Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2015, Az. VI ZR 332/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9704

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 332/14
vom
16. Juni 2015
in dem Rechtsstreit
-
2
-
Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juni 2015 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterinnen von
Pentz und Dr.
Roloff

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des
Beklagten
zu 2
wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 25.
Juni 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert:

Gründe:
I.
Die am 21.
Januar 2006 im Wege einer Notsectio geborene Klägerin nimmt den Beklagten zu
2 (nachfolgend: Beklagter) als geburtsleitenden Beleg-arzt in der Klinik der ehemaligen Beklagten zu
1 wegen unzureichender Aufklä-rung über die Risiken einer eingeleiteten Vaginalgeburt nach bereits zuvor er-folgter Sectio auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Bei der Mutter der Klägerin war bereits im Jahre 2003 wegen eines vermuteten 1
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Missverhältnisses zwischen dem kindlichen Kopf und dem mütterlichen Becken eine elektive Sectio durchgeführt worden. Ende des Jahres 2005 wurde die Mutter der Klägerin von dem sie behandelnden Gynäkologen an den Beklagten zur Geburtsplanung überwiesen. Das entsprechende Gespräch mit der Mutter der Klägerin dokumentierte der Beklagte wie folgt: "Pat. kommt zur Geburtspla-nung bei vorausgegangenem Kaiserschnitt, siehe Arztbrief in der [X.]. Spontan-partus anstreben, Einleitung am Termin, dann
nicht zu lange mit Sectio. [X.]. Mens 7 bis 10". Am 21.
Januar 2006 in der 40 + 1 SSW fand sich die Klägerin in dem
von der ehemaligen Beklagten zu
1 betriebenen [X.] zum Zwecke der Geburtseinleitung bei Gestationsdiabetes ein. Die Aufnahme erfolgte um 8.00
Uhr durch die ehemalige Beklagte zu
3, eine Hebamme. Um 8.40
Uhr er-folgte die Einleitung durch Verabreichung von 1 mmg Minprostien-Gel (Prosta-glandin) intravaginal. Um 14.55
Uhr verabreichte die ehemalige Beklagte zu
4, eine andere Hebamme, eine weitere Dosis Minprostien-Gel intravaginal. Um 17.57
Uhr zeigte das [X.] kindliche Herztöne von nur noch 90 Schlägen pro Mi-nute. Diese erholten sich auf 115 Schläge pro Minute. Um 18.00
Uhr informierte die Beklagte zu
4 den
Beklagten zu
2 und verabreichte der Mutter der Klägerin nach weiteren Abfällen der kindlichen Herztöne um 18.07
Uhr eine Bolusinjekti-on
Partusisten zur Wehenhemmung. Sie informierte das [X.] über eine bevorstehende Sectio. Um 18.09
Uhr erreichte
der Beklagte zu
2 den Kreissaal und ordnete nach einer Ultraschalluntersuchung um 18.18
Uhr eine Notsectio an. Um 18.26
Uhr wurde die Klägerin in "schwer deprimierten" Zu-stand entwickelt. Ihr Zustand wurde wie folgt beschrieben: "Stamm
rosig, schwach, schwacher Puls, keine [X.]". Die Klägerin wurde sofort rea-nimiert, intubiert und weiter behandelt. Um 18.46
Uhr erschienen die um 18.25 Uhr informierten Kinderärzte der Kinderklinik des Städtischen [X.]s W.

. Um 19.20
Uhr wurde die Klägerin in die Kinderklinik verlegt.
Ursache für die Geburtskomplikation war eine plötzlich aufgetretene Uterusruptur. Im OP--
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Bericht heißt es insoweit nach Eröffnen der [X.]: "Es quillt sofort Blut und [X.] aus der [X.]. Nach Entfernen derselben zeigt sich eine Uterusruptur, aus der bereits die Plazenta hervorkommt. Das Kind ist nach [X.] verdrängt".
Die Klägerin hat behauptet, sie habe infolge der Uterusruptur schwere hirnorganische Schädigungen davon getragen. Sie leide unter erheblichen psychomotorischen Schädigungen, einer infantilen Cerebralparese und einer außergewöhnlich schweren Entwicklungsstörung. Das [X.] hat die [X.] dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; es hat angenommen, der [X.] hafte wegen unzureichender Aufklärung über die mit einer eingeleiteten [X.] nach zuvor erfolgter Sectio verbundenen Gefahren. Das Oberlan-desgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der [X.] dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus ihrer Geburt am 21.
Januar 2006 zu ersetzen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückver-weisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des [X.], die von der Klägerin erlittenen Gesundheitsschäden seien auf die Uterusruptur
zurückzuführen, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des
Beklagten
auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art.
103 Abs.
1 GG.
2
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-
1. Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten in der Berufungsbegrün-dung erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des [X.]s, die ge-sundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die Uterusruptur zu-rückzuführen, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe "den Einwand der fehlenden Kausalität"
in erster Instanz nicht bzw. ohne jede Substanz erhoben. Die dazu nun erstmals unterbreiteten Be-hauptungen seien weitgehend spekulativ. Die vom Beklagten in
der [X.] geltend gemachte Schädigung der Klägerin vor der Geburt sei nicht substantiiert dargetan. Der sachkundige Beklagte habe nicht aufgezeigt, dass die festgestellten geringen chronischen Durchblutungsstörungen der [X.] überhaupt die Folgen bei der Klägerin hätte nach sich ziehen können, ohne dass in der Geburtsüberwachung weitere Symptome zu Tage getreten wären. Auch hätte eine solche Annahme des Beklagten schon bei der Geburts-planung eine andere Aufklärung, Befunderhebung und Behandlung nach sich ziehen müssen. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten für den Senat überzeugend begründet, dass der abrupte Sauerstoffmangel über eine halbe Stunde hinweg die heutigen Defizite der Klägerin erklären und die niedrigen [X.] und der "aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung nicht si-cher feststellbare pH-Wert die Schädigung unter der Geburt" belegten. Dass Krampfanfälle zwingend gewesen seien und sich bei Untersuchungen hätten zeigen müssen, sei nicht zu ersehen. Zur Berücksichtigung des pH-Werts habe die Berufungserwiderung alles Erforderliche dargelegt. Der Beklagte habe [X.] nicht bestritten, dass sich mit der Uterusruptur ein Risiko der Vaginalgeburt realisiert habe und dieses konkret geeignet gewesen sei, den verursachten Schaden herbeizuführen. Den Gegenbeweis, dass die gesundheitlichen Beein-trächtigungen der Klägerin in gleicher Weise im Zuge einer von Anfang an ge-planten Resectio aufgetreten wären, hätte der Beklagte als Einwand eines hy-pothetischen Kausalverlaufs führen müssen. Hierzu fehle es sowohl an einem 4
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hinreichenden Sachvortrag, der dem fachkundigen Beklagten zuzumuten sei, als auch an entsprechenden Belegen. Hinzu komme, dass der Beklagte mit neuem Sachvortrag nach §
531 Abs.
2 ZPO ausgeschlossen sei. Denn ihm als einschlägig gebildeten Facharzt kämen keine Darlegungserleichterungen zu. Der Einholung eines neonatologischen Gutachtens bedürfe es beim derzeitigen Verfahrensstand nicht.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass das Be-rufungsgericht das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz gemäß §
531
Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat, wonach die Klägerin entgegen der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] keinen niedrigen pH-Wert aufgewiesen habe; ausweislich des Berichts der Klinik für Kinder-
und Jugendmedizin des [X.]

sei die Analyse des [X.] vielmehr nicht verwertbar gewesen. Durch die unterlassene Berücksichtigung dieses Vorbringens hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
a) Der Sachverständige hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ausgeführt: "Bei dem niedrigen [X.] und dem niedrigen pH-Wert ist eigentlich davon auszugehen, dass die wesentlichen Schädigungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt eingetreten waren". Auf diese An-gaben hat das [X.] seine Überzeugung gestützt, dass die Uterusruptur kausal für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin war. Das ge-gen diese Beurteilung gerichtete Vorbringen des Beklagten ist nicht neu im Sin-ne des §
531 Abs.
2 ZPO. Die fehlende Verwertbarkeit des pH-Wertes ergab sich, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht hinweist, nicht nur aus dem bereits erstinstanzlich bei den Akten befindlichen Bericht der Klinik für Kin-der-
und Jugendmedizin des [X.]

, sondern auch aus 5
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7
-
den von den ehemaligen Beklagten zu 1 und 3 erstinstanzlich zu den Akten ge-reichten Behandlungsunterlagen.
Danach war das Blut aus der Nabelschnurar-terie zur Bestimmung des
pH-Wertes erst eine Stunde nach der Geburt abge-nommen und der festgestellte Wert von 6,61 als "wohl nicht aussagekräftig" bezeichnet worden. Diesen Gesichtspunkt hatte auch der Sachverständige im Rahmen der Auswertung der Behandlungsunterlagen auf S. 5 seines schriftli-chen Gutachtens angeführt. Er hatte zusätzlich bemerkt, dass das [X.] erst um 19.20
Uhr entnommen worden sei, weil die ehemalige Beklagte zu 4 bei der Reanimation assistiert habe; das Blut sei größtenteils geronnen gewesen. Diese -
ihm günstigen -
Umstände hatte sich der Beklagte zumindest hilfsweise zu eigen gemacht (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 30. November 2010 -
VI
ZR 25/09, [X.], 1158 Rn.
9; vom 24. März 2015 -
VI
ZR 179/13, juris Rn.
14, 17). Den Widerspruch zwischen den im Einklang mit den Behandlungs-unterlagen stehenden Ausführungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach der pH-Wert der Klägerin niedrig gewesen sei, hätten sowohl das [X.] als auch das Berufungsgericht von Amts wegen erkennen und bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage berücksichtigen müssen. Denn der Tatrichter ist verpflich-tet, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nach-zugehen (vgl. Senatsurteile vom 23.
März 2004 -
VI [X.], [X.], 790; vom 8.
Juli 2008 -
VI [X.], [X.], 1265, jeweils mwN).
Dies gilt umso mehr, als das [X.] die streitige Frage, ob die Ute-rusruptur kausal für die Gesundheitsschäden der Klägerin war, erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] thematisiert hat. Die [X.] war nicht Gegenstand der Beweisbeschlüsse vom 26. Juli bzw. [X.] 2011 mit der Folge, dass sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten mit ihr nicht befasst hatte.
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-
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b) [X.] ist auch entscheidungserheblich. Die [X.] Entscheidung wird nicht von der Hilfserwägung getragen, der Einwand des Beklagten träfe nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht insoweit eine von der Beurteilung des ge-richtlich bestellten Sachverständigen abweichende, eigene medizinische Be-wertung des [X.] vorgenommen hat ohne aufzuzeigen, dass es über die erforderliche Sachkunde verfügt. Das Berufungsgericht hat die Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, die das Land-gericht noch exakt übernommen hatte und wonach "angesichts des niedrigen [X.]s sowie des niedrigen pH-Wertes" davon auszugehen sei, dass die wesentlichen Schädigungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt eingetreten gewesen seien" dahingehend abgeändert, dass die niedrigen [X.] und "der aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung nicht si-cher feststellbare pH-Wert" die Schädigung unter der Geburt belege. Woher das Berufungsgericht die Erkenntnis nimmt, dass der pH-Wert aufgrund fehlerhafter Sauerstoffversorgung nicht feststellbar gewesen sein soll und dies die Kausali-tät der Uterusruptur
für die Schädigung belege, ist nicht erkennbar. Diese Beur-teilung findet in den Ausführungen des Sachverständigen keine Grundlage.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens des
Beklagten nicht die erforderliche Überzeugung gebildet hätte, dass die gesundheitlichen Beein-trächtigungen der Klägerin auf die Uterusruptur zurückzuführen sind. Denn der Patient trägt die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf eine andere Ursache zurückgeht. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (vgl. zur Beweislast für die Kausalität des ei-8
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genmächtigen Eingriffs für die geltend gemachte Schadensfolge: Senatsurteil vom 7.
Februar 2012 -
VI
ZR 63/11, [X.], 298 Rn.
10).
3.
Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet darüber hinaus mit [X.], dass das Berufungsgericht auch die weiteren vom Beklagten in der [X.] erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des [X.]s, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die
Ute-rusruptur zurückzuführen, gemäß §
531 Abs.
2 ZPO nicht zugelassen hat.
a) Das Vorbringen des Beklagten, wonach die Plazenta der Mutter der Klägerin geringe chronische Durchblutungsstörungen aufgewiesen habe und es deshalb bereits vor der Geburt zu einer Schädigung der Klägerin gekommen sei,
ist nicht neu im Sinne des §
531 Abs.
2 ZPO. Diesen Gesichtspunkt hatte der gerichtliche Sachverständige auf S. 6 seines schriftlichen Gutachtens in das Verfahren eingeführt. Da er dem Beklagten günstig ist, hatte er ihn sich [X.] hilfsweise zu Eigen
gemacht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2010 -
VI
ZR 25/09, [X.], 1158 Rn.
9; vom 24. März 2015 -
VI
ZR 179/13, juris Rn.
14, 17). Hinzu kommt, dass es sich bei den
Fragen, ob eine Schädigung der Klägerin infolge der geringe chronische Durchblutungsstörun-gen aufweisenden Plazenta vor der Geburt oder möglicherweise angesichts des Ausbleibens cerebraler Krampfanfälle erst nach der Geburt eingetreten ist, um solche
handelt, die nicht von einem gynäkologischen Sachverständigen, son-dern einem neonatologischen Sachverständigen zu beurteilen sind. Dies hätte das erstinstanzliche Gericht bereits von Amts wegen beachten müssen. Der Umstand, dass die nicht beweisbelastete [X.] erstinstanzlich den Hinweis [X.] unterlassen hat,
dass eine streitige Frage nicht von einem Sachverständi-gen
aus dem einschlägigen Fachgebiet
beantwortet worden ist, nimmt ihr nicht das Recht, diesen Rechtsfehler in der Berufungsinstanz zu beanstanden.
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-
10
-
b) Das Berufungsgericht hat dem Beklagten darüber hinaus rechtsfehler-haft
Nachlässigkeit im Sinne des §
531 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 ZPO vorgeworfen. Es hat zu hohe Anforderungen an die Informations-
und Substantiierungspflicht der [X.] im [X.] gestellt. Das Berufungsgericht hat die Nach-lässigkeit des Beklagten daraus abgeleitet, dass er sachkundig sei und es ihm deshalb zuzumuten sei, im Einzelnen aufzuzeigen, warum die Schädigung der Klägerin nicht auf die Uterusruptur zurückzuführen ist. Hierbei hat das [X.] übersehen, dass der Beklagte kein Neonatologe ist, der die [X.] von chronischen Durchblutungsstörungen der Plazenta auf die Ent-wicklung des kindlichen Gehirns bzw. das Auftreten cerebraler Krampfanfälle als Voraussetzung für die Annahme einer hypoxischen Hirnschädigung beurtei-len kann. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die [X.]en im [X.] nicht verpflichtet, ihre Einwendungen bereits in erster Instanz auf Privatgutachten oder sachverständigen Rat zu stützen (vgl. Senatsurteil vom 8.
Juni 2004 -
VI
ZR 199/03, juris Rn.
27). Bei dieser Sachlage kann es nicht als nachlässig angesehen werden, wenn die [X.] in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert, nachdem sie oder ihr Prozessbevollmächtigter durch medizinische Recherchen zusätzliche Informationen beispielsweise über die Schädigungs-mechanismen des kindlichen Gehirns erlangt hat. Denn auch der Arzt ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung spezielles [X.] Fachwissen außerhalb seines Fachbereichs anzueignen (vgl. [X.] vom 8.
Juni 2004 -
VI
ZR 199/03, juris Rn.
28).
4.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich
auch mit
Erfolg gegen die Beurteilung
des Berufungsgerichts, der Beklagte habe wissen müssen, dass Prostaglandine das Risiko der Uterusruptur
nennenswert erhöhen. Zwar hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige angegeben, diese Erkenntnisse seien bereits 2004 in der Presse gewesen. Das [X.] und ihm folgend das Be-rufungsgericht haben insoweit allerdings gegen ihre Verpflichtung verstoßen, 12
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den ihnen zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nach-zugehen (vgl. Senatsurteile vom 23.
März 2004 -
VI [X.], [X.], 790; vom 8.
Juli 2008 -
VI [X.], [X.], 1265, jeweils mwN). Der Sachverständige, Leiter des [X.] und damit eines Krankenhauses der Maximalversorgung,
hat seine gutachterlichen Äußerungen zum Großteil mit Fundstellen belegt, die erst nach der streitgegen-ständlichen Geburt
veröffentlicht wurden, so insbesondere mit der Leitlinie AWMF Schwangerschaftsbetreuung und
Geburtseinleitung bei Zustand nach Kaiserschnitt von August 2010 [X.] und der entsprechenden [X.] Leitlinie von Februar 2007. Die
einzig bereits existierende
Leitlinie, auf die der Sachverständige seine Beurteilung stützen kann,
ist die [X.] Leitlinie von Februar 2005. Ob
ein [X.] Gynäkologe, der nicht in einem Zentrum der Maximalversorgung tätig ist, sondern nur über Belegbetten in einem Kran-kenhaus der Allgemeinversorgung
verfügt, im Januar 2006 Kenntnis von der [X.]n Leitlinie haben musste,
haben die Vorinstanzen mit dem Sachver-ständigen nicht erörtert (vgl. Senatsurteil vom 29.
Januar 1991 -
VI
ZR 206/90, [X.], 297, 306).
-
12
-
III.
Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit
ha-ben, sich auch mit den weiteren Einwänden der [X.]en im Nichtzulassungs-beschwerdeverfahren zu befassen und auf die
weitere Aufklärung des [X.] hinzuwirken.

Galke
[X.]
[X.]

von Pentz
Roloff

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.05.2013 -
2 O 1/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.06.2014 -
5 U 792/13 -

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Meta

VI ZR 332/14

16.06.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2015, Az. VI ZR 332/14 (REWIS RS 2015, 9704)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9704

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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