Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. IV ZR 201/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11946

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210318BIVZR201.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 201/16
vom
21. März 2018
in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen [X.] und [X.]

am 21. März 2018

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 8.
Juli 2016 gemäß §
552a Satz
1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe:

[X.] Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherer (im [X.]: Beklagter) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags des [X.] mit [X.] zum 1.
November 1999 nach dem so genannten Policenmo-1
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dell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungs-gerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein die [X.] und eine Verbraucherinformation nach §
10a des [X.] ([X.]). Die im Versicherungsschein enthal-tene Widerspruchsbelehrung lautet:

"Sie können dem beantragten Versicherungsvertrag inner-halb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versiche-rungsscheins schriftlich widersprechen. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen, der Satzung und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformati-onen, die dem Versicherungsschein anliegen. Für die Wah-rung der Frist genügt Ihre rechtzeitige Absendung des Wi-derspruchs an uns. Bei einem fristgerechten Widerspruch käme der Versicherungsvertrag mit uns nicht zustande."

Der Kläger zahlte in der Folgezeit die Versicherungsbeiträge. Im September 2013 kündigte er den Versicherungsvertrag. Der
Beklagte zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 26.
Novem-ber 2013 erklärte der Kläger den Widerspruch gemäß §
5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung aller auf den [X.] geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 20.755,57

Nach Auffassung des [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Er sei nicht hinreichend über sein Wider-spruchsrecht belehrt worden. Insbesondere sei der Hinweis, dass der Lauf der Frist mit dem Zugang des Versicherungsscheins und der not-wendigen Verbraucherinformationen beginne, fehlerhaft. Es fehle auch ein Hinweis auf die Jahresfrist gemäß §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. Au-
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ßerdem sei die Widerspruchsbelehrung nicht hinreichend deutlich druck-technisch hervorgehoben. Daher sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Das [X.] sei europarechtswidrig.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] zurückgewiesen.

I[X.] [X.] hat einen Prämienrückerstattungsan-spruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Die Voraussetzun-gen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages seien erfüllt, so dass die Prämien mit Rechtsgrund geleistet worden seien. Die 14-tä-gige Widerspruchsfrist sei mit Erhalt des Versicherungsscheins sowie der Verbraucherinformationen und der [X.] in Gang gesetzt worden. Die im Versicherungsschein enthaltene Belehrung genüge inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. Hinweise
auf die Jahresfrist gemäß §
5a Abs. 2 Satz
4 [X.] a.F. sowie auf §
10a [X.] a.F. seien
nicht vorgesehen. Die
Formulierung
im zweiten Satz der Belehrung lege keinen von §
187 Abs.
1 BGB abweichenden Fristbeginn nahe, da sie sich klar und eindeutig nur auf das Ereignis beziehe, das die Frist in Lauf setze. Sie sei aus Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht geeignet, fehlerhafte Vorstellungen über die konkrete Berechnung der Frist dergestalt [X.], dass der Tag des Zugangs der Unterlagen [X.]. Die in [X.] gehaltene Belehrung sei ausreichend deutlich hervorgehoben. Ob das [X.] europarechtlichen Bedenken unterliege, könne [X.] bleiben. Dem Kläger wäre es jedenfalls nach [X.] und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.
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II[X.]
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von §
543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§
552a Satz
1 ZPO).

1. [X.] hat die Revision zugelassen, da die [X.], ob die vorliegend gewählte Formulierung über den Beginn der Wider-spruchsfrist als ordnungsgemäß zu erachten sei, bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Allein deshalb kommt dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu, zumal auch nicht ersichtlich ist, dass hier-über in Rechtsprechung und/oder Literatur unterschiedliche Auffassun-gen vertreten werden. Ob eine Widerspruchsbelehrung inhaltlich und formal den gesetzlichen Anforderungen des §
5a Abs.
2
Satz
1 [X.] a.F. genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Eine höchstrichterliche Klärung, ob einzelne Belehrungen formal und inhaltlich ordnungsgemäß sind, ist nicht geboten (vgl. Senatsbeschluss vom 17.
Mai 2017 -
IV ZR 501/15, juris Rn. 12). Im Übrigen hat der Senat be-reits entschieden, dass eine ähnlich formulierte Belehrung, die für den Beginn der Widerspruchsfrist auf das Vorliegen der in §
5a Abs. 2 Satz
1 [X.] a.F. genannten Unterlagen abstellt, nicht den unzutreffenden [X.] vermitteln kann, der Tag des Zugangs zähle entgegen §
187 Abs.
1
BGB mit (Senatsbeschluss vom 17.
August 2015

[X.], [X.], 593 Rn.
12).

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
war
die Be-rufung des [X.] nicht verspätet und damit unzulässig. Das Beru-fungsgericht ist
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jedenfalls im Ergebnis -
zutreffend davon ausgegangen, 8
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dass das erstinstanzliche Urteil dem Prozessbevollmächtigten des [X.] rechtswirksam am 30.
September 2014 zugestellt wurde, so dass die einmonatige Berufungsfrist mit diesem Datum begann und mit der am 29.
Oktober 2014 bei dem Berufungsgericht per Telefax eingegangenen Berufungsschrift gewahrt wurde. Der Prozessbevollmächtigte des [X.], der ihn schon
vor dem [X.]
vertreten hatte, hat zwar das vorgedruckte [X.] nicht zurückgesandt
mit der Folge, dass insoweit eine Zustellung des Urteils nicht nachgewiesen ist. Ein wirksames [X.] enthält aber die von ihm unterzeichnete Berufungsschrift, in der er sich auf das erstinstanzliche Urteil ausdrück-lich mit den Worten "zugestellt am 30.09.2014"
bezogen und damit seine Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle sowie seinen Willen, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt an-zunehmen,
beurkundet hat. Dass das [X.] erst später ausgestellt wurde als an dem darin bezeichneten und mithin [X.], berührt seine Wirksamkeit nicht
(vgl. [X.], Urteile vom 19.
April 1994 -
VI ZR 269/93, NJW 1994, 2295 unter II 1 c; vom 13.
Mai 1992

[X.], NJW-RR 1992, 1150 unter II 1 b;
jeweils m.w.N.).

b) [X.] hat die Berufung zu Recht zurückgewie-sen.

aa) Die in Rede stehende Widerspruchsbelehrung hat es ohne Rechtsfehler als ordnungsgemäß gewertet.

(1) Es hat die Belehrung nach ihrer Gestaltung als drucktechnisch deutlich hervorgehoben angesehen. Diese tatrichterliche Würdigung lässt 12
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auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keine revisions-rechtlich beachtlichen Fehler erkennen.

(2) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin angenom-men, der
Beklagte habe den Kläger ordnungsgemäß über den Beginn der Widerspruchsfrist belehrt. Der erste Satz der Widerspruchsbelehrung, der Versicherungsnehmer könne innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins widersprechen, wird durch den zweiten Satz ergänzt, der für den Fristbeginn zutreffend auf den Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen
und der [X.] abstellt. Daraus ist für den durchschnittlichen Versiche-rungsnehmer deutlich zu entnehmen, dass Voraussetzung für den [X.] der Zugang des Versicherungsscheins und der weiteren genann-ten Unterlagen ist. Diese Information wird, anders als die Revision meint, nicht dadurch unklar, dass in der Passage über der [X.] dem
Versicherungsnehmer mitgeteilt wird, etwa fehlende Unterla-gen würden unverzüglich nachgereicht. Auch für den Fall einer solchen Nachreichung geht der Versicherungsnehmer aufgrund der [X.] davon aus, dass die Widerspruchsfrist erst in Lauf ge-setzt wird, wenn ihm alle genannten Unterlagen vorliegen.

Die Formulierung im zweiten Satz der Belehrung kann ebenso wie die Belehrung, die Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 17.
August 2015 (aaO) war, nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, der Tag des Zugangs des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation zähle entgegen §
187 Abs.
1 BGB mit. Ohne dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese Vorschrift und die damit korrespondierende Bestimmung des §
188 Abs.
1 BGB kennen
muss, wird er nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont die 15
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Belehrung so verstehen, dass die Frist durch den Zugang der genannten Unterlagen in Gang gesetzt wird und 14 Tage später am [X.] abläuft.

(3)
Die Revision beanstandet weiterhin ohne Erfolg, dass die Wi-derspruchsbelehrung keinen Hinweis auf die Jahresfrist des §
5a Abs. 2 Satz
4 [X.] a.F. enthalte. Ein solcher Hinweis war in §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. nicht vorgesehen. Ebenso wenig war entgegen der Auffassung der Revision eine ausdrückliche Nennung des §
10a [X.] a.F. im Zu-sammenhang mit der Verbraucherinformation vorgegeben. Entscheidend ist, dass die Verbraucherinformation den Anforderungen dieser Vorschrift genügte. Dies war nach den von der Revision nicht angegriffenen Fest-stellungen des Berufungsgerichts der Fall.

bb)
Die Frage, ob das [X.] mit den [X.] unvereinbar ist, ist hier nicht entscheidungserheblich. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschafts-rechtswidrigkeit des [X.]s nach [X.] und Glauben wegen wi-dersprüchlicher Rechtsausführung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im [X.] zu den Maßstäben: Senatsurteil vom 16.
Juli 2014
[X.], [X.]Z 202, 102 Rn.
32
ff.). Der Kläger verhielt sich objektiv widersprüch-lich. Die ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im November 1999 unge-nutzt verstreichen. Er zahlte fast 14 Jahre die Versicherungsprämien und

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erklärte erst dann den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen haben für den Kläger erkennbar bei dem
Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.09.2014 -
2-23 O 77/14 -

O[X.], Entscheidung vom 08.07.2016 -
7 [X.] -

Meta

IV ZR 201/16

21.03.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. IV ZR 201/16 (REWIS RS 2018, 11946)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11946

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