Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2013, Az. I ZR 209/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7172

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
209/11
Verkündet am:
20.
März 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Telefonwerbung für [X.]e
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3, § 8 Abs. 3; Richtlinie 2002/58/[X.]. 13 Abs. 6 Satz 1, Art. 15, 15a; AEUV Art. 169; Richtlinie 2009/22/[X.]. 7 und [X.] I
Auch Mitbewerber und Verbände können Verstöße gegen §
7 Abs.
2 Nr.
2 bis 4 und Abs.
3 UWG verfolgen.
[X.], Urteil vom 20. März 2013 -
I [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 20.
März 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Bornkamm und
die [X.], Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff und Dr.
Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20.
Zivilsenats des [X.] vom 18.
Oktober 2011 im Kos-tenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hin-sichtlich der Widerklage zum Nachteil der Beklagten entschieden hat.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8.
Kammer für Handelssachen des [X.] vom 28.
Mai 2010 wird im vollen Umfang zurückgewiesen.
Die Klägerin hat 1/3 der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, 2/5 der Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Revi-sion zu tragen. Der Beklagten werden 2/3 der Kosten des [X.] erster Instanz, 3/5 der Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die auf dem Gebiet der Telekommunikation miteinander in Wettbewerb stehenden Parteien haben im vorliegenden Rechtsstreit im Wege der Klage und der Widerklage Ansprüche wegen behaupteter wettbewerbswidriger [X.]
-
3
-
rufe geltend gemacht. Das [X.] hat der
auf insgesamt fünf Anrufe
in der [X.] vom 9.
Juni bis zum 5.
August 2009 gestützten
Widerklage, die allein Ge-genstand des Revisionsverfahrens ist, stattgegeben
und die Klägerin [X.] verurteilt,
es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr Verbraucher anzurufen oder anrufen zu lassen, um ihnen Telekommunikationsprodukte wie zum Beispiel Verträge über [X.] und/oder Verträge über Telefontarife und/oder [X.] wie zum Beispiel Verträge über einen Internetzugang und/oder Verträge über [X.] unabhängig davon anzubieten, ob der Anruf der Erweiterung oder der Aufnahme einer Vertragsbeziehung zu der Klägerin dient, solange der [X.] Verbraucher zuvor nicht sein ausdrückliches Einverständnis mit einem sol-chen Telefonanruf erklärt hat.
Ferner hat das [X.] die Klägerin zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.780,20

verurteilt.
Die von der Klägerin eingelegte Berufung hatte insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht die Unterlassungsverpflichtung
der Klägerin auf Telekommu-nikationsdienstleistungen und auf Anrufe bei [X.], die der Erweiterung einer Vertragsbeziehung mit der Klägerin dienen, beschränkt und den [X.] auf 890,10

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihre
ursprünglichen Widerklageanträge weiter
und stützt sich dabei noch auf zwei der ursprünglich als wettbewerbswid-rig geltend gemachten Werbeanrufe
(bei den Zeugen R.

und S.

).
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche der Beklagten aus §
8 Abs.
1, §
7 Abs.
2 Nr.
2 und §
12 Abs.
1 Satz
2 UWG nur zum Teil als begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
2
3
4
-
4
-
Die Beklagte habe einen Verstoß der Klägerin in Bezug auf die Be-standskundin S.

mit dem Vortrag schlüssig dargelegt, ein Servicemitar-
beiter der Klägerin habe Frau S.

am 23.
Juni 2009 auf ihrem Privatan-
schluss angerufen, um sie zum Wechsel auf ein [X.] zu überreden. Die
Klägerin sei diesem Vortrag nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten. Der Vorfall vom 23.
Juni 2009 rechtfertige nach der Entscheidung Verbotsan-trag bei Telefonwerbung

([X.], Urteil vom 5.
Oktober 2010
-
I
ZR
46/09, [X.], 433 Rn.
26
f. = [X.], 576) nur ein Verbot, das auf Tele-kommunikationsdienstleistungen und Anrufe beschränkt sei, die lediglich der Erweiterung bestehender
Vertragsbeziehungen
dienten. Für ihre Behauptung, die Klägerin habe den nicht zu ihren
Kunden gehörenden
Zeugen R.

am
9.
Juni 2009 zu Werbezwecken anrufen lassen,
sei die Beklagte
den ihr oblie-genden Beweis schuldig geblieben. Da die von der Beklagten ausgesprochene Abmahnung danach nur zur Hälfte berechtigt gewesen sei, könne sie ihre [X.] auch nur zur Hälfte ersetzt verlangen.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat [X.]. Sie führt in dem Umfang, in dem das Berufungsgericht die Widerklage [X.] hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des der Widerklage im vollen Umfang stattgebenden Urteils des [X.]s.
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Wi-derklage zulässig ist.
a) Dies gilt auch insoweit, als die Beklagte keine Ausführungen zu der Frage gemacht hat, in welcher Reihenfolge sie ihre Widerklageanträge auf die mehreren nach ihrem Vortrag bei den Zeugen R.

und S.

einge-
gangenen Werbeanrufe stützte.
5
6
7
8
-
5
-
Entsprechende Ausführungen wären im Blick auf das Erfordernis gemäß §
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO, in der Klage oder
-
wie hier
-
Widerklage bestimmte Angaben zum Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs zu machen, auch nach der inzwischen geänderten Rechtsprechung des Senats (vgl. [X.], Urteil vom 15.
März 2012

, [X.], 630 Rn.
15 = [X.], 824
-
CON-VERSE
II, [X.]) nur dann veranlasst gewesen, wenn es sich dabei nicht um denselben Streitgegenstand gehandelt hätte. Mehrere zur Begründung eines Unterlassungsantrags vorgetragene gleichartige Verletzungshandlungen stellen allerdings
einen einheitlichen Klagegrund dar (vgl. [X.], [X.], 630 Rn.
17
-
CONVERSE
II, [X.]). Soweit die Klägerin die Gleichartigkeit der von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Wettbewerbsverstöße bestritten hat, handelt es sich um eine auch im Rahmen der Begründetheit der Klage bedeutsame Frage (vgl. unten unter
II
2 b
bb). Für die Zulässigkeit der Klage reicht es daher aus, dass die Beklagte zu dieser damit doppelrelevanten Tatsache einen schlüssigen Vortrag gehalten hat (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.] vom 27.
Oktober 2009
-
VIII
ZB
42/08, [X.]Z 183, 49 Rn.
14; Urteil vom 10.
Juni 2010
-
I
ZR
106/08, [X.] 2010, 303 Rn.
22 = [X.] 2010, 1546, jeweils [X.]).
b) Die Beklagte ist als Mitbewerberin der Klägerin entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung für den von ihr geltend gemachten Unterlassungsan-spruch nach §
8 Abs.
1, §
7 Abs.
2 Nr.
2 UWG gemäß §
8 Abs.
3 Nr.
1 UWG anspruchsberechtigt.
aa) Im Schrifttum wird allerdings die Ansicht vertreten, aus der Regelung in Art.
13 Abs.
6 Satz
1 und Art.
15, 15a der Richtlinie 2002/58/[X.] über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/[X.] geänderten Fassung 9
10
11
-
6
-
folge, dass Verstöße gegen §
7 Abs.
2 Nr.
2 bis 4 und Abs.
3 UWG von Mitbe-werbern und Verbänden allenfalls in Vertretung oder Prozessstandschaft für den von der unzulässigen Werbung betroffenen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer verfolgt werden könnten. Aus einer Zusammenschau der ge-nannten Bestimmungen ergebe sich eine Anweisung an die Mitgliedstaaten si-cherzustellen, dass zum einen die von Verstößen betroffenen natürlichen und juristischen Personen dagegen gerichtlich
vorgehen könnten und zum anderen die nationalen Behörden die Einstellung eines Verstoßes anordnen und [X.] auch strafrechtliche Sanktionen verhängen könnten. Dagegen sei keine Rede davon, dass Mitbewerber und Verbände ebenfalls gegen Verstöße vorgehen könnten. Dass insoweit keine Regelungslücke, sondern eine ab-schließende Regelung vorliege, folge zwingend aus der Richtlinie 2009/22/[X.] über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (Unterlas-sungsklagenrichtlinie). Diese Richtlinie bezwecke eine Angleichung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten über Unterlassungsklagen zum Schutz der Kol-lektivinteressen der Verbraucher, die unter die im Anhang
I dieser Richtlinie aufgeführten Richtlinien fielen. In diesem Anhang
I sei zwar die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken, nicht jedoch
die Richtlinie 2002/58/[X.] aufgeführt. Gegen die (zusätzliche) Anerkennung einer Klagebe-fugnis von Mitbewerbern und Verbänden spreche zudem, dass es der Ent-scheidung der betroffenen natürlichen oder juristischen Personen überlassen bleiben solle, ob die Beeinträchtigung ihrer Individualinteressen gerichtlich ver-boten werden solle oder nicht ([X.], [X.], 1073, 1080
f.; [X.]., [X.], 1329, 1332 bis 1334). Dem kann nicht zugestimmt werden.
bb) Die Art.
13 Abs.
6 Satz
1, Art.
15 und 15a der Richtlinie 2002/58/[X.] enthalten insoweit keine abschließende Regelung.
(1) Dies folgt allerdings nicht bereits
aus Art.
169 Abs.
4 Satz
1 AEUV.
12
13
-
7
-
Nach dieser Bestimmung hindern Maßnahmen, die
das
Europäische Par-lament und der
Rat nach Art.
169 Abs.
3 AEUV gemäß dem ordentlichen Ge-setzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts-
und Sozialaus-schusses zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Verbraucher-schutzpolitik der Mitgliedstaaten nach Art.
169 Abs.
2 Buchst.
b AEUV be-schlossen
haben,
die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Schutz-maßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Ein auf diese Norm gestützter Sekundärrechtsakt bedarf keiner eigenen Mindeststandardklausel,
weil der Mindeststandard bereits kraft Primärrechts gilt ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 2012, §
4 Rn.
28).
Die Regelung des Art.
169 Abs.
4 Satz
1 AEUV gilt jedoch nicht für [X.], die die [X.] gemäß Art.
169 Abs.
2 Buchst.
a AEUV im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Art.
114 AEUV erlässt. Die Bestimmung des Art.
169 Abs.
4 Satz
1 AEUV ist über Art.
169 Abs.
3 AEUV auf Art.
169 Abs.
2 Buchst.
b AEUV, nicht dagegen auch auf Art.
169 Abs.
2 Buchst.
a AEUV rückbezogen. Die in
dieser Bestimmung angesprochene [X.] kennt daher keine Mindeststandardklausel ([X.] aaO §
4 Rn.
29). Die Regelung des Art.
169 Abs.
4 Satz
1 AEUV gilt mithin
nicht für die Richtli-nien 2002/58/[X.] und 2009/22/[X.], die beide insbesondere auf
Art.
95 [X.] (jetzt: Art.
114 AEUV) gestützt und damit im Rahmen der Verwirklichung des Binnen-markts erlassen worden sind.
(2) Die Richtlinie
2009/22/[X.], auf die sich die von der [X.] für ihren Standpunkt herangezogene Ansicht
im Schrifttum maßgeblich stützt, gibt
-
an[X.] als ihr Titel vermuten lässt
-
schon kein geschlossenes Sys-tem zur Regelung von Unterlassungsklagen vor, sondern will lediglich ein grenzüberschreitendes Vorgehen von [X.] bei inner-gemeinschaftlichen
Verstößen ermöglichen. Hierzu sieht Art.
4 der Richtlinie 14
15
16
-
8
-
2009/22/[X.] vor, dass die Mitgliedstaaten Vorkehrungen dafür treffen, dass bei
einem gegen Verbraucherschutzbestimmungen
verstoßenden Verhalten, das
in einem Mitgliedstaat seinen Ursprung hat, die Verbraucherinteressen jedoch in einem anderen Mitgliedstaat beeinträchtigt, jede qualifizierte Einrichtung dieses anderen Mitgliedstaats das zuständige nationale Gericht oder die zuständige nationale Behörde im [X.] anrufen kann ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 11.
Aufl., Vor §
1 UKlaG Rn.
6). Schon aus diesem Grund lassen sich aus der Richtlinie 2009/22/[X.] keine Schlüsse auf die Anspruchsbe-rechtigung
von Mitbewerbern und Verbänden bei einem reinen Inlandssachver-halt wie dem
im Streitfall
gegebenen ziehen.
Überdies hindert die Richtlinie 2009/22/[X.] nach ihrem Art.
7 die Mit-gliedstaaten nicht daran, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die den qualifizierten Einrichtungen sowie sonstigen betroffenen Personen auf [X.] weitergehende Rechte zur Klageerhebung einräumen. Auch aus diesem Grund lässt sich aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2002/58/[X.] im Anhang
I der Richtlinie 2009/22/[X.] nicht aufgeführt ist, nicht ableiten, dass der Beklagten die nach §
8 Abs.
3 Nr.
1 UWG erforderliche Klage-
und [X.] für den mit der Widerklage geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß §
8 Abs.
1, §
7 Abs.
2 Nr.
2 UWG fehlt.
2. Das Berufungsgericht hat die Widerklage zu Unrecht als nur teilweise
begründet
angesehen.
a) Die Revision wendet sich allerdings vergeblich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei den ihr obliegenden Beweis schuldig geblieben, dass die Klägerin auch den nicht zu ihrem Bestand gehörenden Zeugen R.

zu Werbezwecken habe
anrufen lassen.
17
18
19
-
9
-
aa)
Das Berufungsgericht hat zu diesem Vorgang ausgeführt, aufgrund der Aussage
der Zeugen A.

und R.

stehe lediglich fest, dass unter
der vom Zeugen R.

notierten Rufnummer unter Verwendung des Unter-
nehmenskennzeichens der Klägerin geworben worden sei, nicht dagegen, dass diese Werbung durch die Klägerin oder in deren
Auftrag erfolgt sei. Aus ande-ren Verfahren
sei bekannt, dass sich mehrfach Werber von Mitbewerbern als Mitarbeiter der Klägerin ausgegeben hätten; hierauf seien
die Parteien in der mündlichen Verhandlung hingewiesen
worden. Die Zeugen P.

und

M.

, die dem Vorfall R.

im Auftrag der Klägerin nachgegangen
seien, hätten bekundet, dass ein entsprechender Werbeanruf in keinem der Systeme (der Klägerin) dokumentiert gewesen sei. Die Überprüfung der vom Zeugen R.

notierten Rufnummer durch die Zeugin

M.

habe er-
geben, dass diese Nummer
weder einer Servicestelle der Klägerin
noch sonst einem Anschlussinhaber habe zugeordnet werden können. Die Bekundungen der beiden zuletzt genannten Zeugen seien ungeachtet dessen nicht [X.], dass es sich bei diesen Zeugen um Mitarbeiter der Klägerin handele. Die sicherlich nicht vollständige Erfassung von Werbemaßnahmen der Klägerin er-kläre nicht, weshalb die fragliche Nummer keinem der Servicecenter der [X.] habe zugeordnet werden können. Es sei auch unwahrscheinlich, dass sich die Klägerin eines [X.] bediene, das bei ihr nicht registriert
sei. Ein Anruf durch ein externes Callcenter der Klägerin liege ohnehin fern, da ein [X.] Callcenter mit [X.] der Klägerin rechnen müsse und sich daher kaum als Servicecenter der Deutschen Telekom AG

bezeichnen
werde.
bb) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe bei diesen Ausführungen die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Grundsätzen des Anscheinsbeweises verkannt; insbesondere habe es nicht hinreichend berück-sichtigt, dass der Anscheinsbeweis nur durch den vollen Beweis der Tatsachen erschüttert werden könne, die auf die ernsthafte Möglichkeit eines abweichen-20
21
-
10
-
den [X.] schließen ließen. Im Streitfall fehlt es indessen schon an einer Grundvoraussetzung des Anscheinsbeweises, nämlich an einem typi-schen Geschehensablauf in dem Sinne,
dass hinter einer Nummer, unter der sich ein Servicecenter der Deutschen Telekom AG

meldet und für Produkte der Klägerin wirbt, nach der Lebenserfahrung typischerweise auch tatsächlich die Klägerin steht. Ungeachtet dessen haben nach der tatrichterlichen Würdi-gung des Berufungsgerichts die Aussagen der Zeugen P.

und

M.

den vollen Beweis für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des

von der Beklagten behaupteten [X.] erbracht.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch nicht dadurch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, dass es auf seine eigene Kenntnis aus anderen Verfahren zurückgegriffen und darauf hingewiesen hat, es hätten sich schon öfters Werber der Konkurrenz als Mitar-beiter der Klägerin ausgegeben. Ausweislich der von der Revision nicht in Zwei-fel gezogenen Angaben im Berufungsurteil hat das Berufungsgericht diesen Punkt mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert.
b)
Mit Erfolg wendet sich die Revision
aber
gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Vorfall S.

rechtfertige nur ein Verbot, das auf
Telekommunikationsdienstleistungen und auf Anrufe bei [X.]
be-schränkt sei, die der Erweiterung einer (bestehenden) Vertragsbeziehung dien-ten.
aa) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Klägerin sei ein Te-lekommunikationsdienstleister, dessen Werbemaßnahmen demzufolge allein der Vermarktung der von ihm
erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen dienten. Soweit sie Telefongeräte, Splitter, Router und dergleichen anbiete, er-folge dies nur im Zusammenhang mit der Vermarktung dieser Dienstleistungen, 22
23
24
-
11
-
soweit der Kunde zu deren Nutzung solche
Geräte benötige. Da die von der Beklagten zur näheren Beschreibung des Begriffs Telekommunikationsproduk-te

aufgelisteten Beispiele ausnahmslos Telekommunikationsdienstleistungen beträfen, habe auch der Begriff Telekommunikationsprodukte

im Widerklage-antrag durch den darin als Minus enthaltenen Terminus Telekommunikations-dienstleistungen

ersetzt werden können.
Der Vorfall S.

unterscheide sich vom Werbeanruf eines Call-
centers aber auch dadurch, dass ein solches Callcenter an[X.] als die Klägerin, die über einen großen Endkundenbestand verfüge, seinem Wesen nach keine im Rahmen der Werbeaktion [X.] Bestandskunden habe. Wenn ein Unternehmen einen eigenen Kunden anrufe, um ihm eine Vertragsänderung anzudienen, weil dieser im Kundenverzeichnis fälschlicherweise als mit [X.] einverstanden vermerkt sei, beruhe der
Anruf auf einer Nachläs-sigkeit des Werbenden, die seine Bereitschaft, sich [X.] zu verhalten, nicht an sich in Frage stelle. Dagegen nehme derjenige, der potentielle [X.] anrufe, bei denen keine Anhaltspunkte für ein Einverständnis vorlägen, den Gesetzesverstoß zumindest billigend in Kauf. Die wirtschaftliche Situation der Klägerin, die insoweit früher eine
Monopolstellung gehabt habe,
[X.] sich grundlegend von der aller Mitbewerber; für ihr wirtschaftliches Wohler-gehen sei in erster Linie die Pflege ihrer Bestandskundenbeziehungen ent-scheidend, nicht dagegen die Abwerbung von Kunden der Mitbewerber. Der Vorfall S.

rechtfertige daher nicht die Annahme, die Klägerin werde
auch bereit sein, potentielle Neukunden anzurufen oder anrufen zu lassen, bei denen sie keine Erkenntnisse über die Erteilung eines Einverständnisses habe und ein solches auch weitaus ferner liege als bei eigenen Bestandskunden.
bb) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dies gilt sowohl
insoweit, als das Berufungsgericht den auf Telekommunikationspro-25
26
-
12
-
dukte bezogenen Unterlassungsantrag in der Widerklage nur als in Bezug auf Telekommunikationsdienstleistungen begründet angesehen hat, als auch
inso-weit, als es eine Begehungsgefahr auch nur
für Anrufe bei [X.] bejaht hat, die der Erweiterung einer Vertragsbeziehung zwischen diesen und der Klä-gerin dienten.
(1) Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt allerdings zutreffend da-von ausgegangen, dass Ansprüche auf Unterlassung über die konkrete Verlet-zungshandlung hinaus gegeben sein können, soweit in der erweiterten Form das Charakteristische der Verletzungshandlung noch zum Ausdruck kommt (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Oktober 2010
-
I
ZR
46/09, [X.], 433 Rn.
26 =
[X.], 576
-
Verbotsantrag bei Telefonwerbung, [X.]). Mit Recht hat es auch angenommen, dass das Charakteristische der Verletzungshandlung dann, wenn
-
wie hier
-
mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung geworben wird, grundsätzlich im unverlangten Werbeanruf besteht und es daher nicht darauf ankommt, wofür geworben wird, dass
aber bei einem Werbeanruf eines Gewerbetreibenden für die Waren oder Dienstleistungen seines Geschäftsbetriebs die durch die Verlet-zungshandlung begründete [X.] grundsätzlich nicht über den Unternehmensgegenstand hinausreicht ([X.], [X.], 433 Rn.
27
-
Ver-botsantrag bei Telefonwerbung).
(2) Nach diesen Grundsätzen lässt sich die sachliche Reichweite des vom Berufungsgericht
als dem Grunde nach berechtigt angesehenen Verbots jedoch nicht wie von diesem angenommen auf [X.], das heißt auf Telekommunikationsprodukte

unter Ausschluss von Te-lekommunikationswaren

beschränken. Für eine solche Einschränkung besteht schon deshalb keine Grundlage, weil der Unternehmensgegenstand der [X.] sich ausweislich des Handelsregisters auf die Betätigung im gesamten Be-27
28
-
13
-
reich der Telekommunikation erstreckt. Außerdem liegt es auch dann, wenn die Klägerin von ihr
als Telekommunikationswaren

bezeichnete Produkte, die sie vertreibt, bislang weder einzeln noch im Rahmen von Leistungspaketen im We-ge der Telefonwerbung beworben hat, zumindest nicht fern, dass sie dies
-
zu-mal dann, wenn Konkurrenzunternehmen sich entsprechend verhalten
-
in Zu-kunft tun wird.
(3) Ebenfalls zu eng ist auf der Grundlage der oben dargestellten Grundsätze die Sichtweise des Berufungsgerichts, eine Begehungsgefahr be-stehe im Hinblick auf den festgestellten Wettbewerbsverstoß der Klägerin
nur insoweit, als sie
-
wie bei dem festgestellten Verstoß
-
bei Bestandskunden

Telefonwerbung betreibe. Nachdem das Monopol, das früher zugunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin bestanden hat, bereits vor etlichen Jahren aus-gelaufen ist und die Klägerin seither
-
wie allgemein bekannt
ist
-
nicht wenige Kunden verloren hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie
ihre werbende Tätigkeit auf den Erhalt der noch bestehenden Kundenbeziehungen
und der Ausstattung der vorhandenen Kunden mit weiteren
Telekommunikati-onsprodukten
beschränkt und
auch auf absehbare [X.] beschränken
wird. Zwar wird
die Gewinnung neuer Kunden im Wege der Telefonwerbung dadurch er-schwert, dass sie jedenfalls bei [X.] nur dann zulässig ist, wenn diese in eine entsprechende Werbung ausdrücklich eingewilligt haben. Der Erlangung einer solchen ausdrücklichen Einwilligung durch weitere
-
insoweit vorbereiten-de
-
Werbemaßnahmen stehen jedoch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegen.
Es erscheint daher nicht als fernliegend, dass die Klägerin neue Kunden ebenso wie Bestandskunden
auch dann ohne deren ausdrückliche Einwilligung anrufen (lassen) wird, wenn es sich dabei um Verbraucher handelt. Danach kann in Bezug auf
potenzielle Kunden, zu denen die Klägerin bislang keine Geschäftsbeziehungen unterhalten hat,
eine entsprechende Begehungs-gefahr ebenfalls nicht verneint werden.
29
-
14
-
II[X.] Nach allem ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit
dort hinsichtlich der Widerklage zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. In diesem Umfang
ist das der Widerklage im vollen Umfang stattgebende Urteil des [X.]s wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung
beruht auf §
91 Abs.
1, §
92 Abs.
1, §
97 Abs.
1 ZPO.

Bornkamm
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.05.2010 -
38 [X.]/09 -

O[X.], Entscheidung vom 18.10.2011 -
I-20 [X.] -

30
31

Meta

I ZR 209/11

20.03.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2013, Az. I ZR 209/11 (REWIS RS 2013, 7172)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7172

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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