Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2007, Az. I ZR 183/04

I. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 711

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 22. November 2007 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja Direktansprache am [X.]I UWG § 3 Ein Personalberater, der bei einem ersten Telefongespräch, das er mit einem Arbeitnehmer eines Mitbewerbers seines Auftraggebers zur Personalsuche an dessen Arbeitsplatz führt, dem Arbeitnehmer Daten zu dessen Lebenslauf und bisherigen Tätigkeiten vorhält, geht über das für eine erste Kontaktaufnahme Notwendige hinaus und handelt daher wettbewerbswidrig (Fortführung von [X.] 158, 174 - Direktansprache am Arbeitsplatz I). [X.], [X.]. v. 22. November 2007 - [X.]/04 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 22. November 2007 durch [X.], Dr. Schaffert, [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: 1 Die Klägerin vertreibt Computer-Software. Sie beschäftigt hoch qualifi-zierte und spezialisierte Mitarbeiter, deren Kenntnisse und Fähigkeiten sie durch Schulungen auf dem neuesten Stand hält. Der [X.] befasst sich als selbständiger Unternehmer mit der Suche und Vermittlung von Führungs- und Fachkräften. Aufgrund eines [X.] nahm er am 22. September 1999 telefonisch Kontakt mit der Zeugin M.

, einer Projektleiterin der [X.] - gerin, an deren Arbeitsplatz auf. Nach der Darstellung der Klägerin bot er der Zeugin bei diesem Gespräch eine Stelle als Projektleiterin bei einem ausländi-schen Softwareunternehmen an. Die Klägerin hat jeden Telefonkontakt am Arbeitsplatz zur Abwerbung von Mitarbeitern für wettbewerbswidrig gehalten und den [X.]n auf Unter-lassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und [X.] in Anspruch genommen. 2 Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.] WRP 2001, 974). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben ([X.], 1092). Im ersten Revisionsverfahren hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen ([X.] 158, 174 - Direktansprache am Arbeitsplatz I). 3 Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat die Klägerin unter Berück-sichtigung der Ausführungen im ersten Revisionsurteil beantragt, den [X.] unter Androhung von [X.] zu verurteilen, 4 es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu [X.] der Klägerin erstmals und unaufgefordert an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung mit einem Telefongespräch anzusprechen, das über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der [X.] hat sich der [X.] nicht angeschlossen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläge-rin wiederum zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision ver-folgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Der [X.] [X.], das Rechtsmittel zurückzuweisen. 5 - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat die Klage auch mit den zuletzt verfolgten An-trägen für unschlüssig gehalten. Die Klägerin habe nichts Erhebliches dafür vorgetragen, dass der [X.] sich bei dem zu [X.] geführ-ten Telefongespräch nicht auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränkt habe. Insbesondere sei das Telefongespräch nach der Darstellung der Klägerin sofort beendet worden, als die Zeugin M. erklärt habe, an der Stelle nicht interessiert zu sein, und es fehle an schlüssigem Vortrag dazu, dass der [X.] das Gespräch über Gebühr ausgedehnt und die Zeugin un-lauter umworben habe. Der [X.] habe die Zeugin zwar mit zentralen Daten aus ihrer Arbeitsbiographie konfrontiert. Damit habe er ihr jedoch lediglich in zulässiger Weise das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle aufge-zeigt und ihr persönliches Interesse daran zu wecken gesucht. 6 I[X.] Die Revision der Klägerin führt erneut zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Be-rufungsgericht hat entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin nicht berück-sichtigt. Infolgedessen hat es den Klagevortrag zu Unrecht als unschlüssig an-gesehen. 7 8 1. Nach dem ersten Revisionsurteil vom 4. März 2004 sind bei der Beur-teilung, ob ein Personalberater wettbewerbswidrig handelt, wenn er zum Zweck der Personalsuche mit dem Mitarbeiter eines Wettbewerbers seines Auftragge-bers ein erstes Telefongespräch an dessen Arbeitsplatz führt, die berücksichti-gungsfähigen Interessen des Personalberaters, seines Auftraggebers, des be-troffenen Mitarbeiters und dessen Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. - 5 - Danach ist eine erste Kontaktaufnahme nicht wettbewerbswidrig, wenn der [X.] lediglich nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt, diese kurz beschrieben und gegebenenfalls eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Unternehmens besprochen wird. Ein solcher erster Telefonanruf am Arbeits-platz muss sich auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränken. Eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ist ein Indiz dafür, dass der Personalberater bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, genutzt hat. Der Personalberater ist gehalten, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nur wenn dies der Fall ist, darf der Personalberater die in Rede stehende [X.] Stelle knapp umschreiben und, falls das Interesse des Mitarbeiters danach fortbesteht, eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabreden. Ein zu [X.] geführtes Telefongespräch, das über eine solche Kontaktaufnahme hinausgeht, ist als unlauterer Wettbewerb zu beurteilen ([X.] 158, 174, 180, 185; vgl. dazu [X.] in Hefermehl/[X.]/[X.], 25. Aufl., § 7 UWG [X.] 65; [X.]/Omsels, UWG, § 4 Nr. 10 [X.] 32; Fezer/Götting, UWG, § 4-10 [X.] 43 f.; [X.], NJW 2004, 2424, 2425; [X.], EWiR 2004, 881). Die für diese Beurteilung in dem ersten Revisionsurteil vom 4. März 2004 maßgebliche Rechtslage hat sich durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 inhaltlich nicht geändert. Ein zum Zwecke der Abwerbung eines Mitarbeiters geführter Telefonanruf an dessen Arbeitsplatz, der über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht, ist nun-mehr nach § 3 UWG unlauter ([X.], [X.]. [X.] - [X.], [X.], 426 [X.]. 14, 16 = [X.], 577 - Direktansprache am [X.]). 9 - 6 - 2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nichts Er-hebliches dafür vorgetragen, dass im vorliegenden Fall das zur ersten Kontakt-aufnahme Notwendige überschritten worden sei. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht tatsächliches Vorbringen der Klägerin übergangen hat. 10 a) Nach dem ersten Revisionsurteil hat der Personalberater, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zu Beginn des Gespräch zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktauf-nahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nach dem Vortrag der Klägerin in der wiedereröffneten Berufungsinstanz hat der [X.] diese Anforderung nicht erfüllt, weil er die Zeugin M. zunächst mit Informationen über sie selbst (insbesondere ihre Handy-Nummer, ihren Lebenslauf und ihre bisherigen Tätigkeiten) konfrontiert habe. 11 b) Zudem war es - unabhängig vom zeitlichen Ablauf des Telefonge-sprächs - bei der ersten Kontaktaufnahme unter keinem Gesichtspunkt not-wendig, der Zeugin Daten vorzuhalten, die sie selbst betrafen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es nicht erforderlich, den Angerufenen mit (detaillierten) Kenntnissen seines eigenen beruflichen Werdegangs zu konfron-tieren, um das Anforderungsprofil der offenen Stelle in einer Weise darzulegen, die dem Angerufenen die Entscheidung ermöglicht, das Gespräch sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen oder davon Abstand zu nehmen. Vielmehr ist, wie die Revision zutreffend ausführt, die (umfangreiche) Konfron-tation mit Lebenslaufkenntnissen schon Teil des [X.], das dem [X.] den Eindruck vermittelt, der Personalberater habe sich bereits näher mit seiner Persönlichkeit befasst und er sei aufgrund seiner konkreten Berufsbio-graphie für die offene Stelle besonders geeignet. Ein solches Umwerben geht über den notwendigen Inhalt einer ersten Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz 12 - 7 - hinaus und ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wie der Senat in seinem ersten Revisionsurteil ausdrücklich ausgeführt hat ([X.] 158, 174, 185). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es wettbewerbswidrig, wenn der [X.] bei der ersten unaufgeforderten Kontaktaufnahme versucht, das persönliche Interesse der Zielperson an der betreffenden Stelle in einer Weise zu wecken, wie dies hier nach der Behauptung der Klägerin geschehen ist. c) Die Klägerin hat ferner ausdrücklich unter Bezug auf den von ihr de-tailliert dargestellten Ablauf des Gesprächs vorgetragen, das Telefonat mit der Zeugin M. habe länger als nur wenige Minuten gedauert. Die Gesprächs- taktik des [X.]n sei nicht auf einen kurzen Erstanruf, sondern darauf ge-richtet gewesen, die Zeugin M. in ein längeres Gespräch zu verwickeln. Dies sei dem [X.]n auch gelungen. Das Berufungsgericht hat diesen Sach-vortrag übergangen. Nach dem ersten Revisionsurteil ist eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ein Indiz dafür, dass der Personalberater be-reits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise genutzt hat ([X.] 158, 174, 185). Das Berufungsgericht hätte daher Feststellungen zur Gesprächs-dauer treffen und das danach gegebenenfalls vorliegende Indiz für die Wettbe-werbswidrigkeit bei seiner Bewertung des Verhaltens des [X.]n berück-sichtigen müssen. 13 3. Hingegen vermag die Klägerin ihr Begehren nicht darauf zu stützen, der [X.] habe die Zeugin M. unstreitig zunächst nicht erreicht und das Telefonat mit ihr sei deshalb nur aufgrund von deren Rückruf zustande [X.], den der [X.] über die Telefonzentrale der Klägerin veranlasst gehabt habe. Unabhängig von den näheren Umständen dieser Rückrufbitte, die zwischen den Parteien streitig sind, hat die Klägerin den Umstand, dass das Telefongespräch erst nach einem Rückruf des Mitarbeiters zustande gekom-men ist, nicht zum Gegenstand ihres [X.] gemacht. Dem [X.] - 8 - klagten sollen vielmehr über eine erste Kontaktaufnahme hinausgehende Tele-fongespräche generell verboten werden, ohne Rücksicht darauf, wie sie im Ein-zelfall zustande kommen. II[X.] Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen. Im erneut eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nunmehr die bereits im ersten Revisionsurteil für [X.] gehaltenen Tatsachenfeststellungen zu Inhalt und Dauer des beanstande-ten Telefongesprächs nachzuholen haben. Sollte sich der Vortrag der Klägerin als zutreffend erweisen, könnte ihr Unterlassungsantrag nicht abgewiesen wer-den. Ferner wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, in welchem Umfang die auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und 15 - 9 - Zahlung gerichteten Ansprüche bis zur Erledigungserklärung der Klägerin zu-lässig und begründet waren (vgl. dazu [X.] 158, 174, 187 f. - Direktansprache am Arbeitsplatz I).
Bergmann Büscher Schaffert

[X.] Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.06.2000 - 24 O 2/00 - [X.], Entscheidung vom 27.10.2004 - 6 U 134/04 -

Meta

I ZR 183/04

22.11.2007

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2007, Az. I ZR 183/04 (REWIS RS 2007, 711)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 711

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6 U 134/04

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