Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2012, Az. 7 AZR 35/11

7. Senat | REWIS RS 2012, 6396

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Gegenstand

Befristung eines Arbeitsverhältnisses durch Zweckerreichung - Prognose zum voraussichtlichen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit


Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. November 2010 - 17 [X.] 1345/10 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Zweckbefristung in dem zwischen ihnen bestehenden Arbeitsvertrag wirksam ist.

2

Der Kläger ist für den [X.] in der Maßregelvollzugsklinik [X.] tätig. Dort betreibt der Beklagte die Unterbringung psychisch kranker Straftäter. Der Betrieb von [X.] ist in [X.] landesrechtlich originäre Aufgabe des [X.]. Dieses hat sie teilweise auf den [X.], teilweise auf andere Träger übertragen. Es bestand bereits ein langjähriger Mangel an Plätzen in [X.]. Das Land [X.] beschloss daher im [X.] den Neubau von sechs forensischen Kliniken mit 470 neuen Plätzen für psychisch kranke und suchtkranke Straftäter. Bis zur vollständigen Inbetriebnahme der neuen Einrichtungen waren übergangsweise Plätze für die Unterbringung von Straftätern erforderlich.

3

Als Teil der Übergangslösung schlossen am 27. Dezember 2002 die [X.], das Land [X.] und die [X.] einen Grundstückskauf- und Mietvertrag über ein ehemaliges Kasernengelände. Danach sollte die [X.] den Grundbesitz an dem Gelände erwerben und diesen an das Land [X.] vorübergehend zum Zwecke der Schaffung und des Betriebes einer forensischen Übergangseinrichtung vermieten. Die Nutzungsdauer sollte 84 Monate betragen und bis zum 31. Dezember 2010 andauern. Danach sollte sich eine [X.] von sechs Monaten anschließen.

4

Nachdem die erforderlichen Umbaumaßnahmen abgeschlossen waren, nahm der Beklagte den Betrieb der Maßregelvollzugsklinik [X.], in der auch der Kläger tätig ist, auf. Es wurden ca. 90 Patienten untergebracht. In einer Entfernung von ca. 85 km befindet sich eine dauerhafte vom [X.] betriebene forensische Fachklinik „[X.]“.

5

Mit dem Kläger schloss der Beklagte zunächst mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2004 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag bis zum 30. November 2006. Am 1. September 2006 vereinbarten die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag. Darin heißt es auszugsweise:

        

„§ 1   

        

…       

        

Bis zur vollständigen Inbetriebnahme neu zu errichtender Kliniken des Maßregelvollzuges an anderer Stelle werden am Standort [X.] übergangsweise Plätze für die Unterbringung von Maßregelvollzugspatienten benötigt. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses erfolgt daher mit Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ([X.]) vom 21. Dezember 2000 in der jeweils geltenden Fassung [X.]. § 30 Abs. 1 TVöD und zwar im [X.]ahmen einer Zweckbefristung wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an Arbeitsleistung durch den Angestellten für die Dauer des Betriebes der Maßregelvollzugsklinik am Standort [X.] (Maßregelvollzugsklinik [X.]).

        

Das Arbeitsverhältnis endet gemäß § 15 Abs. 2 [X.] mit dem Ende des Betriebes der Maßregelvollzugsklinik [X.], frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Angestellten durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.

        

…       

        

§ 2     

        

Die Beschäftigung erfolgt in der Maßregelvollzugsklinik [X.].

        

Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung und Zuweisung bleiben unberührt. ...

        

§ 3     

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem besonderen Teil Krankenhäuser (BT-K) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]) jeweils geltenden Fassung einschließlich des [X.] zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur [X.]egelung des Übergangsrechts (§ 1 Abs. 2 TVÜ-[X.]). ...“

6

Eine vergleichbare vertragliche Position haben ca. 70 weitere Arbeitnehmer des [X.].

7

Am 15. September 2008 vereinbarten die [X.] und das Land [X.] eine Änderung des zwischen ihnen abgeschlossenen [X.]. Zu diesem Zeitpunkt sollte die 84-monatige Nutzungsphase noch bis zum 7. Januar 2012 laufen. Durch die Änderung des [X.] wurde sie bis zum 31. Dezember 2016 verlängert. Danach sollte die sechsmonatige [X.] beginnen.

8

Mit seiner am 26. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem [X.] am 2. Dezember 2009 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der in seinem Arbeitsvertrag vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer des Betriebes der Maßregelvollzugsklinik in [X.] gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, ein Befristungsgrund liege nicht vor. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages sei unklar gewesen, wie lange die Klinik in [X.] tatsächlich betrieben werde und ob es nicht doch noch zu einer weiteren Nutzung komme. Auch nach dem Wegfall der Klinik in [X.] gebe es weiteren Bedarf an der Tätigkeit des [X.], ggf. auch an anderen Standorten beim [X.]. Die 90 kranken Straftäter müssten auch nach einer Betriebsstilllegung in [X.] in anderen forensischen Kliniken betreut werden. Es sei nicht unmöglich oder unwahrscheinlich, dass auch diese neuen Kliniken in Trägerschaft des [X.] betrieben würden. Zudem sei der Zweck, bei dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden solle, im befristen Vertrag nicht hinreichend bestimmt.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 1. September 2006 vereinbarten Befristung enden wird.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses des befristeten Arbeitsvertrages habe er nur von einem vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung des [X.] ausgehen dürfen. Es sei nicht prognostizierbar gewesen, dass auch nach Stilllegung der Klinik in [X.] ein weiterer Bedarf an der Arbeitsleistung des [X.] bestehen werde. Neue forensische Kliniken würden nicht zwangsläufig in der Trägerschaft des [X.] betrieben. Das Land [X.] mache zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch, Einrichtungen in Trägerschaft Dritter zu errichten. Zumindest sei sicher gewesen, dass der Klinikbetrieb mit Ablauf der vereinbarten Mietvertragsdauer aufgegeben werde. Deshalb habe nicht nur eine allgemeine Unsicherheit über die Entwicklung der Klinik geherrscht. Im nahe gelegenen [X.] habe es keinen zusätzlichen Personalbedarf gegeben. Das Arbeitsverhältnis habe nach der vertraglichen Vereinbarung enden sollen, wenn der forensische Betrieb eingestellt werde, also mit Verlegung des letzten Patienten. Dies sei nicht unklar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.]arbeitsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der [X.]evision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der [X.]evision.

Entscheidungsgründe

Die [X.]evision ist unbegründet. Das [X.] hat der zulässigen Klage im Ergebnis zu [X.]echt entsprochen. Die Zweckbefristung im Arbeitsvertrag der Parteien ist unwirksam. Zwar lässt sich entgegen der Auffassung des [X.]s der zwischen den Parteien vereinbarte Zeitpunkt der Zweckerreichung zuverlässig erkennen. Die angefochtene Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Für die vereinbarte Zweckbefristung fehlt es an dem erforderlichen Sachgrund. Zu [X.]echt hat das [X.] daher die Berufung des [X.]n gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.

I. Die Auslegung der Klage ergibt, dass keine Befristungskontrollklage nach § 17 [X.], sondern eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO vorliegt. Diese ist zulässig.

1. Bei der Klage handelt es sich nicht um eine Befristungskontrollklage nach § 17 [X.], sondern um eine allgemeine Feststellungsklage. Das ergibt die Auslegung des Klageantrages.

a) Eine Auslegung als Befristungskontrollklage kommt nicht in Betracht. Es kann dem Kläger nicht unterstellt werden, er wolle eine Klage erheben, die rechtlich nicht möglich ist. Eine Befristungskontrollklage ist rechtlich noch nicht möglich. Die gegen eine Zweckbefristung gerichtete Klage kann als Befristungskontrollklage erst erhoben werden, wenn der Arbeitgeber - was hier noch nicht geschehen ist - gemäß § 15 Abs. 2 [X.] den Arbeitnehmer schriftlich darüber unterrichtet, wann der Zweck der Befristung erreicht ist. Nach der ständigen [X.]echtsprechung des Senats kann zwar im Falle einer kalendermäßigen Befristung die Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 [X.] bereits vor dem vereinbarten Vertragsende erhoben werden (vgl. etwa [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 8 mwN, AP [X.] § 14 Nr. 86 = EzA [X.] § 14 Nr. 81). Ein [X.]er Arbeitsvertrag endet nach § 15 Abs. 2 [X.] aber frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung. Vor einer solchen schriftlichen Unterrichtung ist für eine Befristungskontrollklage kein [X.]aum. Das entspricht auch der jüngeren [X.]echtsprechung des Senats zur Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 Satz 1 [X.], mit der nicht nur der Streit über die Wirksamkeit einer Bedingung, sondern auch der über den Eintritt zu entscheiden ist (vgl. [X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 18 ff., EzA [X.] § 17 Nr. 13). Da der Eintritt einer auflösenden Bedingung mit der Auslegung und der [X.]echtswirksamkeit eng verbunden ist, sind diese Fragen deshalb auch Gegenstand einer Bedingungskontrollklage, wenn sich der Kläger allein dagegen wendet, die auflösende Bedingung sei eingetreten (vgl. [X.] 27. Juli 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 23, EzA [X.] § 17 Nr. 14). Eine Bedingungskontrollklage kann daher erst erhoben werden, wenn diese Punkte auch einheitlich zur Entscheidung gestellt werden können. Für eine Befristungskontrollklage, mit der - wie hier - eine Zweckbefristung nach § 15 Abs. 2 [X.] angegriffen wird, gilt nichts anderes.

b) [X.] ist jedoch als allgemeine Feststellungsklage mit dem Inhalt auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Zweckbefristung in § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien befristet ist. Das entspricht dem für die Auslegung des Klageantrages maßgeblichen Klageziel und der richtig verstandenen Interessenlage des [X.] ([X.] 19. Oktober 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 15 mwN). Die Auslegung eines Klageantrages kann auch noch durch das [X.]evisionsgericht erfolgen (vgl. [X.] 15. September 2009 - 9 [X.] - [X.]n. 13, [X.]E 132, 88).

2. Diese allgemeine Feststellungsklage ist nach § 256 ZPO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann auf die Feststellung des Bestehens eines [X.]echtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das [X.]echtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Allerdings können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur [X.]echtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines [X.]echtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf ein [X.]echtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem [X.]echtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen bzw. auch auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. [X.]spr. des [X.], vgl. nur 10. Februar 2009 - 3 [X.] - [X.]n. 12 mwN, EzA [X.] § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6). Hier geht es um die Feststellung der Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam [X.] ist. Dabei handelt es sich nicht lediglich um ein unselbstständiges tatbestandliches Element oder eine Vorfrage, sondern um den rechtlich selbstständig feststellbaren Umfang und die Dauer der zwischen den Parteien vereinbarten beiderseitigen Leistungspflichten.

b) Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Das folgt schon daraus, dass sich der [X.] darauf beruft, die Zweckbefristung sei wirksam. Ebenso hat er ein berechtigtes Interesse an [X.] richterlicher Entscheidung. Zwar genügt es hierfür nicht, wenn sich eine streitige Frage in einer ungewissen Zukunft möglicherweise einmal stellen wird (vgl. [X.] 21. März 2000 - 3 [X.] - zu II der Gründe). So verhält es sich aber im Streitfall nicht. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich die Frage der Wirksamkeit der Zweckbefristung zwischen den Parteien in absehbarer Zeit stellen wird. Aufgrund der aktuellen Planungen steht eine Schließung der [X.] schon Ende 2016 im [X.]aum. Angesichts dieser aktuellen Unklarheit über den langfristigen Bestand seines Arbeitsplatzes hat der Kläger schon deshalb ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, um prüfen zu können, ob er sich beruflich anderweitig orientiert.

II. [X.] ist auch begründet. § 30 [X.] steht der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegen. Auch ist die Zweckbefristung entgegen der Auffassung des [X.]s hinreichend klar formuliert. Sie ist jedoch mangels eines sachlichen Grundes unwirksam.

1. Die Unwirksamkeit der Zweckbefristung folgt nicht bereits aus der arbeitsvertraglich vereinbarten Anwendung von § 30 [X.]. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser [X.]egelung sind kalendermäßig befristete Arbeitsverträge mit sachlichem Grund nur zulässig, wenn die Dauer des einzelnen Arbeitsvertrages fünf Jahre nicht übersteigt. Diese [X.]egelung knüpft an § 15 Abs. 1 [X.] an, der nur dann gilt, wenn im Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrages eine Zeit vereinbart ist, nicht jedoch für [X.]e Arbeitsverträge, deren Ende an das Erreichen des vereinbarten Zwecks iSv. § 15 Abs. 2 [X.] geknüpft ist ([X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand März 2012 § 30 [X.]n. 383; APS/[X.] 4. Aufl. § 30 [X.] [X.]n. 7). Hier liegt ein [X.]er Arbeitsvertrag vor.

2. Entgegen der Ansicht des [X.]s ist die vereinbarte Befristung auch nicht zu unbestimmt.

a) Eine Zweckbefristung erfordert zum einen eine unmissverständliche Einigung darüber, dass das Arbeitsverhältnis bei Zweckerreichung enden soll, wobei die Einigung nach § 14 Abs. 4 [X.] schriftlich vereinbart sein muss ([X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 28, AP [X.] § 14 Nr. 83 = EzA [X.] § 14 Nr. 78). Zum anderen muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus das Ereignis, dessen Eintritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, zweifelsfrei feststellbar ist ([X.] 21. Dezember 2005 - 7 [X.] - [X.]n. 36, AP [X.] § 14 Nr. 18 = EzA [X.] § 14 Nr. 25). Worauf sich die Parteien geeinigt haben, ist durch Auslegung zu ermitteln ([X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 15, EzA [X.] § 15 Nr. 3: für die Abgrenzung von Zweckbefristung und auflösender Bedingung).

b) Das [X.] ist davon ausgegangen, der Arbeitsvertrag der Parteien sei so auszulegen, dass im Falle einer - nach Ansicht des [X.]s durchaus zu erwartenden - sukzessiven Verringerung des Personalbedarfs der Zweck im Sinne des Arbeitsvertrages der Parteien schon dann erreicht sein kann, wenn sich der Personalbedarf nur verringert. Es hat angenommen, deshalb fehle es an einer hinreichend bestimmten [X.]egelung im Arbeitsvertrag im Hinblick auf die Zweckerreichung.

c) Diese Auslegung des [X.]s hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Vielmehr ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages, dass der Zweck erst dann erreicht ist, wenn der letzte Patient aus der [X.] verlegt wird.

aa) Geht es um eine typische Vertragsbestimmung, ist deren Auslegung durch das [X.] revisionsrechtlich uneingeschränkt überprüfbar. Typische, an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtete Erklärungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei ist auf die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners abzustellen. In die Auslegung einzubeziehen sind solche Umstände, die auf einen Willen des Verwenders hinsichtlich der allgemeinen Bedeutung der Erklärung gegenüber allen Vertragspartnern schließen lassen. Umstände, die nur eine einzelne Vertragspartei betreffen, sind dagegen nur zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall die Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden haben (vgl. zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen: [X.] 18. Mai 2010 - 3 [X.] - [X.]n. 50 f., [X.]E 134, 269; vgl. auch 9. Februar 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 32, [X.] § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).

bb) Hier handelte es sich bei der Zweckbefristung ersichtlich um eine mit ca. 70 Arbeitnehmern in gleicher Weise vereinbarte typische gleichlautende Vertragsbestimmung. Deren Auslegung kann der Senat ohne Einschränkung selbst vornehmen. Sie ergibt, dass der von den Parteien vereinbarte Zweck erst erreicht ist, wenn der Betrieb der Maßregelvollzugsklinik am Standort [X.] vollständig eingestellt ist. Dies wird erst der Fall sein, wenn dort kein Patient mehr zu betreuen ist. Die Befristung im Arbeitsverhältnis der Parteien erfolgte „für die Dauer des Betriebes“ der Klinik. Gleichzeitig hatte die Vereinbarung den Sinn, den Personalbedarf so lange sicherzustellen wie - in der Formulierung des Arbeitsvertrages - „übergangsweise Plätze für die Unterbringung von Maßregelvollzugspatienten benötigt“ werden. Irgendeine Einschränkung, etwa auf eine bestimmte Anzahl zu betreuender Patienten, findet sich in der Vereinbarung nicht. Das [X.] hat Auslegungsgrundsätze verletzt, indem es entgegen dem erkennbaren Wortlaut und Sinn der die Zweckbefristung festlegenden Vereinbarung der Parteien davon ausgegangen ist, dass bereits eine teilweise oder sukzessive Einstellung der [X.] zur Erreichung des Zwecks und damit ggf. zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien führen sollte.

3. Die angefochtene Entscheidung ist gleichwohl im Ergebnis richtig. Die Zweckbefristung ist deshalb unwirksam, weil sie eines sachlichen Grundes iSv. § 14 Abs. 1 [X.] bedarf, ein solcher jedoch nicht vorliegt. Insbesondere sind die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] nicht gegeben. Ein betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung des [X.] bestand zum Zeitpunkt des Abschlusses des [X.]en Arbeitsvertrages nicht nur vorübergehend im Sinne dieser Bestimmung.

a) Bei einer Zweckbefristung machen die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig, dessen Eintritt sie für gewiss halten, dessen Zeitpunkt dagegen ungewiss ist ([X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] - [X.]n. 15, EzA [X.] § 15 Nr. 3; 21. Dezember 2005 - 7 [X.] - [X.]n. 36, AP [X.] § 14 Nr. 18 = EzA [X.] § 14 Nr. 25). Eine Zweckbefristung bedarf zu ihrer Wirksamkeit des Vorliegens eines sachlichen Grundes. In Betracht kommen zur [X.]echtfertigung insbesondere die in § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten sachlichen Gründe.

b) Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] setzt voraus, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht (vgl. [X.] 17. März 2010 - 7 AZ[X.] 640/08 - [X.]n. 12, [X.]E 133, 319; 20. Februar 2008 - 7 AZ[X.] 950/06 - [X.]n. 12 mwN, AP [X.] § 14 Nr. 45). Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist ein Teil des Sachgrundes für die Befristung ([X.] 17. März 2010 - 7 AZ[X.] 640/08 - aaO). Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit rechtfertigt die Befristung nicht. Eine solche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen [X.]isiko des Arbeitgebers, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf den Arbeitnehmer abwälzen darf ([X.] 20. Februar 2008 - 7 AZ[X.] 950/06 - aaO). Die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose hat der Arbeitgeber im Prozess darzulegen ([X.] 17. März 2010 - 7 AZ[X.] 640/08 - [X.]n. 13, aaO; 5. Juni 2002 - 7 AZ[X.] 241/01 - zu I 3 a der Gründe, [X.]E 101, 262).

c) Geht es - wie hier - um eine Zweckbefristung, muss sich die Prognose auf die Erreichung des Zwecks richten. Da ein zulässiger Zweck iSd. [X.] nur ein Ereignis ist, dessen Eintritt die Parteien hinsichtlich des „Ob“ als sicher ansehen, dessen „Wann“ aber noch nicht feststeht, muss mit hinreichender Sicherheit deutlich werden, dass der Zweck tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden wird, wenngleich noch nicht feststeht, wann dies sein wird. Eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] gestützte Zweckbefristung fordert daher eine hinreichende Prognosedichte dahingehend, dass der in den Arbeitsvertrag aufgenommene Vertragszweck nicht nur möglicherweise oder wahrscheinlich erreicht wird, sondern dass im [X.]ahmen des [X.] sicher angenommen werden kann, dass er eintreten wird. Die Prognose muss sich auf einen arbeitsorganisatorischen Ablauf richten, der hinreichend bestimmt ist und an dessen Ende der Wegfall des Bedarfs für die Tätigkeit des Arbeitnehmers steht. Es reicht nicht aus, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte. An die Zuverlässigkeit der Prognose sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je weiter die vereinbarte Zweckerreichung in der Zukunft liegt.

d) Hier hat der [X.] eine zuverlässige Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit des [X.] aufgrund eines vorübergehenden betrieblichen Bedarfs nicht ausreichend dargetan. Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Umständen die Entscheidung, einen Betrieb oder eine Dienststelle für einen bestimmten Zweck zu gründen, überhaupt einen vorübergehenden Bedarf iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] darstellen kann. Auch wenn hiervon zugunsten des [X.]n ausgegangen wird, hätte dieser darlegen müssen, dass nach seiner zuverlässigen, bei Vertragsschluss erstellten Prognose mit der Schließung der Maßregelvollzugsklinik am Standort [X.] die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger entfallen würde. Daran fehlt es. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der [X.] in tatsächlicher Hinsicht die Betreuung der Patienten im Maßregelvollzug nicht ohne Weiteres einstellen kann. Es handelt sich um eine Aufgabe, deren Erledigung nicht in seinem freien Belieben steht. Vielmehr ist - wie sich auch aus dem Vortrag des [X.]n ergibt - insoweit grundsätzlich ein Dauerbedarf vorhanden, der sich in einem Bedarf an Betreuungsplätzen niederschlägt. Angesichts dessen hätte es für eine Prognose, die eine Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien rechtfertigt, einer zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages sicheren Vorstellung nicht nur darüber bedurft, dass irgendwann die Betreuung der Patienten im Maßregelvollzug durch den [X.]n eingestellt wird, sondern auch darüber, wie sich diese konkret danach weiter entwickelt. Nur wenn eine solche weitere Betreuung durch andere Träger tatsächlich erfolgt, kann letztlich die Betreuung durch den [X.]n enden. Nur wenn sie sicher vorliegt, rechtfertigt dies die Annahme, dass der vertraglich vereinbarte Zweck auch erreicht werden kann und daher der Bedarf an der Arbeitsleistung iSd. Gesetzes nur vorübergehend besteht.

An einer solchen Darlegung fehlt es. Der [X.] hat lediglich vorgetragen, es gebe Planungen für den Ausbau weiterer Kliniken und es sei noch unklar, wer Träger dieser Kliniken sein solle. Angesichts dessen kann von einem sicher vorhersehbaren Ablauf, an dessen Ende tatsächlich der Wegfall des betrieblichen Bedarfs für die Tätigkeit des [X.] beim [X.]n steht, keine [X.]ede sein.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Zwanziger    

        

        

        

    Spie    

        

    Schuh    

                 

Meta

7 AZR 35/11

15.05.2012

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rheine, 14. Juni 2010, Az: 1 Ca 2005/09, Urteil

§ 14 Abs 1 S 2 Nr 1 TzBfG, § 15 Abs 2 TzBfG, § 17 S 1 TzBfG, § 30 TVöD

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2012, Az. 7 AZR 35/11 (REWIS RS 2012, 6396)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6396


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 7 AZR 35/11

Bundesarbeitsgericht, 7 AZR 35/11, 15.05.2012.


Az. 1 Ca 2005/09

Arbeitsgericht Rheine, 1 Ca 2005/09, 14.06.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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6 Ca 2162/21

4 Sa 334/16

4 Sa 773/14

4 Sa 927/13

5 Sa 616/21

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