Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.04.2013, Az. I B 151/12

1. Senat | REWIS RS 2013, 6160

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revisionszulassung wegen Divergenz bei ausgelaufenem Recht - Ansparrücklage und formeller Bilanzenzusammenhang


Leitsatz

1. NV: Betrifft die Rüge der Divergenz ausgelaufenes Recht (hier: § 7g EStG 2002 a.F.), ist eine Revisionszulassung nur dann i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 2, zweiter Halbs. FGO erforderlich, wenn von der Divergenz noch eine größere Anzahl von Fällen betroffen ist.

2. NV: Da die Grundsätze über den formellen Bilanzenzusammenhang auf die zutreffende Erfassung des Totalgewinns und hierbei insbesondere auf einen möglichst raschen periodenübergreifenden Fehlerausgleich zielen, kommen sie auch dann zum Tragen, wenn eine Ansparrücklage nach § 7g EStG 2002 a.F. zu Unrecht gebildet worden ist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, die laut Handelsregistereintrag Finanzinstrumente vermittelte, war auf der Grundlage eines Agenturvertrags seit Oktober 2003 auch für die [X.] ([X.]) tätig. In den Streitjahren (2004 bis 2006) bildete sie Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen sowie für die zukünftige Erbringung von [X.] gegenüber den Unternehmen der [X.]; darüber hinaus bildete sie [X.] nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG 2002 a.F.), die sich zum 31. Dezember 2004 auf 154.000 € beliefen. Im [X.] an eine Betriebsprüfung löste der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Rücklage zum 31. Dezember 2004 auf, erkannte die Rückstellungen für die Bestandspflege der Versicherungsverträge in sämtlichen Streitjahren (2004 bis 2006) nicht mehr an und kürzte die Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen zum 31. Dezember 2006 von bisher 11.000 € auf 6.000 €.

2

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Revision wurde vom Finanzgericht ([X.]) nicht zugelassen (Urteil des Hessischen [X.] vom 22. August 2012 4 K 1620/10).

Entscheidungsgründe

3

II. Die hiergegen erhobene Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

4

1. [X.]

5

Die Rüge, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), vermag nicht durchzugreifen.

6

Die Klägerin hat hierzu (u.a.) vorgetragen, die Vorinstanz habe entschieden, dass die Bildung einer [X.] bereits zum 31. Dezember 2003 (materiell) unzulässig gewesen sei und die [X.] deshalb nach Bestandskraft des [X.] entsprechend den Grundsätzen des formellen [X.] zum 31. Dezember 2004 habe aufgelöst werden müssen; hiermit weiche die Vorinstanz vom Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2012  6 K 958/09 ab, nach dem unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) auch zu Unrecht gebildete Rücklagen gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 a.[X.] erst zum Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen seien.

7

Der Vortrag bleibt ohne Erfolg. Zwar ist es zutreffend, dass die Revision auch im Falle der Abweichung von einem abstrakten und tragenden Rechtssatz eines anderen [X.] zugelassen werden kann (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 49; Lange in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 115 [X.]O Rz 174, jeweils m.w.[X.]). Zutreffend ist ferner, dass die Vorinstanz für den Fall der unberechtigten Passivierung einer Ansparabschreibung (Rücklage) gemäß § 7g Abs. 3 EStG 2002 a.[X.] von der Möglichkeit der Fehlerkorrektur nach den Grundsätzen des formellen [X.] ausgegangen und damit --wenn auch möglicherweise unbewusst-- von der genannten Entscheidung des [X.] abgewichen ist (vgl. zu Letzterem Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 56; Lange in [X.], § 115 [X.]O Rz 180). Gleichwohl ist die Revision nicht zuzulassen, weil die Divergenz auf dem extensiven Verständnis des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 a.[X.] und damit auf zwischenzeitlich ausgelaufenem Recht beruht. In einem solchen Fall ist eine Revisionszulassung nur dann i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O erforderlich, wenn von der Divergenz noch eine größere Anzahl von Fällen betroffen ist (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2006 I B 142/05, [X.]/NV 2006, 1692; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 65). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O); auch ist für den Senat weder aus eigener Anschauung oder noch aus den ihm zugänglichen Informationsquellen erkennbar, dass die aufgeworfene Rechtsfrage über den anhängigen Streitfall hinaus noch für eine signifikante Gruppe weiterer Sachverhalte von entscheidungserheblicher Bedeutung sein wird.

8

Im Übrigen kommt eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (hier: Divergenz) auch deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift des § 126 Abs. 4 [X.]O im Nichtzulassungsverfahren entsprechend anzuwenden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2012 I B 48/12, [X.]/NV 2013, 742, m.w.[X.]) und dem vorinstanzlichen Urteil im Hinblick auf die Geltung der Grundsätze des formellen [X.] für die Frage der Auflösung der [X.] nach § 7g EStG 2002 a.[X.] zuzustimmen ist. Die hiervon abweichende Sicht des [X.] stützt sich auf Entscheidungen des [X.], die zu Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ergangen sind. Da dieser Art der Gewinnermittlung aber kein steuerbilanzieller Vermögensvergleich zugrunde liegt, ist es ausgeschlossen, die im bestandskräftig veranlagten Jahr 01 gebildete [X.] nach den Grundsätzen des [X.] bereits im Jahr 02 gewinnwirksam aufzulösen; vielmehr ist insoweit die [X.] des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 a.[X.] zu beachten (ständige Rechtsprechung, [X.]-Urteil vom 28. April 2005 IV R 30/04, [X.]E 209, 496, [X.] 2005, 704; [X.]-Beschlüsse vom 31. März 2008 VIII B 212/07, [X.]/NV 2008, 1322; vom 23. Juli 2009 X B 64/08, juris). Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und damit auf der Grundlage einer nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG (ggf. [X.]. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes) erstellten Bilanz ermitteln. Da die Grundsätze über den formellen Bilanzenzusammenhang auf die zutreffende Erfassung des Totalgewinns und hierbei insbesondere auf einen möglichst raschen periodenübergreifenden [X.] zielen, vermag der Senat keine Gründe dafür erkennen, weshalb ein [X.] nach den allgemeinen Regeln des formellen [X.] dann nicht zum Tragen kommen sollte, wenn --wie von der Vorinstanz im Streitfall angenommen-- eine [X.] zu Unrecht gebildet worden ist (hier: im Veranlagungszeitraum 2003). Deren Auflösung in der nächsten offenen Bilanz (im Veranlagungszeitraum 2004) stand erkennbar auch § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 a.[X.] nicht entgegen; insbesondere kann dieser Vorschrift kein Anhalt dafür entnommen werden, dass fehlerhafte Rücklagen zunächst fortgeschrieben und erst am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden [X.] aufgelöst werden sollen (gl.[X.]/[X.], [X.] 2008, 489, 491).

9

2. Rückstellung für Bestandspflegeaufwand

Die Rüge der Klägerin, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen, weil die Ansicht der Vorinstanz, nach der die Rückstellungen vom [X.] zu Recht aufgelöst worden seien, von verschiedenen Entscheidungen des [X.] abweiche, ist unschlüssig. Die Klägerin hat es insoweit versäumt, abstrakte und tragende Rechtssätze in dem vorinstanzlichen Urteil einerseits sowie den in Bezug genommenen Urteilen des [X.] andererseits so gegenüberzustellen, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 42, m.w.[X.]).

Meta

I B 151/12

30.04.2013

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 22. August 2012, Az: 4 K 1620/10, Urteil

§ 7g Abs 3 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 116 FGO, § 126 Abs 4 FGO, § 7g Abs 4 S 2 EStG 2002, § 5 Abs 1 EStG 2002, § 4 Abs 1 S 1 EStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.04.2013, Az. I B 151/12 (REWIS RS 2013, 6160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6160

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X B 59/10 (Bundesfinanzhof)

Ansparrücklage bei Existenzgründern - Keine Divergenz bei Abweichung von einem bereits aufgehobenen anderen FG-Urteil


I R 29/13 (Bundesfinanzhof)

Formeller Bilanzenzusammenhang - Fehlerhafte Aktivierung von Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften - Keine rechtsschutzgewährende Auslegung des …


X B 124/09 (Bundesfinanzhof)

Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache bei ausgelaufenem Recht - Anforderungen an die Konkretisierung und Ernsthaftigkeit einer …


X B 72/10 (Bundesfinanzhof)

Darlegungsanforderungen einer Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer finanzgerichtlicher Begründung - Rechtliches Gehör


X B 75/13 (Bundesfinanzhof)

Umfang der Bindungswirkung bei Zurückverweisung - Sachurteilsvoraussetzungen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.