Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 216/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5008

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 216/14

Verkündet am:

23. September 2015

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski,
[X.] und die Richterin Dr.
Brockmöller
im schriftli-chen Verfahren gemäß §
128 Abs.
2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum
28.
August 2015

für Recht erkannt:

Auf die
Revision der Klägerseite wird das Urteil des
20.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Mai 2014
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions-verfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 9.939,52

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier fondsgebundener
Ren-tenversicherungen.

Die
erste Versicherung (Endziffer 86) wurde aufgrund Antrags d.
[X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Juli 2004 und die zweite (Endzif-1
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fer 31) mit Versicherungsbeginn zum 1. August 2004 jeweils nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

Mit Schreiben vom September 2008
erklärte d. [X.]
die Kündigung der beiden
Versicherungsverträge
und
der Versicherer
zahlte für beide Verträge den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Dezember 2009
er-klärte d. [X.] den Widerspruch nach §
5a [X.] a.F.
für den Vertrag mit der Endziffer 86 und mit Schreiben vom Juni 2010 für den Vertrag mit der Endziffer 31.

Mit der Klage verlangt d.
[X.] Rückzahlung aller auf die
Verträge
geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des
bereits gezahlten [X.], insgesamt 9.939,52

Nach Auffassung d.
[X.] sind die
Versicherungsverträge
nicht wirk-sam zustande gekommen, weil er zum einen nicht ordnungsgemäß [X.] wurde und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversi-cherungsrichtlinien der [X.] nicht vereinbar
sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d.
[X.] das Klagebegehren hinsichtlich dieser beiden Verträge [X.].

Entscheidungsgründe:

Die Revision
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.
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I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe im Policenbe-geleitschreiben zwar
nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil insbesondere die fristauslösenden Unterlagen nicht [X.] bezeichnet seien. Die
Verträge
seien
aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Die
zwischen den Parteien geschlossenen
Versicherungsverträ-ge
schaffen
keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Sie sind
infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

[X.]) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.]

auch un-ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. über das [X.]srecht.
Die Widerspruchsbelehrung im maßgeblichen Policenbe-gleitschreiben genügt diesen Anforderungen nicht, weil sie den Fristbe-ginn nur an den Erhalt des Versicherungsscheins,
nicht aber auch an 8
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den Erhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der [X.] knüpft (vgl. Senatsurteil vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 448/14, [X.], 1104 Rn.
25 und [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992

[X.], [X.]Z 121, 52, 57 unter II 3).

Ohne Erfolg macht die Revision
allerdings geltend, der Begriff der "Textform"
in der
Widerspruchsbelehrung in dem
Begleitschreiben sei er-läuterungsbedürftig. Ohne die gesetzliche Erläuterung in §
126b BGB kennen zu müssen, kann d. [X.] diesem Begriff ohne weiteres entneh-men, dass er den Widerspruch in letztlich lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss
(im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 10. Juni 2015

IV ZR 105/13, [X.], 876 Rn. 11).

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.]Z 201, 101 Rn.
17-34)
entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]

wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Wi-13
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derspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung der
Versicherungsverträge
steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung der
Verträge genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
45 m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile
vom 29. Juli 2015 -
IV ZR 384/14, [X.], 1101 Rn.
35 ff.
und
IV ZR 448/14, [X.], 1104 Rn. 33 ff.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-16
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weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.]

Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2011 -
9 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 4/12 -

Meta

IV ZR 216/14

23.09.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 216/14 (REWIS RS 2015, 5008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5008

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
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Zitiert

IV ZR 448/14

IV ZR 105/13

IV ZR 76/11

IV ZR 384/14

20 U 4/12

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