Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2012, Az. 5 StR 87/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7348

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5 [X.]/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 12. April 2012
in der Strafsache
gegen

wegen Brandstiftung u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
12. April 2012
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a)
soweit die Anordnung der Unterbringung des Ange-klagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist,

b)
in den [X.] in
den Fällen 1, 7 und 10 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch.

2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in drei Fäl-len sowie wegen Sachbeschädigung in sieben Fällen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verurteilung wegen Brandstif-tung in drei Fällen beschränkten Revision. Das auf die Sachrüge gestützte 1
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Rechtsmittel erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des [X.] legte der Angeklagte neben den sieben rechtskräftig als Sachbeschädigungen ausgeurteilten Brandlegungen zwischen Februar 2009 und Juni 2011 drei Brände, indem er einen Papierstapel in einem Kellerverschlag des auch von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses (Fall 1), den in einem an der Rückwand eines [X.] stehenden Müllcontainer befindlichen Abfall (Fall 7) und im Eigentum anderer Mieter stehende Gegenstände in einem Kellerverschlag eines wiede-rum auch von ihm selbst bewohnten Mehrfamilienhauses (Fall 10) entzünde-te. In allen Fällen entstand aufgrund der vom Angeklagten billigend in Kauf genommenen Flammen-
und Rauchentwicklung erheblicher Gebäudescha-den. Bei Begehung der Taten befand sich der an einer Alkoholabhängigkeit leidende Angeklagte jeweils

zumindest nicht ausschließbar

in erheblich alkoholisiertem Zustand, weshalb die [X.] eine erhebliche [X.] seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB angenommen hat.

Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das sachverständig beratene [X.] mit der Begründung abgelehnt, bei dem Angeklagten bestehe zwar eine Alkoholabhängigkeit, ein Hang im Sinne des § 64 StGB liege jedoch nicht vor. Der Angeklagte sei stets in der Lage gewesen, seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Sein erhöhter Alkoholkonsum sei nicht Ursache, sondern Folge von [X.] und [X.] im Alltag. Er habe zu keinem Zeitpunkt an Entzugserscheinungen gelitten und sei in der Lage gewesen, seinen [X.] aufzuschieben.

2. Die Erwägungen der [X.] zur Ablehnung einer Unterbrin-gung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Ihnen liegt ein zu enges Verständnis des Begriffs des Hanges zu übermäßigem Rauschmittelkonsum zugrunde. Ein Hang im 2
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Sinne des § 64 StGB setzt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhen-de Abhängigkeit
oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Dispo-sition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung voraus, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen, wobei auch das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Absti-nenz dem nicht entgegenstehen ([X.], Beschlüsse vom 9. November 2011

2 StR 427/11

und vom 30. März 2010

3 [X.], [X.], 216; [X.], StGB, 59. Aufl., § 64 Rn. 9 mwN).

Danach lässt sich die Verneinung eines Hanges nicht mit dem vom Sachverständigen festgestellten Alkoholabhängigkeitssyndrom in Einklang bringen: Der Sachverständige hat hierzu weiter ausgeführt, dass sich der Tagesablauf des Angeklagten jedenfalls zum Teil nach seinem Alkoholkon-sum gerichtet habe, die gemessenen [X.] auf eine erhebliche Alko-holgewöhnung hindeuteten, eine gewisse Verwahrlosung des Angeklagten eingetreten sei und dieser bisher nicht mit dem Trinken aufgehört habe, ob-wohl dies seit längerem sein Wunsch sei. Das seitens der [X.] her-angezogene Fehlen einer erheblichen Einschränkung der Arbeits-
und Leis-tungsfähigkeit hindert die Annahme eines Hanges nicht ([X.], Beschluss vom 9. November 2011

2 StR 427/11). Gleiches gilt für die Fähigkeit, den aussetzung des Hanges, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zu-rückgeht; vielmehr ist es auch ausreichend, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt ([X.], Beschluss vom 7. Januar 2009

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StR 586/08, [X.], 137).

3. Neben der Beanstandung der unterbliebenen Maßregelanordnung hebt der [X.] auch die Aussprüche über die [X.] in den von der Revision erfassten Fällen

die wegen der Sachbeschädigungen verhängten, nicht angefochtenen Einzelgeldstrafen bleiben bestehen

sowie den Gesamtstrafausspruch auf, da nicht auszuschließen ist, dass das Land-5
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gericht im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf niedrigere Strafen erkannt hätte. Auf diese Weise wird eine sachgerechte Abstimmung von Maßregel und Strafe ermöglicht. Der [X.] kann zudem nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Beurtei-lung des Hanges auf die Feststellung der Voraussetzungen der §§ 21, 49 StGB, insbesondere auf die Versagung der Strafrahmenverschiebung [X.] hat. Das neue Tatgericht wird deshalb unter Befragung eines Sach-verständigen zu prüfen haben, ob dem Angeklagten die bei Tatbegehung vorhandene Trunkenheit trotz seiner Alkoholabhängigkeit uneingeschränkt vorwerfbar ist und inwieweit er in allen Fällen mit vergleichbaren Straftaten rechnen musste ([X.], Beschlüsse vom 20. April 2005

5 [X.], [X.]R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38,
und vom 27. Januar 2004

3
StR 479/03, [X.]R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 33).

[X.]Raum Schaal

Schneider Bellay

Meta

5 StR 87/12

12.04.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2012, Az. 5 StR 87/12 (REWIS RS 2012, 7348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7348

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 87/12

2 StR 427/11

3 StR 88/10

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