Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. XII ZR 72/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4789

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 72/10
Verkündet am:

11.
Juli 2012

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]:
nein
BGHR:
ja
BGB §§
1573, 1574, 1578, 1578
b
a)
Eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von §
1574 BGB kann auch in der Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen bestehen.
b)
Kapitalerträge aus einem Vermögen, welches einem Ehegatten nach der Scheidung durch Erbfall angefallen ist, können in die Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen nur dann einbezogen werden, wenn die Erwartung des künftigen Erbes schon während bestehender Ehe so wahrscheinlich war, dass die Eheleute ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise darauf einrichten konnten und auch eingerichtet haben (im [X.] an [X.]surteil vom 23.
November 2005
XII
ZR
51/03
-
FamRZ 2006, 387).
c)
Zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten hinsichtlich [X.] Nachteile bei der Unterhaltsbegrenzung (im [X.] an [X.]surteile [X.], 1 =
[X.], 875, vom 20.
Oktober 2010 -
XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 und vom 26.
Oktober 2011
XII
ZR
162/09
-
FamRZ 2012, 93).
BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 -
XII ZR 72/10 -
OLG [X.]

[X.]
-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.
Juli 2012 durch [X.], die Richterin
[X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Botur

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des [X.] und der [X.]n wird das Urteil des 3.
Familiensenates des [X.] vom 19.
April 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]en sind geschiedene Eheleute und streiten über die Abände-rung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
Der 1949 geborene Kläger und die 1950 geborene [X.] hatten im Jahre 1975 die Ehe geschlossen, aus der ein im Jahre 1978 geborener [X.] hervorging. Nach der Trennung im [X.] 1995 verblieb der seinerzeit noch minderjährige [X.] im Haushalt des [X.], der ihn auch weiterhin betreute. Die Ehe der [X.]en wurde im Jahre 1996 geschieden.
1
2
-
3
-

Der zwischenzeitlich wiederverheiratete Kläger absolvierte eine kauf-männische Berufsausbildung und arbeitete seit 1972 durchgehend als Außen-dienstmitarbeiter einer Bank. Im Jahre 1998 erbte
er mindestens 72.000
DM. Im
November 2006 schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin eine Vereinbarung über Altersteilzeit im Blockmodell zwischen September 2007 und August 2011 und eine daran anschließende Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die [X.] erwarb nach der mittleren Reife einen Berufsabschluss als Versicherungskauffrau, ohne danach im erlernten Beruf gearbeitet zu haben. Zwischen 1970 und 1978 war sie bei wechselnden Arbeitgebern, zuletzt bei ei-nem Autohaus und bei einem Werbeartikelhersteller, als kaufmännische Ange-stellte
vollschichtig erwerbstätig. An die Geburt des gemeinsamen [X.]es schloss sich eine rund vierjährige Berufspause an. In den Jahren 1982 und 1983 war die [X.] noch einmal kurzfristig im kaufmännischen Bereich tätig, bis sie im Jahre 1985 eine geringfügige sozialversicherungsfreie Beschäftigung als Hauspflegerin aufnahm. Im Jahre 1989 wechselte die [X.] als ange-stellte Pflegerin zu einer [X.]station und weitete ihre Tätigkeit auf 25
Wo-chenstunden aus. In diesem
zeitlichen Umfang ist sie seither durchgängig bei der gleichen Arbeitgeberin beschäftigt, wobei sie seit dem Jahre 2003 im [X.] eingesetzt wird.
Im Oktober 1995 hatten die [X.]en einen vollstreckbaren Trennungs-
und Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, durch den sich der Kläger unter anderem verpflichtete, an die [X.] für den [X.]raum seit Juli 1996 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.100
DM zu zahlen. In einem ersten Abänderungsverfahren wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts vom 8.
Dezember 2004 unter Abänderung des Vergleiches verurteilt, an die [X.] seit März 2004 einen laufenden monatlichen Gesamtunterhalt (Ele-mentar-
und Vorsorgeunterhalt) in Höhe von 666

-3
4
5
-
4
-

fungsinstanz schlossen die [X.]en vor dem [X.] am 1.
Juni 2006 einen Vergleich des Inhalts, dass es "unter Aufrechterhaltung der beider-seitigen Rechtsstandpunkte"
bis einschließlich Februar 2007 bei dem
erstin-stanzlichen Urteil verbleiben solle und anschließend "jede [X.]
eine Abände-rung beantragen"
könne, wobei ein Unterhaltsanspruch der [X.]n "nach den gesetzlichen
Vorschriften und der herrschenden Rechtsprechung"
zu [X.] sei.
Mit seiner am 7.
Juni 2008 zugestellten Abänderungsklage begehrt
der Kläger den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht seit März 2008. Das Amtsgericht hat seiner Klage weitgehend stattgegeben und den [X.] der [X.]n bis Juni 2008 befristet. Auf die Berufung und die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage der [X.]n hat der Einzel-richter am [X.]
die angefochtene Entscheidung abgeändert und der [X.]n unbefristeten (Elementar-) Unterhalt in gestaffelter Höhe zuge-sprochen, zuletzt für den [X.]raum von Januar bis Juni 2010 in Höhe von mo-natlich
689,90

344,95

Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisio-nen beider [X.]en.

Entscheidungsgründe:
Die Revisionen der [X.]en führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Auf das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis 31.
August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor 6
7
8
9
-
5
-

diesem [X.]punkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]sbeschluss vom 3.
Novem-ber 2010 -
XII
ZB
197/10
-
FamRZ 2011, 100 Rn.
10).

I.
Das [X.] hat den von ihm zugesprochenen Unterhalt für den [X.]raum bis Juni 2010 im Wege der Halbteilung aus der Differenz der von ihm ermittelten tatsächlichen Einkünfte der [X.]en bemessen. Für den [X.]-raum seit Juli 2010 hat es den zuletzt errechneten [X.] halbiert und seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Anspruch der [X.]n auf Aufstockungsunterhalt sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht zu befristen, sondern lediglich auf einen an-gemessenen Unterhalt herabzusetzen. Es sei davon auszugehen, dass die [X.] ehebedingte Nachteile erlitten habe. Zwar sei ihre berufliche Biographie bis zur Geburt des gemeinsamen [X.]es im Jahre 1978 nicht immer völlig [X.] verlaufen, denn sie habe nicht im erlernten Beruf als Versicherungs-kauffrau gearbeitet, sondern bei verschiedenen Arbeitgebern, die zudem relativ schnell gewechselt worden seien, Büro-
und [X.] eher ein-fachen Zuschnitts ausgeführt. Andererseits sei die
[X.] ohne größere Un-terbrechungen im kaufmännischen und somit in einem nicht völlig ausbildungs-fremden Bereich erwerbstätig gewesen. Die Geburt des gemeinsamen [X.]es und die daran anschließende vierjährige Berufspause stellten eine einschnei-dende Zäsur dar. Vor der Geburt des [X.]es sei sie vollschichtig erwerbstätig gewesen, während sie danach neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter nur noch teilschichtig gearbeitet habe. Auch die berufliche Umorientierung in Richtung einer pflegerischen Tätigkeit sei offensichtlich auf den Umstand zu-rückzuführen, dass diese Tätigkeit der [X.]n die für die Vereinbarkeit von 10
11
-
6
-

Beruf und Familienarbeit erforderliche zeitliche Flexibilität geboten habe. Ohne die Ehe mit dem Kläger und das gemeinsame Kind wäre sie demgegenüber zu den üblichen Gehältern im Versicherungsgewerbe oder in einem anderen kaufmännischen Bereich beschäftigt gewesen. Hinzu komme noch, dass die [X.] bei Trennung der [X.]en bereits 45
Jahre alt gewesen sei und eine berufliche Neu-
oder Rückorientierung nicht mehr ohne weiteres möglich gewe-sen sei. Wegen ihres festen und sicheren Arbeitsplatzes sei ihr auch kein [X.] mehr zumutbar, unabhängig davon, ob dies überhaupt mög-lich wäre.
Allerdings sei eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Aufstockungsunterhalts nach §
1578
b Abs.
1 BGB unbillig. Der Kläger zahle bei einer Ehezeit von
21
Jahren seit nunmehr 14
Jahren nachehelichen Unterhalt an die [X.]. Die [X.]en hätten sich nach der Scheidung weiter voneinander entfernt und eigene Lebenskreise aufgebaut; der Kläger sei seit Jahren wieder verheiratet. Schon im [X.]punkt der Trennung habe eine gesellschaftliche Tendenz dahingehend bestanden, nach der Schei-dung "auf eigenen Beinen"
stehen zu müssen. Die nacheheliche Solidarität sei zwar nicht völlig erloschen, aber in ihrer Wirksamkeit stark reduziert, so dass die [X.] eine
Herabsetzung ihres Unterhaltsanspruches auf den angemes-senen Lebensbedarf hinnehmen müsse.
Die zwischen den [X.]en streitige Frage, ob der Kläger unterhaltsrecht-lich gehalten sei, bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze in vollem Um-fange erwerbstätig
zu sein, könne deshalb auch dahinstehen, weil es dem Klä-ger im Rahmen der Bestimmung eines
angemessenen Unterhalts im Sinne von §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB unbenommen bleibe, von Altersteilzeit-
und Vorru-hestandsregelungen Gebrauch zu machen. Umgekehrt führe dies aber dazu, dass auch die [X.] nicht verpflichtet werden könne, mehr als die von ihr 12
13
-
7
-

tatsächlich abgeleisteten 25
Wochenstunden zu arbeiten und sie deshalb nicht gehalten sei, ihre Tätigkeit auszuweiten oder einen zusätzlichen Mini-Job an-zunehmen. Soweit sich die [X.] im Jahre 2009 von ihrem Arbeitgeber in größerem Umfang [X.] und Urlaubsabgeltung
habe auszahlen lassen, seien diese
zusätzlichen Einkünfte als Einkommen aus überobligatori-scher Tätigkeit anzusehen und bei der [X.] außer Betracht zu lassen.
Schließlich sei es der [X.]n
zwei Jahre nach Erhebung der Abände-rungsklage zuzumuten, dass sich der "angemessene Lebensbedarf"
seit Juli 2010 in einer zweiten Stufe nochmals um die Hälfte reduziere.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass Ge-genstand
der Abänderungsklage der am 1.
Juni 2006 vor dem Oberlandesge-richt geschlossene Prozessvergleich und nicht das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts vom 8.
Dezember 2004 ist. Denn der im Vergleich zum Ausdruck gekommene Willen der [X.]en stellte seit dem [X.] den einzigen Geltungsgrund für
die in erster Instanz ausgeworfenen Unterhaltsbeträge dar.
Bei einem Prozessvergleich erfolgt die nach §
323 Abs.
4 aF i.V.m. §
794 Abs.
1 Nr.
1 ZPO vorgesehene Anpassung an veränderte tatsächliche [X.] nach den Regeln des materiellen Rechts, mithin in erster Linie nach den
Vereinbarungen der [X.]en über die Abänderbarkeit und im Übrigen nach den gesetzlichen Regeln über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrund-14
15
16
-
8
-

lage gemäß §
313 BGB ([X.]surteile vom 21.
September 2011

XII
ZR
173/09
-
FamRZ 2012, 699 Rn.
28 und vom 19.
März 1997

XII
ZR
277/95
-
FamRZ 1997, 811, 813).
a) Die [X.]en können
eine Abänderung des Vergleiches erleichtern oder erschweren. Aus der Vereinbarung selbst oder aus dem zugrundeliegen-den [X.]willen kann sich deshalb ergeben, dass der Vergleich jederzeit, d.h. ohne einen Zusammenhang mit einer Änderung der bei [X.] ob-waltenden Verhältnisse,
abgeändert werden kann. Zwar wird eine solche Aus-legung von Unterhaltsvereinbarungen mit Rücksicht auf die von den Vertrags-parteien beim [X.] typischerweise erstrebte Rechtssicherheit [X.] nicht in Betracht kommen; ausgeschlossen ist ein solcher [X.]wille aller-dings nicht (vgl. auch [X.]surteil [X.], 1 =
[X.], 1238 Rn.
23
ff.). Er kann insbesondere dann zu erwägen
sein, wenn die [X.]en
we-sentliche Streitpunkte des durch [X.] beendeten Verfahrens nicht beilegen konnten und sich für die Zukunft nur im Sinne einer einstweiligen [X.] an den Vergleich binden wollen.
Die [X.]en haben sich im Vergleich ausdrücklich die
"Aufrechterhaltung ihrer Rechtsstandpunkte"
und damit die erneute Geltendmachung aller Einwen-dungen vorbehalten, die bereits Gegenstand des ersten Abänderungsverfah-rens gewesen sind. Dieser uneingeschränkte Vorbehalt betraf sowohl die Frage der Unterhaltsbegrenzung als auch die für die [X.] maßgebli-chen Verhältnisse, insbesondere den streitigen Umfang der
Erwerbsobliegen-heit der [X.]n. Wenn sich die Vertragsparteien alle Streitpunkte eines Ver-fahrens in solcher Weise bewusst offenhalten wollten, entspricht es regelmäßig ihrem Willen, den Vergleich nach Ablauf einer nach Treu und Glauben bemes-senen oder -
wie hier
-
ausdrücklich vereinbarten Stillhaltefrist zur Überprüfung in einem Abänderungsverfahren stellen zu können, ohne dass es
dazu einer 17
18
-
9
-

zwischenzeitlichen Änderung der Verhältnisse bedarf. Diese Auslegung wird im vorliegenden Fall auch durch die bei [X.] verwendete [X.] gestützt, wonach ab März 2007 "jede [X.] eine Abänderung beantragen"
könne.
b) Ferner können die [X.]en im Rahmen ihrer vertraglichen Gestal-tungsfreiheit auch das Ausmaß der Abänderung bestimmen. Es kann daher dem [X.]willen entsprechen, dass der Unterhalt im Falle einer Abänderung von vornherein ohne jede Bindung an [X.] in freier [X.] bemessen werden soll ([X.] FamRZ 2004, 1884, 1885; [X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. §
239 Rn.
54; [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
323 Rn.
102; [X.]/[X.]/Brudermüller Familienrecht 5.
Aufl. §
239 FamFG Rn.
15; Haußleiter/[X.] FamFG §
239 Rn.
30).
Das Berufungsgericht hat den [X.] der [X.]en vom 1.
Juni 2006 in diesem Sinne ausgelegt, wogegen aus Rechtsgründen keine Bedenken zu erheben sind. Auch die Revisionen der [X.]en erinnern dagegen nichts.
2. Jedenfalls im Ergebnis richtig ist die -
wenngleich nicht näher begrün-dete
-
Annahme des Berufungsgerichts, dass sich
ein Unterhaltsanspruch der [X.]n nur aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Aufstockungsunterhalts (§
1573 Abs.
2
BGB) ergeben kann. Allerdings setzt der Anspruch auf Aufsto-ckungsunterhalt gemäß §
1573 Abs.
2 BGB nach der Systematik des Gesetzes voraus, dass der geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben könnte und daher nicht bereits
aufgrund eines anderen gesetzlichen Tatbestandes (§§
1570 bis 1572, 1573 Abs.
1 und
4 BGB) [X.] auf Unterhalt hat (vgl. [X.]surteile vom 10.
November 2010

XII
ZR
197/08
-
FamRZ 2011, 192 Rn.
16 und vom 16.
März 1988

IVb
ZR
40/87
-
FamRZ 1988, 701, 702). Soweit die Revision der [X.]n in 19
20
21
-
10
-

diesem Zusammenhang geltend macht, dass die [X.] nach §
1573 Abs.
1 BGB wegen (teilweiser) Erwerbslosigkeit unterhaltsberechtigt sei, bleibt diese Rüge ohne Erfolg.
a) Nach §
1573 Abs.
1 BGB kann ein Ehegatte, der keinen [X.] aus §§
1570 bis 1572 BGB hat, Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Als die Ehe der [X.]en im Jahre 1996 geschieden wurde, standen einer [X.] Tätigkeit der [X.]n insbesondere keine Belange der [X.] mehr entgegen, nachdem der gemeinsame [X.] im [X.] an sei-nen Auslandsaufenthalt nach der Trennung der [X.]en in den Haushalt des [X.] gezogen war. Die [X.] war zu jener [X.] im zeitlichen Umfang von 25
Wochenstunden als angestellte Pflegerin bei der [X.] beschäftigt. Ein teilzeitbeschäftigter Ehegatte muss sich grundsätzlich um eine Ausweitung sei-ner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um
eine vollschichtige Tä-tigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bemühen.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass es der seinerzeit im mittleren Erwerbsalter stehenden [X.]n schon damals nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sein sollte,
alsbald nach der Scheidung ihre
Tätigkeit bei der [X.] auszuweiten oder bei einem anderen Pflegedienst auf eine Vollzeitstelle zu wechseln. Die Revision der [X.]n macht auch nicht gel-tend, dass diesbezüglicher Vortrag übergangen worden sei.
b)
Im Übrigen kann
von einem teilschichtig beschäftigten Ehegatten selbst dann, wenn er zur Aufgabe seines Teilzeitarbeitsplatzes nicht verpflichtet ist, grundsätzlich verlangt werden, dass er zur Sicherung seines Unterhalts eine weitere Teilzeittätigkeit aufnimmt (vgl. [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
4 Rn.
276; [X.][X.] Handbuch des Scheidungsrechts 6.
Aufl. Teil
IV Rn.
277; [X.]/[X.] 22
23
24
-
11
-

5.
Aufl. §
1573 Rn.
16; [X.] in [X.]/Poppen/[X.] Unterhaltsrecht 2.
Aufl. §
1573 BGB Rn.
13). Denn auch die Übernahme von zwei Teilzeitbeschäftigun-gen kann grundsätzlich eine "angemessene"
Erwerbstätigkeit im Sinne von §§
1573 Abs.
1, 1574
BGB sein ([X.]surteil vom 25.
Oktober 2006

XII
ZR
190/03
-
FamRZ 2007, 200, 202).
Tatsächlich hatte die [X.] schon im Jahre 1995
eine Nebenbeschäf-tigung als Pflegerin in einem
Privathaushalt aufgenommen.
Unstreitig übte sie diese Tätigkeit noch mindestens bis zum [X.] aus. Eine durch den Wegfall dieser Nebenbeschäftigung eingetretene (teilweise) Erwerbslosigkeit der [X.]n wäre so lange nach
der Scheidung im Jahre 1996 eingetreten, dass der
für den Einsatzzeitpunkt des §
1573 Abs.
1 BGB erforderliche, relativ enge zeitliche Zusammenhang (vgl. [X.]surteil vom
25.
März 1987

IVb
ZR
32/86
-
FamRZ 1987, 684, 687) zwischen beiden Ereignissen ersichtlich fehlt. Auf die zwischen den
[X.]en im ersten Abänderungsverfah-ren streitige
Frage, ob die pflegerische Tätigkeit in einem Privathaushalt wegen des ihr innewohnenden Risikos, aufgrund des Todes der zu pflegenden Person oder einer plötzlichen Änderung ihrer Pflegebedürfnisse jederzeit kurzfristig be-endet zu werden, überhaupt zu einer nachhaltigen Sicherung des Unterhalts (§
1573 Abs.
4 Satz
1 BGB) geeignet war, kommt
es dabei nicht an. Denn es hätte der [X.]n oblegen, sich auch im Rahmen einer Nebenbeschäftigung um einen gesicherten Dauerarbeitsplatz zu bemühen. Die [X.] hat nicht aufgezeigt, dass solche Arbeitsplätze für sie nach der Scheidung im Jahre 1996 nicht zu erlangen waren. Wenn sie sich demgegenüber für eine Beschäftigung entschieden hat, die absehbar nicht auf Dauer ausgeübt werden kann, hat der Kläger
das Risiko, dass später
eine vergleichbare [X.]beschäftigung nicht mehr gefunden werden kann, rund vier Jahre nach der Scheidung nicht mehr mitzutragen.
25
-
12
-

3. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen demgegenüber die Erwägungen, die das Berufungsgericht im Rahmen der Einkommensermittlung zu den Erwerbsobliegenheiten der [X.]en angestellt
hat.
a) Soweit es das Einkommen des [X.] betrifft, erweist sich schon der gedankliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts
nicht als tragfähig, es sei dem Kläger "im Rahmen der Bestimmung des nach §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB angemessenen Unterhalts"
ohne weiteres zuzugestehen, seine Einkünfte durch den Abschluss einer Altersteilzeit-
und Aufhebungsvereinbarung zu redu-zieren.
aa) Der [X.] hat bereits ausgesprochen, dass die unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit (erst) mit Erreichen der Regelaltersgrenzen nach §§
35, 235 SGB
VI bzw. §
51 [X.] endet. Durch die aufgeführten gesetzlichen Be-
stimmungen legt die Rechtsordnung den Rahmen für die Erwerbsbiographie des Einzelnen fest. Solange die gesetzlichen Regelungen dabei nicht offen-sichtlich auf berufsbezogenen Besonderheiten beruhen oder ansonsten von der tatsächlichen
Erwerbsfähigkeit des Einzelnen abweichen, können sie als taugli-cher Maßstab auch für das Unterhaltsrecht herangezogen werden. Beim Ehe-gattenunterhalt gilt der Maßstab der gesetzlichen Regelaltersgrenze nicht nur für den Unterhaltsberechtigten, sondern in gleicher Weise auch für den [X.] ([X.]surteil [X.], 50 =
FamRZ 2011, 454 Rn.
20).
[X.]) Solange und soweit das Gesetz einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vorsieht, darf der Unterhaltspflichtige diesen nicht unterhaltsbezogen mutwillig oder leichtfertig gefährden. [X.] auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen oder sind sie durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des [X.] veranlasst und hätten sie von diesem durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können, bleiben sie deswegen unberücksichtigt mit der 26
27
28
29
-
13
-

Folge, dass stattdessen fiktive Einkünfte anzusetzen sind
([X.]surteile [X.] 175, 182 =
[X.], 968 Rn.
45 und vom 15.
Oktober 2003

XII
ZR
65/01
-
FamRZ 2004, 254, 255).
Nach den Maßstäben unterhaltsbezogener Mutwilligkeit oder [X.] ist auch die Frage zu beurteilen, ob der Unterhaltspflichtige sein Ein-kommen durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit oder von [X.] reduzieren darf. Bei der Vereinbarung von Altersteilzeit wird eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit regelmäßig nicht vorliegen, wenn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten schon durch eigene Einkünfte und einen gegebe-nenfalls fortbestehenden Unterhaltsanspruch auf einem relativ hohen Niveau sichergestellt ist. Im Übrigen wird die Vereinbarung von Altersteilzeit dann ge-rechtfertigt sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige dafür auf betriebliche, per-sönliche oder gesundheitliche Gründe berufen kann, die bei einer [X.] aller Umstände eine mit der Reduzierung seines Einkommens verbun-dene Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit auch gegenüber dem [X.] als angemessen erscheinen lässt (vgl. [X.]/Dose
Das Unter-haltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
1 Rn.
749 mwN.). [X.] Maßstäbe gelten auch für Vereinbarungen, durch die ein Unterhaltspflichti-ger seinen Arbeitsplatz wegen der Möglichkeit des Zugangs zu einem vorgezo-genen [X.] bereits vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze aufgibt. In diesen Fällen kann es auch darauf ankommen, inwieweit es dem [X.] möglich ist, das Niveau seines bisherigen Erwerbseinkommens über seine Frühpensionierung hinaus durch eine andere berufliche Tätigkeit ([X.] vom 15.
Oktober 2003 -
XII
ZR
65/01
-
FamRZ 2004, 254, 255; vgl. für den Unterhaltsberechtigten: [X.]surteil vom 3.
Februar 1999

XII
ZR
146/97
-
FamRZ 1999, 708, 710) oder durch die Umlage einer [X.] für den Verlust seines Arbeitsplatzes bis zum Erreichen der für ihn maßgeblichen Regelaltersgrenze zu halten.
30
-
14
-

cc) Der erforderlichen
umfassenden Interessenabwägung nach den [X.] wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Offensichtlich meint das Berufungsgericht, es komme
auf Seiten des [X.] auf eine beson-dere Rechtfertigung für die Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht mehr an, weil der Unterhalt der [X.]n im gesamten streitigen [X.] auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen sei. Dagegen
hat das Berufungsgericht den Unterhalt der [X.]n aber jedenfalls im [X.]raum bis Juni 2010 ungekürzt im Wege der Differenzmethode aus dem (reduzierten) Einkommen des [X.] abgeleitet. Es stellt sich schon die Frage, worin die Herabsetzung des Unterhalts liegen sollte, wenn dem Kläger bei
der Reduzie-rung seines Einkommens tatsächlich keine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit oder Leichtfertigkeit vorgeworfen werden könnte. Das Berufungsgericht hat im Übrigen -
worauf noch weiter einzugehen sein wird
-
den Begriff des "angemes-senen Lebensbedarfs"
im Sinne von §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB verkannt.
Die bislang getroffenen [X.]stellungen des
Berufungsgerichts ermögli-chen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob der Kläger unterhalts-rechtlich zum Abschluss der Vereinbarung vom November 2006 berechtigt war. Zwar ist
auf Seiten des [X.] die mit dem Eintritt in die Altersteilzeit verbun-dene Nettoeinkommenseinbuße in Höhe von 15
% (zuzüglich des Wegfalls [X.] Sonderzahlungen in der passiven Phase der Altersteilzeit) vergleichs-weise moderat ausgefallen, was als Indiz gegen die unterhaltsbezogene [X.] einer Altersteilzeitvereinbarung gewertet werden kann (vgl. OLG Bamberg
[X.], 381 [Ls.],
im Übrigen veröffentlicht bei juris; KG Urteil vom 17.
Juni 2005 -
25
UF
101/04
-
juris). Dies gilt umso mehr, als sich der Unterhaltsberechtigte in der passiven Phase der Altersteilzeit keine berufsbedingten Aufwendungen und keinen Erwerbstätigenbonus mehr entge-genhalten lassen muss. Indessen muss in die unterhaltsrechtliche Bewertung der Vereinbarung auch die darin enthaltene Abrede über die vorzeitige 31
32
-
15
-

Beendigung des Arbeitsverhältnisses drei Jahre vor Erreichen der [X.] einfließen, welche erkennbar auf den Zugang des [X.] zu einer vorgezogenen Altersrente
für langjährig Versicherte (§
236 Abs.
3 SGB
VI) zugeschnitten war. Die mit einem (vorgezogenen) Renteneintritt verbundene
Einkommenseinbuße würde durch die nach §
13 der Vereinbarung zu gewährende Entschädigung für den Verlust
des Arbeitsplatzes (brutto 300

jeweils 0,3 Prozentpunkte des im [X.] ausgewiesenen [X.] wegen vorzeitigen Rentenbeginns) nur in geringem Umfange kompensiert, so dass mögliche [X.] der [X.]n für den [X.]raum nach September 2011 in weitaus stärkerem Umfang berührt werden.
b) Ebenfalls von Rechtsirrtum beeinflusst sind die Erwägungen des Be-rufungsgerichts zur Erwerbsobliegenheit der [X.]n. Nach der [X.] kann allein aus dem Umstand, dass der Unterhaltspflichtige nur eine Tätigkeit ausübt, welche die für eine vollschichtige Tätigkeit übliche Stundenzahl nicht erreicht, noch keine Reduzierung der Erwerbsobliegenheit auf Seiten des Unterhaltsberechtigten hergeleitet werden ([X.]surteil vom 16.
Februar 2011 -
XII
ZR
108/09
-
FamRZ 2011, 628 Rn.
12). Nichts anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, dass der Unterhaltspflichtige ein Blockalters-teilzeitmodell in Anspruch nimmt. Der Umfang der regelmäßig erforderlichen Erwerbstätigkeit und eventuelle Abweichungen davon bestimmen sich vielmehr nach den individuellen Verhältnissen des betroffenen Ehegatten. [X.]stellungen dazu, ob etwa
gesundheitliche oder arbeitsmarktbedingte Gründe einer Aus-weitung der von der [X.]n ausgeübten Erwerbstätigkeit entgegenstehen könnten, hat das [X.] -
unabhängig davon, ob sich der Kläger solche Gründe im Hinblick auf die Einsatzzeitpunkte der §§
1572, 1573 Abs.
1 BGB
überhaupt entgegenhalten lassen müsste
-
nicht getroffen.
33
-
16
-

Das Berufungsgericht durfte
deshalb auch nicht davon ausgehen, dass es sich bei den im Jahre 2009 erzielten zusätzlichen Einkünften der [X.]n insgesamt um Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit handelt. Dies ist nur in Bezug auf die Abgeltung des von der [X.]n nicht genommenen Erholungs-urlaubs richtig (vgl. [X.]surteil vom 8.
Juli 1992 -
XII
ZR
127/91
-
NJW-RR 1992, 1282, 1283). Dagegen lassen die [X.]stellungen des Berufungsgerichts nicht den Schluss darauf zu, dass die von der [X.]n über ihre Vertragsar-beitszeit von 25
Wochenstunden hinaus geleistete Mehrarbeit bei der [X.] auf überobligatorischen Anstrengungen beruhte. Auch die
weitere
Annahme
des Berufungsgerichts, ein von der [X.]n erzieltes
Einkommen aus überobligationsmäßiger Tätigkeit bei Anwendung der Differenzmethode voll-ständig unberücksichtigt zu lassen, steht mit der ständigen Rechtsprechung des [X.]s nicht in Einklang. Selbst ein überobligatorisch erzieltes Einkommen ist mit seinem nach [X.] (§§
1577 Abs.
2, 242 BGB) zu ermittelnden unterhaltsrelevanten Teil in die [X.] nach den ehelichen [X.] einzubeziehen
([X.]surteile [X.], 384 =
FamRZ 2005, 1154, 1157
f. und [X.], 50 =
FamRZ 2011, 454 Rn.
17).
4. Rechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das Berufungsgericht die von dem Kläger erzielten Kapitaleinkünfte ohne weiteres in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach
den ehelichen Lebensverhältnissen (§
1578 Abs.
1 BGB) einbezogen hat.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass diese Kapitaleinkünfte auf den Zinserträgen eines geerbten Geldvermögens beruhen, soweit dies beim Kläger noch vorhanden ist. Im Ausgangspunkt trifft es zu, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nur durch Erwerbseinkünfte, sondern ebenso durch Kapital-
und andere [X.] sowie sonstige wirtschaftliche Nutzun-gen geprägt werden, soweit diese bereits während der Ehezeit
zur Verfügung 34
35
36
-
17
-

standen. Davon können auch Erträge aus dem durch Erbfall erworbenen Ver-mögen eines Ehegatten nicht ausgenommen werden (vgl. bereits [X.]surteil vom 8.
Juni 1988 -
IVb
ZR
68/87
-
FamRZ 1988, 1145, 1146). Vorliegend ist der Erbfall allerdings erst im Jahre 1998 und damit nach der Scheidung der [X.] eingetreten. Der
nacheheliche Erwerb
schließt eine bedarfssteigernde Be-rücksichtigung der aus dem geerbten Vermögen gezogenen Kapitaleinkünfte zwar nicht von vornherein aus. Ein hinreichender Bezug zu den ehelichen [X.] besteht aber nur dann, wenn
die Erwartung eines künftigen Erbes schon während bestehender Ehe so wahrscheinlich war, dass die [X.] ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise darauf einrichten konnten und sich auch tatsächlich -
etwa durch den Verzicht auf eine an sich angemessene Altersvorsorge und den Verbrauch der dadurch ersparten Mittel zur Erhöhung des ehelichen Lebensstandards
-
darauf eingerichtet haben ([X.]surteil vom 23.
November 2005 -
XII
ZR
51/03
-
FamRZ 2006, 387, 390; [X.] NJW 2010, 79, 83). [X.]stellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Waren
Kapitaleinkünfte aber nicht in der Ehe angelegt, können sie beim [X.] nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden (vgl. [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
4 Rn.
420 und 972).
Im Übrigen hätten die vom Berufungsgericht bedarfssteigernd berück-sichtigten Kapitaleinkünfte nicht um einen
Erwerbstätigenbonus gekürzt werden dürfen, den das Berufungsgericht dem Kläger bis zum Ende der aktiven Phase seiner Altersteilzeit im August 2009 gutgebracht hat.
5. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Begrenzung des Unterhalts nach §
1578
b Abs.
1 und Abs.
2 BGB sind mit [X.] be-haftet.
37
38
-
18
-

a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts we-gen Unbilligkeit nach §
1578
b Abs.
1 und 2 BGB hängt zunächst
davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kin-des, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
aa) Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, von welcher Verteilung der Darlegungs-
und Beweislast das Berufungsgericht im Rahmen des §
1578
b BGB ausgegangen ist. Im Ausgangspunkt trägt der Kläger als [X.], der sich mit der
Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs-
und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen ([X.]surteil [X.], 1 =
[X.], 875 Rn.
18 mwN). In die Darlegungs-
und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt deshalb [X.] auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von §
1578
b BGB entstanden sind. Die dem [X.] obliegende Darlegungs-
und Beweislast erfährt jedoch [X.] nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwi-ckelten Grundsätzen. Nach diesen Grundsätzen trifft den Unterhaltsberechtig-ten eine sekundäre Darlegungslast, die im Rahmen von §
1578
b BGB zum In-halt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebe-dingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden ([X.]surteile [X.], 1 =
[X.], 875 Rn.
23 und vom 26.
Oktober 2011 -
XII
ZR
162/09
-
FamRZ 2012, 93
Rn.
22
ff.).
39
40
-
19
-

Soweit dafür regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt wer-den muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner be-ruflichen Entwicklung stand und die Ehe
lange gedauert hat, sind diesbezügli-che Schwierigkeiten im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stel-lenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen ([X.]surteil vom 26.
Oktober 2011
-
XII
ZR
162/09
-
FamRZ 2012, 93 Rn.
24). Deshalb kann der Unterhaltsberechtigte im Einzelfall seiner sekundären Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten oder vor der ehebe-dingten Berufspause ausgeübten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimm-ten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit üblich seien. Wenn indessen
ein beruflicher Aufstieg behauptet werden soll, muss der Unterhaltsberechtigte darlegen, aufgrund welcher Umstände (Fortbildungsbe-reitschaft, besondere Befähigungen, Neigungen oder Talente) er eine entspre-chende Karriere gemacht hätte ([X.]surteil vom 20.
Oktober 2010

XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 Rn.
32
f.).
Solche Umstände hat das Berufungsgericht dem Vorbringen der [X.]n nicht entnommen; vielmehr hat es -
von der Revision der [X.]n in-soweit unbeanstandet
-
festgestellt, dass die von der [X.]n nach dem Ende ihrer Berufsausbildung im Jahre 1969 bis zur Geburt des gemeinsamen [X.]es im Jahre 1978 ausgeführten Büro-
und [X.] einfachen [X.] waren und sich in eher untergeordneten Bereichen entfalteten. Es ist deshalb nicht ohne weiteres ersichtlich, worauf das Berufungsgericht seine weitergehende Erwägung stützt, dass der [X.]n durch die Berufspause die Möglichkeit genommen worden sei, sich eine andere und besser dotierte Posi-tion zu erarbeiten. Der von der [X.]n mit Hinweis auf den identischen [X.] (abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung) ange-41
42
-
20
-

stellte
Vergleich zur Erwerbsbiographie des [X.] vermag insoweit nicht zu verfangen. Zwar kann sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der sekundä-ren Darlegungslast auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe [X.], um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen [X.] plausibel zu machen (vgl. [X.]surteil vom 26.
Oktober 2011

XII
ZR
162/09
-
FamRZ 2012, 93 Rn.
24). Ein solcher Vergleich kann aber einen substanziierten Vortrag dazu, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich für den Unterhaltsberechtigten in seinem Berufsfeld konkret ergeben haben, nicht ersetzen. Darüber hinaus dürften die
Erwerbsbiographien der beiden [X.]en, die nach dem Abschluss ihrer Berufsausbildung in unterschiedlichen Branchen tätig waren,
auch kaum genügend Berührungspunkte aufweisen, um den von der [X.]n gezogenen Schluss zu rechtfertigen, sie könne ohne die durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Berufspause die gleichen Einkünfte erzielen wie der Kläger.
[X.]) Das Berufungsgericht ist demgegenüber auch ohne substanziierten Vortrag der [X.]n davon ausgegangen, dass ehebedingte Nachteile des-halb entstanden seien, weil die [X.] ohne Eheschließung und Kinderbe-treuung eine vollschichtige Tätigkeit mit den im kaufmännischen Bereich übli-chen Gehältern ausüben würde.
Allein diese Ausführungen vermögen die Annahme [X.] Nach-teile von vornherein nicht zu tragen. Der [X.] hat bereits ausgesprochen, dass zwar exakte [X.]stellungen zum hypothetisch erzielbaren Einkommen des [X.] nicht notwendig sind. Der Tatrichter kann vielmehr beim Vorliegen einer geeigneten Schätzungsgrundlage, die er unter anderem aus der Anwendung von [X.] im jeweiligen Berufsfeld und aus der Heran-ziehung tariflicher Regelwerke gewinnen kann, entsprechend §
287 ZPO ver-fahren, sofern in der Entscheidung die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung 43
44
-
21
-

und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise angegeben sind ([X.]s-urteil vom 20.
Oktober 2010 -
XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 Rn.
33). Das Berufungsgericht hat indessen überhaupt keine [X.]stellungen dazu getroffen, wie hoch es die üblichen Gehälter im kaufmännischen Bereich einschätzt, zu denen die [X.] nach seiner Auffassung bei einer ununterbrochenen Er-werbsbiographie Zugang gehabt hätte. Damit fehlt es an jeder Begründung, warum die heutige Erwerbstätigkeit
der [X.]n als Tarifbeschäftigte im öf-fentlichen Dienst ihr nicht das gleiche Einkommensniveau bieten kann, das sie ohne Ehe und Kinderbetreuung
bei einer kaufmännischen Tätigkeit erzielt hätte. Auf den Umstand, dass die [X.] tatsächlich nur 25
Wochenstunden arbeitet und deshalb lediglich Teilzeiteinkünfte erzielt, käme es in diesem [X.] nur dann an, wenn die Gründe, die der Ausübung einer Vollzeittätigkeit entgegenstehen, ihrerseits ehebedingte Ursachen haben (vgl. [X.]surteile vom 26.
Oktober 2011 -
XII
ZR
162/09
-
FamRZ 2012, 93 Rn.
27 und vom 29.
Juni 2011 -
XII
ZR
157/09
-
FamRZ 2011, 1721 Rn.
31). Auch hierzu hat das Berufungsgericht keine [X.]stellungen getroffen.
b) Die gegenüber der [X.]stellung [X.] Nachteile zu erheben-den Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s [X.] sich der angemessene Lebensbedarf, der nach §
1578
b Abs.
1 BGB re-gelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, im Grundsatz nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte; dabei muss es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln, der das [X.] wenigstens erreicht (vgl. zuletzt [X.]surteile vom 26.
Oktober 2011

XII
ZR
162/09
-
FamRZ 2012, 93 Rn.
27 und vom 29.
Juni 2011

XII
ZR
157/09
-
FamRZ 2011, 1721 Rn.
27
f.). Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der [X.]n zu [X.]
-
22
-

schlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass seine [X.] insgesamt nicht nachvollzogen werden kann.

III.
Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der [X.] ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil es hierzu weiterer tatrichterlicher [X.]stellungen und Würdigungen bedarf. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird noch auf folgendes hingewiesen:
Die Billigkeitsabwägung nach §
1578
b BGB erschöpft sich nicht in der Kompensation [X.] Nachteile, sondern berücksichtigt darüber hinaus das Maß der
nachehelichen
Solidarität; dies gilt auch für den Aufstockungsun-terhalt (vgl. [X.]surteil vom 8.
Juni 2011 -
XII
ZR
17/09
-
FamRZ 2011, 1381 Rn.
35). Sollten im vorliegenden Fall keine ehebedingten Nachteile festzustellen sein, so dürften die verbleibenden, besonders gewichtig gegen eine Unter-haltsbegrenzung sprechenden Billigkeitsgesichtspunkte -
zum einen die lange Ehedauer und zum anderen die von der [X.]n behaupteten, allerdings vom Berufungsgericht bislang nicht aufgeklärten herausgehobenen Vermögens-verhältnisse des [X.]
-
es nicht rechtfertigen können, der [X.]n einen dauerhaften Aufstockungsunterhalt zuzusprechen.
Die Zurückverweisung gibt dem Kläger auch Gelegenheit, zur Unter-haltsbedürftigkeit seiner zweiten Ehefrau vorzutragen. Sollte hiernach [X.] werden können, dass eine weitere,
nach §
1609 BGB gleichrangige Un-terhaltsverbindlichkeit besteht, wäre
diese nach den vom [X.] entwickelten Grundsätzen ([X.]surteil vom 7.
Dezember 2011 -
XII
ZR
151/09
-
FamRZ 46
47
48
49
-
23
-

2012, 281 Rn.
41
ff., zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt) bei der Beurtei-lung der Leistungsfähigkeit des [X.] zu berücksichtigen.

Dose

[X.]

Klinkhammer

RiBGH [X.] ist im

Botur

Urlaub und deswegen an

einer Unterschrift gehindert.

Dose
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
354 [X.]/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.04.2010 -
12 UF 40/09 -

Meta

XII ZR 72/10

11.07.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. XII ZR 72/10 (REWIS RS 2012, 4789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4789

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZR 72/10

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