Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.05.2018, Az. AnwZ (Brfg) 71/17

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 8581

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Gegenstand

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung: Beweisanzeichen für Vermögensverfall des Rechtsanwalts; Tatbestandswirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen; Prüfungsumfang des Anwaltsgerichts


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das am 6. Oktober 2017 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit 1978 im [X.]ezirk der [X.]eklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit [X.]escheid vom 16. Februar 2017 widerrief die [X.]eklagte die Zulassung des [X.] wegen [X.]. Die Klage des [X.] gegen diesen [X.]escheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.].

II.

2

Der Antrag des [X.] ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

3

1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.], [X.]eschluss vom 29. Dezember 2016 - [X.] ([X.]) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des [X.] steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden [X.]es.

4

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten ([X.], [X.]eschlüsse vom 8. Dezember 2010 - [X.] ([X.]) 119/09, juris Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - [X.] ([X.]) 40/13, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 4). Gibt es [X.]eweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des [X.] zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte ([X.], Urteil vom 9. Februar 2015 - [X.] ([X.]) 51/13, juris Rn. 14). Von diesen Grundsätzen ist der [X.] ausgegangen.

5

b) Der Kläger verweist darauf, dass die gegen ihn gerichteten Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Mit der [X.]egründung des Zulassungsantrags hat er eine Ablichtung zweier Klagen zum Finanzgericht D.    vorgelegt. Seiner Ansicht nach war es Aufgabe des [X.] und ist es jetzt Aufgabe des Anwaltssenats, die [X.]erechtigung der Steuerforderungen zu prüfen, bevor ein Vermögensverfall bejaht werden kann. Dies trifft nicht zu. Der [X.] geht in ständiger Rechtsprechung von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. September 2016 - [X.] ([X.]) 39/15, juris Rn. 16 mwN). Im [X.] nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen, nicht im [X.].

6

c) Der Kläger meint weiter, die Interessen der Rechtsuchenden seien nicht gefährdet. Soweit [X.] auf dem gepfändeten Geschäftskonto des [X.] eingegangen seien, habe das Finanzamt diese [X.]eträge freigegeben, wozu es aus Rechtsgründen auch verpflichtet gewesen sei.

7

aa) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines [X.] folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern ([X.], [X.]eschluss vom 15. Dezember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, juris Rn. 12; vom 5. März 2018 - [X.] ([X.]) 52/17, juris Rn. 8). Selbst auferlegte [X.]eschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen ([X.], [X.]eschluss vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 17 mwN).

8

bb) Entgegen der Ansicht des [X.] ist ein Zugriff von Gläubigern auf [X.], die auf dem Geschäftskonto des Rechtsanwalts liegen, nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs kommt ein Widerspruchsrecht des Treugebers gegenüber der Einzelzwangsvollstreckung eines Gläubigers des Treuhänders (§ 771 ZPO) oder ein Aussonderungsrecht des Treugebers in der Insolvenz des Treuhänders (§ 47 [X.]) allenfalls dann in [X.]etracht, wenn das Geld auf ein Anderkonto oder ein sonstiges Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist, das ausschließlich dazu bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten ([X.], Urteil vom 1. Juli 1993 - [X.], NJW 1993, 2622; vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.]Z 188, 317 Rn. 15 ff., 21; vom 10. September 2015 - [X.], [X.], 1996 Rn. 10). Das allgemeine Geschäftskonto eines Rechtsanwalts genügt diesen Anforderungen nicht.

9

2. Rechtsfragen von grundsätzlicher [X.]edeutung wirft der Fall nicht auf (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], [X.]eschluss vom 29. Dezember 2016 - [X.] ([X.]) 53/16, juris Rn. 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom [X.]eschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des [X.]undesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 20. [X.] 2016 - [X.] ([X.]) 39/16, Rn. 9 mwN; st. Rspr.). Das ist hier nicht geschehen. Die vom Kläger angesprochenen Rechtsfragen sind, wie gezeigt, sämtlich längst geklärt.

3. Dem [X.] ist schließlich kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere hat der [X.] nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

a) Im Antrag auf Zulassung der [X.]erufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren erster Instanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen ([X.], [X.]eschluss vom 6. Februar 2012 - [X.] ([X.]) 42/11, juris Rn. 19 mwN).

b) Diesen Voraussetzungen genügt der Zulassungsantrag nicht. Der Kläger meint, bereits im Verwaltungsverfahren hätte die [X.]erechtigung der Steuerforderungen geprüft werden müssen; dies hätte vom [X.] überprüft werden müssen. Dies trifft, wie gezeigt, nicht zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

[X.]     

        

Lohmann     

        

[X.]ellay

        

Lauer     

        

Merk     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 71/17

29.05.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 6. Oktober 2017, Az: 1 AGH 23/17

§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, § 124 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.05.2018, Az. AnwZ (Brfg) 71/17 (REWIS RS 2018, 8581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8581

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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