Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.07.2012, Az. X ZR 19/10

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4167

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 19/10
Verkündet am:

31. Juli 2012

Anderer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 31.
Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Bacher und [X.]
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.
Oktober 2009 [X.] Urteil des 3.
Senats ([X.]) des Bundes-patentgerichts
abgeändert.
Das [X.] Patent 1
131
051 wird mit Wirkung für die [X.] für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.]n Patents 1
131
051 (Streitpatents), das am 23.
November 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier [X.] Anmeldungen vom 25.
November 1998 und vom 30.
Juli 1999 angemeldet [X.] ist und Druckdosierinhalatoren betrifft. Patentanspruch
1, auf den die übri-gen
elf Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
"Pressurised [X.] inhalers containing a composition for aerosol administra-tion containing a solution of budesonide or epimers thereof, an [X.] propellant and a co-solvent, part or all of the internal surfaces of said inhalers con-sisting of stainless steel, [X.] aluminium or being lined with an inert organic coating selected from perfluoroalkoxyalkane, epoxy-phenol resin or fluorinated-ethylene-propylene polyether sulfone."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die Nichtigerklärung des [X.] anstrebt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Prof.
Dr.

S.

,

ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen [X.] erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat Privatgutachten von Prof.
Dr.

B.

.

H.

und
Prof.
Dr.

D.

vorgelegt, die Beklagte zwei
Privatgutach-ten von Dr.

C.

.
1
2
3
-
4
-
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
I.
Das Streitpatent betrifft mit Druck beaufschlagte Dosierinhalatoren ([X.] [X.] inhalers, [X.]), die eine Zusammensetzung mit dem Wirkstoff [X.] enthalten.
1.
Im Stand der Technik waren verschiedene Druckdosierinhalatoren zur Verabreichung von Arzneimitteln in die Atemwege mittels Inhalation [X.]. Solche Inhalatoren enthalten eine pharmazeutisch wirksame Zusam-mensetzung, die einen Wirkstoff in gelöster Form oder als Suspension enthält, sowie ein Treibmittel, das es ermöglicht,
die Zusammensetzung als Aerosol, also in Form von kleinen, von Gas umgebenen Tröpfchen oder Festpartikeln auszustoßen,
und das unter Umständen zugleich als Lösungsmittel fungieren kann.
Zu den in dieser Weise verabreichten Wirkstoffen gehört [X.], ein Glucocorticoid, das unter anderem zur Behandlung von asthma bronchiale ein-gesetzt wird.
Als Treibmittel wurden früher bestimmte [X.]
(chloro-fluorocarbon, [X.], auch bezeichnet als [X.], FCKW)
eingesetzt. Diese wurden in neuerer Zeit mit der Zerstörung der Ozonschicht in Verbindung gebracht. Als umweltschonendere Alternative wurden [X.]
(hydrofluoroalkan, HFA, auch als Fluorkohlenwasserstoffe, [X.]
oder HFC bezeichnet) vorgeschlagen, insbesondere 1,1,1,2-Tetrafluorethan (HFA
134a) und 1,1,1,2,3,3,3-Heptafluorpropan (HFA
227).
Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift treten bei bestimmten Wirkstoffen und Treibmitteln Stabilitätsprobleme auf. Bei Suspensionen betref-4
5
6
7
8
9
-
5
-
fen diese meist die physikalische Stabilität, die zum Beispiel durch [X.] beeinträchtigt werden kann. Bei Lösungen
kommt es
häufig zu chemischer
Instabilität, also zu einer Zersetzung des Wirkstoffs.
Das Streitpatent betrifft das technische Problem, einen Druckdosierinhala-tor zur Verfügung zu stellen, der eine physikalisch und chemisch stabile Zu-sammensetzung mit [X.]
und einem
FCKW-freien Treibmittel enthält.
2.
Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch
1 des [X.] einen mit Druck
beaufschlagten Dosierinhalator vor, der folgende Merkmale aufweist:
1.
Der mit Druck beaufschlagte Dosierinhalator [1] enthält
a)
eine Zusammensetzung für die Aerosolverabreichung [2], die
a1)
eine Lösung [3]
a2)
von [X.] oder [X.] davon [4] enthält,
b)
ein Fluorkohlenwasserstofftreibmittel
[5]
und
c)
ein Cosolvens.
2.
Zumindest ein Teil der Innenoberflächen der Inhalatoren
[7]
a)
besteht aus
a1)
Edelstahl
[7.1]
oder
a2)
anodisiertem Aluminium [7.2]
b)
oder ist mit einer inerten organischen Beschichtung aus-gekleidet
[7.3], die ausgewählt ist aus
b1)
einem Perfluoralkoxyalkan
[7.4],
b2)
einem Epoxy-Phenol-[X.] [7.5]
oder
b3)
einem fluorierten Ethylen-Propylen-Polyethersulfon
[7.6].
10
11
-
6
-
II.
Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents sei dem Fachmann, einem Pharmazeu-ten, der sich auf das Gebiet der pharmazeutischen Technologie spezialisiert habe, über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung von pharmazeutischen Formulierungen, insbesondere von Inhalationspräparaten verfüge und mit einem
organischen Chemiker sowie einem Fachmann für Arzneimittelver-packungen zusammenarbeite, nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
Für den Fachmann habe es auf der Hand gelegen, sich mit der [X.] Patentanmeldung WO
98/13031 ([X.]) zu befassen, in der bereits ein mit Druck beaufschlagter Dosierinhalator mit [X.] und einem Fluor-kohlenwasserstoff
als Treibmittel offenbart sei. Bei diesem Inhalator liege [X.]
als Suspension vor. Vom Einsatz einer Lösung werde in [X.] ab-geraten, weil dies zu Stabilitätsproblemen führe.
Angesichts dessen habe der Fachmann keine Veranlassung gehabt, [X.] aus der internationalen Patentanmeldung WO
95/17195 [X.] ([X.]) zu beziehen, die eine Dosieraerosolformulierung für Druckdosierinhalatoren mit dem Wirkstoff [X.] betreffe. [X.] sei zwar ebenfalls ein Glucocorti-coid und weise strukturelle Ähnlichkeiten mit [X.] auf. Der Fachmann habe aber keinen hinreichenden Anlass zu der Erwartung gehabt, dass die in [X.] für [X.] offenbarte Formulierung geeignet sei, die in [X.] für [X.] berichteten Stabilitätsprobleme zu überwinden.
III.
Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem
entscheidenden Punkt nicht stand.
12
13
14
15
16
-
7
-
1.
Der Gegenstand von Patentanspruch
1 des Streitpatents ist durch den Stand der Technik nahegelegt.
a)
In der internationalen Patentanmeldung WO
95/17195 [X.] ([X.]) sind [X.] offenbart, die als Wirkstoff das Glucocorticoid [X.], als Lösungs-
und Treibmittel HFA
134a oder HFA
227 und als [X.] umfassen.
(1)
In der Beschreibung wird ausgeführt, die chemische Stabilität [X.] erfindungsgemäßer Formulierungen könne durch Anwesenheit von Wasser, [X.] oder [X.] verbessert werden (S.
5 Z.
7-30). Als geeignete Umhüllung werden herkömmliche Aerosolbehälter angeführt. Ergänzend wird dargelegt, es habe sich herausgestellt, dass bestimmte Behälter die chemische Stabilität bestimmter erfindungsgemäßer Formulierungen verbesserten und/oder die Absorption von [X.] an den Behälterwänden minimierten. Deshalb werde eine erfindungsgemäße Formulierung bevorzugt in [X.] aus Glas eingefasst oder in [X.] aus Aluminium mit einer inneren Kammer, die mit einem [X.] beschichtet sei, das gegenüber [X.] inert sei und vorzugsweise [X.] nicht aus der Formulierung absorbiere. Als geeignete [X.]e werden unter anderem Epoxy-Phenol-[X.]e angeführt (S.
7 Z.
3-17).
Damit ist ein Druckdosierinhalator für den Wirkstoff [X.] mit den Merkmalen 1
a1, 1
b, 1
c und 2
b2 offenbart.
(2)
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts und der Beklagten gaben die
Ausführungen in [X.] dem Fachmann, einem Pharmazeuten mit mehrjähriger Erfahrung in der Formulierung von Inhalationspräparaten, Anlass, einen Inhalator mit diesen Merkmalen auch für [X.] in Betracht zu zie-hen.

17
18
19
20
21
-
8
-
Zwar konnte der Fachmann nicht mit Sicherheit erwarten, dass der in [X.] offenbarte Lösungsweg auch für [X.] zu dem angestrebten Ergebnis füh-ren würde. Aus den Ausführungen in [X.] ergab sich jedoch eine hinreichend große Erfolgswahrscheinlichkeit, die durch die übrigen [X.] nicht entscheidend in Frage gestellt wurde. Der Fachmann hatte deshalb Anlass, Versuche der in [X.] beschriebenen Art auch mit [X.] durchzuführen.
(a)
Eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit ergab sich, wie der ge-richtliche Sachverständige eingehend dargelegt
hat, aus der strukturellen
Ähn-lichkeit der beiden Wirkstoffe [X.] und [X.].
Die genannten Wirkstoffe weisen in ihrem chemischen Aufbau bei ansons-ten gleicher Struktur lediglich zwei Unterschiede auf: Bei [X.] ist an dem aus
drei Kohlenstoff-
und zwei Sauerstoffatomen bestehenden 1,3-Dioxolanring eine Propylgruppe (C3H7) angefügt, bei [X.] stattdessen zwei Methylgrup-pen ([X.]). Ferner ist bei [X.] am zweiten Ring ein [X.] an-gebunden.
[X.]
[X.]

Diese strukturelle Ähnlichkeit gab zwar, wie der gerichtliche [X.] bestätigt hat,
keinen sicheren Aufschluss darüber, ob
eine Lösung
von Bu-desonid in HFA
134a oder HFA
227 und Ethanol eine vergleichbare chemische Stabilität aufweisen würde wie die in [X.] offenbarte [X.]-Lösung. Der 22
23
24

25
-
9
-
Umstand, dass beide Wirkstoffe für ähnliche Anwendungsgebiete einsetzbar sind, gab jedoch Anlass zu der Erwartung, dass sich der erhoffte Erfolg auch bei [X.] einstellen würde. Der Fachmann hatte deshalb Veranlassung, entsprechende Versuche mit [X.] anzustellen, zumal der Aufwand dafür, wie der gerichtliche Sachverständige ebenfalls bestätigt hat, sich in überschau-baren Grenzen hält.

(b)
Die in der Streitpatentschrift beschriebenen Probleme
mit der chemi-schen Stabilität einer [X.]-Lösung, zu deren Bewältigung nach dem Streitpatent die besondere Ausgestaltung des Behälters gemäß Merkmalsgrup-pe
2
dient, führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Dabei kann offen bleiben, ob vergleichbare Stabilitätsprobleme auch bei [X.]-Lösungen auftreten, wie dies die Klägerin unter Bezugnahme auf von ihr vorgelegte Versuchsergebnisse ([X.]) geltend macht. Schon aus [X.] war zu entnehmen, dass die chemische Stabilität bei bestimmten Lösungen
durch Zugabe weiterer Stoffe oder durch Auswahl eines geeigneten [X.] verbessert werden kann. Aus diesen allgemein gehaltenen Hinweisen konnte zwar nicht entnommen werden, unter welchen konkreten Voraussetzungen Maßnahmen zur Verbesserung der
Stabilität bei [X.]-Lösungen empfeh-lenswert oder sogar zwingend erforderlich sind und welche Schlussfolgerungen sich hieraus für [X.]-Lösungen ergeben. Dennoch wurde dem Fachmann ein konkreter Weg aufgezeigt, wie er auftretenden Stabilitätsproblemen [X.] kann. Dies gab dem Fachmann Anlass, entsprechende Maßnahmen auch bei [X.]-Lösungen in Betracht zu ziehen, falls diese ohne besondere Vorkehrungen nicht die erforderliche chemische Stabilität zeigen würden.
(c)
Entgegen der Auffassung
der Beklagten kann eine hinreichende Veranlassung, Stabilitätsproblemen durch Auswahl eines geeigneten Behälter-materials zu begegnen, auch nicht deshalb verneint werden, weil in [X.] und 26
27
28
-
10
-
anderen [X.] auch andere Möglichkeiten, insbesondere die
Zu-gabe von Komplexbildnern oder Säuren, aufgezeigt werden.
Auch wenn der Fachmann damit mehrere Varianten zur Verfügung hatte, bestand für ihn angesichts der überschaubaren Anzahl der grundlegenden Lö-sungsansätze Anlass, die Auswahl eines geeigneten [X.] als Mit-tel zur Lösung von Stabilitätsproblemen
in Betracht zu ziehen. Dies gilt umso mehr, als die Auswahl eines geeigneten Packmittels nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu den Routinetätigkeiten eines Entwicklers gehört.
Zu den danach nahegelegten Versuchen
hätten, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, nicht nur solche mit der in [X.] hervor-gehobenen Innenbeschichtung aus Epoxy-Phenol-[X.]
gehört, sondern auch Versuche mit den anderen in Merkmalsgruppe
2 alternativ aufgeführten Behäl-termaterialien.
Vor diesem Hintergrund ist auch irrelevant, dass der Auswahl eines ge-eigneten [X.] in [X.] Relevanz nicht nur für die Verbesserung der Stabilität beigemessen wird, sondern alternativ oder zusätzlich auch für die Verhinderung einer Absorption des Wirkstoffs an der Behälterwand. Der Fach-mann hatte im Hinblick auf diese Ausführungen Anlass, der Auswahl des Mate-rials sowohl unter dem einen als auch unter dem anderen Gesichtspunkt be-sondere Bedeutung beizumessen, Versuche mit unterschiedlichen Behälterma-terialien mithin auch dann durchzuführen, wenn sich lediglich [X.], aber keine Absorptionseffekte zeigten.
b)
Die Ausführungen in der internationalen Patentanmeldung WO
98/13031 ([X.]) führen entgegen der Auffassung des Patentgerichts nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
(1)
Der Umstand, dass [X.] die Verbesserung von [X.] für [X.] betrifft, gab dem Fachmann keinen Anlass, für Bude-29
30
31
32
-
11
-
sonid ausschließlich Suspensionen in Betracht zu ziehen und von Versuchen mit Lösungen der in [X.] beschriebenen Art abzusehen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit den in [X.] offenbarten
Zusammensetzungen
aus einer [X.]-Suspension, einem [X.] und einem
Hilfsstoff wie beispielsweise Ethanol die bei [X.] häufig auftretenden Probleme mit der physikalischen Stabilität in jeder Hinsicht befriedigend gelöst werden können. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte der Fachmann Veranlassung gehabt, auch für [X.] weitere Formu-lierungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, wenn sich dafür aus dem Stand der Technik eine hinreichende Erfolgsaussicht ergab. Auch unter diesem Ge-sichtspunkt gaben die Ausführungen in [X.] Anlass, die dort beschriebene
Formulierung für [X.] in Erwägung zu ziehen.
In [X.] wird ausgeführt, [X.]-Hemihydrat weise eine nennenswerte Löslichkeit in HFA
134a, HFA
227 oder Gemischen davon auf. Dies könne
in Suspensionsformulierungen zu einer die Brauchbarkeit der Formulierung ge-fährdenden Zunahme der Partikelgröße führen. Deshalb wird eine Formulierung in Gestalt einer Lösung als vorteilhaft beurteilt (S.
2 Z.
18 bis S.
3 Z.
2). Die strukturelle Ähnlichkeit von [X.] und [X.] gab dem Fachmann aus den bereits dargelegten Gründen Anlass, vergleichbare Überlegungen auch für [X.] anzustellen.

Angesichts dessen lag in der Einbeziehung von Formulierungen in Gestalt einer Lösung entgegen der Auffassung der Beklagten weder ein grundlegender Perspektivwechsel noch eine Abkehr von allgemein etablierten Vorgehens-weisen. Suspensionen und Lösungen standen auch bei anderen Wirkstoffen, insbesondere bei [X.], als mit jeweils spezifischen Vor-
und Nachteilen behaftete, aber grundsätzlich gleichermaßen in Betracht kommende Varianten zur Auswahl. Dass für [X.] in Verbindung mit [X.]n am Priori-tätstag nur Formulierungen auf Basis einer Suspension offenbart waren, gab 33
34
35
-
12
-
dem Fachmann keinen Anlass, Hinweise
außer Acht zu lassen, die abweichen-de Konzepte als erfolgversprechend erscheinen ließen. Der Fachmann mag keine Veranlassung gehabt haben, gewissermaßen ins Blaue hinein Versuche mit Lösungsformulierungen anzustellen. Er hatte aber Anlass, konkrete [X.], die sich für andere Wirkstoffe als erfolgreich erwiesen hatten, in Erwägung zu ziehen, wenn die strukturelle Ähnlichkeit dieser Wirkstoffe hinrei-chend Grund zu der Erwartung gab, dass sich vergleichbare Erfolge auch mit [X.] einstellen würden. Diese Voraussetzung war bei dem in [X.] für [X.] aufgezeigten Lösungsweg aus den bereits dargelegten Gründen er-füllt.
Vor diesem Hintergrund kommt auch dem von der Beklagten hervorgeho-benen Umstand, dass trotz der Hinweise in [X.] über mehrere Jahre hinweg keiner der am Markt vertretenen Hersteller eine vergleichbare Formulierung für [X.] in seinem Angebot hatte, keine
ausschlaggebende Bedeutung zu. Dass ein bestimmtes Produkt nicht am Markt verfügbar ist, kann, wie auch die Beklagte in anderem Zusammenhang geltend macht, vielfältige Gründe haben, die nicht zwingend auf technischem Gebiet liegen.
Die von der Beklagten ange-führte Veröffentlichung

aus dem [X.] (Pharmazie unserer
Zeit, 32.
Jahrgang 2003, Nr.
4, S.
314-322, [X.]), in der berichtet wurde, [X.] sei
nach dem Erlöschen der Verkehrsfähigkeit für FCKW-haltige Produkte zum 31.
Dezember 2002 nicht mehr in der Form eines Dosieraerosols verfügbar, erlaubt ebenfalls nicht die von der Beklagten postu-lierte Schlussfolgerung. Zum genannten Zeitpunkt waren mit der Entgegenhal-tung [X.]
und dem Streitpatent bereits zwei mögliche Wege zur Herstellung eines FCKW-freien Druckinhalators offenbart. Der Umstand, dass dennoch kein entsprechendes Produkt verfügbar war, kann mithin zumindest nicht allein [X.] beruhen, dass keine technische Lösung zur Verfügung stand. Dass bei der Entwicklung bis zur Produktreife weitere Probleme zu bewältigen waren, ist für die Beurteilung des Streitpatents irrelevant, weil sich dieses nicht mit der Bewäl-tigung solcher Probleme befasst.
36
-
13
-
(2)
Die in [X.] enthaltenen Ausführungen zu
Stabilitätsproblemen
füh-ren nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der in [X.] enthaltene Hinweis, die [X.]-Suspension dürfe nicht in Kontakt mit Ethanol in Konzentrationen von über fünf Gewichtprozent gebracht werden, weil sich der Wirkstoff sonst lösen würde, was zu Instabilität und Kristallwachstum führe (S.
5 Z.
1-4), nur physikalische Stabilitätsprobleme einer Suspension betrifft, wie sie auch in [X.] beschrieben sind und durch Einsatz einer Lösung gerade überwunden werden. Selbst wenn [X.] zu entnehmen wäre, dass bei einer [X.]-Lösung mit chemischer Instabilität zu rechnen ist, wurde dem Fachmann in [X.] ein gang-barer Weg aufgezeigt,
um solche Probleme zu überwinden.

Auch in diesem Zusammenhang ist nicht ausschlaggebend, dass die [X.] eines bestimmten Wirkstoffs in einer Lösung im Voraus nicht sicher vor-hersehbar ist und dass bei [X.] möglicherweise mit größeren Stabilitäts-problemen zu rechnen war als bei [X.]. Die Ausführungen in [X.] gaben jedenfalls hinreichend Anlass zu der Erwartung, dass die dort aufgezeigten Möglichkeiten zur Verbesserung der Stabilität auch bei [X.]-Lösungen zu dem angestrebten Erfolg führen würden. Gerade angesichts der Schwierig-keiten, die Stabilitätsprobleme auf theoretischem Weg zu lösen, bestand Veran-lassung, sich an bekannten Vorgehensweisen zu orientieren und zu versuchen, diese auf strukturell ähnliche Wirkstoffe zu übertragen.
c)
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Gegenstand von Patentanspruch
1 auch nicht deshalb als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden, weil als einziges Mittel zur Stabilisierung die Auswahl eines geeigneten [X.] angegeben wird.
Die Zugabe von weiteren Stoffen zur weiteren Stabilisierung ist nach Pa-tentanspruch
1 zwar nicht zwingend vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlos-37
38
39
40
41
-
14
-
sen. Unabhängig davon wird auch in [X.] die Auswahl des [X.] nicht nur als zusätzliches, sondern auch als alleiniges Mittel zur Stabilisierung beschrieben. Dies gab dem Fachmann Anlass, die Auswirkungen des [X.] auf die Stabilität auch ohne Zusatz von Hilfsstoffen zu untersuchen, wie dies auch in dem in [X.] beschriebenen Ausführungsbeispiel
29 geschehen ist.
2.
Dass der Gegenstand der auf Patentanspruch
1 zurückbezogenen weiteren elf Patentansprüche hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit anders zu beurteilen wäre, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 [X.] und §
91 Abs.
1 ZPO.
Meier-Beck

[X.]

[X.]

Bacher

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.10.2009 -
3 Ni 9/08 ([X.]) -

42
43

Meta

X ZR 19/10

31.07.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.07.2012, Az. X ZR 19/10 (REWIS RS 2012, 4167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4167

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I-2 U 36/08 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


X ZR 98/09 (Bundesgerichtshof)


X ZR 98/09 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren: Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bei der Entwicklung eines pharmazeutischen Wirkstoffs - Calcipotriol-Monohydrat


X ZR 4/11 (Bundesgerichtshof)


X ZR 4/11 (Bundesgerichtshof)

Erfinderische Tätigkeit: Zusammensetzung zum Färben von Lebensmitteln - Anthocyanverbindung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.