Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2010, Az. 2 C 42/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 236

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Tatbestand

1

Die Klägerin steht als Finanzbeamtin im Landesdienst. Sie ist teilzeitbeschäftigt und bezieht für ihre drei Kinder das Kindergeld. Ihr Ehemann ist in Vollzeit als Angestellter bei den Wirtschaftsbetrieben der [X.] beschäftigt. Ab Oktober 2005 erhielt er seine Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]). Da der [X.] keine Regelungen zu kinderbezogenen [X.] enthält, kürzte der Beklagte den bis dahin ungekürzt gezahlten kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechend dem Beschäftigungsumfang der Klägerin ab 1. April 2006.

2

Die hiergegen erhobene Klage war vor dem Berufungsgericht erfolgreich. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Kürzungsvorschrift des § 6 Abs. 1 [X.] sei gemäß § 40 Abs. 5 Satz 3 [X.] auf den kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag nicht anwendbar. Der [X.] enthalte zwar keine dem kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechende Leistung, jedoch sei eine solche in der Besitzstandszulage nach § 11 [X.] zu sehen. Unerheblich sei, dass der Ehemann, weil er im September 2005 nicht kindergeldberechtigt gewesen sei, tatsächlich keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage gehabt habe, da nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 40 Abs. 5 Satz 1 [X.] eine fiktive Prüfung zu erfolgen habe.

3

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 29. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juni 2007 zurückzuweisen.

4

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

5

Der Vertreter des [X.] hält das Berufungsurteil für unzutreffend.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf den Familienzuschlag der Stufe 2 und der folgenden Stufen für ihre Kinder nicht gemäß § 6 Abs. 1 [X.] im Umfang ihrer Teilzeitbeschäftigung zu kürzen ist. Diese Kürzungsvorschrift findet gemäß § 40 Abs. 5 Satz 3 [X.] keine Anwendung.

7

Für den Fall, dass neben dem betroffenen Beamten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zustünde, wird der auf das Kind entfallende Betrag des [X.] demjenigen Beamten gewährt, der berechtigt das Kindergeld erhält (§ 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 [X.]). Gemäß § 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] steht dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen der [X.] nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. § 6 [X.] findet auf den zu zahlenden Betrag unter anderem dann keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt ist (§ 40 Abs. 5 Satz 3 [X.]). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

8

a) § 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] setzt voraus, dass dem Ehemann der Klägerin eine dem Familienzuschlag nach Stufe 2 entsprechende Leistung im Sinne von § 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] zustünde. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) enthält keine familienbezogenen [X.]e mehr, die dem Familienzuschlag nach §§ 39, 40 [X.] entsprechen könnten. Um eine dem kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechende Leistung handelt es sich jedoch bei der sog. Besitzstandszulage nach § 11 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]; vgl. schon Beschlüsse vom 18. September 2007 - BVerwG 2 B 27.07 - und vom 25. September 2008 - BVerwG 2 B 104.07 -, jeweils juris).

9

Der mit "Kinderbezogene [X.]e" überschriebene § 11 [X.] ordnet in Absatz 1 Satz 1 unter bestimmten Voraussetzungen die Fortzahlung der kinderbezogenen [X.]e des [X.] als Besitzstandszulage an. Die Zulage nimmt an der allgemeinen Gehaltsentwicklung teil (§ 11 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Dass der [X.] gemäß § 29 [X.] nach [X.], Leistungsvoraussetzungen und Leistungsmodalitäten dem Familienzuschlag nach §§ 39, 40 [X.] entspricht, hat der [X.] bereits entschieden (für die kinderbezogenen Anteile: Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 33 S. 12 <14>). Der Bewertung als dem kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechende Leistung steht auch nicht der in § 11 [X.] mehrfach verwendete Begriff der "Besitzstandszulage" entgegen. Denn es kommt weder auf die Bezeichnung der Leistung an, noch ist deren Höhe maßgeblich (Urteile vom 1. September 2005 a.a.[X.] und vom 15. November 2001 - BVerwG 2 C 69.00 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 29).

Im Übrigen unterstützt - entgegen der Auffassung der Revision - schon der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 [X.] dieses Ergebnis. In dieser Vorschrift ist festgelegt, dass die kinderbezogenen [X.]e des [X.] "als" Besitzstandszulage fortgezahlt werden. Damit ist der entscheidende Bezugspunkt die insoweit fortgeltende Regelung des [X.]. Der Begriff des Besitzstandes knüpft nur an einen Personenkreis an, der zum genannten Stichtag einen bestimmten Besitzstand erreicht haben musste, ohne den Charakter der fortgeltenden Regelungen des [X.] zu ändern (vgl. auch [X.], Urteile vom 13. August 2009 - 6 [X.] - [X.], 639 Rn. 30 - 32 und vom 25. Februar 2010 - 6 [X.] - [X.], 306 Rn. 12 und - 6 AZR 877/08 - juris Rn. 12). Weil die Regelungen über die kinderbezogenen [X.]e des [X.] über § 11 [X.] insgesamt fortgelten, es sich also um eine Rechtsgrundverweisung handelt, enthält der Überleitungstarifvertrag auch keine eigenständige Bestimmung der Person des Anspruchsberechtigten und keine Konkurrenzklausel, denn diese sind bereits im [X.] enthalten.

Für diejenigen, denen die Besitzstandszulage zusteht, ist es unerheblich, dass sie nur dem in § 11 [X.] genannten Personenkreis gewährt wird, so dass auf Dauer kinderbezogene [X.]e für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes gänzlich abgeschafft werden. An dem [X.] der weiterhin gewährten Leistungen vermag dies nichts zu ändern. Weil die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] an den allgemeinen Entgeltanpassungen teilnimmt, sichert sie nicht nur das bisherige [X.], sondern dynamisiert für die von ihr erfassten Kinder den aus [X.] Gründen gewährten kinderbezogenen [X.] weiterhin, lediglich ihre Bezeichnung hat sich geändert (vgl. [X.], Urteil vom 25. Februar 2010 - 6 AZR 877/08 - juris Rn. 13).

b) Nach § 40 Abs. 5 Satz 3 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung findet keine anteilige Kürzung der familienbezogenen Besoldungsbestandteile des Beamten, der das Kindergeld erhält, statt, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte mit jeweils mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt sind. Nach der Rechtsprechung des [X.]s (Urteil vom 29. September 2005 - BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 = [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 34) genügt es, wenn beide Anspruchsberechtigten zusammen mindestens eine Vollzeitbeschäftigung erreichen (vgl. § 40 Abs. 5 Satz 3 [X.] in der aktuellen Fassung). Die Regelung des § 40 Abs 5 Satz 3 [X.] soll bewirken, dass den Eltern eines Kindes, die beide im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, kein Nachteil daraus erwächst, dass der kindergeldberechtigte Elternteil teilzeitbeschäftigt ist.

§ 40 Abs. 5 Satz 3 [X.] stellt dabei auf die Anspruchsberechtigung nach Satz 1 ab. Wer [X.] nach Satz 1 ist, beurteilt sich für den neben dem betroffenen Beamten stehenden Ehegatten danach, ob ihm ebenfalls für das Kind ein Familienzuschlag oder eine entsprechende Leistung "zustünde". Unerheblich ist, dass der Ehemann der Klägerin, weil er im September 2005 nicht das Kindergeld bezogen hat, tatsächlich keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 11 [X.] hat. Denn die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach regelt in Bezug auf die kinderbezogene Leistung nicht § 11 Abs. 1 [X.], der lediglich eine Rechtsgrundverweisung ist, sondern weiterhin § 29 Abschn. [X.] 3 [X.].

Dieses bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift folgende Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 [X.]. Der kinderbezogene Familienzuschlag oder die entsprechende Leistung soll immer nur einem der möglichen Anspruchsberechtigten zustehen. Hierfür enthalten bzw. enthielten das [X.] wie auch die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (hier der über § 11 [X.] weiterhin anwendbare § 29 Abschn. [X.] 6 [X.]) Konkurrenzregelungen, die sicherstellen sollen, dass der kinderbezogene Anteil des [X.] oder die entsprechende Leistung aus öffentlichen Kassen für ein Kind nur einmal gezahlt wird. Dies wird im Besoldungsrecht über § 40 Abs. 5 Satz 1 [X.] dadurch erreicht, dass die Zahlung - und zwar in voller Höhe des Zuschlags - ausschließlich an einen der möglichen Berechtigten erfolgt, und zwar an denjenigen, der das Kindergeld erhält. Deshalb kann sich der Verweis in § 40 Abs. 5 Satz 3 [X.] nur auf denjenigen Ehegatten beziehen, der neben dem auch von § 40 Abs. 5 Satz 1 [X.] erfassten Anspruchsinhaber dem Grunde nach anspruchsberechtigt ist, aber die Erfüllung des Anspruches sich gegenüber nicht verlangen kann.

Dem entsprechen die Tarifregelungen. Nach der hier über § 11 [X.] weiterhin anwendbaren Regelung des § 29 Abschn. [X.] 3 [X.] ist die Bestimmung des Kindergeldempfängers generell außer [X.] zu lassen. Damit kommt es nicht auf den tatsächlichen Bezug des Kindergeldes, sondern auf den materiellrechtlichen Anspruch an. Maßgeblich ist deshalb auch nach dem Tarifvertragsrecht, dass der Ehemann der Klägerin die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] erhielte, wenn er zum [X.] bestimmt worden wäre. Da der Ehemann der Klägerin nicht aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, besteht die Konkurrenzsituation, die der Regelung des § 29 Abschn. [X.] 6 [X.] zugrunde liegt, fort (vgl. [X.], Urteile vom 25. Februar 2010 - 6 [X.] - Rn. 15 und - 6 AZR 877/08 - Rn. 15 sowie vom 13. August 2009 - 6 [X.] - jeweils a.a.[X.]). Gerade diese Konkurrenzsituation bewirkte und bewirkt, dass er keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage hat. Sie kann deshalb nicht zusätzlich dazu führen, dass es außerdem zu einer der Teilzeitbeschäftigung entsprechenden anteiligen Kürzung der kinderbezogenen Leistung kommt, die § 40 Abs. 5 [X.] nach seinem ausdrücklichen Gesetzeszweck gerade verhindern will. Dies wäre eine gegen den Gesetzeszweck stehende unzulässige doppelte Berücksichtigung derselben Konkurrenzsituation. Die doppelte Berücksichtigung derselben Konkurrenzsituation bei tarifvertraglichen und besoldungsrechtlichen Ansprüchen darf nicht zu einem Ergebnis führen, das dem Gesetzeszweck des § 40 Abs. 5 [X.] widerspricht.

Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 11 [X.]. Dieser soll als Vertrauensschutzregelung die Rechtsstellung Betroffener sichern. Zwar sollen über den Verweis auf die insoweit fortgeltenden Regelungen des [X.] weiterhin öffentliche Kassen durch die Einschränkungen bei Leistungen kinderbezogener Entgeltanteile zugunsten von Tarifbeschäftigten entlastet werden. Den Tarifvertragsparteien kann aber mangels Regelungskompetenz nicht der Wille unterstellt werden, öffentliche Kassen auch von an Beamte zu zahlenden Leistungen zu entlasten. Diesen Sinn würde man ihm aber geben, wenn man allein aus dem Wirksamwerden dieser Tarifvertragsbestimmung - wie der Beklagte - die Rechtsfolge ableiten würde, dass bei im Übrigen unveränderten Voraussetzungen auf Seiten des Beamten ein in voller Höhe bestehender Leistungsanspruch wegen der Teilzeitbeschäftigung des Bezugsberechtigten zu kürzen wäre.

Meta

2 C 42/09

16.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 29. Oktober 2008, Az: 21 A 2023/07, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2010, Az. 2 C 42/09 (REWIS RS 2010, 236)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 236

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