Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.03.2010, Az. X B 124/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 8305

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache bei ausgelaufenem Recht - Anforderungen an die Konkretisierung und Ernsthaftigkeit einer "voraussichtlichen" Investition - Keine Umdeutung einer geltend gemachten Sonderabschreibung in eine Investitionsrücklage


Leitsatz

1. NV: Eine Rechtsfrage kann bei ausgelaufenem Recht grundsätzlich bedeutsam sein, wenn sich die gleiche Rechtsfrage auch bei der Nachfolgeregelung stellt.

2. NV: Im Hinblick auf die Anforderungen, die an die Konkretisierung und Ernsthaftigkeit einer "voraussichtlichen" Investition zu stellen sind, enthält § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG n. F. andere Anforderungen als die Vorgängervorschrift des § 7g Abs. 3 EStG a. F.

Gründe

1

Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) noch wegen der Notwendigkeit einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative [X.]O) zuzulassen.

2

1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des [X.] erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung des [X.]).

3

a) Die Kläger stellen die Rechtsfrage heraus, ob das Merkmal "voraussichtlich" in § 7g Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a.[X.]) verlange, dass der Steuerpflichtige bei Ansatz der Betriebsausgaben bzw. Einstellung des Passivpostens seinen Willen zum Betriebsausgabenabzug bzw. zur Rücklagenbildung hinreichend zu konkretisieren habe oder ob es allein --wie sie meinen-- auf die Konkretisierung des anzuschaffenden Wirtschaftsguts ankomme. Eine falsche Bezeichnung der Passivposition als Betriebsausgabe oder Rücklage müsse unschädlich sein. Der Zweck der gesetzlichen Regelung des § 7g Abs. 3 EStG a.[X.], der durch die Vorverlagerung des [X.] die Innenfinanzierung fördern solle, werde durch dieses zusätzliche Konkretisierungserfordernis verfehlt.

4

b) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage betrifft § 7g Abs. 3 EStG a.[X.] in der Fassung des Streitjahres 2003 und damit ausgelaufenes Recht. In einem solchen Fall müssen in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, nach der Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt ([X.]-Beschluss vom 24. November 2005 [X.], [X.]/NV 2006, 587; Senatsbeschluss vom 17. März 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1141; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 115 [X.]O [X.] ff. und § 116 [X.]O Rz 178, jeweils m.w.N.).

5

Eine Rechtsfrage kann aber auch bei ausgelaufenem Recht noch grundsätzlich bedeutsam sein, wenn sich die gleiche Rechtsfrage bei einer Nachfolgeregelung stellt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 35). Nach dem Senatsbeschluss vom 23. Juli 2009 [X.]/08 (Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, [X.]) gelten die vorstehenden Grundsätze auch für Rechtsfragen, die in Bezug auf die Regelung des § 7g EStG a.[X.] grundsätzlich bedeutsam sein sollen. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 ([X.], 1912) wurde § 7g EStG a.[X.] grundlegend geändert, wobei insbesondere das Konzept der steuerfreien Rücklage aufgegeben und durch den sog. [X.]sbetrag ersetzt wurde. Im Hinblick auf die hier streitige Frage, welche Anforderungen an die Konkretisierung und Ernsthaftigkeit einer "voraussichtlichen" Investition zu stellen sind, enthält § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG n.[X.] andere Anforderungen als die Vorgängervorschrift. Nach der Neufassung ist ausdrücklich tatbestandliche Voraussetzung, um den [X.] in Anspruch nehmen zu können, dass eine Investitionsabsicht des Steuerpflichtigen gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG n.[X.] vorliegt. Im ausgelaufenen Recht und damit auch im Streitjahr ist hingegen nur eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen zu treffen (vgl. [X.]/[X.], EStG, 28. Aufl., § 7g Rz 14, 64). Angesichts der geänderten Rechtslage hätten die Kläger daher umfassend und substantiiert dazu Stellung nehmen müssen, warum die von ihnen aufgeworfene Rechtsfrage auch für die Neufassung des § 7g EStG grundsätzlich bedeutsam sein soll.

6

c) Sollten die Kläger dagegen meinen, es bedürfe einer grundsätzlichen Klärung, ob eine geltend gemachte Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 1 EStG a.[X.] rückwirkend in eine Investitionsrücklage gemäß § 7 Abs. 3 EStG a.[X.] umgedeutet werden könne, fehlt es an einer Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird nicht aufgeworfen, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht ([X.]) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 28, m.w.N. aus der [X.]-Rechtsprechung).

7

Es ist nicht möglich, die von den Klägern hinsichtlich des angeschafften PKW ursprünglich geltend gemachte Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG a.[X.] in die Ausübung ihres Wahlrechts zur Bildung einer Investitionsrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG umzudeuten. Die in beiden Vorschriften geregelten Wahlrechte unterscheiden sich nach ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundlegend, wie das [X.] zu Recht in seinem Urteil auf [X.] ausgeführt hat, so dass die Berufung auf eine der Vorschriften nicht auch zugleich das Wahlrecht nach der anderen Vorschrift umfasst ([X.]-Urteil vom 27. Oktober 1992 IX R 66/91, [X.]E 170, 214, [X.] 1993, 591 zur Frage eines Wahlrechts nach § 82b und 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung). Insbesondere die sich gegenseitig ausschließenden Voraussetzungen der beiden Vorschriften --die erfolgte Anschaffung eines Wirtschaftsguts bei § 7g Abs. 1 EStG a.[X.] und die künftige Anschaffung eines Wirtschaftsguts bei § 7g Abs. 3 EStG a.[X.]-- lassen die Möglichkeit einer Umdeutung nicht zu.

8

d) Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger sind für ein versehentlich falsch ausgeübtes Wahlrecht der Kläger im Streitfall keine Anhaltspunkte erkennbar. Die steuerlich beratenen Kläger haben in der Gewinnermittlung, die ihrer Einkommensteuererklärung für das [X.] zugrunde lag, sowohl die fünfprozentige Halbjahresabschreibung als auch die zwanzigprozentige Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 1 EStG a.[X.] gewinnmindernd geltend gemacht und das Vorliegen der [X.] im Veranlagungsjahr 2003 vor allem durch die Rechnung des Autohauses vom 30. Dezember 2003 zu belegen versucht. Von einer versehentlichen Inanspruchnahme der Sonderabschreibung kann damit nicht ausgegangen werden.

9

2. Aus diesen Gründen kommt auch die Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts nicht in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der "Grundsatzrevision" vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 38).

Meta

X B 124/09

18.03.2010

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 24. Juni 2009, Az: 4 K 1601/07 E, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 7g Abs 3 S 2 EStG 2002, § 7g Abs 1 S 2 Nr 2 EStG 2002 vom 14.08.2007, § 7g Abs 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.03.2010, Az. X B 124/09 (REWIS RS 2010, 8305)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8305

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I B 151/12 (Bundesfinanzhof)

Revisionszulassung wegen Divergenz bei ausgelaufenem Recht - Ansparrücklage und formeller Bilanzenzusammenhang


X B 59/10 (Bundesfinanzhof)

Ansparrücklage bei Existenzgründern - Keine Divergenz bei Abweichung von einem bereits aufgehobenen anderen FG-Urteil


X B 75/13 (Bundesfinanzhof)

Umfang der Bindungswirkung bei Zurückverweisung - Sachurteilsvoraussetzungen


X B 117/10 (Bundesfinanzhof)

Darlegungserfordernisse bei behaupteter Divergenz und kumulativer finanzgerichtlicher Begründung


X B 20/12 (Bundesfinanzhof)

Nachträgliche Divergenz


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.