Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.05.2013, Az. VII B 36/13

7. Senat | REWIS RS 2013, 6003

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Gegenstand

NZB bei Entscheidungen wegen Einstellung der Zwangsvollstreckung


Leitsatz

1. NV: Mit der NZB müssen Rechtsfehler des FG bei der Überprüfung der Entscheidung des FA gerügt werden. Einwände wegen Ermessungsfehlern des FA können nur zur Revisionszulassung führen, wenn das FG insoweit seiner Pflicht zur Ermessensüberprüfung nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Bei einem solchen Entscheidungsmangel handelte es sich allerdings --wenn er vorläge-- um einen materiellen Fehler, der nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann.

2. NV: Ein Insolvenzantrag, den das FA unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner aufgrund bestandskräftiger Steuerbescheide gegebenen Rechtsstellung oder aus sachfremden Erwägungen stellt, ist ermessensfehlerhaft. Ein solcher Antrag wäre insbesondere unzulässig, wenn für das FA von vornherein feststehen würde, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist.

3. NV: Für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

Tatbestand

1

I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die auf Einstellung und Beschränkung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerichtete Klage des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) abgewiesen. Der Kläger [X.] eine dauerhafte Unterbindung der Vollstreckung, für die § 258 der Abgabenordnung, der lediglich die einstweilige Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten vorsehe, keine Grundlage biete und die Vollstreckung angesichts der völlig unzureichenden Tilgungsangebote nicht unbillig sei. Daran ändere auch der Vortrag des [X.] nichts, dass er infolge der Vollstreckung den Energielieferanten nicht wechseln und keinen Mobilfunkvertrag mehr abschließen könne. Die einzelnen, bereits getroffenen Maßnahmen habe der Kläger nicht angefochten, sie seien mangels eines Vorverfahrens bestandskräftig. Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Bescheide müssten außerhalb des [X.] erhoben werden.

2

Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit [X.] des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), der mit der Vollstreckung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verletze. Insbesondere seien die Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens und der Insolvenzantrag ermessensfehlerhaft, da über eine Nichtigkeit der versehentlich bestandskräftig gewordenen Steuerbescheide noch nicht entschieden sei und das Festhalten an den Anträgen zu einem "finanziellen Rufmord" und damit zur Existenzvernichtung führe.

Entscheidungsgründe

3

II. [X.] ist unzulässig. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gebotenen Weise schlüssig dargelegt.

4

Die Revision kann nur zur Überprüfung der Entscheidung des [X.] zugelassen werden, das heißt, mit der Beschwerde müssen Rechtsfehler des [X.] bei der Überprüfung der Entscheidung des [X.] gerügt werden, und diese gerügten Rechtsfehler müssen einer revisionsrechtlichen Kontrolle nach den Vorgaben des § 115 Abs. 2 [X.]O zugänglich sein. Die Einwände des [X.] betreffen demgegenüber nur mögliche Ermessensfehler des [X.]. Unter dem Gesichtspunkt der Revisionszulassung kann das Vorbringen allenfalls dahingehend gedeutet werden, das [X.] sei insoweit seiner Pflicht zur Ermessensüberprüfung (§ 102 [X.]O) nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Bei einem solchen Entscheidungsmangel handelt es sich allerdings --wenn er vorläge-- um einen materiellen Fehler, der nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2002 VII B 296/01, [X.] 2002, 1485) und auch sonst die Revisionszulassung nicht rechtfertigt. Denn eine über das Interesse des [X.] am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, für die Allgemeinheit bedeutsame, durch den [X.] klärungsbedürftige und in diesem Verfahren klärungsfähige konkrete Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O ist damit nicht formuliert (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2008 VII B 83/07, [X.] 2008, 737).

5

Angemerkt sei allerdings, dass nach der Senatsrechtsprechung zwar allein auf die Existenzvernichtung des Steuerpflichtigen gerichtete Vollstreckungsmaßnahmen ermessensfehlerhaft sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, [X.] 2004, 464). Das setzt aber voraus, dass das [X.] den Insolvenzantrag unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner aufgrund der bestandskräftigen Steuerbescheide gegebenen Rechtsstellung oder aus sachfremden Erwägungen stellt. Ein solcher Antrag wäre (nur) dann unzulässig, wenn für das [X.] von vornherein feststünde, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist (Senatsentscheidungen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, [X.] 2007, 1270, und vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, [X.] 2006, 900). Dazu fehlen substantiierte Darlegungen in der Beschwerde. Dagegen ist ihr zu entnehmen, dass das [X.] den Insolvenzantrag vor Erhebung der Feststellungsklage auf Nichtigkeit der Steuerbescheide gestellt hat und das Insolvenzgutachten mit dem Vorschlag, die Verfahrenseröffnung mangels Masse abzulehnen, erst Monate später erstellt worden ist. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten des [X.] bietet dieser Sachverhalt nicht.

6

Außerdem ist die Entscheidung des [X.] schon insoweit richtig, als kein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des [X.] mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des [X.] bestand, nachdem das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag des [X.] lange vor Klageerhebung mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat, denn nach § 13 Abs. 2 der [X.] kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, [X.] 2010, 1122).

Meta

VII B 36/13

08.05.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 30. Januar 2013, Az: 9 K 974/10, Urteil

§ 102 FGO, § 258 AO, § 286 AO, § 13 Abs 2 InsO, § 115 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.05.2013, Az. VII B 36/13 (REWIS RS 2013, 6003)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6003

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