Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.09.2011, Az. 2 C 37/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 2757

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Tatbestand

1

Der Kläger ist städtischer Beamter auf Lebenszeit und als Oberbrandmeister bei der Berufsfeuerwehr der [X.] beschäftigt. Er will Freizeitausgleich für die Überschreitung der höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit in dem [X.]raum von Februar 2002 bis Ende 2006 erhalten. In diesem [X.]raum betrug seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 56 Stunden. Davon entfielen 31 Stunden auf Bereitschaftsdienst; zwei Stunden wurden jeweils durch Freizeit ausgeglichen.

2

Im Januar 2002 beantragte der Kläger, ab dem 1. Februar 2002 bei der Gestaltung der Dienstpläne zu beachten, dass nach [X.] Gemeinschaftsrecht höchstens 48 Wochenstunden gearbeitet werden dürfen. Seiner Klage, ihm Freizeitausgleich im Umfang von 17 Stunden pro Monat zu gewähren, hat das Verwaltungsgericht im Umfang von 7 Stunden pro Monat für die [X.] ab Januar 2006 stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, insgesamt 12,11 Stunden pro Monat für die [X.] vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 auszugleichen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers sei in den Jahren 2002 bis 2006 unter Verstoß gegen Unionsrecht um sechs Wochenstunden zu hoch festgesetzt worden, weil der Bereitschaftsdienst im feuerwehrtechnischen Dienst als [X.] einzustufen sei. Deshalb stehe dem Kläger nach [X.] und Glauben ein angemessener zeitlicher Ausgleich zu. Zu viel geleisteter Bereitschaftsdienst müsse allerdings nur mit einer Quote von 50 % angerechnet werden. Von dem sich hieraus ergebenden Anspruch von 17,11 Stunden seien nochmals fünf Stunden abzuziehen, da von jedem Beamten in diesem Umfang ausgleichslose Mehrarbeit gefordert werden dürfe.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die [X.] vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 Freizeitausgleich von weiteren 4,89 Stunden je Kalendermonat zu gewähren, sowie die Urteile des [X.] für das [X.] vom 7. Mai 2009 und des [X.] vom 25. Juli 2007 und den Bescheid der [X.] vom 8. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2006 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des [X.] beim [X.] hält das Berufungsurteil für richtig.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] ist begründet. Er kann einen zeitlichen Ausgleich für zuviel geleisteten Dienst in dem von ihm beantragten Umfang von insgesamt 17 Stunden pro Monat für die [X.] vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Dezem[X.] 2006 beanspruchen. Soweit das Urteil des O[X.]verwaltungsgerichts den geltend gemachten Anspruch im Umfang von 4,89 Stunden im Monat abgewiesen hat, verletzt es revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG).

8

Der geltend gemachte Anspruch folgt aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben [X.]. § 78a Abs. 1 Satz 2 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 ([X.], [X.]. 1982, [X.]). Voraussetzung für diesen Anspruch ist eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten ü[X.] die höchstens zulässige [X.] hinaus. Der Anspruch ist auf einen zeitlichen Ausgleich im Umfang der rechtswidrig verlangten Zuvielarbeit gerichtet. [X.]en des Bereitschaftsdienstes sind in vollem Umfang auszugleichen; ein Abzug von fünf ausgleichslos zu leistenden Stunden ist jedenfalls in Fällen, in denen die normativ festgesetzte Höchstarbeitszeit rechtswidrig ü[X.]schritten worden ist, nicht zulässig. Zudem entsteht der Ausgleichsanspruch mit Wirkung für die Zukunft erst, wenn der Beamte ihn geltend macht.

9

Zieht der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen [X.] zum Dienst heran oder nimmt ihn ü[X.] die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige [X.] hinaus in Anspruch, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind, so ist diese Inanspruchnahme rechtswidrig (Zuvielarbeit). Soweit das jeweils maßgebliche Bundes- oder Landesbeamtenrecht keine Regelung dazu enthält, ob und in welchem Umfang eine solche Inanspruchnahme auszugleichen ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass derartige Zuvielarbeit folgenlos bleibt. Vielmehr ist die im Einzelfall einschlägige Vorschrift - im vorliegenden Fall § 78a Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. - nach [X.] und Glauben in einer Weise zu ergänzen, die die Interessen des Beamten und des Dienstherrn auch bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des Beamten zu einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der [X.]regelung gerecht wird. Beamte, die von Zuvielarbeit betroffen sind, haben deshalb einen Anspruch auf angemessene Dienstbefreiung (vgl. Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - [X.] 232 § 72 [X.] Nr. 38 S. 6 f. und Beschluss vom 10. Juni 2009 - BVerwG 2 [X.] - juris Rn. 5 ff.).

Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Anspruch gegeben. Ein Fall der Zuvielarbeit ü[X.] die Grenze der höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit hinaus liegt vor. Der Kläger hat im [X.]raum von Februar 2002 bis einschließlich 2006 - abgesehen von zwei weiteren Stunden, für die Freizeitausgleich [X.]eits gewährt worden ist - regelmäßig anstelle der unionsrechtlich zulässigen 48 Wochenstunden 54 Stunden Dienst geleistet. Diese Zuvielarbeit von sechs Stunden wöchentlich ergibt bei pauschalierter Berücksichtigung von Urlaubszeiten einen Umfang von 24 Stunden im Monat.

Zwar hat sich die Beklagte bei der Erstellung der Dienstpläne an § 1 Abs. 1 der Verordnung ü[X.] die [X.] der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des [X.] ([X.]) in den hier maßgeblichen Fassungen vom 29. Septem[X.] 1998 und vom 18. Februar 2003 (GV. NW 1998 S. 589 und 2003 S. 74) sowie des Gesetzes vom 5. April 2005 (GV. [X.]) orientiert. Diese Bestimmung ließ eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 54 Stunden zu, aufgeteilt in 23 Stunden [X.] und 31 Stunden Bereitschaftsdienst. Nach dem Konzept des Normge[X.]s entsprach dies bei einer Anrechnung des Bereitschaftsdienstes zu 50 % einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ü[X.] die [X.] der Beamten im Lande [X.] vom 28. Dezem[X.] 1986, GV. NW 1987 S. 15). Die Vorschrift war jedoch, soweit sie eine regelmäßige wöchentliche [X.] von mehr als 48 Stunden festsetzte, wegen Verstoßes gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. Novem[X.] 2003 ü[X.] bestimmte Aspekte der [X.]gestaltung ([X.] 2003/88, [X.] vom 18. Novem[X.] 2003, [X.], [X.]richtlinie) unanwendbar.

Nach Art. 6 Buchst. b [X.] 2003/88, der Art. 6 Nr. 2 der insoweit inhaltsgleichen Richtlinie 93/104/[X.] vom 23. Novem[X.] 1993 ü[X.] bestimmte Aspekte der [X.]gestaltung ([X.] vom 13. Dezem[X.] 1993, [X.]) ersetzt, darf die wöchentliche [X.] einschließlich der Ü[X.]stunden einen Umfang von 48 Stunden nicht ü[X.]schreiten. Unter [X.] ist nach Art. 2 Nr. 1 [X.] 2003/88 jede [X.]spanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitge[X.] zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Nach dieser Begriffsbestimmung zählen auch [X.]en des Bereitschaftsdienstes - einschließlich der "inaktiven [X.]en" - ohne Abstriche als [X.], wenn der Beamte sie an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privat[X.]eichs leistet und sich zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz [X.]eithält, und wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (Urteile vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 9.03 - [X.] 240 § 48 [X.] Nr. 8 Rn. 17 und vom 22. Januar 2009 - BVerwG 2 C 90.07 - [X.] 240.1 [X.] Nr. 31; [X.], Urteile vom 3. Okto[X.] 2000 - [X.]. [X.]/98, [X.] - Slg. 2000, [X.] und vom 9. Septem[X.] 2003 - [X.]. [X.]/02, [X.] - Slg. 2003, I- 8389, st[X.]pr). Daraus folgt, dass Bereitschaftsdienst in die Berechnung der wöchentlichen [X.] in vollem Umfang einzubeziehen ist. Die vom Kläger regelmäßig geleisteten 31 Stunden Bereitschaftsdienst zählen daher als [X.], da die Beamten in der Dienststelle anwesend sein mussten und jederzeit in einen Einsatz [X.]ufen werden konnten (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 [X.]).

Die unionsrechtliche [X.]richtlinie ([X.] 2003/88) gilt auch für Feuerwehrleute (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juli 2005 - [X.]. [X.]/04, Personalrat der Feuerwehr [X.] - Slg. 2005, [X.]). Sie ist auch unmittelbar anwendbar, da sie trotz eindeutigen Norminhalts nicht hinreichend in [X.] Recht umgesetzt worden und die Umsetzungsfrist der Vorgängerrichtlinie [X.]eits seit 1996 abgelaufen ist ([X.], Urteil vom 25. Novem[X.] 2010 - [X.]. [X.]/09, Fuß - [X.] 2001, 53 Rn. 35 ff.).

Die Anordnung einer regelmäßigen [X.], die ü[X.] die unionsrechtlich höchstens zulässige Wochenarbeitszeit hinausgeht, kann auch nicht als Mehrarbeit gerechtfertigt werden. Die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit lagen nicht vor. Zum einen darf die unionsrechtliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Wochenstunden auch durch die Anordnung von Mehrarbeit - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren - nicht ü[X.]schritten werden. Zum anderen soll Mehrarbeit einen vorü[X.]gehenden außergewöhnlichen Bedarf decken (vgl. § 78a Abs. 1 Satz 1 LBG NW), nicht a[X.] eine dauerhafte Erhöhung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit bewirken.

Der Anspruch ist auf zeitlichen Ausgleich in angemessenem Umfang gerichtet. Als angemessen ist der zeitliche Ausgleich von Zuvielarbeit grundsätzlich anzusehen, wenn er ebenso lang ist wie der zuvor geleistete rechtswidrig geforderte Dienst (Urteil vom 28. Mai 2003 a.a.[X.] Rn. 23). Dabei ist die in Form von Bereitschaftsdienst geleistete Zuvielarbeit mit demselben Gewicht zu bewerten wie zu viel geleistete [X.]; ein Abzug von weiteren fünf Stunden monatlich scheidet aus. Allerdings entsteht der Anspruch für die Zukunft erst, wenn er geltend gemacht wird.

Die Annahme des O[X.]verwaltungsgerichts, die [X.]en des Bereitschaftsdienstes müssten nicht in demselben Umfang ausgeglichen werden wie [X.], entspricht nicht dem gebotenen Ausgleich nach [X.] und Glauben. Dem Interesse des Beamten, der die rechtswidrig von ihm verlangte Dienstleistung - pflichtgemäß - zunächst erbracht hat, an einem vollen Ausgleich für die Ü[X.]schreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit steht kein gleich gewichtiges Interesse des Dienstherrn an einer Reduzierung des Ausgleichsumfangs gegenü[X.]. Dem [X.]echtigten öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Dienst[X.]eitschaft im feuerwehrtechnischen Dienst kann durch geeignete Maßnahmen bei der Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich Rechnung getragen werden. So kann etwa der [X.]raum, in dem der Freizeitausgleich bewirkt werden muss, nach dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden, um die Einsatz[X.]eitschaft dauerhaft sicher zu stellen. Auch das Angebot einer finanziellen Abgeltung des Anspruchs auf Freizeitausgleich kommt in Betracht. Eine Ermäßigung des zeitlichen Ausgleichs durch eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes ist hierfür nicht erforderlich. Sie würde dem Ziel des Anspruchs - Ausgleich eines von dem Dienstherrn begangenen Rechtsfehlers (vgl. Beschluss vom 10. Juni 2009 a.a.[X.] Rn. 8) - auch nicht gerecht, sondern könnte im Gegenteil als Anreiz für die Fortführung einer derartigen Praxis wirken. Auch fiskalische Interessen des Dienstherrn an einer Reduzierung des Ausgleichsanspruchs spielen bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs keine Rolle, da dem Dienstherrn aus einer langjährigen unionsrechtswidrigen Praxis keine Vorteile erwachsen dürfen.

Eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs führt zudem zu einem Wertungswiderspruch zu den Normzielen des unionsrechtlichen [X.]rechts. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, in die sowohl Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als auch Ü[X.]stunden einzurechnen sind, ist zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit festgelegt worden (vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgründe 4 und 11 [X.] 2003/88). Ein ermäßigter Ausgleich des geleisteten Bereitschaftsdienstes würde diese Schutzziele gefährden. Denn er würde letztlich dazu führen, dass Ü[X.]schreitungen der höchstens zulässigen [X.], die aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit vermieden werden sollen, dauerhaft nur teilweise auszugleichen wären. Den betroffenen Beamten würde die Möglichkeit, ihre Dienstfähigkeit durch Freizeitausgleich umfassend wieder herzustellen, teilweise genommen. Mögliche normative Anknüpfungspunkte für eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes im innerstaatlichen Recht sind demgegenü[X.] ohne Bedeutung, da sie der Verpflichtung zuwider laufen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Bestimmung von Art und Höhe einer Entschädigung für Zuvielarbeit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] dem nationalen Recht vorbehalten wird (Urteile vom 5. Mai 1996 - [X.]. [X.]/93 und 48/93, [X.] und Factortame - Slg. 1996 [X.] Rn. 82 f. und vom 25. Novem[X.] 2010 a.a.[X.] Rn. 91 ff.; vgl. auch Art. 153 AEUV).

Der Anspruch auf vollen Ausgleich für Zuvielarbeit ü[X.] die wöchentliche Höchstarbeitszeit hinaus kann aus den genannten Gründen auch nicht um fünf Stunden monatlich reduziert werden. Denn auch dies würde dem Sinn und Zweck der [X.]regelung widersprechen. Die Sanktionierung einer unionsrechtswidrigen Praxis würde zudem das Gebot verletzen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, weil die Ü[X.]schreitung der normativ festgelegten Höchstarbeitszeit in diesem Umfang folgenlos bliebe. Zwar sind Beamte grundsätzlich verpflichtet, in gewissem Umfang ausgleichslose Mehrarbeit zu leisten (vgl. § 78a Abs. 1 [X.] a.F., § 61 [X.], § 88 [X.]). Dies gilt jedoch nicht, wenn die unionsrechtlich verbindliche Höchstgrenze der wöchentlichen [X.] [X.]eits erreicht ist, da diese durch [X.] grundsätzlich nicht ü[X.]schritten werden darf (Art. 6 Buchst. b [X.] 2003/88); Abweichungen sind nur im Rahmen der unionsrechtlichen Bestimmungen zulässig (vgl. Art. 17, 18 und 22 [X.] 2003/88).

Der Anspruch auf zeitlichen Ausgleich für Zuvielarbeit muss allerdings von dem Beamten gegenü[X.] seinem Dienstherrn ausdrücklich geltend gemacht werden. Ein Ausgleich kommt nur für Zuvielarbeit in Betracht, die der Beamte nach Antragstellung leisten muss. Ein Ausgleich der vorher erbrachten Zuvielarbeit ist unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt ist oder nicht, nicht angemessen und würde dem Grundsatz von [X.] und Glauben widersprechen. Dies folgt aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtswidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr hat ein [X.]echtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spricht für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig ist es dem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Verhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Urteile vom 27. Mai 2010 - BVerwG 2 C 33.09 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 14, 15 und vom 13. Novem[X.] 2008 - BVerwG 2 C 16.07 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 101 Rn. 21 ff.).

Dies ist mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (Urteil vom 25. Novem[X.] 2010 a.a.[X.] Rn. 71 ff.) vereinbar. Zwar darf die Ausübung der Rechte, die dem Einzelnen aus den unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts erwachsen, nicht durch die Ausgestaltung des innerstaatlichen Verfahrensrechts unmöglich gemacht oder ü[X.]mäßig erschwert werden. Insbesondere darf der Anspruch eines Beamten auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verstoß der Behörden gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 entstanden ist, nicht davon abhängig gemacht werden, dass zuvor ein Antrag auf Einhaltung dieser unionsrechtlichen Bestimmung bei seinem Dienstherrn gestellt wurde ([X.], Urteil vom 25. Novem[X.] 2010 a.a.[X.] Rn. 90). Denn das Recht der [X.] ist von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten unabhängig davon anzuwenden, ob seine Anwendung ausdrücklich beantragt worden ist oder nicht. Dies steht jedoch dem Erfordernis eines Antrags auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich für die Zukunft nicht entgegen. Ohne einen derartigen Antrag muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Ü[X.]schreitung der zulässigen [X.] beanstanden, zumal ihn zunächst die Pflicht trifft, die von ihm verlangte Zuvielarbeit zu leisten. Der Antrag ist vielmehr erforderlich, eine Prüfung mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu [X.]ücksichtigen und die Dienstpläne entsprechend anzupassen. Eine ü[X.]mäßige Erschwerung der Durchsetzung von Unionsrecht liegt darin ebenso wenig wie beispielsweise in der normativen Festsetzung angemessener Ausschluss- und Verjährungsfristen (vgl. zu § 15 Abs. 4 AGG [X.], Urteil vom 8. Juli 2010 - [X.]. [X.]/09, [X.] - [X.] 2010, 869).

Nach diesen Maßstäben ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in vollem Umfang gegeben; die Beschränkung auf 17 Stunden monatlich ergibt sich daraus, dass der Kläger seinen Antrag auf diesen Umfang beschränkt hat. Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag rechtzeitig, nämlich im Januar 2002 mit Wirkung für die [X.] ab Februar desselben Jahres, gestellt.

Ob der Kläger zusätzlich einen unmittelbar aus Unionsrecht abgeleiteten Anspruch geltend machen kann (vgl. [X.], Urteil vom 25. Novem[X.] 2010 a.a.[X.]), muss nicht entschieden werden. Denn der auf [X.] und Glauben gestützte Anspruch auf Freizeitausgleich wird dem vom Gerichtshof der [X.] aufgestellten Erfordernis gerecht, dass die Entschädigung dem erlittenen Schaden angemessen ist und dass ein effektiver Schutz der unionsrechtlichen Rechte des Einzelnen gewährleistet wird (vgl. [X.], Urteil vom 25. Novem[X.] 2010 a.a.[X.] Rn. 91 ff.).

Meta

2 C 37/10

29.09.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 7. Mai 2009, Az: 1 A 2654/07, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.09.2011, Az. 2 C 37/10 (REWIS RS 2011, 2757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2757

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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