Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.02.2019, Az. AnwZ (Brfg) 65/17

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2019, 10223

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Gegenstand

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das dem Kläger an [X.] statt am 5. Oktober 2017 zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der 1960 geborene Kläger ist seit 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit [X.]escheid vom 8. März 2017 widerrief die [X.]eklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Die hiergegen gerichtete Klage hat der [X.] abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

2

Der Antrag des [X.] ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.], [X.]eschlüsse vom 29. Dezember 2016 - [X.] ([X.]) 36/16, juris Rn. 3 mwN; vom 15. Dezember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des [X.]s steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

4

a) Für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen [X.]s, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die [X.]eurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur [X.]eschlüsse vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - [X.] ([X.]) 77/13, juris Rn. 3; vom 20. Mai 2015 - [X.] ([X.]) 7/15, juris Rn. 5).

5

Die [X.]egründung des Zulassungsantrags gibt keine Veranlassung zu einer Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Senats. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Hinausschieben des Zeitpunkts der [X.]eurteilung einer Widerrufsverfügung nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der [X.]erufswahl. Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des [X.] einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 20. November 2017 - [X.] ([X.]) 42/17, juris Rn. 5 mwN).

6

b) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten ([X.], [X.]eschlüsse vom 8. Dezember 2010 - [X.] ([X.]) 119/09, juris Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - [X.] ([X.]) 40/13, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 4). Gibt es [X.]eweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte ([X.], Urteil vom 9. Februar 2015 - [X.] ([X.]) 51/13, juris Rn. 14).

7

Zum maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] vom 8. März 2017 hat sich der Kläger in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt erfolgten gegen ihn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen offener Verbindlichkeiten in Höhe eines - seinerseits errechneten - [X.]etrages von zumindest 38.927 €. Soweit sich der Kläger insoweit darauf berufen hat, über ausreichend liquide Mittel zur Erfüllung der genannten fälligen Verbindlichkeiten zu verfügen, diesbezüglich aber zahlungsunwillig zu sein, fehlt es an einer umfassenden und konkreten Darlegung, ob und wie er die gegen ihn gerichteten Forderungen tilgen könnte (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 6. Februar 2012 - [X.] ([X.]) 42/11, juris Rn. 20). Der bloße Verweis auf aus Sicht des [X.] bestehende Möglichkeiten zur darlehensweisen [X.]eschaffung der zur Tilgung erforderlichen Geldmittel ist hierzu nicht ausreichend.

8

In ständiger Rechtsprechung geht der Senat von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. September 2016 - [X.] ([X.]) 39/15, juris Rn. 16 mwN). Im [X.] nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. [X.]ehauptete Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen.

9

c) Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 29. Dezember 2016 - [X.] ([X.]) 53/16, juris Rn. 15 f. mwN). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Weitere Zulassungsgründe hat der Kläger weder behauptet noch vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Kayser     

        

Lohmann     

        

Paul   

        

Schäfer     

        

Schmittmann     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 65/17

18.02.2019

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Rheinland-Pfalz, 5. Oktober 2017, Az: 1 AGH 9/17

§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, Art 12 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.02.2019, Az. AnwZ (Brfg) 65/17 (REWIS RS 2019, 10223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10223

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