Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.01.2015, Az. 2 AZR 164/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 16329

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Gegenstand

Betriebsbedingte Änderungskündigung - Sozialauswahl


Leitsatz

Im Rahmen der Sozialauswahl ist eine um drei Jahre längere Betriebszugehörigkeit nicht geeignet, drei Unterhaltspflichten aufzuwiegen, wenn der Unterhaltsverpflichtete seinerseits eine Betriebszugehörigkeit von immerhin sechs Jahren aufzuweisen hat.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2014 - 6 [X.] 533/13 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 5.009,42 Euro brutto nebst Zinsen in dem Urteil des [X.] vom 24. Mai 2013 - 1 Ca 9278/12 - richtet.

2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung und eine [X.]zahlung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt interaktive Unterhaltungssoftware. In ihrem Betrieb am Unternehmenssitz in [X.] beschäftigt sie rund 108 Arbeitnehmer. Der im Februar 1972 geborene, verheiratete und zwei minderjährigen [X.]indern zum Unterhalt verpflichtete [X.]läger ist seit Oktober 2006 mit einer Wochenarbeitszeit von 38,75 Stunden bei ihr tätig. Sein Bruttomonatsentgelt beträgt 3.287,08 [X.]. Nach Maßgabe einer Zusatzvereinbarung hat er Anspruch auf eine [X.]zahlung.

3

Mit Schreiben vom 5. November 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28. Februar 2013. Zugleich bot sie dem [X.]läger ab dem 1. März 2013 eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden und einer Bruttomonatsvergütung von 848,28 [X.] an.

4

Der [X.]läger hat das Änderungsangebot abgelehnt und fristgerecht [X.]lage erhoben. Er hat gemeint, die [X.]ündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte habe bei seiner Auswahl die gesetzlichen [X.]riterien nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem stehe ihm ein [X.] für das Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 12,7 % seines [X.] zu. Er habe alle festgelegten Ziele erreicht.

5

Der [X.]läger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die [X.]ündigung der Beklagten vom 5. November 2012 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.009,52 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die [X.]lage abzuweisen. Sie hat die [X.]ündigung als wirksam verteidigt. Einen [X.] für das Geschäftsjahr 2011 könne der [X.]läger nicht beanspruchen. Er habe drei Ziele verfehlt.

7

Die Vorinstanzen haben der [X.]lage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin deren Abweisung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat keinen Erfolg.

9

A. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Revision unbegründet. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Kündigung jedenfalls deshalb unwirksam ist, weil die Beklagte bei der Auswahl des [X.] [X.] Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat.

I. Nach § 2 [X.]tz 1 iVm. § 1 Abs. 3 [X.]tz 1 [X.] ist eine Änderungskündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 [X.] sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

1. § 1 Abs. 3 [X.]tz 1 [X.] verlangt vom Arbeitgeber die „ausreichende“ Berücksichtigung der dort aufgeführten Auswahlkriterien. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, wie die genannten [X.]n Gesichtspunkte zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren „Sozialdaten“ zu berücksichtigen und abzuwägen. Dabei braucht der Arbeitgeber nicht die „bestmögliche“ [X.] vorgenommen zu haben. Ebenso wenig ist entscheidend, ob das Arbeitsgericht dieselbe Auswahl getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich die [X.]n Erwägungen hätte anstellen und die [X.]n Grunddaten hätte gewichten müssen. Der dem Arbeitgeber einzuräumende [X.] führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können ([X.] 22. März 2012 - 2 [X.] - Rn. 19; 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 48; jeweils mwN).

2. Bei einer Änderungskündigung ist die [X.] nicht allein daran auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen würde. Da es bei der ordentlichen Änderungskündigung - unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht - um die [X.] Rechtfertigung des Änderungsangebots geht, ist darauf Bedacht zu nehmen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den [X.]n Status vergleichbarer Arbeitnehmer auswirkt. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie eher zumutbar gewesen wäre. Auch hierfür sind allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung maßgebend. Eine Heranziehung zusätzlicher Faktoren und Kriterien muss wegen der klaren gesetzlichen Regelung unterbleiben. Es kommt allenfalls eine Ergänzung im Rahmen der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 [X.] in Betracht, soweit die ergänzenden Faktoren einen unmittelbaren Bezug zu diesen Daten haben ([X.] 12. August 2010 - 2 [X.] 945/08 - Rn. 46 mwN).

3. Bei der Prüfung der „ausreichenden“ Berücksichtigung [X.]r Gesichtspunkte im Rahmen der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers besitzt das [X.] einen gewissen Beurteilungsspielraum. Sein Urteil kann wegen der mit ihm verbundenen Würdigung auch tatsächlicher Umstände vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob es den Inhalt der Norm selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des [X.]chverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 [X.] Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist ([X.] 22. März 2012 - 2 [X.] - Rn. 22; 18. Oktober 2006 - 2 [X.] 473/05 - Rn. 17, [X.]E 120, 18; jeweils mwN).

II. Diesem Maßstab hält das Berufungsurteil allemal stand. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte bei der Auswahl des [X.] den ihr zukommenden [X.] überschritten habe. Es durfte die Arbeitnehmerin [X.] für sozial deutlich stärker als den Kläger halten.

1. Das [X.] hat gemeint, der Kläger sei gegenüber der im August 1970 geborenen, seit Oktober 2003 bei der [X.] beschäftigten, ledigen und kinderlosen Arbeitnehmerin [X.] sozial deutlich schutzbedürftiger. Im Vergleich zu der „nur“ drei Jahre längeren Betriebszugehörigkeit von Frau [X.] wögen die Unterhaltspflichten des [X.] gegenüber seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern erheblich schwerer, so dass die Gewichtung der Sozialkriterien insgesamt nicht mehr als ausreichend bezeichnet werden könne.

2. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das [X.] ist von den zu A I 1 und 2 bezeichneten Grundsätzen ausgegangen. Es hat keinem Auswahlkriterium einen generellen und absoluten Vorrang eingeräumt. Soweit es - lediglich zur Bestätigung des bereits gefundenen Ergebnisses - auf den [X.] ([X.]. 17/9000) Bezug genommen hat, hat es im Rahmen des § 1 Abs. 3 [X.]tz 1 [X.] nicht mehr als eine starke Beachtung etwa bestehender Unterhaltspflichten bei der Abwägung der individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern mit Blick auf deren Grunddaten gefordert. In diesem Zusammenhang darf berücksichtigt werden, dass ältere Arbeitnehmer durch das Abstellen auf die Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter überproportional begünstigt sein können (vgl. [X.] 5. Dezember 2002 - 2 [X.] 549/01 - zu [X.] 5 der Gründe für ein - mit der Mitarbeitervertretung „abgestimmtes“ - Punkteschema).

b) Das [X.] hat den [X.] der [X.] nicht unvertretbar eingeengt. Es durfte den Kläger als sozial deutlich schutzwürdiger ansehen. Im individuellen Vergleich mit Frau [X.] hat es weder einzelne Grunddaten unzulässig überbewertet noch andere überhaupt nicht berücksichtigt.

aa) Das [X.] hat den Altersunterschied von ca. anderthalb Jahren zwischen dem Kläger und Frau [X.] nicht übersehen, sondern zu Recht für „geringfügig“ erachtet. Beide befanden sich im Kündigungszeitpunkt in einem Alter, in dem von ähnlich guten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt auszugehen war (vgl. [X.] 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 50 mwN). Auf diese Chancen durfte das [X.] wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der fraglichen Änderungskündigung Bedacht nehmen. Die Beklagte ging selbst davon aus, dass infolge der erheblich abgesenkten Vergütung der zu kündigende Arbeitnehmer eine andere oder zumindest eine zusätzliche Beschäftigung werde aufnehmen müssen.

bb) Das [X.] hat ausgeführt, Frau [X.] sei „nur“ drei Jahre länger bei der [X.] beschäftigt gewesen. Damit hat es nicht verkannt, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit ein Sozialdatum von erheblichem Gewicht ist (vgl. [X.] 6. Februar 2003 - 2 [X.] 623/01 - zu II 1 b bb (1) der Gründe). Es hat die längere Betriebszugehörigkeit lediglich nicht als beträchtlich angesehen. Da es auf die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern ankommt, ist dies nicht zu beanstanden. In der Gesamtschau von absoluter Differenz und prozentualem Verhältnis der beiden Daten (zu diesen beiden sich ergänzenden Betrachtungsweisen vgl. [X.] 21. Oktober 2008 - 9 [X.] 966/08 - zu II 1 b bb (1) der Gründe) lässt sich angesichts einer Beschäftigungsdauer von immerhin sechs Jahren auf Seiten des [X.] nicht sagen, dass Frau [X.] mit ihrer Beschäftigungszeit von neun Jahren von der Änderung der Arbeitsbedingungen erheblich härter getroffen worden wäre. Bei kürzerer Betriebszugehörigkeit des [X.] wäre ein dreijähriger „Beschäftigungsvorsprung“ womöglich stärker ins Gewicht gefallen (vgl. [X.] 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 52).

cc) Die Würdigung des [X.]s, wegen der annähernden Gleichrangigkeit bei den anderen Sozialkriterien liege angesichts des erheblichen Unterschieds bei den Unterhaltspflichten ein Auswahlfehler der [X.] vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Der Senat hat davon auszugehen, dass den Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung drei „volle“ Unterhaltspflichten trafen. Unstreitig schuldete er seinen minderjährigen Kindern Unterhalt (§§ 1601 ff. [X.]). Seine unterhaltsberechtigte (§§ 1360 ff. [X.]) Ehefrau bezog ein monatliches Einkommen von ca. 600,00 Euro brutto, entsprechend etwa 300,00 Euro netto. Dieses in der Berufungsverhandlung protokollierte Vorbringen des [X.] hat das [X.] im Tatbestand seiner Entscheidung als „unwidersprochen“ - und damit als zugestanden iSv. § 138 Abs. 3 ZPO - bezeichnet. Stellt das Berufungsgericht fest, dass eine Partei zu einer bestimmten Behauptung ihres Gegners keine Stellung genommen hat, kann diese Feststellung nur mit einem erfolgreichen - hier nicht (fristgerecht) gestellten - [X.] gemäß § 320 ZPO beseitigt werden (vgl. [X.] 13. März 1964 - 1 [X.] 100/63 - zu II 1 der Gründe; [X.] 8. Januar 2007 - II ZR 334/04 - Rn. 11).

(2) Da es grundsätzlich darauf ankommt, welche Unterhaltspflichten zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden, hat das [X.] zu Recht nicht darüber spekuliert, ob es der Ehefrau des [X.] gelingen werde, eine - erheblich - besser bezahlte Beschäftigung zu finden. Im Übrigen könnte ein erhöhtes Einkommen seiner Frau allenfalls dazu führen, dass beim Kläger eine Unterhaltspflicht aufgrund [X.] weniger stark zu gewichten wäre (vgl. [X.] 5. Dezember 2002 - 2 [X.] 549/01 - zu [X.] 6 a der Gründe; [X.]/[X.] 15. Aufl. § 1 [X.] Rn. 333a). Hingegen dürfte nach den gesetzlichen Vorgaben ein Unterhaltsanspruch des [X.] gegen seine Ehefrau nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Keinesfalls wäre es mit der Wertentscheidung des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 1) vereinbar, § 1 Abs. 3 [X.]tz 1 [X.] dahin auszulegen, dass der Arbeitgeber im Ergebnis verpflichtet wäre, einem verheirateten Arbeitnehmer allein wegen seiner familiären Bindung zu kündigen (vgl. [X.] 5. Dezember 2002 - 2 [X.] 549/01 - zu [X.] 4 b der Gründe). Zudem würde sich die Berücksichtigung von [X.] als mittelbare Diskriminierung von Frauen auswirken können.

c) Das [X.] hat sich nicht etwa für befugt gehalten, eine eigene Punktetabelle aufzustellen und die von der [X.] vorgenommene [X.] daran zu messen (vgl. [X.] 24. März 1983 - 2 [X.] 21/82 - [X.]E 42, 151 zur Verwerfung der sog. Hammer Tabelle). Durch die Anwendung eines vom [X.] ([X.] 6. November 2008 - 2 [X.] 523/07 - [X.]E 128, 238) nicht beanstandeten [X.] hat es sein Ergebnis lediglich „abgesichert“. Die Anwendung anderweitig anerkannter Punktetabellen darf zwar nicht zu einer nachträglichen, fiktiven [X.] führen. Sie kann jedoch ein „Indiz“ dafür sein, dass die vorgenommene Auswahl - noch - „ausreichend“ ist (vgl. [X.] 21. Oktober 2008 - 9 [X.] 966/08 - zu II 1 b bb (1) der Gründe). In diesem Sinn kann sich die Beklagte ihrerseits aber nicht auf eine Entscheidung des Senats vom 5. November 2009 stützen. Dort ging es aufgrund von Vereinbarungen der Betriebsparteien um die Überprüfung der [X.] am - hier nicht einschlägigen - Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemäß § 1 Abs. 4 und Abs. 5 [X.]tz 2 [X.] (vgl. [X.] 5. November 2009 - 2 [X.] 676/08 - Rn. 29). Für ein einseitig aufgestelltes Punkteschema des Arbeitgebers wird hingegen vertreten, dass die Sozialkriterien dann nicht mehr in ein billigenswertes Verhältnis gesetzt seien, wenn die Unterhaltspflicht für ein Kind wie zwei Jahre Betriebszugehörigkeit und zwei Lebensjahre gewichtet werde (vgl. [X.] 8. Februar 2005 - 8 Ca 2824/04 -; [X.]/[X.] 15. Aufl. § 1 [X.] Rn. 337).

d) Soweit die Beklagte mit ihrem Verweis auf die prinzipielle Gleichrangigkeit der Auswahlkriterien die Vorstellung verbunden haben sollte, es komme nur darauf an, wie viele der vier gesetzlichen Kriterien zugunsten des einen und wie viele zugunsten des anderen Arbeitnehmers ausschlügen, ohne dass das Maß des jeweiligen Unterschieds von Bedeutung wäre, hätte sie die gesetzliche Regelung missverstanden. Nur weil im Streitfall Frau [X.] mit zwei Kriterien - Dauer der Betriebszugehörigkeit und Lebensalter -, der Kläger aber lediglich mit einem Kriterium - Unterhaltspflichten - im Vorteil liegt, ist über die zu treffende Auswahl nichts gesagt. Vielmehr verlangt gerade die Gleichrangigkeit der Auswahlkriterien danach, die mit ihnen verbundenen konkreten Daten der betroffenen Arbeitnehmer in ein Verhältnis zueinander zu setzen. Es liegt auf der Hand, dass ein Kriterium relativ umso stärker ins Gewicht fällt, je größer der durch dieses aufgezeigte Unterschied zugunsten des einen Mitarbeiters ausfällt. Anderenfalls würde die Gleichrangigkeit der Auswahlkriterien in der [X.]n Wirklichkeit gerade verfehlt.

B. Hinsichtlich des [X.] ist die Revision unzulässig. Die Beklagte hat insofern weder die Auslegung noch die Anwendung des materiellen Rechts beanstandet, sondern ausschließlich Mängel des Verfahrens geltend gemacht.

I. Die erhobenen Verfahrensrügen sind unzulässig. Sie sind nicht ausreichend begründet iSv. § 551 Abs. 3 [X.]tz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.

1. Sofern die Beklagte monieren möchte, das [X.] habe übersehen, dass die Parteien Ziele „festgelegt“ hätten, die nicht aus dem „[X.]“ ersichtlich gewesen seien, und dass der Kläger diese „verfehlt“ habe, hat sie nicht dargetan, welchen ausreichend substantiierten, unter Beweis gestellten Vortrag zu einer „Festlegung“ solcher Ziele sie in den Tatsacheninstanzen an welcher Stelle gehalten habe (zu diesen Anforderungen vgl. [X.] 12. Juli 2007 - 2 [X.] 666/05 - Rn. 26).

2. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einen Hinweis nach § 139 ZPO vermisst, legt sie zum einen nicht dar, warum das [X.] einen solchen Hinweis hätte erteilen müssen, nachdem schon das Arbeitsgericht der Zahlungsklage mit gleicher Begründung stattgegeben hatte. Zum anderen führt sie nicht aus, welchen Tatsachenvortrag sie auf den begehrten Hinweis hin gehalten oder welche Rechtsausführungen sie dann gemacht hätte (zu dieser Anforderung vgl. [X.] 18. September 2014 - 6 [X.] 145/13 - Rn. 34 mwN). In der Revisionsbegründung heißt es nur, sie hätte „hierzu weiter Stellung nehmen können“.

II. Die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt zur Verwerfung der Revision in Bezug auf diesen Streitgegenstand. Eine Nachprüfung der sachlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ist dem Senat insoweit verwehrt (vgl. [X.] 6. Januar 2004 - 9 [X.] 680/02 - zu II 4 der Gründe, [X.]E 109, 145).

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    B. Schipp    

                 

Meta

2 AZR 164/14

29.01.2015

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 24. Mai 2013, Az: 1 Ca 9278/12, Urteil

§ 2 S 1 KSchG, § 1 Abs 3 S 1 KSchG, § 1 Abs 2 KSchG, § 1360 BGB, §§ 1360ff BGB, § 1601 BGB, §§ 1601ff BGB, § 138 Abs 3 ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst b ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.01.2015, Az. 2 AZR 164/14 (REWIS RS 2015, 16329)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1838 REWIS RS 2015, 16329


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 AZR 164/14

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 164/14, 29.01.2015.


Az. 1 Ca 9278/12

Arbeitsgericht Köln, 1 Ca 9278/12, 24.05.2013.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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