Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2020, Az. 5 StR 493/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1531

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Annahme eines Hangs


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2019 aufgehoben

a) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.2 der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe und

b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

4. [X.] wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in sieben tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen Sachbeschädigung in vier tateinheitlichen Fällen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass der Angeklagte in den Fällen II.1 und II.2 nicht wegen (schwerer) [X.]stiftung oder jedenfalls eines diesbezüglichen Versuchs schuldig gesprochen, nicht in einer Entziehungsanstalt untergebracht sowie hinsichtlich des Anklagevorwurfs einer am 8. Mai 2018 begangenen weiteren Tat freigesprochen worden ist. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus dem [X.] ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist im vollen Umfang begründet und führt zur Aufhebung des Urteils samt den Feststellungen.

A.

2

Das [X.] hat zu den Fällen II.1 und II. 2 der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

3

1. Der mehrfach und auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte entzündete am 1. Februar 2018 im [X.]raum des von ihm mit seiner Lebensgefährtin bewohnten Mehrfamilienhauses mittels offener Flamme im eigenen [X.]abteil einen mit Federbetten gefüllten Plastikbeutel seiner Lebensgefährtin. Weiterhin versuchte er, in fremden [X.]boxen unter anderem Kartons sowie im [X.]gang stehende Autoreifen in [X.] zu setzen. Als er erkannte, dass „die Flamme“ selbständig weiterbrannte, verließ er vorübergehend das Haus. Nachdem er kurze [X.] später zurückgekehrt war, traf er auf einen vor dem Hintereingang des Wohnhauses stehenden Hausbewohner, der bereits auf [X.]geruch aufmerksam geworden war. Der Angeklagte schaute, Unwissenheit vortäuschend, im [X.] nach, erkannte den von ihm verursachten [X.]herd hinter der [X.]tür und alarmierte telefonisch die Feuerwehr.

4

Infolge des [X.] gelangten über die Abluftanlage [X.]gase in die Küchen und Bäder der im Erdgeschoss liegenden Wohnungen zweier Mieter, die vorübergehende körperliche Beeinträchtigungen erlitten. Diese Gesundheitsschäden hätte der Angeklagte vorhersehen können. Im [X.] lagerte sich Ruß ab. Die an der [X.]decke verlaufenden Elektroleitungen und Abwasserrohre sowie verschiedene im Eigentum von Hausbewohnern stehende Gegenstände wurden durch Feuer, Hitzeeinwirkung und Löscharbeiten beschädigt oder zerstört. Der Gesamtschaden, der durch den [X.] einschließlich erforderlicher Reinigungsarbeiten und einer Erneuerung von Versorgungsleitungen verursacht wurde, betrug gut 24.000 Euro. Noch am selben Tag wurden Notreparaturen durchgeführt, so dass es nicht zu [X.] der Wohnungen kam. Den durch brandbedingte Beschädigungen ihrer [X.]boxen betroffenen Mietern wurden andere Lagermöglichkeiten im [X.]geschoss zugewiesen (Fall II.1).

5

2. Am Abend des 20. Mai 2018 entzündete der Angeklagte im [X.] desselben Hauses mittels offener Flamme Gegenstände zwischen mehreren [X.]boxen. Anschließend verließ er den [X.]. Ein Mieter alarmierte die Feuerwehr, als er [X.]wolken aus den [X.]fenstern aufsteigen sah. Durch den [X.] wurden die [X.]boxen und der gesamte [X.]eingang komplett und die Wohnungen zweier Mieter eines in demselben Wohnblock befindlichen [X.] über einheitliche [X.] verrußt. [X.] am Gebäude entstanden nicht. Reparaturen an den brandgeschädigten Versorgungsleitungen im [X.] wurden infolge der Ermittlungsmaßnahmen erst zwei Tage später möglich. Die Mieter nutzten ihre Wohnungen allerdings weiter. Auch die beiden von [X.] betroffenen Wohnungen konnten weiterhin bewohnt werden. Die durch brandbedingte Beschädigung der [X.]boxen betroffenen Mieter erhielten andere Unterstellmöglichkeiten im [X.] des Gebäudekomplexes. Es entstand ein Schaden von mehr als 15.000 Euro (Fall II.2).

II.

6

1. [X.] hat die Taten als Sachbeschädigungen, im Fall II.1 in Tateinheit mit zwei Fällen der fahrlässigen Körperverletzung, gewertet. In keinem der Fälle sei eine (schwere) [X.]stiftung verwirklicht worden. Weder habe der Angeklagte einen [X.]raum eines Wohnhauses „in [X.] gesetzt“ noch sei eine vollständige oder teilweise Zerstörung eines Gebäudes durch die [X.]legung eingetreten. Die kurzzeitige Zerstörung von im [X.] verlaufenden Versorgungsleitungen genüge dafür nicht. Auch sei ein Gebäude im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht teilweise zerstört worden, weil der [X.] zwar als zwecknötiger Teil des Wohngebäudes angesehen werden könne, jedoch die Beeinträchtigungen nur kurzzeitig gewesen seien. Die beschädigten Versorgungsleitungen seien im Fall II.1 noch am selben Tag und im Fall II.2 am zweiten Tag repariert worden, so dass die Versorgung der Wohnungen sichergestellt gewesen sei. Eine gewisse Verrußung einzelner Wohnungen habe ihren Gebrauch nicht beeinträchtigt. Die zeitweilige [X.] einzelner [X.]boxen vermöge an dieser Wertung nichts zu ändern, da den Mietern während der Sanierungsarbeiten andere [X.]teile im Gebäudekomplex zur Verfügung gestellt worden seien.

7

2. Für die Annahme eines Versuchs der (schweren) [X.]stiftung fehle es an einem dahingehenden Vorsatz. Dem Angeklagten, der „mit derartigen Situationen bereits Erfahrungen“ gehabt habe, sei der bauliche Zustand des Gebäudes bekannt gewesen. Er habe auch gewusst, dass die [X.]schutztür geschlossen gewesen sei und sich zudem seine Lebensgefährtin zur [X.]zeit im Gebäude aufgehalten habe. Aus diesem Grund scheide auch vorsätzliches Handeln hinsichtlich der im Fall II.1 verursachten Körperverletzungen aus. Zwar habe der Angeklagte solche als Folge seines Handelns erkennen müssen, aber weder gewollt noch billigend in Kauf genommen.

B.

8

Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet.

I.

9

Im Fall II.2 ist die [X.] mit einem Rechtsfehler behaftet, der zur Aufhebung der Einzelstrafe führt. Denn die [X.] hat die Strafe aus einem Strafrahmen mit einer Obergrenze von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe entnommen. Der Strafrahmen der insoweit allein abgeurteilten Sachbeschädigung nach § 303 StGB sieht aber lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), denn der Senat kann trotz der milden Einzelstrafe nicht ausschließen, dass das [X.] bei Anwendung des richtigen Strafrahmens auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

II.

Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des [X.] nach sich. Einer Aufhebung der von den [X.] nicht betroffenen Feststellungen bedarf es zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.

Die [X.] der Maßregel nach § 64 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

Die Begründung, mit der die [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, lässt besorgen, dass sie die Voraussetzungen des § 64 StGB verkannt hat. Die Annahme eines Hangs im Sinne dieser Vorschrift setzt – entgegen der Auffassung des [X.]s – eine Aufhebung oder Einschränkung der Schuldfähigkeit bei Tatbegehung nicht voraus. Dessen ungeachtet bestand nach den Feststellungen Veranlassung, sich näher mit der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auseinanderzusetzen. Nach der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen liegt beim Angeklagten ein unkritischer Alkoholmissbrauch vor. Ferner war ihm bereits in der Vergangenheit eine „Neigung zu Inbrandsetzungen“ unter Alkoholeinfluss zugeschrieben worden ([X.]). Um einer solche Straftaten fördernden Konstellation entgegenzuwirken, war ihm im Rahmen der Führungsaufsicht ein Alkoholverbot auferlegt worden, an das er sich aber nicht hielt. Auch bei den hier gegenständlichen Taten stand der Angeklagte unter Alkoholeinfluss. Auf dieser Tatsachengrundlage liegt die Annahme eines Hangs und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB nicht fern.

C.

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Das Urteil kann wegen unzulänglicher Feststellungen, Lücken und Widersprüchen in der Beweiswürdigung sowie Wertungsfehlern nicht bestehen bleiben.

I.

Zu Fall II.1 der Urteilsgründe:

1. Das [X.] hat in diesem Fall rechtsfehlerhaft eine [X.]stiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint.

a) Im Ansatz zutreffend ist es allerdings davon ausgegangen, dass brandbedingte Schäden in einem Gebäude nur dann die Voraussetzungen einer [X.]stiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der hier allein in Betracht kommenden Variante des vollständigen oder teilweisen [X.] eines Gebäudes erfüllen, wenn die Möglichkeit der Nutzung von Gebäudeteilen wenigstens für einzelne Zweckbestimmungen über eine nicht unbeträchtliche [X.] aufgehoben ist, ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird oder einzelne Bestandteile gänzlich vernichtet werden, die für einen selbständigen Gebrauch des Gebäudes bestimmt oder eingerichtet sind (vgl. [X.], Beschluss vom 26. April 2018 – 4 [X.] mwN). Hierfür genügen brandbedingte Schäden in [X.]räumen von Wohngebäuden, wenn diese für einen gewissen [X.]raum nicht ihrer sonstigen Bestimmung entsprechend verwendet werden können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. April 2018 – 4 [X.]; vom 6. März 2013 – 1 StR 578/12; Urteil vom 17. November 2010 – 2 StR 399/10, [X.]St 56, 94, 96).

b) Die Ausführungen des [X.]s, wonach es nur eine kurzzeitige Beeinträchtigung der Nutzbarkeit der Wohnungen infolge der Beschädigung von im [X.] verlaufenden Versorgungsleitungen gegeben habe und im Übrigen den von brandbedingten Beeinträchtigungen der [X.]boxen betroffenen Mietern andere Unterstellmöglichkeiten zugewiesen worden seien, lassen besorgen, dass es von einem zu engen Begriff des [X.] im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen ist.

Die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit eines [X.]s als Versorgungs- und Aufbewahrungsraum kann den Tatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen, wenn die erforderlichen Reparaturarbeiten infolge brandbedingter Schäden einen nicht unerheblichen [X.]raum in Anspruch nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2010 – 2 StR 399/10, [X.]St 56, 94, 96 [teilweise Zerstörung von [X.]boxen, Leitungen, [X.]türen, Verrußungen]; Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 578/12 [Zerstörung von Stromleitungen und Stromzählern in einem Zählerraum]). Zu Recht beanstandet die Revision insoweit, dass im Urteil konkrete Angaben zu Art und Ausmaß der Zerstörungen im [X.]bereich insgesamt, insbesondere in Bezug auf die Versorgungsleitungen und [X.]abteile fehlen. Offen bleiben auch die hierdurch konkret entstandenen [X.] des [X.]s oder einzelner [X.]räume sowie die Dauer der Reparaturen und der auch dadurch entstandenen Beeinträchtigungen. Die wenigen in den Urteilsgründen hierzu niedergelegten Feststellungen lassen eine revisionsgerichtliche Prüfung nicht zu.

Der bloße Verweis auf andere „Lagermöglichkeiten“, die betroffenen Mietern im „Gebäudekomplex“ zur Verfügung gestellt wurden, und auf die kurzfristige Sicherstellung der Versorgung der Wohnungen mit Wasser und Strom mittels einer Notreparatur steht einer erheblichen Nutzungseinschränkung des [X.]s nicht entgegen. Denn es kommt auf den konkret betroffenen Gebäudeteil und dessen Nutzungseinschränkung an. Dass hier Ersatzraum für die Mieter eines mehrere Wohneinheiten umfassenden Gebäudekomplexes bereitgestellt wurde, ist mithin rechtlich ohne Belang. Nach den Feststellungen waren jedenfalls [X.]boxen und Versorgungsleitungen zerstört oder beschädigt worden. Zudem war ausweislich des [X.]ursachenberichts der gesamte rechte [X.]bereich von [X.]gas betroffen. Die der Eigentümerin entstandenen Kosten für Reparatur und Reinigung beliefen sich auf mehr als 21.000 Euro, was für einen größeren Umfang der erforderlichen Schadensbeseitigung spricht.

c) Auch die Ablehnung des subjektiven Tatbestandes der [X.]stiftung ist rechtsfehlerhaft. Die Annahme der [X.], es fehle an einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten, beruht auf einer nicht tragfähigen Beweiswürdigung. So folgt schon aus den Feststellungen zum [X.], dass der Angeklagte im [X.] willentlich Gegenstände entzündete und die durch den [X.] verursachten Schäden an Einrichtungen im [X.] zumindest billigend in Kauf nahm. Dann liegt aber nahe, dass der Angeklagte bedingten Vorsatz dahin hatte, dass das Feuer bei ungehindertem [X.]verlauf auf benachbarte [X.]parzellen hätte übergreifen und zu einer teilweisen Zerstörung des [X.]s infolge länger dauernder Nutzungseinschränkungen hätte führen können. Dies genügt zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

2. Die auf unzureichenden Erwägungen beruhende Ablehnung einer [X.]stiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat dem [X.] den Blick auf eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen schwerer [X.]stiftung verstellt.

a) Zwar liegen die Voraussetzungen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor. Die festgestellte brandbedingte Beschädigung der Versorgungsleitungen im [X.], die noch am gleichen Tag vorläufig repariert wurden, stellt keine (teilweise) Zerstörung eines Wohngebäudes im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar, da es insoweit an einer Einschränkung der Nutzbarkeit der Wohnungen für eine beträchtliche [X.] fehlt ([X.], Beschlüsse vom 14. Januar 2014 – 1 [X.]; vom 6. Mai 2008 – 4 StR 20/08). Eine unmittelbar auf die [X.]legung zurückzuführende erhebliche Verrußung von Wohnungen, die zu Nutzungseinschränkungen für eine nicht unbeträchtliche [X.] führten (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 14. Januar 2014 – 1 [X.] mwN), ist nach den insoweit [X.] Feststellungen (vgl. zum eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfang [X.], Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 [X.]/16; Beschluss vom 15. Januar 2020 – 2 [X.]) nicht eingetreten.

b) Allerdings kann sich der Angeklagte nach § 306a Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben.

aa) Eine Strafbarkeit nach § 306a Abs. 2 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn der tatbestandliche Erfolg lediglich an nicht unmittelbar dem Wohnen dienenden Gebäuden im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewirkt wird, aber dadurch eine konkrete Gefahr im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB eintritt (MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., § 306a Rn. 48 mwN). Dementsprechend kann sich eine an einem Wohngebäude verübte [X.]stiftung auch dann als schwere [X.]stiftung im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB erweisen, wenn zwar kein Wohnraum, aber ein anderer funktionaler Gebäudeteil durch [X.]legung teilweise zerstört wird ([X.], Urteil vom 17. November 2010 – 2 StR 399/10, [X.]St 56, 94, 96; Beschluss vom 14. Januar 2014 – 1 [X.] mwN). Hierfür genügen auch brandbedingte Schäden in [X.]räumen eines Wohnhauses, wenn diese wegen der Beeinträchtigung für einen gewissen [X.]raum nicht ihrer sonstigen Bestimmung entsprechend verwendet werden können. Die Feststellungen der Kammer zu dieser Frage sind lückenhaft (vgl. hierzu C.I.1.b).

bb) Für eine Gesundheitsgefahr im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB genügen durch [X.]einwirkung verursachte Gesundheitsbeeinträchtigungen (MüKo-StGB/[X.], aaO Rn. 49). So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen befand sich im [X.] des Wohnblocks die Abluftanlage für die in einem Wohnstrang übereinander liegenden Wohnungen. Bei einem [X.] im [X.]bereich konnten sich giftige [X.]gase über die [X.] in Küchen und Bäder ausbreiten. So gelangte [X.]gas auch in die Küchen und Bäder der im Erdgeschoss wohnenden Mieter, die hierdurch körperliche Beeinträchtigungen erlitten.

cc) Nach den Feststellungen der [X.] liegt es nicht fern, dass der Angeklagte auch die subjektive Tatseite des § 306a Abs. 2 StGB verwirklichte. Das [X.] hat den subjektiven Tatbestand der [X.]stiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit nicht tragfähiger Begründung verneint (vgl. oben [X.]). In der Folge hat es sich – aus seiner Sicht konsequent – nicht damit auseinandergesetzt, dass für § 306a Abs. 2 StGB bereits ein [X.] ausreichend ist (MüKo-StGB/[X.], aaO Rn. 58). Dass der Angeklagte die Gefährdung von Mietern infolge der [X.]legung durch entstehende [X.]gase erkannte und billigend in Kauf nahm, ist angesichts seiner Erfahrungen mit [X.] in bewohnten Gebäuden und den hierdurch verursachten Gesundheitsschäden bei den früheren Taten naheliegend. Im Einzelnen:

Nach den im angefochtenen Urteil mitgeteilten Feststellungen zu dem der einschlägigen Vorstrafe zugrundeliegenden Urteil legte der Angeklagte in zwei Fällen im [X.] von Gebäuden Feuer, in einem Fall in einer von ihm selbst und anderen Bauarbeitern bewohnten Pension, wobei es zu Gesundheitsverletzungen von Personen durch [X.]gase kam. Hierbei war dem Angeklagten die Gefährdung von Menschenleben zumindest gleichgültig. Ähnlich lag der Fall hier, da der Angeklagte das Haus nach dem Entzünden der Gegenstände verließ. Angesichts dessen ist zu besorgen, dass die [X.] dem Umstand, dass sich die Lebensgefährtin des Angeklagten zur [X.]zeit im Haus befand, ein zu großes Gewicht beigemessen hat.

Für einen [X.] spricht ferner, dass das [X.] bei der Ablehnung des [X.]stiftungsvorsatzes ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass dem Angeklagten der Zustand des Gebäudes bekannt war. Dann bleibt aber offen, warum ihm die Möglichkeit des [X.]gaseintrags über die Abluftanlage im [X.] verborgen geblieben sein sollte.

3. Sollte sich das [X.] von einer vollendeten (einfachen) [X.]stiftung nicht überzeugen können, wird es einen Versuch der schweren [X.]stiftung nach § 306a Abs. 2 StGB gleichwohl zu prüfen haben. Soweit das [X.] eine Strafbarkeit wegen versuchter (schwerer) [X.]stiftung abgelehnt hat, erweist sich dies aus den oben genannten Gründen als nicht tragfähig.

4. Bei der Prüfung eines Körperverletzungsvorsatzes in Bezug auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der vom [X.]gas betroffenen Mieter wird das [X.] die vorstehenden Maßgaben ebenfalls zu berücksichtigen haben.

II.

Zu Fall II.2 der Urteilsgründe:

Soweit das [X.] in diesem Fall eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines vollendeten oder versuchten [X.] abgelehnt hat, leidet das Urteil unter denselben [X.] wie im Fall [X.] Zwar kam es im Fall II.2 nicht zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung von Mietern; dies steht einem diesbezüglichen Vorsatz des Angeklagten aber nicht entgegen. Über die bereits aufgezeigten Rechtsfehler hinaus hat der [X.] in seiner Antragsschrift zu Recht darauf hingewiesen, dass der Angeklagte schon bei der ersten Tat [X.] in seiner im fünften Geschoss gelegenen Wohnung wahrgenommen hatte. Deshalb lag es nahe, dass er jedenfalls bei der späteren Tat solche Auswirkungen billigend in Kauf nahm, zumal es im Fall II.1 schon zu Gesundheitsbeeinträchtigungen von Mietern gekommen war.

III.

Zur Maßregelentscheidung:

Die [X.] der Maßregel nach § 64 StGB unterliegt auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft der Aufhebung. Zur Begründung nimmt der Senat auf seine Ausführungen unter [X.]. Bezug.

IV.

Zum Teilfreispruch:

Schließlich hält auch der Teilfreispruch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten mit der Anklageschrift eine weitere vergleichbare Tat zur Last gelegt. Danach habe er am 8. Mai 2018 spätabends in einem [X.]raum des vorgenannten Gebäudekomplexes Gegenstände in einer [X.]box mittels offener Flamme entzündet. Der hierdurch verursachte [X.] habe zu starken Verrußungen des gesamten [X.]bereichs und der Wohnungen zweier Mieter sowie zu Beschädigungen der Versorgungsleitungen und abgestellter Gegenstände im [X.] geführt. Für die Mieter der Erdgeschosswohnungen des von ihm bewohnten und des benachbarten Hauses habe die Gefahr des Einatmens von giftigen [X.]gasen bestanden. Insgesamt sei – auch infolge der Löscharbeiten – ein Sachschaden in Höhe von gut 44.000 Euro entstanden.

2. [X.] hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Am Abend des [X.] nahm ein Hausbewohner [X.]geruch und aus der offenen Hoftür quellenden [X.] wahr. Das Feuer war auf eine [X.]legung im [X.] zurückzuführen. Zu diesem [X.]punkt lief der Angeklagte, der schon vor dem Hausbewohner von dem [X.] im [X.] wusste, mit einem Funkgerät herum und teilte auf Nachfrage wahrheitswidrig mit, die Feuerwehr sei bereits informiert und unterwegs. Tatsächlich hatte aber ein anderer Hausbewohner die Feuerwehr alarmiert, was der Angeklagte aber nicht wusste. Während des [X.] gab er sich als „Einsatzleitung“ aus, sprach in ein Funkgerät und befragte herumstehende Personen nach ihren Wahrnehmungen zum [X.]ereignis.

b) Das [X.] hat die für die Annahme einer Täterschaft des Angeklagten erforderliche Überzeugung im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gewinnen können. Zwar habe sich der nicht ausschließbar unter Alkoholeinfluss stehende Angeklagte in der Nähe des [X.]ortes aufgehalten und „vermutlich“ zeitlich die Möglichkeit gehabt, das Feuer zu legen. Auch habe er den [X.] im [X.] verortet. Zudem habe er sich auffällig verhalten, indem er in das von ihm (wie im Fall II.1) mitgeführte Funkgerät gesprochen und umherstehende Personen befragt habe, wodurch sein Drang, sich Bedeutung zu verleihen, dokumentiert werde. All diese Umstände genügten jedoch nicht, um den Angeklagten als überführt zu betrachten, da vernünftige Zweifel an der Täterschaft verblieben. Denn möglicherweise habe sich eine andere Hausbewohnerin im Tatzeitraum im [X.] aufgehalten. Der [X.] habe durch sie oder aber eine gänzlich andere Person gelegt werden können, da die vorangegangenen [X.]ereignisse zu einem Nachahmungseffekt geführt haben könnten.

3. Diese Ausführungen der [X.] lassen besorgen, dass sie überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat.

a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO), dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 30. Juli 2020 – 4 [X.]; vom 3. Juni 2015 – 5 StR 55/15, [X.], 255, 256, jeweils mwN).

Das Tatgericht darf Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 – 5 [X.]/20 mwN). Weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst ist es geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat. [X.] ist die Beweiswürdigung auch dann, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen wird, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können ([X.], Urteil vom 9. Januar 2020 – 3 [X.] mwN).

b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung der [X.] in mehrfacher Hinsicht ungenügend.

Für ihre Annahme, auch ein Dritter habe die [X.]stiftung als Nachahmungstäter begehen können, legt sie keine Anhaltspunkte dar; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Erwägung des [X.]s, als Alternativtäterin komme eine Hausbewohnerin in Frage, die nach Wahrnehmung von zwei anderen Mietern abends in den [X.] und anschließend wieder in ihre Wohnung gegangen sei, erweist sich mit Blick auf die Ausführungen im Fall II.1 als widersprüchlich. Dort hat die [X.] diese Hausbewohnerin mit [X.] Begründung als Verursacherin ausdrücklich ausgeschlossen. Damit hat sich die [X.] bei der Begründung des Teilfreispruchs indes nicht mehr befasst, obwohl ihre Argumentation auch gegen eine Täterschaft der Hausbewohnerin am 8. Mai 2018 gesprochen hätte.

Angesichts dessen hätte das [X.], das im Ansatz erkannt hat, dass die äußeren Umstände der [X.]entstehung am 8. Mai 2018 erhebliche Parallelen zu dem Geschehen bei den Taten II.1 und II.2 aufweisen, die zahlreichen, überwiegend für eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Beweisanzeichen nicht unter bloßem Hinweis auf diese Hausbewohnerin oder einen nur denktheoretisch möglichen weiteren Alternativtäter übergehen dürfen.

V.

Aufhebung der Feststellungen:

Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit der Angeklagte freigesprochen worden war, ist dies bereits deshalb geboten, weil er das Urteil nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte; im Übrigen soll dem neuen Tatgericht eine umfassende, in sich stimmige Entscheidung ermöglicht werden.

[X.]     

      

Berger     

      

Köhler

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 493/19

25.11.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 8. April 2019, Az: 306 Js 28846/18 - 8 KLs

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 64 StGB, § 303 StGB, § 306 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2020, Az. 5 StR 493/19 (REWIS RS 2020, 1531)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1531

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