Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.05.2019, Az. IV ZR 73/18

4. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 6997

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Gegenstand

Umfang der Informationspflicht eines Unfallversicherers bei Versicherung für fremde Rechnung


Leitsatz

Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren. Das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.

Tenor

Die Revision der Klägerin und die [X.] der Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 23. Februar 2018 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 96% und die Beklagte zu 4%.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Unfallversicherung in Anspruch, die sie als versicherte Person ausweist und die von ihrem im [X.] des Jahres 2013 verstorbenen Ehemann genommen worden war.

2

Als Voraussetzung der vereinbarten Invaliditätsleistung und Unfallrente war unter Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 der dem Vertrag zugrundeliegenden "Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen …" (im Folgenden: [X.]) jeweils Folgendes bestimmt:

"Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität).

Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden."

3

Im Übrigen lauteten die [X.] auszugsweise:

"2.5 Krankenhaustagegeld

2.5.1 Voraussetzungen für die Leistung:

Die versicherte Person befindet sich wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer [X.]

5.1. Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:

5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle …

12 Wie sind die Rechtsverhältnisse der am Vertrag beteiligten Personen zueinander?

12.1 Ist die Versicherung gegen Unfälle abgeschlossen, die einem anderen zustoßen (Fremdversicherung), steht die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag nicht der versicherten Person, sondern Ihnen zu. Sie sind neben der versicherten Person für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich."

4

Am frühen Morgen des 1. März 2013 stürzte die Klägerin aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss des seinerzeit von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Anwesens und erlitt schwere Verletzungen.

5

Auf die "Schadenmeldung" vom 5. März 2013 übersandte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin ein Schreiben vom 8. März 2013, in welchem unter anderem auf die Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung der Invalidität hingewiesen wurde. Mit Schreiben vom 24. April 2013 verneinte die Beklagte ihre Leistungspflicht gegenüber dem Ehemann der Klägerin mit der Begründung, dass es sich bei dem Vorfall vom 1. März 2013 um einen Suizidversuch gehandelt habe. Sie wiederholte ihre Leistungsablehnung im November 2016 nach einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Klägerin, die inzwischen selbst als Versicherungsnehmerin geführt wurde.

6

Das [X.] hat die unter anderem auf Zahlung von Krankenhaustagegeld in Höhe von 6.300 €, einer Invaliditätsentschädigung von 44.400 € (60 % der [X.]) und einer Unfallrente von monatlich 1.440 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte unter Zurückweisung des [X.] Rechtsmittels verurteilt, an die Klägerin das geforderte Krankenhaustagegeld nebst Zinsen zu zahlen und sie von anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

7

Mit der vom [X.] zu ihren Gunsten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr weitergehendes Begehren mit Ausnahme des Anspruchs auf eine Auslagenpauschale von 30 € weiter. Die Beklagte erstrebt mit der [X.] die vollständige Zurückweisung der klägerischen Berufung.

Entscheidungsgründe

8

Die Rechtsmittel beider Parteien haben keinen Erfolg.

9

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in [X.], 544 veröffentlicht ist, hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

An der Aktivlegitimation der Klägerin, die nicht Versicherungsnehmerin, sondern versicherte Person sei, bestünden im Hinblick auf § 44 Abs. 2 [X.] keine Zweifel. Die Beklagte habe konkludent auf diesen Einwand verzichtet. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Zahlung von Krankenhaustagegeld für den Zeitraum vom 1. März bis 20. November 2013.

Bei dem Vorfall vom 1. März 2013 habe es sich um einen Unfall gehandelt. Die [X.] werde nach § 178 Abs. 2 Satz 2 [X.] vermutet. Es lasse sich weder aus den unstreitigen noch aus den von der Beklagten unter Beweis gestellten Umständen schließen, dass sich die Klägerin entweder in suizidaler Absicht willentlich aus dem Fenster gestürzt habe oder aber der Sturz auf eine Bewusstseinsstörung im Sinne von Ziff. 5.1.1 [X.] zurückzuführen sei.

Hinsichtlich der Ansprüche auf Invaliditätsleistung und Unfallrente sei die Klage dagegen unschlüssig. Es fehle an der nach Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 [X.] erforderlichen fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung. Auf die Versäumung der Frist könne sich die Beklagte berufen, weil sie den Ehemann der Klägerin als Versicherungsnehmer den Anforderungen des § 186 [X.] entsprechend auf die Notwendigkeit der Erstellung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung binnen einer Frist von 15 Monaten hingewiesen habe. Ein Hinweis an den Versicherungsnehmer sei auch bei einer Versicherung für fremde Rechnung und bei einer Anzeige des Versicherungsfalles durch die versicherte Person grundsätzlich ausreichend. Bei einer solchen Versicherung sei davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer, dem nach § 44 [X.] grundsätzlich die alleinige Verfügungsbefugnis zugewiesen sei, auch für die Einhaltung der Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen zugunsten der versicherten Person Sorge tragen werde.

II. Dies hält den Angriffen von Revision und [X.] stand.

1. Zur Revision:

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin zwar zur gerichtlichen [X.]eltendmachung des Anspruchs berechtigt ist, es aber an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehlt und die Beklagte sich auf diese Fristversäumnis berufen kann.

a) Bei der vom Berufungsgericht festgestellten Versicherung für fremde Rechnung ist die versicherte Person nach Ziff. 12.1 [X.] allerdings grundsätzlich nicht zur [X.]eltendmachung ihrer Rechte befugt (vgl. [X.]surteil vom 22. März 2000 - [X.], [X.], 753 unter 2 a [juris Rn. 9]). Dies ist vielmehr Sache des Versicherungsnehmers. Im Einzelfall kann der versicherten Person eine Rechtsverfolgung aber möglich sein, etwa wenn sich der Versicherer - wie es das Berufungsgericht hier angenommen hat - auf das Begehren eingelassen hat (vgl. hierzu [X.]surteile vom 13. September 2017 - [X.], [X.], 1330 Rn. 21 f.; vom 22. Februar 1978 - [X.], [X.], 409 unter I [juris Rn. 9]). Zudem hat die Klägerin nach dem unstreitigen Parteivorbringen mittlerweile selbst die Stellung als Versicherungsnehmerin erlangt.

b) Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung und Unfallrente stehen der Klägerin aber bereits deshalb nicht zu, weil es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität gemäß Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 [X.] fehlt.

aa) Bei der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung ([X.]surteil vom 30. November 2005 - [X.], [X.], 167, 169 [juris Rn. 7] m.w.[X.]). Die Leistungsablehnung der Beklagten vom 24. April 2013 ändert nichts daran, dass der Anspruch nicht entsteht, wenn Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt wird (vgl. [X.]surteil aaO m.w.[X.]).

Von diesen [X.]rundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. [X.]egen seine tatrichterliche Würdigung, frühestens mit dem nach Fristablauf erstellten Attest vom 6. November 2017 sei eine den Anforderungen von Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 [X.] genügende ärztliche Feststellung der Invalidität (vgl. hierzu [X.]surteil vom 1. April 2015 - [X.], [X.], 250 Rn. 20 f. m.w.[X.]) erfolgt, wendet sich die Revision zu Recht nicht.

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Ehemann der Klägerin als damaligem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 8. März 2013 der gebotene Hinweis im Sinne von § 186 Satz 1 [X.] erteilt worden. Damit wurde den gesetzlichen Anforderungen genügt. Eines an die Klägerin gerichteten Hinweises bedurfte es nicht.

Insoweit kann es dahinstehen, ob sich die Klägerin nicht auch die Belehrung gegenüber ihrem verstorbenen Ehemann zurechnen lassen müsste, nachdem sie unstreitig als Rechtsnachfolgerin in seine Stellung als Versicherungsnehmer eingerückt ist, Feststellungen zu [X.]rund und Zeitpunkt des Rechtsübergangs vom Berufungsgericht aber nicht getroffen worden sind. Auch unabhängig hiervon war ein inhaltsgleicher Hinweis an die Klägerin nicht erforderlich.

(1) Allerdings ist umstritten, ob es dem Versicherer bei einer Unfallversicherung für fremde Rechnung obliegt, über den Wortlaut des § 186 Satz 1 [X.] hinaus (auch) die versicherte Person selbst - hier mithin die Klägerin - entsprechend zu unterrichten.

Während die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums einen entsprechenden Hinweis für nicht notwendig erachten (so außer dem Berufungsgericht - zumindest im [X.]rundsatz - [X.], Urteil vom 31. Mai 2018 - 4 U 40/17, BeckRS 2018, 25773 Rn. 60; [X.] [X.], 405, 406 [juris Rn. 17]; [X.] r+s 2017, 432 Rn. 58 ff.; [X.] in Langheid/[X.], [X.] 6. Aufl. § 186 Rn. 4; [X.]/[X.], r+s 2017, 561, 562) und anderes nur für den Fall erwägen, dass der Versicherungsnehmer seine Verfügungsbefugnis zu [X.]unsten der versicherten Person ersichtlich aufgegeben hat (vgl. hierzu [X.] in [X.], [X.] 9. Aufl. § 186 Rn. 20; ähnlich [X.]/[X.], [X.]. § 10 Rn. 18; siehe auch [X.] aaO Rn. 64; [X.] aaO), geht ein anderer Teil der Literatur von einem Redaktionsversehen des [X.]esetzgebers aus und ist der Auffassung, dass die versicherte Person entweder stets (so [X.], [X.]. Ziff. 2 [X.] 2010 Rn. 16; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 186 Rn. 5 f.; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 186 Rn. 5; [X.], [X.], 397, 398; an[X.] aber [X.]., [X.]. [X.] Rn. 87) oder aber jedenfalls im Fall der Anzeige des Versicherungsfalls durch die versicherte Person (so [X.], Unfallversicherung [X.] 2014 2. Aufl. Ziff. 2.1 Rn. 110a; [X.]/[X.]/Knappmann, [X.] 30. Aufl. § 186 Rn. 9; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 186 Rn. 3; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 186 Rn. 4; [X.] in [X.]./Spuhl, Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1253 und in [X.]/[X.]räfe/[X.]ebert, [X.]. § 12 Rn. 298) in den Adressatenkreis des Hinweises gemäß § 186 Satz 1 [X.] einzubeziehen sei.

(2) Die zuerst genannte und auch vom Berufungsgericht vertretene Auffassung trifft zu. Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 [X.] zu informieren; das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.

(a) Dabei steht - an[X.] als die Revisionserwiderung meint - allein der Wortlaut des § 186 Satz 1 [X.], nach dem die Hinweispflicht nur gegenüber dem Versicherungsnehmer besteht, einem anderen Auslegungsergebnis allerdings nicht zwingend entgegen. So hat der [X.] in der Vergangenheit zur Kfz-Haftpflichtversicherung entschieden, dass Regelungen im [X.], im Pflichtversicherungsgesetz und in Versicherungsbedingungen, die nur den Versicherungsnehmer nennen, sinngemäß auch auf den mitversicherten Fahrer anzuwenden seien ([X.]surteil vom 13. Juli 1988 - [X.], B[X.]HZ 105, 140, 145 [juris Rn. 12]; B[X.]H, Urteil vom 12. Oktober 1967 - [X.], [X.], 1087 unter III [juris Rn. 14]; vgl. ferner zur Lebensversicherung, allerdings nur für den Fall, dass der Versicherte über den Anspruch verfügen kann, [X.]surteil vom 25. Juni 1986 - [X.], [X.], 803 unter [X.] [juris Rn. 19]). Jedoch hat der [X.]esetzgeber des [X.]es 2008, der mit diesem [X.]esetz zahlreiche neue Hinweis- und [X.] des Versicherers eingeführt hat, an mehreren Stellen spezielle Regelungen getroffen, die ausdrücklich eine Information der versicherten Person selbst gewährleisten sollen (vgl. etwa § 166 Abs. 4, § 206 Abs. 3 Satz 2 [X.]; siehe nunmehr auch § 7d Satz 1 [X.], eingeführt durch [X.]esetz vom 20. Juli 2017, B[X.]Bl. I S. 2789). Mit dieser Regelungssystematik wäre es nicht vereinbar, die Hinweispflicht des § 186 Satz 1 [X.] allein deshalb auf das Verhältnis zur versicherten Person zu erstrecken, weil dieser gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Rechte aus dem Vertrag zustehen.

Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der [X.]esetzgeber die versicherte Person lediglich aufgrund eines Redaktionsversehens in § 186 [X.] nicht erwähnt haben könnte. Vielmehr hat der [X.]esetzgeber - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - gerade auch im Zusammenhang mit der von ihm erkannten Problematik, dass der versicherten Person die zu stellende ärztliche Prognose bei sich länger hinziehenden Untersuchungen und Behandlungen häufig nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erkennbar sein müsse, eine Informationsobliegenheit des Versicherers nur gegenüber dem Versicherungsnehmer für geboten erachtet (BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. [X.]). Er hatte also erkennbar die Differenzierung zwischen Versicherungsnehmer und versicherter Person im Auge, was gegen ein gesetzgeberisches Versehen spricht (ebenso [X.] r+s 2017, 432 Rn. 59; [X.], Urteil vom 31. Mai 2018 - 4 U 40/17, BeckRS 2018, 25773 Rn. 60).

(b) Auch Sinn und Zweck der Norm gebieten nicht eine Einbeziehung der versicherten Person in den Adressatenkreis des in § 186 Satz 1 [X.] bezeichneten Hinweises.

Zwar soll mit dieser Vorschrift der [X.]efahr vorgebeugt werden, dass dem Versicherungsnehmer möglicherweise berechtigte Ansprüche allein wegen Ablaufs einer ihm nicht immer geläufigen Frist verloren gehen ([X.]surteil vom 14. Januar 2015 - [X.], [X.], 230 Rn. 12; BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. [X.]). Eben diese [X.]efahr kann sich bei einer Versicherung für fremde Rechnung in der Person des Versicherten verwirklichen, zu dessen Nachteil gemäß § 191 [X.] von § 186 [X.] nicht abgewichen werden kann. Ist aber der Versicherungsnehmer gemäß § 186 Satz 1 [X.] über die Anspruchsvoraussetzung einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität unterrichtet worden, so liegt das Risiko der Wahrung dieser Frist bei der versicherten Person; dies ist Ausdruck des [X.]rundsatzes der Abhängigkeit der Rechte der versicherten Person vom Verhalten des Versicherungsnehmers (vgl. hierzu allgemein [X.]sbeschluss vom 21. September 2011 - [X.], [X.], 32 Rn. 32; [X.]surteil vom 15. November 1978 - [X.], [X.], 176 unter 2 [juris Rn. 34 ff.]), dem die Rechtsverfolgung gegenüber dem Versicherer obliegt. Denn es entspricht dem gesetzlichen Regelfall (§ 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 [X.]), dass der versicherten Person die formell-materielle Befugnis zur [X.]eltendmachung ihrer Rechte fehlt (vgl. hierzu [X.]surteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 1118 Rn. 11 m.w.[X.]). Damit steht in Einklang, dass § 186 [X.] keine gesonderte Regelung für die Versicherung für fremde Rechnung trifft, sondern unterschiedslos eine Unterrichtung nur des Vertragspartners des Versicherers vorsieht.

(c) Eine Pflicht zur Belehrung der versicherten Person folgt auch nicht daraus, dass diese gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] ebenfalls den Versicherungsfall anzuzeigen hat. Zwar findet die Anzeige des Versicherungsfalles durch einen [X.] gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] im Wortlaut des § 186 Satz 1 [X.] keine ausdrückliche Erwähnung. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, der Hinweis sei stets der Person zu erteilen, die den Versicherungsfall gemäß § 30 Abs. 1 [X.] angezeigt hat.

Vielmehr ist § 186 Satz 1 [X.] nur dahin zu ergänzen, dass die Hinweispflicht auch bei einer Anzeige des Versicherungsfalles durch die versicherte Person besteht. Auch hier bleibt es jedoch dabei, dass der Hinweis grundsätzlich allein dem Versicherungsnehmer zu erteilen ist. Der Zweck der gesetzlichen Obliegenheit nach § 30 Abs. 1 [X.] zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles (vgl. zum [X.] der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers BT-Drucks. 16/3945 S. 69 f.) besteht darin, dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung sowie schnelle und zuverlässige Klärung des Eintritts des Versicherungsfalles zu ermöglichen (vgl. [X.]surteile vom 3. Mai 2000 - [X.], [X.], 841 unter [X.] [X.] [juris Rn. 14] zu einer vertraglichen Anzeigeobliegenheit; vom 7. Juli 1999 - [X.], [X.], 1266 unter 2 d bb [juris Rn. 29] zu einer vertraglichen Ausschlussfrist). Insoweit trägt die vom [X.]esetz so bezeichnete Anzeigepflicht eines anspruchsberechtigten [X.] (vgl. zu deren streitiger Rechtsnatur MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 30 Rn. 10 f.; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.] 30. Aufl. § 30 Rn. 10; jeweils m.w.[X.]) sowie des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung (vgl. zu dessen Einbeziehung in die Anzeigepflicht BT-Drucks. 16/3945 S. 70 li. [X.]) der Tatsache Rechnung, dass dieser oftmals deutlich früher als der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls erlangt.

Die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit durch den Versicherten begründet dagegen ebenso wenig wie ein bloßes Versäumnis des Versicherungsnehmers die formell-materielle Befugnis des Versicherten zur [X.]eltendmachung seiner Rechte (vgl. zu den Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf § 7 Abs. 1 Satz 2 AHB [X.]surteile vom 13. September 2017 - [X.], [X.], 1330 Rn. 21 f.; vom 4. Mai 1983 - [X.], [X.], 823 unter II 1 [juris Rn. 19] m.w.[X.]; siehe auch [X.]/[X.]/Knappmann, [X.] 30. Aufl. Ziff. 12 [X.] 2010 Rn. 2 f.; [X.] in [X.], [X.] 9. Aufl. Ziff. 12 [X.] 2008 Rn. 7). Diese Befugnis verbleibt beim Versicherungsnehmer. Dem Zweck des § 186 [X.], auch einem Anspruchsverlust zum Nachteil des Versicherten vorzubeugen, wie er sich aus § 191 [X.] ergibt, wird deshalb auch in diesem Fall durch den Hinweis an den Versicherungsnehmer genügt.

(d) Des Weiteren entspricht es dem Interesse des Versicherers, Klarheit über den Adressaten des von ihm zu erteilenden Hinweises zu haben (vgl. zu dem Interesse des Versicherers, Klarheit hinsichtlich des richtigen Erklärungsadressaten zu haben, auch [X.]surteil vom 7. Februar 2018 - [X.], [X.], 339 Rn. 20 bezüglich des Empfängers einer Anfechtungserklärung). So wird der Versicherer zum Beispiel bei [X.]ruppenversicherungsverträgen nicht stets über hinreichende Informationen zu der potenziell leistungsberechtigten versicherten Person verfügen (zutreffend [X.] in Langheid/[X.], [X.] 6. Aufl. § 186 Rn. 4).

(e) Soweit die Revision meint, die versicherte Person sei jedenfalls deshalb in den Adressatenkreis des in § 186 Satz 1 [X.] genannten Hinweises einzubeziehen, weil andernfalls die Fristenregelungen in Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 [X.] mit § 307 B[X.]B unvereinbar seien, dringt sie auch hiermit nicht durch. Der [X.] hat bereits entschieden, dass solche Fristenregelungen einer Inhalts- und Transparenzkontrolle standhalten (vgl. [X.]surteil vom 20. Juni 2012 - [X.], [X.], 1113 Rn. 12 ff. m.w.[X.]). Einen Transparenzverstoß hat der [X.] (aaO Rn. 16) ausdrücklich ohne Rücksicht auf die seinerzeit noch nicht anwendbare Regelung des § 186 Satz 1 [X.] verneint. Aus dem Inkrafttreten dieser - vertragliche Fristen gerade voraussetzenden (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. [X.]) - Vorschrift kann nicht auf die Unwirksamkeit der Bestimmungen in Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 [X.] geschlossen werden.

(f) Offen bleiben kann, ob es auch nach Einführung des § 186 [X.] ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn sich der Versicherer auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität beruft (vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 186 [X.] [X.]surteile vom 30. November 2005 - [X.], [X.], 167, 169 f. [juris Rn. 8]; vom 23. Februar 2005 - [X.], B[X.]HZ 162, 210, 218 [juris Rn. 23] m.w.[X.]). Ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Beklagten liegt nicht vor; ein solches ergibt sich nicht daraus, dass sie bei ihrer ersten Leistungsablehnung von einer Wiederholung des in § 186 Satz 1 [X.] genannten Hinweises abgesehen (vgl. hierzu [X.]surteil vom 30. November 2005 aaO [X.] f. [juris Rn. 10]) und auch gegenüber der Klägerin an den Ablehnungsgründen festgehalten hat, als diese - nach Ablauf der in Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 [X.] bezeichneten Frist - Ansprüche geltend gemacht hat.

2. Zur [X.]:

a) Die [X.] ist gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, obwohl die Zulassungsentscheidung nur zu [X.]unsten der Klägerin ergangen ist und Revision und [X.] jeweils prozessual selbständige Ansprüche (vgl. hierzu [X.]sbeschluss vom 30. November 2005 - [X.], [X.], 388 Rn. 6 f.) zum [X.]egenstand haben.

Für die Statthaftigkeit der [X.] genügt es, dass sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht ([X.]surteil vom 9. März 2016 - [X.], [X.], 255 Rn. 22; B[X.]H, Urteil vom 22. November 2007 - [X.], B[X.]HZ 174, 244 Rn. 38 ff.). Diese Voraussetzung ist hier - an[X.] als die [X.]serwiderung meint - erfüllt. Die Klägerin macht aufgrund eines einheitlichen [X.]eschehens mehrere vertraglich vereinbarte Leistungsarten geltend. Die von der Revision erstrebte weitergehende Stattgabe der Klage setzt dabei nicht an[X.] als der von der [X.] erfasste Anspruch auf Krankenhaustagegeld voraus, dass die Beklagte mit ihrem übergreifenden Einwand, es habe sich bei dem Vorfall vom 1. März 2013 um ein nicht versichertes Ereignis gehandelt, erfolglos bleibt (vgl. hierzu auch B[X.]H, Urteile vom 16. Oktober 2014 - [X.]/12, NJW 2014, 3645 Rn. 20; vom 5. Dezember 2006 - [X.], [X.], 1392 Rn. 6; vom 26. Juli 2004 - [X.], [X.], 3174 unter [X.] [juris Rn. 26]).

b) Die [X.] rügt jedoch ohne Erfolg einen Verstoß gegen § 286 ZPO, soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass aus den unstreitigen und unter Beweis gestellten Umständen nicht auf eine freiwillige [X.]esundheitsschädigung oder einen Sturz aufgrund einer [X.]eistes- oder Bewusstseinsstörung im Sinne von Ziff. 5.1.1 [X.] geschlossen werden könne.

aa) Der Tatrichter ist grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzelnen und in einer [X.]esamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Das Revisionsgericht hat seine Würdigung nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat ([X.]surteile vom 22. Juni 2011 - [X.]/10, [X.], 376 Rn. 8; vom 22. November 2006 - [X.], [X.], 59 Rn. 11 m.w.[X.]). Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter seine Anforderungen an den [X.]rad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt hat. Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und [X.]esamtschau erkennen lassen ([X.]surteile vom 22. Juni 2011 aaO; vom 22. November 2006 aaO; vom 24. Januar 1996 - [X.], [X.], 146 unter II [juris Rn. 6]; vom 15. Juni 1994 - [X.], [X.], 1054 unter 2 [juris Rn. 10 f.]).

bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gerecht.

Das Vorbringen der Klägerin, sie sei zum Zwecke der Öffnung des Fensters auf den Sessel gestiegen und habe "Übergewicht bekommen", hat das Berufungsgericht für plausibel befunden. Es hat sodann auch gegen diese Annahme und für einen freiwilligen Sprung der Klägerin aus dem Fenster sprechende Umstände, namentlich die [X.]runderkrankung der Klägerin (bipolare Störung) einschließlich der Verschlechterung ihres [X.]esundheitszustandes, die eingeräumte unregelmäßige Medikamenteneinnahme während der Behandlung der Depression, den Strangulationsversuch der Klägerin im Jahre 2000 sowie die telefonisch gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten abgegebene Einschätzung der die Klägerin behandelnden Ärztin sowie die unkonkreten Angaben des Ehemannes aus dem Ermittlungsverfahren berücksichtigt und abgewogen. Ebenso hat es die von der Klägerin geschilderte Luftnot sowie die Hilfeschreie, die von Nachbarn sowie dem Ehemann der Klägerin vor dem Sturzgeschehen wahrgenommen worden waren, in seine Abwägung eingestellt und ausgeführt, dass diese Umstände auch in einer [X.]esamtschau einen ausreichend sicheren Schluss auf einen Suizidversuch wie auch auf eine [X.]eistes- oder Bewusstseinsstörung nicht zuließen.

Damit hat das Berufungsgericht alle gewichtigen Umstände zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Eine darüberhinausgehende Auseinan[X.]etzung mit dem Vorbringen der Beklagten war nicht geboten.

[X.]     

      

Harsdorf-[X.]ebhardt     

      

Lehmann

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann     

      

Meta

IV ZR 73/18

22.05.2019

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 23. Februar 2018, Az: 12 U 111/17, Urteil

§ 30 Abs 1 S 2 VVG, § 186 S 1 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.05.2019, Az. IV ZR 73/18 (REWIS RS 2019, 6997)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 938-939 WM2019,1417 NJW 2019, 2534 REWIS RS 2019, 6997

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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