Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010, Az. VII ZR 246/08

7. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4553

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Gegenstand

Beurkundungsbedürftigkeit eines Bauvertrages


Leitsatz

1. Ein Bauvertrag ist gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungsbedürftig, wenn er mit einem Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. Sind die Verträge nicht wechselseitig voneinander abhängig, ist der Bauvertrag nur dann beurkundungsbedürftig, wenn das Grundstücksgeschäft von ihm abhängt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Juni 2002, VII ZR 321/00, BauR 2002, 1541 = NZBau 2002, 502 = ZfBR 2002, 777) .

2. Ein Bauvertrag kann auch dann beurkundungsbedürftig sein, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird und die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des bevorstehenden Grundstückskaufvertrages. In diesem Fall ist ein Bauvertrag beurkundungsbedürftig, wenn die Parteien des Bauvertrages übereinstimmend davon ausgehen, dass der Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 6. November 2008 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von den [X.] nach vorzeitiger Beendigung eines Bauvertrags Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen.

2

Die [X.] beauftragten durch schriftlichen Vertrag vom 8./11. Oktober 2006 die Klägerin mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück in [X.], das nicht im Eigentum der [X.] stand. § 10 (Sondervereinbarungen) des Vertrages lautet:

"Der Bauherr erhält ein kostenfreies Rücktrittsrecht vom Bauvertrag sollte er das Grundstück … nicht erwerben.

Angestrebt ist eine Grenzbebauung der Nebengebäude und sollte im Rahmen einer Bauvoranfrage mit dem zuständigen Bauamt abgestimmt werden."

3

Zu einem Erwerb des Grundstücks durch die [X.] kam es nicht. Diese teilten der Klägerin mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 mit, sie machten von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch. Nach Ansicht der Klägerin liegen die Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht vor. Sie wertet das Schreiben der [X.] als Kündigung des Vertrags und hat auf dieser Basis eine ihr zustehende Vergütung von 58.269,58 € errechnet.

4

Das [X.] hat die auf Zahlung dieses Betrags und weiterer 892,44 € vorgerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Betrags von 892,44 € ohne Erfolg geblieben. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache wegen des Streits über den Betrag des Anspruchs an das [X.] zurückverwiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die [X.] ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hält den Bauvertrag für wirksam. Er habe nicht der notariellen Beurkundung nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB bedurft. Die Beklagten hätten sich in ihm nicht zum Erwerb des vorgesehenen Baugrundstücks verpflichtet. Sie hätten im Gegenteil ein Rücktrittsrecht eingeräumt erhalten für den Fall, dass sie das Grundstück nicht erwürben.

II.

7

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht seine Ansicht, der Bauvertrag sei ohne notarielle Beurkundung wirksam.

8

1. Zwar ist es richtig, dass der Bauvertrag eine Verpflichtung der Beklagten zum Erwerb des Baugrundstücks nicht enthält. Das Berufungsgericht übersieht jedoch, dass sich der Formzwang des § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB dann auf einen Bauvertrag erstreckt, wenn dieser mit dem vorgesehenen [X.] eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen ([X.], Urteile vom 6. Dezember 1979 - [X.], [X.]Z 76, 43, 48 f.; vom 6. November 1980 - [X.], [X.]Z 78, 346, 349; vom 13. Juni 2002 - [X.], [X.], 1541 = NZBau 2002, 502 = [X.] 2002, 777 und vom 12. Februar 2009 - [X.], [X.], 1138 = NZBau 2009, 442 = [X.] 2009, 559; st. Rspr.). Sind die Verträge allerdings nicht wechselseitig voneinander abhängig, kommt eine Ausdehnung des [X.] des § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Bauvertrag nur in Betracht, wenn das Grundstücksgeschäft vom Bauvertrag abhängt ([X.], Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], aaO).

9

2. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen rechtlichen Voraussetzungen für eine Beurkundungsbedürftigkeit des Bauvertrages nicht befasst. Seine Erwägungen sind nicht geeignet, die Beurkundungsbedürftigkeit des Bauvertrages zu verneinen. Allein der Umstand, dass im Bauvertrag der Grundstückserwerb nicht geregelt ist, steht einer rechtlichen Einheit von Bau- und Grundstückskaufvertrag nicht entgegen. Diese kann auch dann vorliegen, wenn beide Verträge nicht in einer Urkunde enthalten sind, sondern nacheinander geschlossen werden ([X.], Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], aaO) und sogar dann, wenn die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des [X.] ([X.], Urteil vom 12. Februar 2009 - [X.], aaO). Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts in einem Vertrag steht der rechtlichen Einheit mit einem anderen Vertrag nicht entgegen ([X.], Urteil vom 12. Februar 2009 - [X.], aaO).

III.

Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass der Bauvertrag beurkundet werden muss, um Wirksamkeit zu erlangen. Insoweit ist auf Folgendes hinzuweisen: Der Bauvertrag ist an sich formfrei wirksam. Er kann aber selbst dann, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird, der Beurkundung bedürfen, um Wirksamkeit zu erlangen (vgl. [X.], Urteil vom 6. November 1980 - [X.], [X.]Z 78, 346, 349; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 311 b Rdn. 54; [X.]/[X.], BGB 2005, § 311 b Rdn. 175). Maßgeblich kann in diesem Fall nicht der tatsächliche Wille der Parteien des [X.] sein, denn dieser ist in aller Regel vor Abschluss des Bauvertrages nicht feststellbar (missverständlich insoweit möglicherweise [X.], Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], aaO). Vielmehr ist zu prüfen, ob nach dem Willen der Bauvertragsparteien der für die Bebauung notwendige Grundstückserwerb von dem Bauvertrag in der Weise abhängen soll, dass beide Verträge miteinander stehen und fallen (vgl. [X.], Urteil vom 6. November 1980 - [X.], [X.]Z 78, 346, 349). Es reicht nicht aus, dass die Parteien eine Abhängigkeit des Bauvertrages vom zukünftigen Grundstückserwerb wollen. Vielmehr müssen sie gemeinsam davon ausgehen, dass dieser Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt. Denn maßgeblich für die Beurkundungspflicht ist die Abhängigkeit des [X.] von einer etwaigen anderen Abrede. Nur diese Abhängigkeit erlaubt den Rückgriff auf § 311 b BGB ([X.], Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], aaO; Urteil vom 26. November 1999 - [X.], [X.], 951). Ausreichend ist, dass in dem dem Grundstückserwerb vorgezogenen Geschäft ein Verknüpfungswille vorhanden ist, der den Willen aller Beteiligten einbezieht (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 311 b Rdn. 54, 55; [X.], [X.] 2002, 298, 299 f.). Denn es kann keinen Unterschied machen, ob der Bauvertrag vor dem Grundstückskaufvertrag, gleichzeitig mit ihm oder später geschlossen wird.

Ein solcher Verknüpfungswille kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil der Besteller für die Durchführung eines Bauvertrages ein Grundstück benötigt ([X.], Urteil vom 6. Dezember 1979 - [X.], [X.]Z 76, 43, 49; Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], aaO). Auch der Umstand, dass der Bauvertrag auf einem bestimmten, bereits ins Auge gefassten Grundstück ausgeführt werden soll, reicht für sich genommen nicht. Ein Wille, die Verträge in der notwendigen Weise zu einer rechtlichen Einheit zu verknüpfen, kommt aber dann in Betracht, wenn die Parteien des Bauvertrages und diejenigen des Kaufvertrages identisch sind oder der Bauunternehmer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung des Kaufvertrages hat. Er wird dann häufig dadurch im Bauvertrag manifestiert, dass die Bebauung auf einem bestimmten Grundstück erfolgen soll ([X.], Urteil vom 6. November 1980 - [X.], [X.]Z 78, 346 ff.; Urteil vom 16. Dezember 1993 - [X.], [X.], 239 = [X.] 1994, 122 und zum [X.] Urteil vom 12. Februar 2009 - [X.], aaO). Hat der Bauunternehmer hingegen keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung des Kaufvertrages, bedarf es anderer, besonderer Umstände, die den Schluss zulassen, der Bauvertrag sei beurkundungsbedürftig (vgl. auch [X.], Urteil vom 22. März 1991 - [X.], NJW-RR 1991, 1031, 1032).

Kniffka                                            Kuffer                                        Bauner

                  [X.]

Meta

VII ZR 246/08

22.07.2010

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 6. November 2008, Az: 6 U 67/08, Urteil

§ 311b Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010, Az. VII ZR 246/08 (REWIS RS 2010, 4553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4553

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

V ZR 139/19

VII ZR 246/08

I-21 U 106/16

19 U 207/18

I-21 U 43/14

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