Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.07.2018, Az. 4 StR 68/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 5325

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit durch Verkündung eines zweiten Ausschließungsbeschlusses in nichtöffentlicher Sitzung; Verwirkung des Rügerechts; Anforderungen an den Rügevortrag


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. September 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten „wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in 61 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es bestimmt, dass neun Monate der verhängten Strafe als vollstreckt gelten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

Der Beschwerdeführer macht zutreffend den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 [X.] geltend. Nachdem die [X.] für die Dauer der Einlassung des Angeklagten die Öffentlichkeit gemäß § 171b [X.] ausgeschlossen hatte, beschloss sie noch in der hierdurch angeordneten nichtöffentlichen Verhandlung auf Antrag des [X.], die Öffentlichkeit auch während der Verlesung früherer Aussagen der Geschädigten „aus den Gründen des vorangegangenen Beschlusses“ auszuschließen.

3

Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Verfahrensrüge zulässig erhoben. Sie ist nicht verwirkt; in dem Umstand allein, dass sich der Verteidiger (wie im Übrigen auch die Staatsanwaltschaft) dem Antrag des [X.] angeschlossen hatte, vermag der Senat keinen Anhaltspunkt für eine Verwirkung zu erkennen (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 29. Juni 1999 - 5 StR 300/99, bei [X.], [X.], 33, 40 f.). Auch war der Beschwerdeführer nicht gehalten, sich im Rahmen seines [X.] (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Beruhen des Urteils auf dem gerügten Verstoß denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 338 Rn. 50b; § 344 Rn. 27).

4

In der Sache beanstandet der Beschwerdeführer zu Recht, dass der zweite Ausschließungsbeschluss in nichtöffentlicher Sitzung verkündet wurde. Dies verletzte § 174 Abs. 1 Satz 2 [X.], der grundsätzlich zur Information der Öffentlichkeit über Anlass und Ausmaß der Ausschließung eine öffentliche Verkündung des Beschlusses gebietet (vgl. zur weiteren Ausschließung der Öffentlichkeit nach vorübergehendem Ausschluss [X.], Urteil vom 28. Mai 1980 - 3 [X.], NJW 1980, 2088; Beschluss vom 24. August 1984 - 5 StR 552/84, [X.], 37, 38; Beschluss vom 29. Juni 1999, aaO). Ein [X.] im Sinne des zweiten Halbsatzes der Vorschrift lag ersichtlich nicht vor.

5

Das Beruhen des Urteils auf dem aufgezeigten Rechtsfehler ist nicht denkgesetzlich ausgeschlossen; das [X.] hat die während des erneuten Ausschlusses der Öffentlichkeit verlesenen früheren Aussagen der Nebenklägerin zur Bestätigung des Geständnisses des Angeklagten, mit dem er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeräumt hat, herangezogen.

6

Der absolute Revisionsgrund zieht die Aufhebung der Verurteilung des Beschwerdeführers nach sich.

7

Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter hat auch Gelegenheit, in den Fällen [X.] 1 bis 61 der Urteilsgründe nähere Feststellungen zu dem in § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003, [X.] I S. 3007) bezeichneten [X.] zu treffen (vgl. [X.], Urteile vom 12. Februar 1997 - 3 StR 478/96, [X.]R StGB § 174 Abs. 1 [X.] 9 und vom 2. Juni 1999 - 5 [X.], bei [X.], NStZ-RR 1999, 321).

Sost-Scheible     

        

Cierniak     

        

Bender

        

Quentin     

        

Bartel     

        

Meta

4 StR 68/18

30.07.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Baden-Baden, 28. September 2017, Az: 206 Js 15242/10 jug 3 KLs

§ 171b GVG, § 174 Abs 1 S 2 GVG, § 338 Nr 6 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.07.2018, Az. 4 StR 68/18 (REWIS RS 2018, 5325)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5325

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