Bundessozialgericht, Urteil vom 20.12.2016, Az. B 2 U 16/15 R

2. Senat | REWIS RS 2016, 397

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Handlungstendenz - Abweg - Umweg - Irrtum - nicht erklärlicher Grund - eigenwirtschaftlicher Grund - Abbiegen in entgegengesetzte Richtung - Wendemanöver - objektive Beweislast


Leitsatz

Ein Beschäftigter, der sich aus unbekannten Gründen nicht auf dem direkten Weg zur Arbeitsstätte befindet, steht auch dann nicht unter Unfallversicherungsschutz, wenn er diesen Weg mit der Intention zurücklegt, die Arbeitsstätte zu erreichen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 14. Juli 2015 und des [X.] vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle einen Arbeitsunfall erlitten hat.

2

Der in [X.] wohnende Kläger war als Lagerist bei einem Unternehmen in E. beschäftigt, das auch ein Lager in [X.] unterhielt. Der übliche Weg von der Wohnung des [X.] zu diesem Lager führte über zwei Autobahnen bis zur Abfahrt [X.] Nach dieser Abfahrt musste der Kläger rechts auf eine Bundesstraße in Richtung M. abbiegen, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Am 7.1.2011 verließ der Kläger am frühen Abend seine Wohnung, um sich zu seinem Arbeitsplatz in dem Lager in [X.] zu begeben. Hierfür befuhr er zunächst die beiden Autobahnen bis zur Abfahrt [X.] Dort bog er aus unbekannter Ursache auf die Bundesstraße nicht in die auf seine Arbeitsstelle führende Richtung, sondern nach links in die Gegenrichtung ab und befuhr die Bundesstraße in dieser Richtung etwa 2,5 km. Er führte dann auf der vierspurigen Bundesstraße ein Wendemanöver durch, bei welchem er mit einem hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw zusammenstieß. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen, ua ein Schädel-Hirn-Trauma. Er hat keine Erinnerung an die Gründe für sein Abbiegen in die falsche Richtung und an den Unfallhergang.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich auf einem nicht versicherten [X.] befunden, weil er die Bundesstraße nicht in Richtung seiner Arbeitsstätte, sondern in die seiner Arbeitsstelle entgegengesetzte Richtung befahren habe, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrstechnische Gründe erkennbar gewesen seien (Bescheid vom 24.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011).

4

Das [X.] hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls festgestellt (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2015). Der Verkehrsunfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, weil er sich noch im inneren Zusammenhang mit dem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 [X.]B VII versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Der Kläger sei am Unfalltag mit der Handlungstendenz aufgebrochen, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Durch das falsche Abbiegen habe er keinen unversicherten [X.] angetreten, weil die Handlungstendenz unverändert darauf gerichtet gewesen sei, die Arbeitsstätte zu erreichen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ursache, die zum Falschabbiegen geführt habe, nicht mehr aufklärbar sei. Denn unter Anwendung der Grundsätze des [X.] sei zu Gunsten des [X.] davon auszugehen, dass bei ihm eine unveränderte Handlungstendenz bestanden habe. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel des [X.] in der von der Arbeitsstätte weg führenden Richtung vorgelegen. Das Wendemanöver auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort zur konkreten Zeit mache nur Sinn, wenn der Kläger seinen vorangegangenen Fehler beim Abbiegen habe korrigieren wollen, um noch rechtzeitig zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Im Übrigen stünden die Länge der in falscher Richtung auf der Bundesstraße zurückgelegten Fahrstrecke von ca 2,5 km und die Dauer dieser Fahrt von nur wenigen Minuten dem Fortbestehen des inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Das Zurücklegen des gesamten Weges stelle aufgrund der fortdauernden Handlungstendenz einen einheitlichen Vorgang dar. Eine den Unfallversicherungsschutz beendende Zäsur liege nicht vor.

5

Mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 [X.]B VII. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges unmittelbar vor dem Unfall und der versicherten Tätigkeit liege nicht vor, denn eine objektiv feststellbare Zäsur, wie das Einschwenken in einen [X.], indiziere regelmäßig, dass der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gelöst worden sei. Nach der Rechtsprechung des B[X.] lasse ein irrtümliches Verlassen des direkten Weges den inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit auf einem [X.] nur dann fortbestehen, wenn äußere, mit der besonderen Art des Weges verbundene Gefahren, zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, für das [X.] ursächlich gewesen seien. Faktisch habe das L[X.] zu Unrecht eine Beweislastumkehr vorgenommen, denn nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung gehe es zu Lasten des [X.], wenn der Grund für die Abweichung von dem direkten Weg nicht feststellbar sei.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des [X.] vom 14. Juli 2015 und des [X.] vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der [X.]n ist begründet. Der Kläger hat am 7.1.2011 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten, weil er sich auf einem unversicherten [X.] befand. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls durch die [X.] in dem Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2011 ist rechtmäßig. Das [X.] hat deshalb zu Unrecht die Berufung der [X.]n gegen das der Klage stattgebende Urteil des [X.] zurückgewiesen. Die vom [X.] vorgeschlagene Lösung, allein die subjektive Handlungstendenz auf einem objektiven [X.] für den Versicherungsschutz ausreichen zu lassen, verletzt § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII.

1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht noch den Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 [X.]G, wonach die Begründung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten und die das Urteil des [X.] tragenden Gründe in Frage stellen muss (vgl zB B[X.] vom 11.4.2013 - [X.] U 21/11 R - NZS 2013, 639 mwN). Auch wenn sich die [X.] formal an der Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision orientiert, setzt sie sich unter Darstellung des vom [X.] festgestellten Sachverhalts mit dessen Entscheidungsgründen auseinander. Sie legt hinreichend dar, dass und warum nach ihrer Auffassung das [X.] die als verletzt gerügte Vorschrift des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII nicht richtig angewandt hat.

2. a) Der Kläger verfolgt sein Begehren, unter Aufhebung der Verwaltungsakte in den Bescheiden der [X.]n einen Arbeitsunfall festzustellen, zulässig mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 [X.] [X.]G; vgl zB B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] RdNr 9 mwN). Insbesondere ist das nach § 78 [X.]G erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger gegen den Bescheid vom [X.] erst nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 [X.]G durch das Schreiben seines Bevollmächtigten am 1.4.2011 Widerspruch eingelegt hat. Denn dem Versicherungsträger steht es frei, trotz des Ablaufs der Widerspruchsfrist über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden. Entscheidet der Versicherungsträger in diesem Fall - wie hier die [X.] - auch sachlich über den Widerspruch, steht die Fristversäumnis der gerichtlichen Nachprüfung des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsaktes nicht entgegen (vgl B[X.] vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 - B[X.]E 49, 85 = [X.] 1500 § 84 Nr 3).

b) Nach § 8 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt B[X.] vom 15.11.2016 - [X.] U 12/15 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen; B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] RdNr 9; B[X.] vom 26.6.2014 - [X.] U 4/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 14.11.2013 - [X.] U 15/12 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 18.6.2013 - [X.] U 10/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]2).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem auf der Überholspur fahrenden Pkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 [X.] [X.]B VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des [X.] stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte.

Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die [X.] des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zu diesem Zeitpunkt mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen (hierzu unter aa). Diese Handlungstendenz allein konnte - entgegen der Rechtsansicht des [X.] - jedoch keinen Versicherungsschutz in der [X.] auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke begründen, denn der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem [X.] (hierzu unter [X.]). Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen [X.] begründen konnten, sind nicht feststellbar (hierzu unter [X.]). [X.] dieser Umstände geht nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung zu Lasten des [X.] (hierzu unter [X.]).

aa) Der Kläger bewegte sich unmittelbar vor dem Unfallereignis mit der Handlungstendenz fort, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Ein sachlicher Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges iS des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (vgl B[X.] vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]3 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein. Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl B[X.] vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]4 mwN).

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten [X.] angegriffenen und damit für den [X.] gemäß § 163 [X.]G bindenden Feststellungen des [X.] bewegte sich der Kläger nach dem Verlassen seiner Wohnung mit der Handlungstendenz, seine Arbeitsstätte zu erreichen und dort seine Beschäftigung aufzunehmen. Diese änderte sich nicht und bestand auch unmittelbar vor dem Unfall während des von ihm eingeleiteten [X.] fort.

[X.]) Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des [X.] allerdings auf einem unversicherten [X.], weil er den direkten Weg zur Arbeitsstätte verlassen hatte. § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl zuletzt B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN). Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (vgl zuletzt B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN; B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]5; B[X.] vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]5; B[X.] vom 12.4.2005 - [X.] U 11/04 R - B[X.]E 94, 262 = [X.] 4-2700 § 8 [X.]4, Rd[X.]9). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog [X.]. Wird ein solcher [X.] bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der [X.] begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der [X.] beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (vgl zuletzt B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN).

Der Kläger befand sich nach den bindenden Feststellungen des [X.] während des [X.] unmittelbar vor dem Unfall nicht auf dem üblicherweise zurückgelegten direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Zwar hatte er zunächst die sonst von ihm befahrene direkte Wegstrecke von seiner Wohnung als Ausgangspunkt des Weges zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt. Diesen Weg unterbrach er jedoch, indem er auf die Bundesstraße anstatt nach rechts in Richtung [X.] in die zur Arbeitsstätte entgegengesetzte Richtung nach links a[X.]og. Diese Bundesstraße befuhr er unmittelbar vor dem Unfall auf einer Strecke von 2,5 km in der von der Arbeitsstelle [X.] Richtung. Damit war die Unterbrechung des direkten versicherten Weges mehr als geringfügig im Sinne der soeben angeführten Rechtsprechung. Der Ort des [X.] war aber auch kein "dritter Ort", von dem aus an Stelle der Wohnung der Weg zur Arbeitsstätte angetreten worden ist, denn die Unterbrechung dauerte nicht mindestens zwei Stunden. Der Kläger befand sich mithin vielmehr auf einem [X.], der zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch nicht beendet war. Auch wenn der Kläger ein Wendemanöver eingeleitet hatte, hatte er zum Zeitpunkt des Unfalls die üblicherweise genutzte direkte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht.

[X.]) Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz der [X.] auch auf einem solchen [X.] begründen können, sind nicht feststellbar. Nicht jedes Abweichen vom direkten Weg führt zu einer Lösung des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes in der [X.]. Versicherungsschutz kann ausnahmsweise auch auf einem [X.] bestehen, wenn dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl B[X.] vom 24.3.1998 - [X.] U 4/97 R - [X.] 3-2200 § 550 [X.]7 S 68 f). Der [X.] hat bereits entschieden, dass der Versicherungsschutz erhalten bleibt, wenn der Versicherte irrtümlich von dem direkten Weg aus Gründen abweicht, die ihrerseits mit dem Zurücklegen des versicherten Weges, insbesondere seiner Beschaffenheit, in Zusammenhang stehen. So besteht Versicherungsschutz in der [X.] auch auf irrtümlich befahrenen Wegstrecken, wenn der Irrtum auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, beruht. Das [X.] resultiert in einem solchen Fall aus Umständen, die sich gerade aus der äußeren Beschaffenheit des [X.] ergeben, den der Versicherte zum Aufsuchen seiner Arbeitsstelle oder zur Rückkehr von seiner Arbeitsstelle zu seiner Wohnung - also betrieblich veranlasst - nutzen muss, und ist deshalb im Hinblick auf den Schutzzweck der [X.] in den Versicherungsschutz einbezogen (vgl B[X.] vom 24.3.1998 - [X.] U 4/97 R - [X.] 3-2200 § 550 [X.]7 S 68 f; vgl auch B[X.] vom [X.] - [X.] U 7/99 R - [X.] 2000, 1846; B[X.] vom 12.6.1990 - 2 RU 58/89 - [X.] 1990, 2064; B[X.] vom [X.] - 2 RU 3/57 - [X.] [X.]3 zu § 543 RVO; vgl auch B[X.] vom [X.] - 5 [X.] 9/59 - [X.] Nr 23 zu § 543 RVO). Dagegen besteht kein Versicherungsschutz, wenn die irrtümliche Abweichung von dem direkten Weg nicht auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges und seinen Gefahren zusammenhängenden, sondern auf in der Person des Versicherten liegenden, eigenwirtschaftlichen Gründen - wie zB Unaufmerksamkeit aufgrund angeregter Unterhaltung - beruht. Denn in diesem Fall wird der [X.] aus Gründen zurückgelegt, die gerade nicht auf der Beschaffenheit der zurückzulegenden Wegstrecke, sondern auf Umständen aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich beruhen (vgl B[X.] vom 24.3.1998 - [X.] U 4/97 R - [X.] 3-2200 § 550 [X.]7 S 68 f).

An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest. Allein aus privatwirtschaftlichen Gründen veranlasste Wegstrecken oder Unterbrechungen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz. Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet keine Ausweitung dieses Schutzes auf irrtümlich befahrene [X.]e, wenn die Gründe hierfür nicht im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Wegstrecke stehen. Dies wäre nicht mehr vom Zweck der [X.] gedeckt, Versicherungsschutz auf Wegen, die wegen der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, und aufgrund von Gefahren, die aus der Beschaffenheit dieser Wege herrühren, zu gewähren (B[X.] vom 18.6.2013 - [X.] U 7/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]8; B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]3).

Dies gilt auch dann, wenn auf dem irrtümlich eingeschlagenen [X.] die Handlungstendenz des Versicherten fortbesteht, den Weg von und zu der Arbeitsstätte zurückzulegen. Für die Frage, ob auf einem irrtümlichen [X.] Versicherungsschutz besteht, ist nicht allein - wie das [X.] angenommen hat - die Handlungstendenz des Versicherten auf dem [X.] maßgeblich, sondern die den Irrtum begründenden Umstände, weil grundsätzlich nur das Zurücklegen des unmittelbaren Weges und nur unter bestimmten Voraussetzungen ein [X.] unter Versicherungsschutz steht. Dementsprechend hat der [X.] das Bestehen des Versicherungsschutzes in der [X.] in Fallkonstellationen verneint, in denen der Versicherte eine Wegstrecke zwar subjektiv auch deshalb zurücklegte, weil er seine Arbeitsstelle bzw seine Wohnung erreichen wollte, sich aber aus eigenwirtschaftlichen Gründen im Unfallzeitpunkt objektiv auf einem [X.] befand (vgl B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN; B[X.] vom [X.] - [X.] U 7/99 R - [X.] 2000, 1846 ff; B[X.] vom 24.3.1998 - [X.] U 4/97 R - [X.] 3-2200 § 550 [X.]7).

Der Kläger befuhr nach den bindenden Feststellungen des [X.] zum Zeitpunkt des Unfalls nicht die unmittelbar zu seiner Arbeitsstätte führende Wegstrecke, sondern befand sich auf einem [X.], weil er irrtümlich nach der Abfahrt von der Autobahn auf die Bundesstraße in die Gegenrichtung abgebogen war. Die Gründe für diesen Irrtum des [X.] konnte das [X.] nicht mehr feststellen. Ob der Irrtum damit auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen beruhte, ist nach den auch insoweit gemäß § 163 [X.]G den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (zur Bindungswirkung bei fehlender [X.] von Tatsachen: B[X.] vom 7.4.1987 - 11b [X.] - Juris Rd[X.]2 f; B[X.] vom [X.] - Juris RdNr 22) nicht aufklärbar. Es ist danach nicht mehr feststellbar, ob der Irrtum des [X.] auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Umständen, die Versicherungsschutz auf dem [X.] begründen könnten, beruhte.

[X.]) [X.] der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des [X.]. Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des [X.], also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen [X.] zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit. Den Nachteil aus der tatsächlichen [X.] anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen. Dies gilt auch, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten die Nichterweislichkeit - wie hier - darauf beruht, dass der Versicherte keine Erinnerung an das zum Unfall führende Geschehen hat (vgl B[X.] vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] RdNr 24 f mwN).

[X.] der für den eingeschlagenen [X.] maßgeblichen, den Versicherungsschutz begründenden Gründe ist damit nach den Regeln der objektiven Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherten zu berücksichtigen. Da die irrtümliche Nutzung eines objektiv nicht in Richtung der Arbeitsstätte führenden Weges nur unter bestimmten Umständen unter Versicherungsschutz steht, handelt es sich bei diesen Umständen um anspruchsbegründende Tatsachen (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] U 7/99 R - [X.] 2000, 1846). Der Kläger hat danach den Nachteil der [X.] der seinen Irrtum verursachenden Umstände, die zu dem eingeschlagenen [X.] führten, zu tragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.][X.]

Meta

B 2 U 16/15 R

20.12.2016

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Frankfurt, 25. Juni 2013, Az: S 8 U 196/11, Urteil

§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, § 8 Abs 1 S 1 SGB 7, § 8 Abs 1 S 2 SGB 7, § 2 Abs 1 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.12.2016, Az. B 2 U 16/15 R (REWIS RS 2016, 397)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 397

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 2 U 16/14 R (Bundessozialgericht)

(gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Abweg - nicht geringfügige Unterbrechung - dritter …


B 2 U 3/16 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Überprüfung des Straßenbelags - Eisglätte - keine …


L 3 U 54/20 (LSG München)

Wegeunfall - Unterbrechung des versicherten Weges - Richtungswechel in entgegengesetzte Richtung - Fußgänger


B 2 U 1/16 R (Bundessozialgericht)


B 2 U 11/16 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Autofahrt - Unterbrechung des versicherten Weges - sachlicher Zusammenhang - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.