zu 2 war, betreibt den Handel mit Computern und Computerzubehör. [X.] bundesweit 120 Filialen, darunter auch eine in [X.].Die Beklagte zu 1 (im weiteren: Beklagte) bot am 13. März 1998 in einerWerbung in der in [X.]erscheinenden "[X.]" unter der Überschrift"[X.]!" einen Computer mit [X.] von 1.499 DM und einen Computer mit [X.] 233MHz zum Preis von 1.999 DM - wie nachstehend verkleinert wiedergegeben -zum Kauf [X.] 4 -- 5 -Nach der Behauptung der Klägerin waren die Geräte am 13. März 1998in der Verkaufsfiliale der [X.] in [X.]nicht vorrätig. Die Klägerin [X.] Werbung als irreführend beanstandet und die [X.] - ebenso [X.] der [X.] zu 1 - wegen geltend gemachter Vor-ratsmängel nach derselben Werbung am 6. März 1998 in Filialen der [X.]in Rostock, [X.], [X.], [X.], [X.] und am 20. März 1998 in der Filiale der [X.] [X.] - auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht [X.] genommen.Die Klägerin hat beantragt,1. den [X.] unter Androhung von [X.] zu verbie-ten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Compu-tergeräte blickfangmäßig hervorgehoben zu bewerben, soweit [X.] am [X.] nicht zur sofortigen Mit-nahme vorrätig [X.] festzustellen, daß die [X.] verpflichtet sind, der Klägerin al-len durch die unter 1. geschilderte [X.] entstan-denen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.Die [X.] sind der Klage entgegengetreten.Das [X.] hat die Unterlassungsklage als unbegründet und [X.] mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, es fehle andem insoweit erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Berufung der Klägerinhatte keinen Erfolg (OLG [X.] OLG-Rep 2001, 225).Mit der Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragen, [X.] die Klägerin ihre Klageanträge [X.] 6 -Über das Vermögen der [X.] zu 1 ist am 1. Mai 2003 das Insol-venzverfahren eröffnet worden.Entscheidungsgründe:[X.] Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der[X.] zu 1 ist das zwischen dieser und der Klägerin anhängige Verfahrenunterbrochen worden (§ 240 Satz 1 ZPO). Da die beiden [X.] keine not-wendigen Streitgenossen i.S. des § 62 ZPO sind, ist über die Revision der Klä-gerin gegen den [X.] zu 2 durch Teilurteil zu entscheiden (§ 301 ZPO;vgl. [X.], 214, 216; [X.], [X.]. v. 19.12.2002 - [X.], NJW-RR2003, 1002, 1003, jeweils m.w.[X.]).I[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage als gemäß § 13 Abs. 5 [X.] und daher unzulässig erachtet. Zur Begründung hat [X.]:Die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche, die die Klägerin und ihre Schwe-stergesellschaften wegen der in gleicher Form und mit gleichem Inhalt [X.] Woche zuvor bundesweit in verschiedenen Regionalzeitungen und [X.] noch veröffentlichten Werbeanzeige der [X.] jeweils gesondertgerichtlich geltend gemacht hätten, hätten unschwer gemeinsam in einem ein-zigen Rechtsstreit geltend gemacht werden können. Wenn, wie im Streitfall, anverschiedenen Orten zur gleichen Zeit oder im kurzen zeitlichen Abstand [X.] mit demselben konkreten Inhalt veröffentlicht würden, handele es- 7 -sich, sofern diese unlauter oder irreführend i.S. der §§ 1, 3 UWG seien, um [X.] denselben Wettbewerbsverstoß. Bei Einreichung der vorliegenden [X.] alle von den Schwesterunternehmen der Klägerin verfolgten angeblichenWettbewerbsverstöße bereits erfolgt und der Holding, der die Klägerin [X.], auch bekannt gewesen. Die Rechtsmißbräuchlichkeit der erhobenen [X.] sich auch auf den Feststellungsantrag, da die Klägerin keine [X.] Klage wegen ihres möglicherweise durch die beanstandete [X.] erlittenen Schadens habe erheben müssen, sondern diesen in dem ge-richtlichen Verfahren hätte geltend machen können, an dem sie sich als Streit-genossin hätte beteiligen können oder welches ihre Holding für alle von dem-selben angeblichen Wettbewerbsverstoß betroffenen Tochtergesellschaften [X.] der [X.] hätte durchführen können.II[X.] Diese Beurteilung hält, was den Unterlassungsanspruch anbelangt,der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dessen [X.] sich nicht als rechtsmißbräuchlich im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG dar.1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt allerdings zutreffend [X.], ein Indiz für ein rechtsmißbräuchliches Vorgehen könne darin lie-gen, daß mehrere Konzernunternehmen, die ihr prozessuales Vorgehen gegenMitbewerber untereinander abstimmten und über denselben Rechtsanwalt ko-ordinierten, jeweils getrennt voneinander parallele Unterlassungsklagen [X.] und desselben Wettbewerbsverstoßes anhängig machten (vgl. [X.]Z 144,165, 171 - Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung; [X.], [X.]. [X.], [X.], 713, 714 = [X.], 980 - Zeitlich versetzte Mehr-fachverfolgung, m.w.[X.]). Wie der [X.] entschieden hat, [X.] eine Abstimmung des prozessualen Vorgehens von Konzernunterneh-men und durch eine zentrale Koordinierung der Rechtsverfolgung gesteigerte- 8 -Rücksichtnahmepflichten ausgelöst. Bedienen sich Konzernunternehmen - wiedies nach den unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts [X.] geschieht - eines Rechtsanwalts, der die Verfolgung von [X.] auf der Grundlage der bei ihm zusammenfließenden [X.] koordiniert, so obliegt es den Konzernunternehmen grundsätzlich, [X.] erwachsenden Möglichkeiten zu einer den Gegner weniger belastendenVerfahrenskonzentration zu nutzen und ihr Vorgehen für den [X.] scho-nender zu gestalten. Auch Konzernunternehmen, die in verschiedenen Städtenansässig sind, sind danach in der Regel gehalten, unnötige Parallelprozesse zuverhindern, indem sie sich beispielsweise darauf verständigen, nur durch [X.] vorzugehen, die Muttergesellschaft zur Klage als Prozeß-standschafterin zu ermächtigen oder - wenn jedes Konzernuntennehmen eineneigenen Titel erwirken möchte - gemeinsam am Sitz des [X.] zu klagen([X.] [X.], 713, 714 - Zeitlich versetzte [X.] Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß der [X.] aufweist, die ein getrenntes Vorgehen mehrerer [X.] an verschiedenen Orten als gerechtfertigt erscheinen lassen. [X.] dann, wenn die [X.] und ihre Konzernschwestern eine Werbungwegen mangelnder Verfügbarkeit der beworbenen Waren als irreführend bean-standen und einen unzureichenden Warenvorrat in verschiedenen Filialen der[X.] behaupten, geht es - anders als bei den Sachverhalten, die den Ent-scheidungen "Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung" und "Zeitlich versetzteMehrfachverfolgung" sowie den weiteren insoweit zu § 13 Abs. 5 UWG ergan-genen Senatsentscheidungen zugrunde lagen (vgl. [X.], [X.]. v. 6.4.2000- I ZR 67/98, [X.], 82 = [X.], 1263 - Neu in [X.]; [X.]. [X.] - I ZR 114/98, [X.], 84 = [X.], 1266 - Neu in [X.]I;[X.]. v. 24.5.2000 - I ZR 222/97, [X.], 78 = [X.], 1402 - [X.] 9 -Herstellerpreisempfehlung; [X.]. v. 20.12.2001 - I ZR 215/98, [X.], 715 =[X.], 977 - Scanner-Werbung) - nicht um die Verfolgung desselben(identischen) Wettbewerbsverstoßes, sondern lediglich um gleichartige, [X.] Verstöße. Jedenfalls bei Fällen wie dem hier in Rede stehenden, die sichdurch einen zweigliedrigen Sachverhalt (Anzeigenwerbung, tatsächliche Vor-ratsmenge in der jeweiligen Filiale) auszeichnen, kann grundsätzlich nicht voneinem mißbräuchlichen Vorgehen ausgegangen werden, wenn verschiedeneKonzernunternehmen das werbende Unternehmen an verschiedenen Standor-ten in Anspruch nehmen, ohne ihr prozessuales Vorgehen zu bündeln. Dennbei dieser Fallkonstellation hat grundsätzlich jedes Konzernunternehmen einberechtigtes Interesse daran, den Wettbewerber jeweils an dem Ort, an [X.] eine Filiale mit unzureichendem Warenvorrat betreibt, in Anspruch zunehmen. Dies liegt darin begründet, daß sich derartige Wettbewerbsverstöße,auch wenn ihnen eine überregional verbreitete Werbung zugrunde liegt, nichteinheitlich feststellen lassen. Denn die Annahme einer Irreführung über [X.] setzt eine doppelte Prüfung voraus: Zum einen sind die durch [X.] ausgelösten [X.], zum anderen die tatsächlichenVerhältnisse in einer bestimmten Filiale festzustellen. Dieselbe überregionalverbreitete Werbeaussage kann daher hinsichtlich bestimmter Filialen zutreffenund hinsichtlich anderer irreführend sein. Deshalb sind derartige Fälle für eingebündeltes Vorgehen - etwa am Gerichtsstand der beklagten [X.] - in allerRegel nicht geeignet, weil für alle Klagen bedeutsame [X.] hinsichtlich der einheitlich zugrunde zu legenden Werbung, nicht aber hin-sichtlich der Verhältnisse in den einzelnen Filialen getroffen werden können. [X.] dieser Art würde, wenn der Prozeß nicht am Ort der jeweiligen Filialegeführt würde, die Aufklärung des Sachverhalts unter Umständen dadurch er-schwert, daß Zeugen oder Wissensvertreter (§ 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO) anrei-sen müßten. Damit ist hier ein vernünftiger Grund für ein getrenntes [X.] 10 -gegeben, der den Vorwurf des mißbräuchlichen Verhaltens im [X.] ([X.] [X.], 713, 714 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfol-gung). Dies gilt um so mehr deshalb, weil die von den Schwestergesellschaftender Klägerin beanstandeten Werbemaßnahmen der [X.] in einem Falleine Woche nach der klagegegenständlichen Werbung und in den [X.] eine Woche davor durchgeführt worden waren und auch schon [X.] denselben Sachverhalt betrafen.[X.] Die Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig erweist sich alszutreffend, weil das für diese gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststel-lungsinteresse bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl.[X.], [X.]. v. 18.12.1986 - I ZR 67/85, [X.], 524, 525 - [X.]. 5 [X.], Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., [X.]. 52Rdn. 18, je m.w.[X.]) fehlte. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin,daß die Klägerin den Schaden, der ihr durch die infolge der beanstandetenWerbung etwa entstanden sei, nach dem in beiden Tatsacheninstanzen un-bestritten gebliebenen Vortrag der [X.] im Hinblick auf die ihr mit [X.] der Rechtsanwälte [X.]vom 8. April 1998 erteilten Auskünfte be-reits im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 5. Mai 1998 abschließend hätte [X.] und beziffern können (vgl. [X.] 1998, 91,93; [X.].UWG/[X.], Vor § 13 Rdn. [X.]; [X.] in Pastor/[X.], [X.], 4. Aufl., [X.]. 69 Rdn. 5).V. Das Berufungsgericht hat zu der behaupteten Irreführung keinerleiFeststellungen getroffen. Der Rechtsstreit ist deshalb hinsichtlich des gegenden [X.] zu 2 weiterverfolgten [X.] zurückzuverweisen.Dessen Haftung kommt als handelndes Organ der werbenden [X.] zu 1 [X.] 11 -Das Berufungsgericht wird zu beachten haben, daß das begehrte Verbotohne eine Beschränkung auf die beanstandete Werbeanzeige nicht ausgespro-chen werden darf. Mit dem Unterlassungsantrag werden auch [X.] erfaßt, die wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sind (vgl. [X.], [X.].v. 10.12.1998 - [X.], [X.], 509, 511 = [X.], 421 - Vorrats-lücken).Ullmann[X.]Bornkamm Büscher Schaffert

Meta

I ZR 76/01

02.10.2003

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2003, Az. I ZR 76/01 (REWIS RS 2003, 1395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1395

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