Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.06.2022, Az. 7 C 3/21

7. Senat | REWIS RS 2022, 6421

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Gegenstand

Transport von Klärschlamm in einem Saug- und Pumpfahrzeug


Leitsatz

1. Der straßengebundene Transport von Abwasser unterliegt dem Kreislaufwirtschaftsgesetz auch dann, wenn vor und nach dieser Beförderung eine Abwasserbeseitigung stattfindet und insoweit das Wasserhaushaltsgesetz gilt.

2. Abwässer unterfallen nur dann nicht dem Abfallrecht, wenn sie von anderen Unionsrechtsvorschriften als der Abfallrahmenrichtlinie abgedeckt sind, die genaue Bestimmungen über deren Bewirtschaftung - hier den Transport - enthalten und ein zumindest gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - C-629/19, Sappi Austria - Rn. 34).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 20. April 2021 geändert.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. April 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Transport von Klärschlamm in einem Saug- und Pumpfahrzeug von ihrer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage nicht den Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unterfällt.

2

Sie betreibt ein Pharma-Unternehmen und unterhält in [X.] einen Anlagenstandort, der eine Produktionsanlage für die Herstellung von biopharmazeutischen Wirkstoffen sowie eine Zentrale Abwasserbehandlungsanlage ([X.]) umfasst. In der [X.] erfolgt eine mechanische Abtrennung von Feststoffen, sodann eine Eindickung mit gravimetrischen Verfahren durch eine Einleitung in ein Becken zum weiteren Absetzen von Feststoffen, schließlich das Abschöpfen des flüssigen Teils und dessen erneute Verwendung als Produktionswasser. Der übrig bleibende Rest weist einen Anteil Trockensubstanz von maximal 5 bis 6 Prozent auf. In der von der Betriebsstätte der Klägerin ca. fünf Kilometer entfernten kommunalen Kläranlage wird dieser Stoff zusammen mit anderem Schlamm weiterbehandelt, nachdem er von einem Saug- und Pumpfahrzeug aufgenommen und über öffentliche Straßen dorthin transportiert worden ist.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der [X.]hof das Urteil des [X.] geändert und festgestellt, dass für die Beförderung der Stoffe durch ein Saug- und Pumpfahrzeug nicht die aus den Vorschriften der §§ 53 bis 55 [X.] folgenden Rechtspflichten gelten. Mit der Entnahme der Stoffe sei die mit der Behandlung in der [X.] begonnene Abwasserbeseitigung noch nicht abgeschlossen. Unabhängig hiervon handele es sich bei dem Saug- und Pumpfahrzeug um eine Abwasseranlage im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.].

4

Zur Begründung seiner vom [X.]hof zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, der nicht leitungsgebundene Transport von Abwasser, Roh- und Klärschlamm müsse, mangels vergleichbarer Regelungen im Wasserrecht, den strengeren Regelungen des Abfallrechts unterliegen. § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] sei insoweit unionsrechtskonform auszulegen.

5

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.]hofs [X.] vom 20. April 2021 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] Sigmaringen vom 10. April 2019 zurückzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

8

Die Vertreterin des [X.] beim [X.] ist der Auffassung, das Berufungsurteil sei mit unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

1. Der Verwaltungsgerichtshof verneint unter Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] die Geltung der Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für den straßengebundenen Transport von [X.]en aus einer privaten zu einer kommunalen Abwasseranlage. Nach dieser Bestimmung gelten die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht für Stoffe, sobald sie in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Konjunktion "sobald" lediglich den Zeitpunkt des Übergangs vom Abfall- zum Wasserrecht regelt. Dies steht einer Wiedereröffnung des Anwendungsbereichs des Abfallrechts nicht entgegen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 54 Abs. 2 Satz 1 [X.] ergibt sich mit der gebotenen Klarheit, dass das Regelungsregime des Wasserrechts endet und das Abfallrecht wieder anwendbar wird, wenn die Abwasserbeseitigung abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2020 - 7 [X.] 19.18 - BVerwGE 169, 119 Rn. 18). Ein am Merkmal "sobald" haftendes und ausschließlich auf den Beginn der Unanwendbarkeit des Abfallrechts bezogenes Verständnis vom Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] wird dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Sie zielt auf die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Abfallrechts und des Wasserrechts. Der Sinn der Regelung ist, solche Vorgänge dem Regelungsbereich des Abfallrechts zu entziehen, die bereits von den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes erfasst werden. Nach der Gesetzesbegründung bezweckt die Ausschlussregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] die Anwendung von Wasserrecht, wenn Stoffe in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden, weil dieses speziell auf derartige Fallkonstellationen und den Schutz des Umweltmediums Wasser ausgerichtet ist (vgl. [X.]. 17/6052 S. 70). Dies setzt einen funktionalen Zusammenhang der Maßnahme mit dem [X.] voraus. Dieser Prozess umfasst jeden Vorgang, der dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen, namentlich die Schadstofffracht im Abwasser zu reduzieren (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2020 - 7 [X.] 19.18 - BVerwGE 169, 119 Rn. 18; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2019, § 54 Rn. 23, 26; [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 54 [X.] Rn. 40).

a) Diese Maßstäbe verkennt der Verwaltungsgerichtshof, wenn er annimmt, die Abwasserbeseitigung sei mit der Entnahme der Stoffe aus der [X.] der Klägerin noch nicht abgeschlossen.

Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass während der Behandlung des Abwassers, also des durch gewerblichen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderten Wassers (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]), in der [X.] das Wasserhaushaltsgesetz gilt. Die Abwasserbeseitigung endet jedoch mit der Entnahme der Stoffe durch ein Saug- und Pumpfahrzeug aus der [X.] und beginnt erst wieder - nach dieser Zäsur - mit dem Einbringen der Stoffe in die kommunale Kläranlage. Während der Zwischenphase des Transports der Stoffe auf der Straße von der [X.] zur kommunalen Kläranlage ist der [X.] unterbrochen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den entnommenen Stoffen um Abwasser, Roh- oder Klärschlamm handelt. Während des straßengebundenen Transports im Saug- und Pumpfahrzeug zur kommunalen Kläranlage findet keine Abwasserbeseitigung statt.

b) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Saug- und Pumpfahrzeug, mit dem die Stoffe entnommen und transportiert werden, auch nicht um eine Abwasseranlage im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.]. Der Begriff der Abwasseranlage setzt - wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - eine Abwasserbeseitigung voraus (vgl. auch § 60 Abs. 1 [X.]). Das Fahrzeug dient ausschließlich dem Abpumpen und dem Transport des in der [X.] behandelten Wassers. Eine Behandlung der entnommenen Stoffe findet in dem Wagen nicht statt.

Auch ein "Sammeln" von Abwasser im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 [X.] liegt bei der Beförderung der Stoffe zur kommunalen Abwasseranlage durch das Saug- und Pumpfahrzeug nicht vor. Als "Sammeln" im Sinne dieser Vorschrift wird das Zusammenführen von Abwasser aus unterschiedlichen Anfallorten durch Sammelleitungen sowie das Sammeln von Abwasser aus geschlossenen Gruben mit Fäkalienwagen und das Sammeln von Schlamm aus Kleinkläranlagen verstanden (vgl. [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 54 [X.] Rn. 38; [X.], in: [X.]/[X.]/Müggenborg, [X.], 2. Aufl. 2017, § 54 Rn. 32). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Ein Sammelvorgang - bezogen auf unterschiedliche Erzeuger oder verschiedene Anlaufstellen eines Erzeugers - steht nicht in Rede. Stattdessen werden in der [X.] Stoffe - mit Ausschließlichkeit für die Klägerin - nach einer Abwasserbehandlung zur Abholung bereitgestellt und anschließend zur kommunalen Kläranlage verbracht.

Zwar gehört nach der Rechtsprechung des 9. Senats des [X.] das Sammeln des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms durch Transportfahrzeuge zur Abwasserbeseitigung im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] (BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 9 B 30.16 - juris Rn. 11). Diese Vorschrift ist hier aber nicht anwendbar, weil sie allein für Kleinkläranlagen gilt und es sich bei der [X.] nicht um eine solche handelt. Zudem ist bereits nach dem Wortlaut des [X.] aus typischerweise mehreren Kleinkläranlagen bzw. unterschiedlichen Anlaufstellen auszugehen. Die Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] stellt klar, dass die Beseitigung des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms zur Abwasserbeseitigung gehört und dass solche Schlämme der Beseitigungspflicht in kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen unterworfen werden können (BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2017 a. a. [X.], unter Hinweis u. a. auf [X.]. 16/13306 S. 12 f.).

Nach allem liegt ein "Sammeln" der Stoffe aus der betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage der Klägerin und mithin die vom Verwaltungsgerichtshof deshalb vorgenommene Qualifizierung des eingesetzten Fahrzeugs als "Abwasseranlage" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] in der hiesigen Fallkonstellation nicht vor. Daher kann offen bleiben, ob § 54 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.], wonach die Abwasserbeseitigung auch das Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung umfasst, einer Bewertung des streitgegenständlichen Transports als "Sammeln" von Abwasser entgegensteht. Eine Abwasserbeseitigung im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] ist jedenfalls schon deshalb nicht gegeben, weil es an einem Entwässern des aus der [X.] entnommenen Stoffes während des straßengebundenen Transports fehlt, der Entwässerungs- und [X.] vielmehr unterbrochen ist.

c) Die Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] durch das Berufungsgericht ist mit Unionsrecht ebenfalls nicht vereinbar. § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.] setzt Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/98/[X.] und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien ([X.]. [X.] S. 3) - [X.] - ([X.]) um. Danach sind Abwässer aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie nur ausgeschlossen, soweit sie bereits von anderen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt sind. Solche unionsrechtlichen Rechtsvorschriften bestehen für den streitgegenständlichen Transport der Klärschlämme nicht.

Der [X.] hat hierzu klargestellt, dass der [X.] Abwässer ausdrücklich als "Abfälle" im Sinne der [X.] einstufen wollte, aber vorgesehen hat, dass diese Abfälle unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausfallen und unter eine andere Regelung fallen können ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 34). Jedoch dürfen die fraglichen Regelungen, um im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a [X.] als andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften angesehen werden zu können, nicht nur bestimmte Stoffe betreffen, sondern müssen genaue Bestimmungen über deren Bewirtschaftung als "Abfall" im Sinne von Art. 3 Nr. 1 [X.] enthalten. Andernfalls wäre die Bewirtschaftung dieser Abfälle weder im Rahmen dieser oder einer anderen Richtlinie noch im Rahmen nationaler Rechtsvorschriften geregelt, was sowohl gegen den Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 [X.] verstieße als auch dem Ziel selbst des Abfallrechts der Union widerspräche ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 a. a. [X.] Rn. 35). Daraus folge zudem, dass die anderen Unionsregelungen ein Schutzniveau gewährleisten müssen, das demjenigen zumindest gleichwertig ist, das sich aus der [X.] ergibt ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 a. a. [X.] Rn. 36).

Der Transport von Abfall ist nach der Definition des Art. 3 Nr. 9 [X.] eine Maßnahme der Abfallbewirtschaftung. Im Hinblick auf die Beförderung von Abfällen enthält die [X.] detaillierte Vorgaben. So ist etwa eine Registrierungspflicht für Unternehmen, die gewerbsmäßig Abfälle befördern, vorgesehen (Art. 26 Buchst. a [X.]). Solche Unternehmen werden in regelmäßigen Abständen angemessenen Inspektionen durch die zuständigen Behörden unterzogen (Art. 34 Abs. 1 [X.]). Nach Art. 35 Abs. 1 [X.] müssen Unternehmen, die gefährliche Abfälle transportieren, chronologische Aufzeichnungen über Menge, Art und Ursprung der Abfälle und, sofern relevant, über die Bestimmung, die Häufigkeit der Sammlung, die Transportart und die vorgesehene Abfallbehandlungsmethode führen und diese Informationen auf Anfrage den zuständigen Behörden zur Verfügung stellen. Solche Aufzeichnungen müssen mindestens 12 Monate lang aufbewahrt werden (Art. 35 Abs. 2 [X.]). Schließlich normiert Art. 36 [X.] eine Durchsetzungs- und Sanktionspflicht der Mitgliedstaaten, um eine unkontrollierte Bewirtschaftung von Abfällen zu untersagen und Verstöße gegen die Vorschriften der Richtlinie zu ahnden. Andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften, die den straßengebundenen Transport von Abwasser, Roh- oder Klärschlamm regeln, existieren nicht.

Die Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser ([X.]. [X.]) - [X.] - ([X.]) ist hier nicht anwendbar, da sich ihr Anwendungsbereich nach Art. 1 Abs. 1 auf das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen beschränkt, zu denen die Klägerin nicht gehört (vgl. Anhang III der [X.]). Abgesehen davon enthält sie keine genauen Bestimmungen über die Bewirtschaftung von Klärschlamm ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 - [X.]/19 - Rn. 37), um den es sich bei den der [X.] der Klägerin entnommenen Stoffen, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, handelt. Klärschlamm ist der bei der Abwasserbeseitigung in Abwasserbehandlungsanlagen anfallende Schlamm ([X.], Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - [X.]E 110, 370 <371>; [X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 - [X.]/19 - Rn. 39), wobei Konsistenz und Flüssigkeitsgehalt des Klärschlamms für diese Einordnung unerheblich sind (vgl. [X.]/[X.], ZfW 2020, 153 <154>; Kersandt, in: [X.]/[X.], GK-[X.], 2021, § 54 Rn. 53).

Die Richtlinie 86/278/EWG des Rates vom 12. Juni 1986 über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft ([X.]. [X.]) regelt - wie sich bereits aus ihrem Titel und auch aus ihrem Art. 1 ergibt - nur die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft. Diese Richtlinie ist daher für den straßengebundenen Transport von Klärschlamm nicht relevant.

Die Richtlinie 2000/60/[X.] und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der [X.] im Bereich der Wasserpolitik ([X.]. L 327 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie - enthält keine Vorgaben zur Beförderung von Abwasser bzw. Klärschlamm.

Danach sind die Stoffe, die der [X.] der Klägerin entnommen werden, während des Transports mit dem Fahrzeug zur kommunalen Kläranlage nicht aus dem Anwendungsbereich der [X.] ausgeschlossen. Unionsrecht erfordert mithin eine Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 9 [X.], wonach die straßengebundene Beförderung von Abwasser den Vorschriften der §§ 53 bis 55 [X.] unterfällt. Diese Regelungen bestimmen für den Beförderer solcher Abfälle insbesondere eine Anzeige- und Erlaubnispflicht und unter Umständen die Pflicht zum Nachweis der Zuverlässigkeit und der Fach- und Sachkunde des Betriebsinhabers und seines Personals. Entsprechende Vorschriften fehlen im Wasserhaushaltsgesetz.

2. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Das [X.] kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die aus der [X.] der Klägerin entnommenen und zur kommunalen Kläranlage mit dem Fahrzeug transportierten Stoffe sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Entnahme und der Beförderung auch als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] einzustufen. Die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind vorliegend anwendbar.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Dies entspricht wörtlich der Regelung in Art. 3 Nr. 1 [X.]. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ergibt sich die Einstufung als "Abfall" im Sinne dieser Unionsnorm vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des Ausdrucks "sich entledigen" ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 - [X.] -629/19 - Rn. 42). Der Wille zur Entledigung ist nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] - soweit hier von Interesse - hinsichtlich solcher Stoffe anzunehmen, die bei der Behandlung von Stoffen anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist. Bei dem in Rede stehenden Klärschlamm handelt es sich - wie bereits angesprochen - um einen Rückstand aus der Abwasserbehandlung. Der Schlamm fällt bei der Reinigung des in den Produktionsabläufen verwendeten Wassers durch die am Produktionsstandort betriebene [X.] an. Der Klärschlamm ist demnach gerade nicht das Zielprodukt des [X.], sondern stellt vielmehr den Rückstand nach der Gewässerreinigung dar. Die Klägerin selbst ist am Standort [X.] nicht in der Lage, den Klärschlamm weiter zu entwässern oder als Endprodukt weiter zu bearbeiten, so dass es sich aus ihrer - insoweit maßgeblichen - Sicht hierbei um Abfall handelt. Dieses Abfalls entledigt sie sich durch die Übergabe an die kommunale Kläranlage. Zwar wird der Klärschlamm aus der betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage der Klägerin sodann zusammen mit anderem Schlamm in der kommunalen Kläranlage in einen Faulturm gepumpt, wo Biogas entsteht, das in einem Blockheizkraftwerk energetisch genutzt wird. Der zurückbleibende [X.] wird in einer - zu einer anderen Verbandskläranlage gehörenden - [X.] verbrannt. Dass dies ein bundesweit praktiziertes Verfahren der Abwasserbehandlung darstellt, das durch die Nutzung des im Klärschlamm enthaltenen energetischen Potentials als ökologisch sinnvoll angesehen wird (vgl. [X.], NVwZ 2021, 1395), ändert nichts an der Abfalleigenschaft des Klärschlamms nach der Entnahme aus der [X.] und dem Transport zur kommunalen Kläranlage. Denn unter den Abfallbegriff fallen auch Stoffe, die zur Wiederverwendung geeignet sind und zu einem späteren Zeitpunkt, nach einem Verwertungs- oder Recyclingverfahren, nicht mehr als Abfälle anzusehen sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 und § 5 Abs. 1 [X.], Art. 3 Nr. 15 und Art. 6 Abs. 1 [X.]; [X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 - [X.]/19 - Rn. 48, 64 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

7 C 3/21

23.06.2022

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 20. April 2021, Az: 10 S 2566/19, Urteil

Art 2 Abs 2 Buchst a EGRL 98/2008, Art 3 Nr 1 EGRL 98/2008, Art 3 Nr 9 EGRL 98/2008, Art 3 Nr 15 EGRL 98/2008, Art 6 Abs 1 EGRL 98/2008, Art 26 Buchst a EGRL 98/2008, Art 34 Abs 1 EGRL 98/2008, Art 35 Abs 1 EGRL 98/2008, Art 35 Abs 2 EGRL 98/2008, Art 36 EGRL 98/2008, Art 1 Abs 1 EWGRL 271/91, Art 1 EWGRL 278/86, § 2 Abs 2 Nr 9 KrWG, § 3 Abs 1 S 1 KrWG, § 3 Abs 1 S 2 KrWG, § 3 Abs 3 S 1 Nr 1 KrWG, § 5 Abs 1 KrWG, § 53 KrWG, § 54 KrWG, § 55 KrWG, § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 WHG 2009, § 54 Abs 2 S 1 WHG 2009, § 54 Abs 2 S 2 WHG 2009, § 60 Abs 1 WHG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.06.2022, Az. 7 C 3/21 (REWIS RS 2022, 6421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6421

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2 BvR 2374/99

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