Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. IV ZR 116/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10011

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 116/11
vom

18. Januar 2012

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.]
Karczewski und die Richterin [X.]

am 18. Januar 2012

beschlossen:

Der [X.] beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.]
8.
Zivilse-nat

vom 19.
Mai 2011 durch Beschluss nach §
552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-nen

vier Wochen.

Gründe:

[X.] Der Kläger macht Ansprüche aus einer mit
der Beklagten ge-schlossenen Unfallversicherung, der die [X.] zugrunde liegen, geltend. Versicherte Person
ist
neben dem Kläger dessen [X.] R.

M.

. Die Versiche-rungssumme für den Todesfall beträgt 154.000

;
als Bezugsberechtigte im Todesfall sind die jeweiligen Erben vorgesehen. Am 21.
Mai 2008 verstarb R.

M.

bei einem Tauchgang im A.

(Öster-1
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reich). Er wurde von dem Kläger zu 1/2 sowie von D.

und C.

M.

zu je 1/4 beerbt.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 154.000

den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich seine vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

I[X.] Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§
552a Satz
1 ZPO).

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO zu.

a)
Dafür genügt es nicht, dass eine Entscheidung von der Ausle-gung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängt. Erforderlich ist vielmehr, dass deren Auslegung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den be-teiligten Verkehrskreisen umstritten ist ([X.]sbeschlüsse vom 20.
April 2010
IV ZR 250/08, [X.], 1078 Rn.
7; vom 10.
Dezember 2003

IV ZR 319/02, [X.], 225 unter 2 a),
die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entscheidungserheblich, [X.] und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschlüsse vom 27.
März 2003
[X.], [X.]Z 154, 288, 291; vom 1.
Oktober 2002
[X.], [X.]Z 152, 182, 191).
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b) Dass diese Voraussetzungen bei den von der [X.] erfüllt sein könnten, wird we-der im Berufungsurteil noch in der Revisionsbegründung dargelegt.

Gemäß §
1 III [X.] liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis un-freiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Nicht unter den [X.] fallen gemäß
§
2 I (1)
[X.] Unfälle durch Geistes-
oder Bewusstseinsstörungen. Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn [X.] Störungen durch ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis verursacht waren. Der [X.] hat hiervon ausgehend die maßgeblichen Grundsätze zur Eintrittspflicht des Versicherers bei Tod durch Ertrinken in seiner Entscheidung vom 22.
Juni 1977 ([X.], [X.], 736, 737) entwickelt. Der Anspruchsteller muss nachweisen, dass es ei-nen Unfall in Gestalt des Todes durch Ertrinken gegeben hat. Er braucht jedoch nicht die Ursachen und den Verlauf des Unfalles zu beweisen. Vielmehr genügt die Schilderung von Geschehensabläufen, die den Un-fallbegriff der maßgeblichen Versicherungsbedingungen erfüllen. Für den [X.] kommt es allein auf dasjenige Ereignis an, das den Schaden unmittelbar ausgelöst hat, nicht auf dessen einzelne Ursachen, die nur im Rahmen der Ausschlussklauseln eine Rolle spielen können ([X.], Ur-teil vom 10.
Januar 1957
II ZR 162/55, [X.]Z 23, 76, 80). Der Tod durch Ertrinken ist daher immer ein Unfalltod im Sinne der Unfallversi-cherungsbedingungen, ohne dass es auf dessen
Ursachen ankäme. Die Leistungspflicht des Versicherers ist nur ausgeschlossen, wenn es zu dem Ertrinken durch eine Geistes-
oder Bewusstseinsstörung gekommen ist. Das Vorliegen dieses Ausschlusstatbestandes hat der Versicherer darzulegen und zu beweisen.

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Diese Grundsätze, die auch das Berufungsgericht zugrunde
gelegt hat, entsprechen der einheitlichen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. [X.], 1363, 1364; [X.] VersR 1989, 242, 243; [X.] VersR 1984, 578; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
178 Rn.
7; [X.]/[X.], Private Unfallversicherung Ziff.
1 Rn.
14; [X.]/[X.], [X.] 2.
Aufl. §
178 Rn.
5; [X.], [X.], 411, 412
f.; ähnlich [X.], AUB 4.
Aufl. Ziff.
1 AUB 99 Rn.
33). Es kommt in diesem Zusammenhang
nicht darauf an, ob es sich -
wie vom Berufungsgericht in Erwägung gezogen -
um ei-nen Fall typischen oder atypischen Ertrinkens handelt. Die dargestellten Grundsätze sind unabhängig davon anzuwenden, welche konkrete Ursa-che zu dem Unfall geführt hat. Der Anspruchsteller hat darzulegen und zu beweisen, dass ein Unfall durch Ertrinken, d.h. durch das Eindringen von Wasser in den [X.], vorliegt. Welche Ursache hierfür maßgeb-lich war, ist erst für die Beurteilung des Eingreifens eines vom Versiche-rer zu beweisenden Ausschlusstatbestandes von Bedeutung. Eine unter-schiedliche rechtliche Beurteilung der verschiedenen Formen des Ertrin-kens und ihrer Ursachen kommt nicht in Betracht.

2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat richtig entschieden. Die vom Kläger erhobenen [X.] gegen die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts gemäß §
286 ZPO greifen
nicht durch.

a) Das Berufungsgericht ist
insoweit von der Revision als ihr günstig zugrunde gelegt

davon ausgegangen, dass R.

M.

ertrunken ist,
und hat sich hierzu auf das Gutachten des Sachverständi-gen Prof.
Dr.
B.

gestützt. Zugleich hat es festgestellt, nach seiner Überzeugung sei mit einer so hohen Sicherheit bewiesen, dass am An-7
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fang der zum Tode des Versicherten führenden Kausalkette eine auf [X.] funktionellen Herzstörung beruhende Bewusstseinsstörung bestan-den habe, dass vernünftige Zweifel daran nicht bestünden, selbst wenn sich der Beweis hierfür nicht mit absoluter Sicherheit führen lasse. Auf dieser Grundlage hat es den Ausschlusstatbestand des §
2 I (1)
[X.] angenommen.
Das ist nicht zu beanstanden. Die nach §
286 ZPO erfor-derliche Überzeugung des Gerichts erfordert keine absolute oder unum-stößliche Gewissheit und keine "an Sicherheit grenzende Wahrschein-lichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet
([X.], Urteil vom 8.
Juli 2008
[X.], [X.], 1126
Rn.
7 m.w.N.). Die Würdi-gung der Beweise ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, an [X.] Feststellungen das Revisionsgericht gemäß §
559 Abs.
2 ZPO ge-bunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter ent-sprechend dem Gebot des §
286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Be-weisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt ([X.] aaO).

b) Einen solchen Rechtsfehler weist die Revision nicht nach.

aa) Der Sachverständige Prof.
Dr.
B.

, dessen Ausführungen das Berufungsgericht gefolgt ist, hat ausgeführt, eine funktionelle Störung der
Herztätigkeit sei nach dem [X.] als ein "sehr wahr-scheinliches" Ereignis anzusehen. Bei dem Versicherten hätten die vier Risikofaktoren der Fettdurchwachsung der rechten Herzmuskulatur, des erhöhten Blutdrucks, der Fettleibigkeit und einer anlagebedingt engen Herzkranzschlagader vorgelegen. Zwar vermochte der Sachverständige nicht mit letzter Sicherheit festzustellen, ob die funktionelle Störung der 10
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Herztätigkeit zu dem Unfalltod durch Ertrinken geführt hat. Hierauf kommt es nach den oben dargestellten Grundsätzen aber nicht an. Wenn der Sachverständige feststellt, dass die funktionelle Herzstörung ein sehr wahrscheinliches Ereignis und ein Ertrinkungstod ohne auslösende [X.] Ursache aufgrund der [X.]e nicht belegbar sei, so ist es
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht hier-auf seine Überzeugung stützt. Der Kläger versucht lediglich,
seine Be-weiswürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen. Soweit er vorbringt, nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Sach-verständigen B.

komme auch eine Verunreinigung des [X.] durch Kohlenmonoxid in Betracht, die vom Versicherten erst spät bemerkt worden sein könnte, vermag eine derart theoretisch mögliche andere Ursache keinen Fehler in der Überzeugungsbildung des [X.] zu begründen, wenn eine funktionelle Störung der Herztätigkeit nach den sachverständigen
Feststellungen als sehr wahrscheinliches Ereignis in Betracht kommt. Außerdem konnten
unstreitig technische Mängel des [X.] nicht festgestellt werden.

bb) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, das [X.] habe nicht ohne eigene Befragung des lediglich von der Po-lizei vernommenen Zeugen A.

davon ausgehen dürfen, dass der [X.] ohne einen bei einem Ertrinken im Falle fehlender
vorangegan-gener
Bewusstseinsstörung sicher zu erwartenden heftigen [X.] ertrunken sei. Zunächst hat
der Sachverständige Prof.
Dr.
B.

bereits ohne Berücksichtigung der
Aussage des Zeugen A.

ausgeführt, dass bei dem Versicherten eine funktionelle Störung der Herztätigkeit als sehr wahrscheinliches Ereignis für den Tod durch Ertrinken anzusehen sei. Bereits auf diese Feststellungen durfte das Berufungsgericht seine Überzeugungsbildung stützen. Lediglich ergänzend hat der [X.]
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dige ausgeführt, falls es einen sonst zu erwartenden "heftigen [X.]" nicht gegeben habe, sei ein Ertrinken im eigentlichen Sinn sicher auszuschließen.

Hinzu kommt, dass nach den
von dem Zeugen A.

bei der
Polizei gemachten Angaben keine Anhaltspunkte dafür bestehen, er sei bei dem Tauchgang derart abgelenkt gewesen, dass er einen Abwehrkampf des Versicherten nicht mitbekommen hätte. Bei seiner Sachverhaltsschilde-rung, deren Richtigkeit vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird, hätte dem Zeugen A.

trotz seines vorangegangenen Problems mit dem Tauchanzug auffallen müssen, wenn es zu einem Abwehrkampf gekom-men wäre, wie dieser über einen Zeitraum von ein
bis zwei Minuten ohne gleichzeitiges Vorliegen körperinnerer Vorgänge zu erwarten gewesen wäre.

c) Soweit der Kläger weiter beantragt hat, den Notarzt Dr.
T.

sowie den obduzierenden Arzt Dr.
H.

als (sachverständige) Zeugen zu der behaupteten "unmittelbaren Todesursache Ertrinkungstod und fehlenden Anzeichen eines Herztodes" zu vernehmen (Schriftsatz vom 12.
August 2010 S.
3, sowie Berufungsbegründung vom 4.
Oktober 2010 S.
5), war das Berufungsgericht hierzu mangels Erheblichkeit des [X.] nicht verpflichtet. Es ist auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.
B.

selbst davon ausgegangen, dass ein Tod durch Ertrinken vorliegt und nicht etwa ein plötzlicher Herztod. Dem Vortrag des [X.] lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, dass er die Zeugen zugleich dazu benannt hat, es liege ein Unfalltod durch Er-trinken vor und ein Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen einer Geistes-
oder Bewusstseinsstörung infolge der Funktionsbeeinträchti-gung des Herzens komme nicht in Betracht.
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Abgesehen davon stehen insbesondere der Obduktionsbericht des Dr.
H.

und das Sachverständigengutachten des Prof.
Dr.
B.

nicht in einem derartigen Widerspruch zueinander, dass eine weitere Sach-verhaltsaufklärung geboten wäre.

d) Schließlich hat der Kläger nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass die Bewusstseinsstörung ihrerseits durch ein unter den Vertrag fallendes Unfallereignis verursacht worden war (§
2 I (1) Satz
2 [X.]; vgl. [X.] in [X.]/[X.], Nr.
5 AUB 2008 Rn.
28). [X.] geht das Berufungsgericht nicht davon aus, dass mit dem Tauchen verbundener Stress ursächlich für das Auftreten funktioneller Herzstörungen bei dem Versicherten war. Vielmehr hat es lediglich [X.], mit dem Tauchen verbundener Stress könne sich nach dem Gut-
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achten des Sachverständigen Prof.
Dr.
B.

begünstigend auf das [X.] funktioneller Herzstörungen auswirken. Einen Kausalzusammen-hang hat es ebenso wenig festgestellt wie der Sachverständige.

[X.] [X.]

[X.]

Dr.
Karczewski

Dr.
Brockmöller

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.08.2010 -
3 O 751/09 (3) -

OLG Nürnberg, Entscheidung vom 19.05.2011 -
8 U 1906/10 -

Meta

IV ZR 116/11

18.01.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. IV ZR 116/11 (REWIS RS 2012, 10011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10011

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 116/11

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