Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.04.2014, Az. VII R 4/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 6180

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Zusatzzoll nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 im Fall eines über dem repräsentativen Preis liegenden cif-Einfuhrpreises)


Leitsatz

NV: Bei der Bestimmung des Zusatzzolls nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 darf jedenfalls dann auf den repräsentativen Preis abgestellt werden, wenn der über dem repräsentativen Preis liegende cif-Einfuhrpreis bis zum Ablauf der Fristen des Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 nicht durch die (erste) Weiterverkaufsrechnung bestätigt worden ist und keine Angaben vorliegen, welche besonderen Umstände (z.B. unvorhergesehene Marktentwicklungen oder kalkulatorische Fehleinschätzungen) zu einem niedrigeren Weiterverkaufspreis geführt haben .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb von [X.] mit Sitz auf den [X.], in [X.] und in [X.] (drittländische Verkäufer) im Mai 2006 gefrorene Hühnerteile (Codenummer 0207 1410 00 0). Das Ursprungsland der Hühnerteile war [X.] bzw. [X.].

2

Die Klägerin meldete die gefrorenen Hühnerteile am 3. Mai 2006 ([X.]. 1, Annahme 3. Mai 2006, Ursprungsland [X.]), am 8. Mai 2006 ([X.]. 2, Annahme 8. Mai 2006, Ursprungsland [X.]) und am 12. Mai 2006 ([X.]. 3, Annahme 15. Mai 2006, Ursprungsland [X.]) mit vereinfachter Zollanmeldung zur Überführung in den freien Verkehr an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) berechnete die Einfuhrabgaben auf Grundlage der von den drittländischen [X.] gestellten Handelsrechnungen sowie der Fracht- und Versicherungskosten. Dies ergab [X.]e in Höhe von 231,05 €/100 kg ([X.]. 1), 220,54 €/100 kg ([X.]. 2) und 233,88 €/100 kg ([X.]. 3).

3

Da die [X.]e über den repräsentativen Preisen in Höhe von 172,90 €/100 kg ([X.]. 1) bzw. 199,20 €/100 kg ([X.]. 2 und 3) lagen, legte die Klägerin dem [X.] ihre Weiterverkaufsrechnungen vor, und zwar für [X.]. 2 am 29. Mai 2006 und für [X.]. 1 und 3 am 5. Juli 2006.

4

Mit geändertem Steuerbescheid vom 24. März 2009 forderte das [X.] Einfuhrabgaben nach. Die Erhöhung resultierte aus einer Änderung der Bemessungsgrundlage für den [X.], der nach der Verordnung ([X.]) Nr. 1484/95 ([X.] 1484/95) der [X.] vom 28. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen zur Regelung der zusätzlichen Einfuhrzölle und zur Festsetzung der repräsentativen Preise in den Sektoren Geflügelfleisch und Eier ... ([X.] Nr. L 145/47) in der für den Streitfall geltenden Fassung zu entrichten war. Das [X.] führte hierzu aus, dass die Klägerin nicht den über dem repräsentativen Preis liegenden [X.] gemäß § 3 Abs. 4 [X.] 1484/95 habe bestätigen können. Vielmehr hätten die vorgelegten Weiterverkaufsrechnungen um den Zoll bereinigte [X.]e in Höhe von 201,87 €/100 kg ([X.]. 1), 211,72 €/100 kg ([X.]. 2) und 220,72 €/100 kg ([X.]. 3) ergeben. Damit sei der [X.] auf Grundlage der repräsentativen Preise zu ermitteln.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, das [X.] sei bei der Berechnung des [X.]s zutreffend von den repräsentativen Preisen ausgegangen. Dies folge aus Art. 3 Abs. 2 und 4 [X.] 1484/95, die Anwendung fänden, weil die [X.]e über den repräsentativen Preisen gelegen hätten. Die Klägerin habe die höheren [X.]e nicht im Sinne dieser Vorschriften fristgerecht bestätigen können.

6

Hinsichtlich der [X.]. 1 und 3 habe die Klägerin bereits die Weiterverkaufsrechnungen nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 3 Abs. 4 [X.] 1484/95 vorgelegt. Die Frist von sechs Monaten sei hierzu keine Alternativfrist, sondern eine Maximalfrist. Die Monatsfrist verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

7

Hinsichtlich der [X.]. 2 sei zwar die Weiterverkaufsrechnung innerhalb der Monatsfrist eingereicht worden. Der um den Zoll bereinigte [X.] habe aber unter dem [X.] gelegen. Zur Begründung habe die Klägerin erst im Einspruchsverfahren allgemein auf niedrige Marktpreise hingewiesen. Absatzprobleme im Zusammenhang mit der Vogelgrippe habe die Klägerin erst in einem Erörterungstermin am 17. Januar 2012 angeführt. Damit habe die Klägerin innerhalb der von Art. 3 Abs. 4 [X.] 1484/95 gesetzten Fristen keinen Nachweis über die Richtigkeit der [X.]e erbracht.

8

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass zur Berechnung des [X.]s i.S. der [X.] 1484/95 auf die angegebenen [X.]e abzustellen sei. Die [X.]e lägen zwar über den repräsentativen Preisen, seien aber innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 [X.] 1484/95 bestätigt worden. Hierzu reiche die Vorlage der Weiterverkaufsrechnungen aus. Ein Nachweis der besonderen Umstände für einen unter dem [X.] liegenden [X.] sei erst im weiteren Verlauf des Verfahrens erforderlich. Dies gelte auch für eine substantiierte Darlegung dieser Umstände. Im Übrigen verstoße die Monatsfrist des Art. 3 Abs. 4 [X.] 1484/95 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei dahingehend unionsrechtskonform auszulegen, dass regelmäßig die Frist von sechs Monaten anzuwenden sei.

9

Die Klägerin beantragt, das Urteil des [X.] und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es schließt sich der Begründung des [X.] an und macht geltend, dass die Klägerin ihre Nachweispflichten gemäß Art. 3 Abs. 2 und 4 [X.] 1484/95 nicht fristgerecht erfüllt habe. Denn zur fristgerechten Erfüllung der Nachweispflichten hätte die Klägerin nicht nur die Weiterverkaufsrechnungen vorlegen, sondern wegen des Unterschreitens des [X.]es beim Weiterverkauf auch die für diese Preisgestaltung relevanten Umstände nachweisen müssen. Diese kalkulatorischen Grundlagen seien [X.] zum Zeitpunkt des [X.] regelmäßig bekannt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Da die Klägerin ihre Nachweispflichten gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 nicht fristgerecht erfüllt hat, war für die Berechnung des [X.] der VO Nr. 1484/95 auf den repräsentativen Preis abzustellen.

Im Streitfall lagen die cif-Einfuhrpreise über den jeweiligen damaligen repräsentativen Preisen. Deshalb musste die Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 zusätzliche Nachweise vorlegen. Darüber hinaus musste die Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 nachweisen, dass die entsprechenden Sendungen zu Bedingungen abgesetzt worden sind, welche die cif-Einfuhrpreise bestätigen. Hierfür gewährt Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 eine Frist von einem Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, höchstens jedoch sechs Monaten ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr.

Die Klägerin hat die aus Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 folgenden Nachweispflichten weder innerhalb der Monats- noch innerhalb der [X.] erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bzw. welche Weiterverkaufsrechnungen innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 vorgelegt worden sind. Darüber hinaus kann offenbleiben, ob die Monatsfrist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht bzw. ob die in Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 geregelten Fristen unionsrechtskonform dahingehend auszulegen sind, dass regelmäßig die Frist von sechs Monaten anzuwenden ist. Denn die aus den vorgelegten Weiterverkaufsrechnungen berechneten [X.]e (201,87 €/100 kg für [X.]. 1, 211,72 €/100 kg für [X.]. 2 und 220,72 €/100 kg für [X.]. 3) lagen unter den angegebenen cif-Einkaufspreisen (231,05 €/100 kg für [X.]. 1, 220,54 €/100 kg für [X.]. 2 und 233,88 €/100 kg für [X.]. 3) und führten somit nicht zu deren Bestätigung. Da Waren regelmäßig zuzüglich einer Gewinnmarge weiterverkauft werden, sprechen die unter den [X.] liegenden [X.]e vielmehr gegen die Richtigkeit der angegebenen cif-Einfuhrpreise.

Das [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass auch in solch einem Fall weiterhin die Möglichkeit eines Nachweises der Richtigkeit des cif-Einfuhrpreises besteht. Hierfür sind besondere Umstände darzulegen und nachzuweisen, die dazu geführt haben, dass es zu einem Verlustgeschäft kam. Dies können beispielsweise unvorhergesehene Marktentwicklungen oder kalkulatorische Fehleinschätzungen sein. Ob innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 ein entsprechender vollständiger Nachweis erbracht werden muss oder zunächst eine grobe --oder zumindest eine substantiierte-- Darlegung der zu einem niedrigeren [X.] führenden besonderen Umstände ausreicht, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ist es nicht ausreichend, wenn --wie im [X.] die niedrigeren Weiterverkaufsrechnungen ohne jegliche Begründung vorgelegt werden. Erst im Rahmen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das im Jahr 2009 begann, hat die Klägerin begründet, weshalb die [X.]e unter den [X.] gelegen haben. Dies war in jedem Fall zu spät, so dass es im Streitfall nicht mehr darauf ankommt, ob diese Begründung ausreichend war.

Der Senat hält diese Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Demnach besteht kein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982  283/81 -C.I.L.F.I.T.-, Slg. 1982, 3415).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 4/13

23.04.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 23. November 2012, Az: 4 K 53/11, Urteil

Art 3 Abs 4 EGV 1484/95

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.04.2014, Az. VII R 4/13 (REWIS RS 2014, 6180)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6180

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII R 5/13 (Bundesfinanzhof)

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 23.04.2014 VII R 1/13, VII R 2/13, VII R 3/13 …


VII R 2/13 (Bundesfinanzhof)

(Berechnung des Zusatzzolls nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 bei Unkenntnis des cif-Einfuhrpreises)


VII R 6/13 (Bundesfinanzhof)

(Zinsen auf die Nacherhebung des Zusatzzolls nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95)


VII R 1/13 (Bundesfinanzhof)

(Bestimmung des cif-Einfuhrpreises bei Lieferketten zur Berechnung des Zusatzzolls nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95)


VII R 3/13 (Bundesfinanzhof)

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 23.04.2014 VII R 1/13 und VII R 2/13 - Bestimmung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.