Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2012, Az. IV ZR 251/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10258

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 251/10

Verkündet am:

11. Januar 2012

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 28 Abs. 2

Der Versicherer kann bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Oblie-genheit durch den Versicherungsnehmer in Ausnahmefällen die Leistung [X.] versagen (hier:
Kürzung auf null bei absoluter Fahruntüchtigkeit). Dazu bedarf es der Abwägung der Umstände des Einzelfalles (Fortführung von [X.] vom 22.
Juni 2011 -
IV
ZR 225/10, [X.], 1037).

[X.], Urteil vom 11. Januar 2012 -
IV ZR 251/10 -
LG [X.]

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Richter Wendt, [X.], [X.], Lehmann
und die Richterin Dr. [X.]rockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2012

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.]eklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.]

2.
Zivilkammer

vom 18.
Oktober 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der klagende Kfz-Haftpflichtversicherer nimmt seinen Versiche-rungsnehmer in [X.], nachdem er für ihn
den anlässlich einer Trun-kenheitsfahrt im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit entstandenen Schaden reguliert hatte.

Dem Versicherungsverhältnis liegen die
AK[X.] 2008 zugrunde. [X.] [X.] darf das Fahrzeug nicht gefahren werden, wenn der Fahrer durch den Genuss alkoholischer
Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Unter [X.] 2008 ist geregelt:

"Verletzten Sie vorsätzlich eine Ihrer in [X.] und [X.] ge-regelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungs-schutz. Verletzten Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere 1
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des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Der [X.]eklagte fuhr am 12.
April 2009 gegen 17.15
Uhr mit seinem PKW, ohne an der Einmündung am Ende der von ihm befahrenen Straße nach rechts oder nach links abzubiegen,
geradeaus und durchbrach die Grundstücksmauer des anliegenden Anwesens.
Eine ihm
um 18.27
Uhr entnommene [X.]lutprobe ergab eine mittlere [X.]lutalkoholkonzentration
von 2,10 Promille. Die Klägerin verlangt Erstattung des von ihr ersetzten Ge-samtschadens in Höhe von 4.657,17

Kosten des vom Grundstückseigentümer beauftragten Gutachters enthal-ten, der den entstandenen Sachschaden mit 3.479

Vor dem Amtsgericht hat der [X.]eklagte einen Teilbetrag von 1.877,95

erkannt. Die weitere Zahlung hat er abgelehnt.
Ihm könne keine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt nachgewiesen werden und er
habe
wegen des Ausschlusses einer Leistungskürzung auf null bei §
28 Abs.
2 Satz
2 [X.] für den Schaden nur zur Hälfte einzustehen. Weiterhin sei die [X.]estimmung in [X.] 2008 intransparent. Schließlich müsse er für die Sachverständigenkosten nicht aufkommen.

Das Amtsgericht hat den [X.]eklagten zur Zahlung in Höhe der Kla-geforderung
verurteilt. Die [X.]erufung ist ohne Erfolg
geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der [X.]eklagte die Aufhebung des [X.]erufungsurteils
und Klageabweisung über den von ihm anerkannten [X.]etrag hinaus.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.
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I. Das [X.]erufungsgericht hat eine [X.]pflicht
des [X.]eklagten in voller Höhe angenommen. Es hat in seinem Verhalten einen derart
schwerwiegenden Obliegenheitsverstoß gesehen, dass ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf null gerechtfertigt sei. Zu ersetzen seien
auch die dem Geschädigten entstandenen Sachverständigenkosten.

[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Für
§
81 Abs.
2 [X.] ist die Frage der Möglichkeit einer Leis-tungskürzung
auf null in Ausnahmefällen durch
Senatsurteil vom 22.
Juni 2011 ([X.]/10, [X.], 1037)
geklärt.
Dort hat der [X.], dass die in §
81 Abs.
2 [X.] geregelte Rechtsfolge, wonach der Versicherer berechtigt ist, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen",
einer vollständigen Versagung der Leistung in Ausnahmefällen nicht entgegen
steht. Es bedarf dabei stets einer Abwägung der Umstän-de des Einzelfalles. Weder der Wortlaut
der Norm
noch dessen Entste-hungsgeschichte schließen
eine Leistungskürzung auf null aus. Auch der mit der Abschaffung des [X.] verfolgte Gesetzes-zweck führt nicht zur Unzulässigkeit der vollständigen Leistungsfreiheit. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in
denen sich der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit dem Vorsatz annähert.

Diese Grundsätze treffen
ebenso auf die Regelung des §
28 Abs.
2 [X.] zu. Hinsichtlich der Rechtsfolge weisen beide Vorschriften einen identischen Wortlaut auf. Sie teilen dieselbe Entstehungsgeschichte. Der 7
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vom Gesetzgeber mit der Aufgabe des [X.] ver-folgte Gesetzeszweck ist bei beiden Normen der gleiche. Anhaltspunkte für den Ausschluss einer Leistungskürzung auf null gibt es nicht.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass in Rechtsprechung oder Literatur für §
28 Abs.
2 [X.] und §
81 Abs.
2 [X.] unterschiedliche Rechtsfolgen ange-nommen werden.

2. [X.], die vertragliche Regelung über die Leistungskürzung bei Verletzung von Obliegenheiten in [X.]
AK[X.] 2008 sei wegen fehlender Transparenz gemäß §
307 Abs.
1 [X.]G[X.] unwirksam, greift nicht durch. Dieser [X.]estimmung, die sich im [X.] lediglich dem Gesetzeswortlaut anschließt, kann der durchschnittliche Versicherungs-nehmer entnehmen, dass eine Leistungskürzung auf null in Fällen grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen ist.

Zunächst bestimmt [X.] Satz 1 AK[X.] 2008, dass bei vorsätzlicher Verletzung einer der in [X.] oder [X.] AK[X.] 2008 geregelten [X.] kein Versicherungsschutz besteht. Nach [X.] Satz 2 AK[X.] 2008 ist der Versicherer bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer zu einer Leistungskürzung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis berechtigt. Hieraus er-schließt sich, dass es gerade nicht gewollt ist, ein voller Leistungsaus-schluss sei nur bei Vorsatz möglich und bei grober Fahrlässigkeit müsse stets eine Restquote verbleiben,
selbst wenn die Schwere der Schuld dies nicht rechtfertige.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer
wird daher die [X.]estimmung des [X.] Satz 2 AK[X.] 2008 nicht so verstehen, dass diese die Möglichkeit einer Leistungskürzung auf null ausschließt.

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3. [X.]eanstandungsfrei ist das [X.]erufungsgericht bei seiner Abwä-gung
aller Umstände des konkreten Falles zu einer Leistungskürzung auf null gelangt. Es hat insbesondere zutreffend
zugrunde gelegt, dass der [X.]eklagte
deutlich über der Grenze der dafür maßgeblichen Grenze von 1,1
Promille absolut fahruntüchtig war und das Führen in einem alkohol-bedingt fahruntüchtigen Zustand zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt
zählt (Senatsurteil vom 22.
Juni 2011 aaO Rn.
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f.). Es hat weiterhin berücksichtigt, dass die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des [X.]eklagten
die alleinige Schadenursache waren. [X.] sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4. Ohne Rechtsfehler hat das [X.]erufungsgericht bei der Höhe der [X.]forderung die Kosten für ein Sachverständigengutachten von 702,04

Sachschadens aufgewendet hatte und die ihm von der Klägerin ersetzt worden waren.

a) Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß §
249 Abs.
1 [X.]G[X.] auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die [X.]egutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist ([X.], Urteile vom 30.
November 2004

[X.], [X.], 356 unter II 5 a; vom 29.
November 1988

[X.], NJW-RR 1989, 953 unter [X.]). Dabei kommt es darauf an, ob ein verstän-dig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnis-sen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigengutach-tens für geboten erachten durfte ([X.], Urteil vom 30.
November 2004 aaO). Dies ist dann anzunehmen, wenn der Geschädigte nicht allein in der Lage ist, seinen
Schaden zu beziffern (OLG Jena
MDR 2008, 211).
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b) Auch der Angriff der Revision gegen die [X.] greift nicht durch. Zwar kann die Höhe des Sachschadens ein Ge-sichtspunkt bei der [X.]eurteilung der Erforderlichkeit eines Sachverständi-gengutachtens sein. Der hier unstreitig eingetretene Schaden von 3.479

sogenannten [X.]agatellfälle (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 2004 aaO unter [X.]; [X.]/Wester

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mann, [X.]G[X.] 13.
Aufl.
§
249 Rn.
99; [X.], Haftungsrecht des Straßen-verkehrs 4.
Aufl.
§
26 Rn.
4).

Wendt
[X.]
[X.]

Lehmann
Dr. [X.]rockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.04.2010 -
2 C 26/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.10.2010 -
22 S 829/10 -

Meta

IV ZR 251/10

11.01.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2012, Az. IV ZR 251/10 (REWIS RS 2012, 10258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10258

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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20 U 129/21 (Oberlandesgericht Hamm)


9 U 191/16 (Oberlandesgericht Köln)


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